Sie sind die Ikonen der Frankfurter Travestie-Szene und einander spinnefeind: Rita Peperoni und Babsi Botox.

Zunächst ahnt niemand, dass schon bald der letzte Vorhang für sie fallen wird. Als Folge unglückseliger Unfälle oder womöglich durch geplanten Mord?

Kriminalkommissar Lauber und Marion Rühl, Reporterin vom Frankfurter Express, liefern sich bei der Aufklärung der rätselhaften Ereignisse einen Wettlauf à la Hase und Igel durch die Grauzonen der schlagzeilenträchtigen Main- Metropolen-'Society'.

 

Sibylle Nicolai ist Schauspielerin, TV-Moderatorin und Autorin. Sie lebt in Frankfurt/M. Zu ihren bisherigen Veröffentlichungen zählen das Koch- und Lesebuch »99 rote Rezepte«, der Politroman »Wer wählt, wird Millionär«, zahlreiche Hörspiele sowie die Komödie »Die Revolte von Rumpelstilzchen & Co. oder Die Vergrimmbesserer«.

 

Mehr über Sibylle Nicolai unter: www.sibylle-nicolai.de

 

 

 

 

Sibylle Nicolai

Pneumatischer Busen &

'n Bembel voll Baileys



Frankfurter Kriminalroman














 

 

 

 

 

 

 

Eventuelle entfernte Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind - wenn überhaupt - rein zufällig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

CharlesVerlag, Mathias Müller & Marcel Dax GbR, Frankfurt am Main, alle Rechte vorbehalten, eine Veröffentlichung, auch in Auszügen, ist nur mit Genehmigung des CharlesVerlag gestattet. www.charlesverlag.de

Druck: Booksfactory

ISBN 978-3-940387-61-5

 

1. Auflage 2018

 

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.dbb.de abrufbar

 

Die Protagonisten

Rita Peperoni (Kurt Schuster) 64. Langer, dünner Lulatsch und schlappmäulig-leutselige Marlene Dietrich-Doublette mit Arthrose in den Knien.

Verpartnert mit:

Lola Fox (Roman Hold), 49. Schminkwunder mit verblüffender Verwandlungspalette und permanent hohem Nervositätspegel. Hat neuerdings Figurprobleme.

Gemeinsam Stars der Travestie-Bühne »Ritas World« im Gewerbegebiet von Frankfurt-Fechenheim.

Ensemblemitglieder:

Chouchou (Mischa Kalnikow, gebürtiger Ukrainer), 24. Reizvolles Flittchen.

Soeren Schröter, 32. Gelernter Schaufensterdekorateur, 'Mädchen' für Alles, speziell fürs Grobe. Erinnert optisch an den jungen Alain Delon.

*

Babsi Botox (Manfred 'Manni' Nattermann), 48. 'Kugelblitz' und explosives Lästermaul. Körpergröße: 1,68 m, Gewicht: plus/minus 100 Kilo. Im Gegensatz zu Rita Peperoni selbst-darstellerischer Einzelkämpfer.

Sein Lebensgefährte:

Lutz Thorwald, 41. Gelernter Elektroinstallateur. Wortkar-ger Fitness-Freak, Babsi in unverbrüchlicher Liebe ergeben.

 

Zusammen mit:

Kostja Winter, 25, Garderobier, und Dirk Freese, 21, Bar-keeper, betreiben sie das »Transania« im Stadtteil Preungesheim nahe der Justizvollzugsanstalt.

*

Achim, Dennis, Chris u. v. a. Friends & Followers von Babsi.

*

Marion Rühl, 50. Reporterin beim Frankfurter Express. Alleinstehende Kettenraucherin.

*

Die »Promis« der Frankfurter Szene:

Hanni, Heidi und Henni, One-Hit-Wonders des vergange-nen Jahrtausends und trotz ihres Gesamtalters von 216 Jahren noch immer als »Die Müller-Mädels« (Spitzname: 'Drei-Faltigkeit') auf jeder lokalen Fête schrill präsent.

 

Will Wüstenhagen, 61. Hypochonder. Hat als einstiger Star im Regional-TV wahrlich bessere Zeiten gesehen. Hadert wehleidig mit seiner abschüssigen Popularitätskurve und dem desaströsen Ergebnis seines Facelifts.

 

Rena Ravel (bürgerlich: Renate Ramm), Alter ungewiss, weil Hyaluron-Ganzkörper-unterspritzt. Kennt jeden und ist über-all dabei.

 

Oliver Mutz, 38. Selbstdarsteller. Will unbedingt Ober-bürgermeister werden.

 

Sissi Blum, seit Jahren 29. Fotomodell. Kämpft mit allen Mitteln um mediale Aufmerksamkeit.

 

Rudi Knoll, Präsident des Fassenachts-Vereins Kalbacher Käwwern, und Frau.

 

Gerhard Sander, Direktor der Boulevard-Bühne Bocken-heim, und Gattin Ilona.

 

Gianluca di Meo, 25. Fußball-Adonis von Harmonie Frankfurt.

 

Volker Kapell, 43. Sich knallhart selbst vermarktender Krimiautor. Sein aktueller Reißer: »Aufzug zum Bankrott«.

 

Pamela Rink, 36. Seriendarstellerin in der Telenovela »Schrei nach Liebe«.

*

Die Ermittler:

Kriminaloberkommissar Lauber, 62. Verknautschter Griesgram mit Schalk im Nacken.

Kommissar Rosentreter, 44. Unfreiwilliger Junggeselle. Von Kopf bis Fuß pfanniknödelfarben.

 

Kommissarin Lieberknecht und Kommissar Zech

 

Tanja Klaucke, 33. Sekretärin von Hauptkommissar Lauber. Empathische Hübschheit.

*

Freitag, 30. Dezember 2011, 20.14 Uhr.

Rita's World, Ferdinand-Porsche-Straße, Fechenheim

»Diesen Refrain, Ihr Süßen, widme ich unserer ganz spe-ziellen Freundin B. B. aus P. - neuerdings auch Küchenfee«, juchzte Lola Fox alias Tina Turner, schüttelte exaltiert den gesträhnten Haarmopp, der sich über ihrem Gesichtsgemälde türmte, zwinkerte hinüber zum Vip-Tisch und fädelte sich wieder ein in das noch immer laufende Playback von Simply the best:

»Du bist voll die Pest,

du gibst mir noch den Rest, wie du mich dauerstresst,

bist du der Hä-ärtetest. - Und jetzt Alle!«

»Du bist voll die Pest«, trompetete Hanni von den Müller- Mädels. Das Frettchen, das zu einem kleinen Fellknäuel ein-gerollt in ihrem Schoß lag, war diese Art von Ausbruch of-fenbar gewohnt. Es hob nur kurz das Köpfchen, dann döste es weiter.

Jetzt stimmten auch Hannis Drillingsschwestern Heidi und Henni mit ein und wippten mit ihren karottenfarbenen Kunsthaarzöpfen. Es war nicht zu überhören, dass summa-summarum 216 Lebensjahre an den Stimmbändern ihrer Drei-Faltigkeit nicht spurlos vorüber gegangen waren.

Will Wüstenhagen, dessen große Zeit als Star des TV-Sen-ders Kanal Hessen auch der Vergangenheit angehörte, grins-te schief und begann ebenfalls, wenn auch etwas schräg, mit zu singen.

Hätte Lola sich das nicht verkneifen können? fragte sich Marion Rühl. Sie war heute Abend ausnahmsweise mal pri-vat und nicht als Klatschkolumnistin für den Frankfurter Express in Rita's World und schaute die anderen Vier am Promi-Tisch an.

Rudi Knoll, Präsident der Kalbacher Käwwern, bemerkte

aus dem Augenwinkel, dass sie ihn musterte, und gab vor, in den Anblick seines Bierglases vertieft zu sein. Seine Gattin guckte irritiert durch ihre Brillengläser.

Gerhard Sander, der Direktor der Boulevard-Bühne Bockenheim schnipste feixend mit den Fingern im Takt. Seine Frau Ilona nestelte in ihrer Handtasche.

Das zahlende Publikum in Ritas plüschigem Fechenheimer Travestie-Panoptikum wirkte etwas überfordert. Dieser Ap-pell zum Mitsingen war ein Insidergag, den außer den neun Ehrengästen am Tisch rechts vorn keiner verstand. Doch mit der Verständlichkeit haperte es bislang in dieser Show ohne-hin ein bisschen, da Lola schon seit ihrer Begrüßungs-Conférence ein nahezu zungenbrecherisches Tempo vor-legte.

Unter Lolas Perücke herrscht mal wieder Adrenalinalarm, dachte Marion, nur weil sie meint, für ein paar Frankfurter C-Promis eine Sonder-Einlage geben zu müssen. Sie kannte Lola und Rita seit Jahren, fand sie liebenswert in ihrer über-spannten Art und warb für Rita's World, wann immer im Express ein Plätzchen frei war. Seit Lola jedoch keine Gele-genheit mehr ausließ, gegen Babsi Botox zu stänkern, hatte ihre Zuneigung einen kleinen Knacks bekommen.

Der Song war zu Ende. Vor Lolas Reklamelächeln für Zahn-Bleaching wallte der nachtblaue, mit fluoreszierenden Sternchen übersäte Vorhang zusammen. Der Applaus der Zuschauer war enden wollend. Nur die Müller-Mädels trom-melten mit ihren Händen auf die Tischplatte, dass die Gläser tanzten, und quietschten vor Vergnügen: »Da capo!«

Als der Vorhang sich wieder öffnete, hatte im Zentrum der Bühne Chouchou Position bezogen. Auf dem Kopf trug sie eine mit Flaumfedern dekorierte Bademütze. Ihr zartglied-riges Körperchen steckte in einem schwanenweißen Trikot, die Körpermitte war umwölkt von einem weißen Tutu, und in Busenhöhe zeichneten sich zwei mandarinenkleine falsche Brüstchen ab. Chouchou breitete graziös ihre weiß bedressten Arme aus, an denen flügelgleich weiße Schwungfedern zitterten, und aus den beiden Lautsprechern neben der Bühne ertönte die Musik zum Tanz der vier kleinen Schwäne von Tschaikowski.

Chouchou ging ins Plié, dann ins Développé - und erst jetzt wurden die Zuschauer gewahr, dass sie an ihren Füßen schwarze Gummi-Schwimmflossen trug.

Zur gleichen Zeit in der Wohnung von Babsi Botox und Lutz Thorwald, Rat-Beil-Straße

Der Plastikbecher knisterte in Achims Hand. Die weißen Rillen hatten sich zu Wellen verformt. Das 'A' seines Na-mens, den Achim mit Filzstift auf den Becher gemalt hatte, hinterließ bereits einen Abdruck auf seinem Daumen. Er hätte den Becher gern abgestellt. Aber wo?

Jeden Fleck, der in dieser 3-Zimmer-Wohnung zum Sitzen oder Anlehnen taugte, hatten rund 40 Geladene für sich re-krutiert. Die anderen zirka 180 Gäste standen dicht wie die Kolben in einem Maisfeld in Flur, Wohn- und Esszimmer herum. Nur die Raucher unter ihnen trotzten in engem Schulterschluss der Dezemberkälte auf dem Balkon mit Blick auf den Hauptfriedhof.

Wenn ihm sein Becher abhanden kam, das wusste Achim von Babsis B-Days der vergangenen Jahre, konnte er nur noch Bier aus der Flasche trinken. Beim Gastgeber einen neuen zum Nachtanken des auf dem Balkon deponierten Weins zu erbetteln, war aussichtslos.

Zum einen weil Babsi sich stets hinter der Theke seiner von 'Frühbuchern' übervölkerten Küche verschanzte, und kein Gast, der ein paar Minuten zu spät eintrudelte, ihn vor Mitternacht zu Gesicht bekam. Zum anderen weil er - laut Personalausweis: Manfred Nattermann - seit er vor einem halben Jahrzehnt beschlossen hatte, von jedem 30. auf den 31. Dezember den Jahrestag seiner Babsi-Botox-Werdung zu feiern, die Parole ausgegeben hatte: Ein Becher pro Pappnase reicht!

Und so bekam jeder schon an der Wohnungstür nebst Becher den obligatorischen Filzstift von Lutz, Babsis Männe, in die Hand gedrückt, um das Plastikteil mit seinem Namen oder einem persönlichen Kürzel unverwechselbar zu machen.

»Die Jacken und Mäntel«, pflegte Lutz mit stoischer Miene hinzu zu fügen, »schmeißt ihr aufs Bett im Schlafzimmer. Hier gleich rechts neben dem Klo.«

20.29 Uhr. Rita's World

»Ich mach mir gleich vor Lachen in die Hose«, flüsterte ein graumelierter Zuschauer in Jeans und Karohemd der fülligen Blondine an seiner Seite zu. Die gluckste in sich hinein. In Ritas Tollitäten-Tempel gackerte, wieherte und meckerte es wie auf dem Bio-Bauernhof.

Dabei mühte Flossenfüßler Chouchou sich rechtschaffen, die klassische Schwanensee-Choreographie nachzuempfin-den. Was sie dabei mit ihren grazilen Ärmchen veranstaltete, hätte einer Primaballerina durchaus zur Ehre gereicht. Nur südlich ihres Tutu herrschte das vollendete Chaos. Aller-liebst lächelnd holperte und stolperte sie durch ihr Tänzchen. Verhakte, verhedderte, verknotete sich mit ihren auf dem Bühnenboden schmatzenden Gummilatschen. Schwankte, wackelte, drohte zu straucheln. Fing sich wieder und setzte erneut an zu Arabesque, Chassé, Ballotté oder Assemblé, während eine Schmuckfeder nach der anderen von ihren Ärmchen segelte - und landete exakt mit dem Schlussakkord unsanft auf dem Po.

»Pardauz, da isses auf'n Purzel gebürzelt... äh... Bürzel ge-purzelt, unser Schwanheimer Schwänche«, flötete Lola, stöckelte aus der linken Gasse kommend auf die Bühne und pflückte einige der Federn auf.

»Und in der Mauser isses auch noch, unser komisches Vögelche. Betätigt ihr jetzt bitte eure Flossen, Freunde, und spendet Chouchou einen donnernden Applaus!«

Sie hatte sich von Tina Turner in Sonya Kraus verwandelt und trug nun eine blonde Langhaarperücke und ein tollkühn dekolletiertes pinkfarbenes Abendkleid.

Das Publikum johlte und pfiff begeistert.

Chouchou hatte sich inzwischen wieder hoch gerappelt, lä-chelte süß, knickste unbeholfen und watschelte, begleitet von frenetischem Applaus, zerrupft von dannen.

»Ach, diese blühende Jugend.« Lola sah ihr schmachtend hinterher und seufzte. »Ich bin unter meinem Fummel komplett eingewickelt in Frischhaltefolie und fühl mich trotzdem wie 'n Presssack kurz vorm Verfallsdatum. Tja, wir Blondinen neigen halt dazu, in die Breite zu gehen - in die Tiefe gehen können wir ja nicht, gell?« Lola grinste in Richtung der blonden Zuschauerin neben dem Karohemd-Mann.

»Warum schüttet eine Blondine 'n Eimer Wasser über ihren PC?« Lola gickelte. »Weil sie surfen will.« Sie musterte ihr Opfer: »Du machst das doch so, oder? Wie heißt du?«

»Rosi«, piepste die Zuschauerin verdruckst.

»Ah, von der Rosi muss ich euch was erzählen, Freunde!« plapperte Lola. »Die Rosi hat Urlaub gemacht am Nil, ist mit ihrem Leihwagen ins Schleudern geraten und im Fluss gelandet. Und sofort sind drei Krokodile auf sie zu ge-schwommen. Aber die Rosi hat sich ganz doll gefreut und gejubelt: Wow, Rettungsboote von Lacoste

 

 

 

20.45 Uhr. Wohnung von Babsi und Lutz

»Wie auch immer du heißt, kennst du hier irgendwen?« fragte Achim ein smarter, solarium-gebräunter Knabe. Er trug eine sorgfältig mit Hair Wax modellierte Frisur.

»'N paar«, antwortete Achim und sah in zwei blaue Augen, die von ungewöhnlich langen, dunklen Wimpern bewaldet waren.

»Es gibt so 'n festen Kern, der jedes Jahr hier aufkreuzt. Zum Beispiel das verwelkte Pärchen da vorn. Das sind die Wohnungsnachbarn. Die sind immer eingeladen, damit sie sich nicht über den Krach beschweren können. Und wenn du nach rechts guckst, siehst du Dirk und Kostja. Die arbeiten backstage im Transania. Außerdem meine ich mitgekriegt zu haben, dass auch Oliver Mutz kurz vorbei geschaut hat.«

»Der metrosexuelle OB-Kandidat?«

»Ja. Für 'ne Hete ist der ziemlich hip. Ist aber, glaub ich, schon wieder weg. Und vorhin hab ich im Stau an der Kü-chentür auch noch Rena Ravel gesehen....«

»Rena who?«

»Die ist doch dauernd in der Zeitung. Ist so 'ne Party-Ikone, turnt auf jeder Fête in Frankfurt rum. Markenzeichen Leolook - von Schälchen bis Schühchen.«

»Ähä. - Also mir kommt das hier 'n bisschen vor wie 'n Flashmob«, rätselte der Hübsche. »Babsi hab ich den ganzen Abend noch nicht entdeckt. Ich kenn ihn auch gar nicht persönlich. Du schon, oder?«

»Ja, ja. Sogar noch aus der Zeit, als er Kassierer war bei Schlecker

»Kassierer bei Schlecker? Echt?!« Achims Gegenüber klim-perte ungläubig mit den Wimpern.

»Da war er aber noch der Manni, war mindestens zwanzig Kilo leichter und trotzdem schon das Vollweib unter den Schlecker-Frauen.«

»Das gibt’s nicht. Wie lang ist 'n das her?«

»Äh, ich schätze, so zehn, elf Jahre«, überlegte Achim.

»Wahnsinn. - Tja, und passiert hier heut noch irgendwas?«

»Klar. Wie immer kurz vor zwölf legt Lutz - das ist der Freund von Babsi. Der hat das Empfangskommité gemacht, als du rein gekommen bist - «

»Ach, der blässliche Macker mit den Muckis? Der ist aber 'n bisschen komisch, oder?«

»Nö, der steht nur nicht so auf das ganze Bohai. Ich hab immer das Gefühl, er hätt den Babsi lieber für sich allein.« Untenrum, ging Achim durch den Kopf, hält der Schnuckel leider nicht, was er oben verspricht. Hat 'n Hintern wie 'ne Frau.

»Wo war ich stehn geblieben?« fuhr er fort »Ach, so. Kurz vor zwölf legt Lutz Babsis CD Tucken-Tango im Transit-bereich auf. Das ist für alle das Signal, sich aufzustellen, damit sie Babsi die Honneurs machen können. Babsi steht dann immer hinten im Wohnzimmer, und die Schlange zieht sich vom Balkon, durchs Esszimmer über den Flur bis vor zu ihm.«

»Und was macht und sagt man dann so?«

»Ei, du machst 'ne Verbeugung oder so 'ne Art Hofknicks und sagst ihm, dass du ihn toll findest.«

21.05 Uhr. Rita's World

»Wen hat die Lola denn vorhin gemeint mit 'B. B. aus P.'?« fragte Frau Knoll ihren Mann in der Pause.

Marion und die anderen Ehrengäste hatten sich im Foyer von Rita's World an der von einem bordeauxroten Taftvolant ummäntelten Bar versammelt, über der ein Geschwader pummeliger Engelchen baumelte.

»Ei, den Babsi Botox aus Preungesheim«, antwortete Rudi Knoll. »Den kennst du doch. Der tritt doch auch immer im Fummel auf.«

Hinter Knolls Rücken fingerte Will Wüstenhagen an sei-nem semmelblond gefärbten Resthaar herum und schilderte Anteilnahme heischend Theaterdirektor Sander und dessen Gattin die aktuelle Befindlichkeit seiner Gallenblase.

»Ist das dieser Babsi«, dämmerte es Frau Knoll, »der sich schon ein paar Mal bei den Fidele Bernemer als Faschings-prinzessin beworben hat?«

»Ja. Der Kugelblitz. Der hat doch 'n eigenen Laden. In der Homburger Landstraße, glaub ich. Nicht weit von der Justiz-vollzugsanstalt. Transania heißt der Schuppen, wenn ich mich nicht irre.«

»Das hat sich aber so angehört, als wär die Lola ziemlich sauer auf ihn.«

Rudi Knoll senkte die Stimme und flüsterte: »Tuntenkrieg, vermute ich.«

»Und wieso hat sie dann auch noch was von Küchenfee gesagt?«

»Weil dieser Mister Wichtig letzthin beim Perfekten Promi Dinner mitgemacht hat«, mischte sich jetzt Hanni ein.

»Wann soll das gewesen sein?« Frau Knoll rückte skeptisch ihre Brille zurecht. »Das guck ich doch immer.«

»Es ist ja noch nicht gesendet worden«, beeilte sich Heidi zu erklären.

»Woher wissen Sie das dann?« Frau Knoll bemühte sich nicht zu verhehlen, dass sie den quirligen Müller-Mädels mit den rotweiß geringelten Strümpfen unterm lila Hängerkleid-chen nicht eben grün war.

»Weil Marion über die Dreharbeiten berichtet hat.« Henni schüttelte verständnislos den Kopf über soviel Uninformiert-heit. »Lesen Sie denn nicht den Frankfurter Express

»Doch«, warf Frau Knoll beleidigt zurück. »Aber nicht, wenn ich bei unserm Sohn in Koblenz bin.«

»Als wir beim Promi Dinner waren«, wandte Heidi sich jetzt vorwurfsvoll an Marion, »hast du erst drüber geschrieben, als sie's schon ausgestrahlt hatten. Dabei waren wir der Knaller!«

»Wir haben beim Kochen die ganze Zeit gesungen Kunibert, Kunibert, komm an meinen Küchenherd«, trällerte Hanni.

»O, Gott, das hab ich gesehen.« Frau Knoll verdrehte die Augen. »Wann waren Sie mit dem Lied in der Hitparade? 1950?«

»Ihr habt mich ja viel zu spät informiert«, verteidigte sich Marion. »Babsi hat sofort angerufen, als er eingewechselt worden ist.«

»Eingewechselt!?« fragte Henni erregt.

»Na, ja, er war doch so 'ne Art Notbesetzung. Eigentlich sollte ja Sieglinde Trebing mitmachen.«

»Ah. Die ehemalige Fernsehansagerin!« Frau Knoll zeigte auf den barocken Bilderrahmen an der Wand hinter der Bar, in dem alle Promis von Indira über Jenny Elvers-Elbertz-hagen bis zu Markus Schenkenberg verewigt waren, die sich jemals in Rita's World verirrt hatten. »Da hängt sie doch.«

»Genau. Aber einen Tag vor Drehbeginn ist sie daheim beim Wohnungputzen auf dem feuchten Boden ausgerutscht und hat sich 'ne Platzwunde am Kopf zugezogen. Da hat die Produktion händeringend nach Ersatz gesucht, und irgend-wie sind sie auf Babsi gekommen.«

»Der mischt aber auch überall mit«, zischte Heidi.

Tick, Trick und Track, die Frettchen der Drei, waren auf einem Barhocker zwischengelagert und dämmerten vor sich hin.

»Ich muss ihm aber attestieren«, gluckste Marion, »er hat die Tischrunde echt gerockt.«

»Wer waren denn die anderen?« wollte Frau Knoll wissen.

»Diese Pamela… äh... Dingenskirchen, die die Intrigantin spielt in Schrei nach Liebe, dann der Schiebermützen-Typ, der diese Krimis schreibt, bei denen es immer um Finanzhaie und Obdachlose und so was geht, und Gianluca di Meo, dieser Star-Kicker von Harmonie Frankfurt. Das stand aber alles schon im Express«, patzte Henni sie an.

»Was du aber nicht geschrieben hast, Marion«, hakte Hanni nach, »ist, ob Babsi überhaupt kochen kann.«

»Kann er nicht«, kicherte Marion. »Doch er hat sein unge-nießbares Essen erst als Cindy aus Marzahn und dann als Beth Ditto so abgefahren serviert, dass alle sowieso keinen Bissen runter gekriegt haben vor Lachen.«

»Was gab's denn?« fragte Frau Knoll.

»Erst 'ne Spargelsuppe aus der Tüte mit Fruchtgummi-Lutscher als Einlage. Dann bunte Nudeln in Penisform mit Tomatenketchup. Und als Nachtisch Lachsack. Das war 'ne

Minibanane mit zwei Kugeln Erdbeereis.«

Frau Knoll verzog den Mund: »Pfui Deibel!«

»Der zweite Teil vom Programm ist angerichtet!« unter-brach Soeren Schröter, Ritas Mädchen für alles, das Palaver und klatschte in die Hände. In seinem roten Anzug mit dem kurzen Jäckchen sah er aus wie eine Mischung aus Liftboy und Platzanweiser im Zirkus. »Darf ich die Herr- und Damenschaften höflichst bitten!«

21.30 Uhr. Wohnung von Babsi und Lutz

»Bin gespannt wie Schlüppergummi, wann Gianluca kommt.« Babsi warf einen Blick auf die Küchenuhr in Form eines Spiegeleis, die an der Wand hing. »Der leckerste It-Boy der Bundesliga und mein aktueller Knallbonbon!«

Eingekreist von etwa einem Dutzend seiner Hardcore-Jün-ger, throhnte Babsi wie ein Buddha hinter seiner Küchen-theke und nippte an einem Glas Baileys. Sein schwarzes Ka-puzensweatshirt, auf dem in neongrünen Lettern Strapsodie in Blue prangte, der Titel seines laufenden Programms, wölbte sich über seinem Kugelbauch. »Hat eigentlich schon

einer den Volker gesehn? Den hab ich nämlich auch eingela-den.«

»Welchen Volker?« fragte René.

»Ei, der war doch auch mit mir beim Promi Dinner und hat mir vor laufender Kamera versprochen, dass ich in seinem nächsten Krimi drin bin. Wär das nicht geil: Ich als Meuchelmörderin?«

»Ach, du meinst den Volker Kapell?« erriet Dennis. »Der diesen Banker-Thriller geschrieben hat Aufzug zum Bankrott. Der ist doch grad, hab ich gehört oder gelesen, in Ri - «

»Schnauze!« fauchte Babsi und funkelte ihn gefährlich an.

»ga! Kann aber auch Vilnius sein. - Sag mal, haste se noch alle? Was fetzt 'n mich so an. Ich bin 'n Wunschkind!«

»Du weißt ganz genau...« Babsis Blick flackerte bedroh-lich. Die rotblonden Löckchen auf seinem runden Schädel bebten.

»Gar nix weiß ich!« Dennis zuckte mit den Achseln und schaute verständnislos zu Chris.

»Äääh... Ich geh mal gucken«, fiel Chris ein, und er begann, Richtung Küchenausgang zu drängeln, »ob im Esszimmer noch eins von deinen Mettwurstbrötchen rum liegt, Babsi. Die müssten jetzt schön matschig sein. Lasst mich mal durch! - Komm mit«, raunte er Dennis zu.

»Pass auf, Mensch!«, mahnte er diesen, als sie sich bis ins Esszimmer durch gekämpft hatten. »Du darfst bei Babsi nichts sagen, was nach Rita oder Fechenheim klingt. Dann geht er an die Decke!«

»Ich hab Riga gesagt.«

»Ist doch egal. Auch Rigatoni, Rhinozeros, Riesenrad, Riesling, Rizinus oder Riesterrente - alles tabu!«

»Das ist ja komplett bekloppt!«

»Ja. Aber Babsi hasst halt die Rita und ihren Fechenheimer

Clan wie Pest und Cholera.«

»Seit wann denn?«

»Ach, das hat sich irgendwie in diesem Jahr so hoch ge-schaukelt. Deshalb sag auch bloß nie so Wörter wie Fächer, fesch oder Fashion, wenn er dabei ist. Sonst kriegst du ent-weder gleich eine gescheuert, oder die Stimmung ist den ganzen Abend im Keller.«

»Mei Nerve!« stöhnte Dennis.

»Ah!« Chris hielt das Thema für beendet. »Da ist ja Lutz.«

Unbewegten Gesichts versuchte sich Lutz soeben mit einer Packung Zigaretten in der Hand gen Balkon durch zu schlängeln.

»Na, Junge«, rief Chris ihm zu. »Leidest du mal wieder vor dich hin?«

»Nö, wieso?« nölte Lutz, wandte sich ab und prallte gegen Rena Ravel.

»Hey, gib doch acht!« beschwerte die sich. »Jetzt hast du meine Tasche runter gerissen. Tritt nicht auch noch drauf! Das ist meine teure Louis-Vuitton-Clutch!«

»Sorry«, brummelte Lutz, tauchte zu Boden, fischte aus dem Wald von Beinen, der ihn umgab, Renas Täschchen und drückte es ihr in die Hand. »Ist übrigens 'n Fake, dein Louis Karton.« Damit schob er weiter via Balkontür.

»So ein Stoffel«, schmollte Rena.

Dennis schüttelte den Kopf: »Der macht mal wieder voll einen auf Spaßbremse.«

»Lutz stinkt's, und irgendwie kann ich das verstehn«, mein-te Chris. »Er liebt den Babsi über alles und reißt sich für ihn den Hintern auf. Aber Babsi zieht nur noch sein eigenes Ding durch, ist manisch drauf fixiert, die Fechenheimer Konkurrenz platt zu machen. Und Lutz guckt in die Röhre, funktioniert halt so vor sich hin. Dabei waren die mal so 'n tolles Couple: Babsi, die Rampensau, und Lutz, der Schaumgebremste, der Babsi geerdet hat. - Ey!« protestierte er. Soeben hatte er einen fremden Ellbogen in die Rippen gekriegt. »Herrgott, hier herrscht 'n Geschubse wie im Apple Store in der Fressgass, als das neue iPhone raus gekommen ist. Gehn wir zurück in die Küche - falls wir da überhaupt wieder rein kommen.«

»Schau mal.« Dennis deutete auf einen schütter semmel-blond behaarten Hinterkopf inmitten des Getümmels im Flur. »Ist das nicht Will Wüstenhagen?«

»Wiwü?« wunderte sie Chris. »Ich hab gedacht, mit dem wär Babsi verkracht...«

21.40 Uhr. Rita's World

»Oops!...I Did It Again!«

Mit ihrem Britney-Spears-Medley hatte Chouchou die Zu-schauer in Festzelt-Stimmung versetzt. Nun warf sie Kuss-händchen ins Publikum, wackelte aufreizend mit ihrem Mi-niatur-Po und verschwand hinter einer wattig aufwallenden Trockeneis-Wolke.

Als der Nebel sich wieder zu lichten begann, gab er die Sicht frei auf das traditionelle Zentralereignis des Abends: Rita Peperoni.

Ritas hagerer Körper war eingenäht in einen Schlauch aus silbernen Pailletten. Eine circa fünf Meter-Stola aus Straußenfedern kaschierte ihr knochiges Kreuz, und blonde Kunsthaarwellen umspielten ihre herben Züge. Mit ihrer Rechten führte sie eine Zigarettenspitze von der Länge eines Schaschlikspießes an ihre pfefferschoten-roten Lippen.

»Kinder, heut Abend, da such ich mir was aus«, begann sie in sonorem Bass-Bariton und schien lasziven Blickes zu ta-xieren, welcher Zuschauer an den vorderen Tischen in Kürze fällig sein würde, »einen Mann, einen richtigen Mann!«

Ein Herrentrio halb links, von dumpfer Ahnung befallen, nahm stocksteife Haltung an und lachte verkrampft.

»Ei, doch keiner von euch!« unterbrach Rita ihren Gesang und grinste. »Ich seh ja, wie schlapp eure Schlipse hänge. Da will ich gar net wisse, wie's unner der Tischkante bei euch ausschaut. - Wisst ihr, was Mut ist? Wenn einer von euch in der Badehos in die Oper geht. Was ist Übermut? Wenn er die Badehos an der Garderobe abgibt. Und was ist Schlag-fertigkeit? Wenn die Garderobiere fragt: 'Wolle se den Knirps net auch noch abgebe?' - Ah, und du, Bubche«, ohne einen Blick darauf zu verschwenden, wie die soeben Angesprochenen sich vor Verlegenheit wanden, hatte Rita jetzt einen von Akne gesprenkelten Jugendlichen im Visier, der mit seiner kleinen, farblosen Freundin Händchen haltend an einem der mittleren Tische saß. »Du brauchst auch kei Angst zu habe. Dich hab ich doch net auf 'm Kieker, Herzebebbesje. Bin ja kein Kinderschänder. - Wieso hast 'n du noch Pickel, wenn de doch e Mädche hast? Als ich so jung war wie du, warn die Pickel sofort weg, als ich angefange hab zu pimpern. - Jetzt guck net so belämmert, Kleiner. Is dei Schätzche zu bitter? Ei, da musste vorher die Orangenhaut abmache.«

Im Bruchteil einer Sekunde hatte der Teint des Pärchens zu glühen begonnen wie vollreife Tomaten.

»Kinder, die Jungs häng'n mir schon zum Halse raus«, hub Rita wieder an zu singen:

»Einen Mann, einen richtigen Mann.

Einen Mann, dem das Herz nicht in der Hose steckt, einen Mann, der die Glut in meinem Busen weckt. Einen Mann, der noch lieben will und kann,

einen Mann, einen richtigen Mann.« - Rita unterbrach ihren Gesang erneut:

»Was sehn denn da meine kurzsichtigen Kuhaugen? Einen vakanten Fauteuil! Hat da bis zur Pause net der Wüstenhagen gesesse? Hat er sich etwa klammheimlich verdrückt, der Feigling? Haha, Glück gehabt! Sonst hätt ich ihn heut Abend noch verzupft. Bin ja net wählerisch.« Sie begann wieder zu singen:

 

»Männer gibt es dünn und dick,

groß und klein und kräftig.

Andre wieder schön und stolz, schüchtern oder heftig.

Wie er aussieht, mir egal,

Irgendeinen trifft die Wahl!« - Schon wieder geriet sie ins Schwadronieren:

»Mir ist grad eingefalle: Vielleicht hat der Wiwü ja kurz vor Ultimo noch 'n Termin für e Schönheits-OP. Dabei hat er im Sommer eigentlich noch ganz knackig ausgeschaut im sexy Fußball-Büchsje als Kessler-Zwilling nebe unsrer Lola. Habt ihr's gesehn? Unsern Tribute zur Mädels-Fußball-WM Der Ball ist bunt? Is auf Kanal Hessen gelaufen. War 'ne heiße Nummer. Mit Didi Ballisto un seine Ballerinos aus 'm Balltikum mit 'ner Choreograhie zum Ballero von Chanel. Und mit Lady Balla-Balla, die 'e ballistische Ballade über große Bälle und kleine Bällchen unner die Leut geballert hat. Zum Schieße! Ich war natürlich auch dabei. Hab als Madame Schiri kei gelbe oder rote Karte gezückt, sondern rosa Kärtche un violette Kärtche. Also, wer's verpasst hat, muss jetzt net flenne. Die Sendung gibt’s auf DVD. Die könnt ihr anschließend an unserer Garderobe käuflich erwerbe. Dann nehmt ihr aber unbedingt auch gleich noch unser Bilderbuch Die perfekte Schönheit mit, den ultimativen Styling-Ratgeber von Damen, die es wissen müssen.«

Rita lachte in sich hinein:

»Die Lola kann heut wieder stolz auf mich sein. Ich klopp hier auf die Werbepauke, dass es nur so scheppert!«

Ohne erkennbar Luft geholt zu haben, war sie schon beim nächsten Marlene-Klassiker:

»Nimm dich in Acht vor blonden Frau'n,

die haben so etwas Gewisses!

S' ist ihnen nicht gleich anzuschau'n,

aber irgend etwas is' es.

Ein kleines Blickgeplänkel sei erlaubt dir, doch denke

immer: Achtung vor dem Raubtier!

Ich bin die fesche Rita, der Liebling der Saison.

Ich trink 'n Margarita daheim uff mei'm Balkon.

Ich bin die fesche Rita, mich liebt ein jeder Mann.

Doch an mein'n steile Balkon, da kommt mir keiner ran!«

Mit großer Geste entledigte sie sich ihrer überdi-mensionalen Federstola.

»So, ihr Schnuckelcher, eh die alte Rita sich jetzt gleich die Stuckatur vom Gesicht schmirgelt, wünscht sie euch noch, dass ihr morsche Nacht abzischt ins Neue Jahr wie die Knallfrösch, und dass es ein lustvolles Jahr für euch wird. Und immer, wenn ihr mal wieder so richtig schön unner euerm Niveau lache wollt, seid ihr herzlich willkomme in Ritas guter Stubb. Denn ihr wisst ja: Rita hat euch lieb. - Finale!!!«

In Trommelfell erschütternder Lautstärke schallte aus den Boxen Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn. Lola und Chouchou traten hinzu und flankierten Rita. Aus einer Tür seitlich der Bühne wurde eine Konfettikanone geschoben, und begleitet von einer heftigen Detonation schneite ein Schwall Flitter auf das Publikum nieder.

Während nach Ende der Show Soeren Schröter noch damit beschäftigt war, die Zuschauer nach draußen zu komple-mentieren, hatten die Ehrengäste bereits im Séparée hinter der Bar Platz genommen, in dem jeder Quadratzentimeter dekoriert war mit Fotos, Nippes und ausgedienten Bühnen-kostümen. Marion und die Ehepaare Knoll und Sander ließen sich den für sie bereit gestellten Prosecco schmecken. Die Müller-Mädels aber hatten sich bereits aus der großen Schüssel Kartoffelsalat, die ebenfalls der Freunde des Hau-ses harrte, jede eine ordentliche Portion auf die Teller ge-schaufelt und gabelten soeben nach den Rindswürsten, als Lola in den Raum segelte. Oben herum trug sie noch Voll-maske. Unterhalb ihres Adamsapfels aber war sie schon wieder Roman Hold, gewandet in einen schwarz-seidenen, mit chinesischen Drachen bestickten Hosenanzug.

»Es ist doch immer das Gleiche!« lamentierte er. »Kaum haben wir Special Guests in der Show, ist das Publikum so was von dröge!«

»Roman, reg dich ab. Die Leute haben doch getobt!« widersprach Rudi Knoll. »Dagegen sind unsere Kappensit-zungen 'ne Trauerfeier.«

»Ich war auch begeistert«, pflichtete ihm Theaterdirektor Gerhard Sander bei. »Ihr wart alle wieder zum Niederknien. Vor allem diese Chouchou. Die würde ich euch gerne weg engagieren.«

»Als was?« fragte Roman. »Die Chouchou kann ja kein Deutsch. Die heißt Mischa und kommt aus der Ukraine.«

»Ach«, wunderte sich Sander.

»Sind hier alle happy?« Soeren drapierte sich in den Tür-rahmen. »Bin gleich für euch da, ihr Süßen!«

»Jetzt wo die Vollzahler weg sind, darf ich hier drin doch eine rauchen, oder?« japste Marion. »Ich bin auf Turkey.«

»You 're welcome«, hauchte Soeren, drehte ab und kam im selben Moment mit einem Aschenbecher zurück, als Rita - nun wieder Kurt Schuster - zur Gästerunde stieß. Kurt sah erschöpft aus. Die dünnen, schwarz gefärbten Haare klebten auf seiner Kopfhaut. Seine knochige Gestalt steckte in einem dunkelblauen Kashmir-Pullover und farblich dazu passender Hose. Er lächelte matt:

»Schön, dass ihr noch da seid. Habt ihr 'ne Ahnung, wieso Wiwü getürmt ist?«

»Der war heut nicht besonders gut drauf«, meinte Marion lakonisch. »Du kennst ihn doch. Er ist halt manchmal 'n bisschen wehleidig.«