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Fußnoten

Die verwendeten Fachbegriffe werden in einem eigenen Glossar erklärt, vgl. hier S. 309 ff.

Seifert, 2001, S. 1.

Berndt, 1998, S. 4.

Vgl. Will Eisner, in: Comics & Sequential Art.

Groensteen, in: Jeet Heer / Kent Worcester, 2009, S. 124 ff.

McCloud, 1994, S. 9.

Walker, 2011, S. 13.

Vgl. Spiegelman, in: Ward, 2010.

Vgl. Kunzle, 1973/1990. Eine ausführliche Darstellung früher Comics ist in Knigge, 2004, S. 89 ff. zu lesen. Vereinzelte Artikel in Deutsche Comicforschung (2005 ff.).

Miller, 2007.

Blackbeard, 1995. Siehe auch Balzer/Wiesing, 2010.

Zur Entwicklung der Comic-Strips vgl. ausführlich Braun, 2008, und Walker, 2011.

Zu Dirks siehe Eckhorst, 2012.

Wenig bekannte Fundstücke, nicht nur aus den frühen Tagen, bietet der Band von Nadel, 2006.

Vgl. Braun, 2012.

Vgl. E. Sackmann, in: Deutsche Comicforschung (2005) S. 22 ff.

Vgl. Platthaus, 2008, S. 144 ff.

Carlin/Karasik/Walker, 2005, S. 27.

Knigge, 2004, S. 182.

Levitz, 2010, S. 29.

Waugh, 1947, S. 333 [übers.].

Siehe Kapitel »Der Superheld«, S. 80 ff.

Ault, 2003, S. 36.

Comic Book Confidental, ein Dokumentarfilm von 1988, behandelt dieses Thema ausführlich.

Die jüdische Herkunft vieler Autoren und Zeichner von Superhelden-Geschichten hat zu vielen Theorien über den Einfluss jüdischer Kultur auf den Helden angeregt. Vgl. Kampmeyer-Käding/Kugelmann, 2010.

Sabin, 1996, S. 159.

Zur Geschichte der französischen Bande Dessinée vgl. ausführlich Groensteen, 2000.

In Deutschland war die Serie in den 1960er Jahren die erste Comic-Reihe, die ausnahmslos über den Buchhandel vertrieben wurde, jedoch wagte der Verlag es nicht, diese Reihe auch als »Comic« zu bezeichnen: Es waren »Tim-Bücher«.

Groensteen, 2000, S. 56.

Ebd., S. 134.

Vgl. Reddition 23/24 (1994) und Cuno Affolter, »50 Jahre Spirou«, in: Comic Jahrbuch 1988, S. 163 ff.

Vgl. Reddition 29 (1997).

Vgl. Dayez, 1997.

Groensteen, 2000, S. 146.

Vgl. Cuno Affolter, »30 Jahre Pilote«, in: Comic Jahrbuch 1989, S. 161 ff.

Zu Blueberry: Pizzoli, 1997, und Platthaus, 2003, S. 13 ff.

René Goscinny, zitiert nach: Comic Jahrbuch 1989, S. 173.

Siehe Kapitel »Der Comic-Roman und die Bande Dessinée für Erwachsene«, S. 186 ff.

Einen guten Überblick bieten Lukasch, 2010, und Becker/Schnurrer, 1979.

Die jährlich erscheinende Sekundärbuchreihe Deutsche Comicforschung widmet sich ausführlich der deutschen Comic-Geschichte.

Siehe auch E. Sackmann, »Superman aus der Gartenlaube«, in: Deutsche Comicforschung 2005, S. 52 ff.

Zu einer deutschen Comic-Kultur vgl. Dolle-Weinkauff, 1990; Kaps, 1993, S. 6 ff.; Knigge, 2004, S. 23 ff.

Schmidt, 1983, S. 5.

Vgl. Dolle-Weinkauff, 1990, S. 173.

Vgl. ebd., S. 25 ff.

Knigge, 2011.

1978 erschien in der Zeitschrift Trommel sogar eine zehnteilige Reihe über westliche Comics, und das war geradezu revolutionär.

Siehe Kapitel »Autorencomics aus Deutschland«, S. 196 ff.

Vgl. zur Tradition des Manga Schodt, 1983, S. 28 ff.

Vgl. Berndt, 1995, S. 21.

Kimba, der weiße Löwe, Hamburg: Carlsen, 2011.

Seinen Werdegang hat er in der ausführlichen und für westliche Leser besonders aufschlussreichen Autobiographie A Drifting Life (2008, dt. Gegen den Strom) in Manga-Form erzählt. Dabei arbeitet er seine Sicht der Gekiga-Bewegung auf. Der voluminöse Band brachte Tatsumi viele Preise ein.

Zur Entwicklung der Underground Comix vgl. Rosenkrantz, 2002.

Siehe Kapitel »Der Weg zu Maus«, S. 181 ff.

Vgl. Spiegelman, in: Ward, 2010.

Beronä, 2008.

Einen Überblick über Graphic Novels bieten Gravett, 2005, und Fingeroth, 2008.

Knigge, 2004, S. 322.

Vgl. Michael Hein, »Chronologie (A suivre)«, in: Reddition 46 (2007), S. 18.

Éditions Delcourt (gegr. 1986) und Soleil (gegr. 1988) gehören auch heute noch zu den wichtigsten französischen Verlagen.

Siehe Kapitel »Die Künstlergruppe ›L’Association‹ und die Freiheit der Formate«, S. 207 ff.

Dolle-Weinkauff, 1990, S. 260.

Vgl. Schwerpunkt im Comic Almanach 1993: Comic-Kultur in Deutschland.

Siehe Kapitel »Die Entwicklung des ›Alternative Comic‹ in Nordamerika«, S. 201 ff.

Einen Überblick bietet Gasser, 2000.

Zur Entwicklung der Bewegung s. Hatfield, 2005.

Vgl. Beaty, 2007.

Vgl. Thierry Groensteen, »Ein erster Blumenstrauß von Zwängen – Die Spielregeln des OuBaPo«, in: Wehr, 1998, S. 182.

Vgl. Dayez, 2002.

Vgl. Constanze Döring, in: Reddition 44 (2006), S. 72 ff.

Vgl. Broker, 2001.

McCloud, 2000, S. 200 ff.

Als am 24. Oktober 2013 ein neuer Asterix-Band von einem neuen Team erschien, geriet die Veröffentlichung eines Comics zu einem kleinen Phänomen: Nahezu jede Tageszeitung berichtete über das Album, und selbst im heute journal und in den Tagesthemen gab es Beiträge dazu. Für einen ganz kurzen Moment war der Comic in aller Munde, es fand ein Diskurs statt, die Kulturredaktionen setzten sich mit dem Thema auseinander, und die Menschen setzten sich neugierig hin und lasen wieder einmal ein klassisches Album. Es ist kaum anzunehmen, dass die Geschichte einen Boom auslösen wird und sich die Leser, angetan von der bekannten Art des Erzählens mit Bildern, nun auf andere Comics stürzen. Für viele war es eine Reise in die Vergangenheit: Wer in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg groß wurde, der wird sie noch erlebt haben, die Zeit, in der die bunten Hefte den Kiosk überschwemmten, wo zahlreiche Helden-Serien darauf warteten, gelesen, geliebt und gesammelt zu werden. Je nach Alter las man die zahllosen Hansrudi-WäscherWäscher, Hansrudi (1928–2016)-Titel oder das Zack-Magazin und hütete seine Comics wie einen Schatz. Daran erinnert ein neuer Band von Asterix – immerhin eine der erfolgreichsten europäischen Comic-Serien. Dennoch lässt sich ein gewisser Traditionalismus hier nicht verbergen.

Denn insgesamt hat sich der Comic weiterentwickelt, neue Themen gesucht, die Erzählweise ist komplexer geworden, und moderne Neuerscheinungen kommen in unterschiedlichen Stilen daher. Die Bandbreite der verschiedenen Comic-Formen ist inzwischen unüberschaubar: Es gibt die Einbildwitze in Zeitungen, die Comic-Strips, die wöchentlichen Hefte, die Alben, ganze Bücher in Comic-Form, die Graphic Novels genannt werden, es gibt Manga, Bilderbuchcomics, aber auch neue Comic-Romane für Kinder, in denen die Bilder aus Comic-Sequenzen bestehen. Die Comic-Zeichner von heute beschäftigen sich mit der Form als einer faszinierenden Möglichkeit zu persönlichem, künstlerischem Ausdruck.

Denn dass es sich bei den Comics um eine eigene Kulturform handelt, um eine Lektüre, die zwar eine gewisse Übung voraussetzt, aber dass es um gezeichnete Geschichten geht, die zwischen Kunst- und Unterhaltungsform pendeln, und schließlich, dass

Eine Kulturgeschichte des Comics schreiben zu wollen ist jedoch nahezu unmöglich. Es gibt kaum eine andere Kunstform, die sich gleichermaßen dem Zugriff entzieht und sich so wenig festlegen lässt. Es gibt keine schrittweise, sich aufbauende Entwicklung, im Gegenteil. Fast abgeschottet von den anderen Künsten hat sich die Form des Comics quasi selbst entwickelt. Und schließlich war sie lange gar nicht in der Lage, sich weiterzuentwickeln oder auszuweiten: Zu stark grenzten die Trägermedien (erst die Zeitung, dann das Heft) sie ein. So sah sie sich in extremer Weise den Marktgesetzen und der Industrie unterworfen. Entsprechend wurde ihre Produktion im 20. Jahrhundert auf ein vermeintliches Zielpublikum ausgerichtet: lediglich Stoff für Kinder. Hinzu kommt, dass die Geschichte der Comics deutlich stärker als die Geschichte anderer Medien durch Einschnitte und Zufälle geprägt ist: Es waren manchmal nur Ideen einzelner, die ganze Märkte beeinflussten.

Auf diese Weise haben sich verschiedene Comic-Kulturen beinahe unabhängig voneinander entwickelt, sie gediehen fast ohne jegliche Fremdeinflüsse und bildeten entsprechend völlig eigene Traditionen und Schulen aus: Im Grunde genommen hat also jedes Land eine eigene Comic-Tradition. Auch wenn einige interessante Parallelen zu beobachten sind, so muss doch zwischen Comics aus den großen Comic-Nationen – USA, Frankreich/Belgien und Japan – unterschieden werden. Natürlich gab es auch in anderen Ländern eine eigene Comic-Szene, die den regionalen Comic prägte. Eine Vermischung der Kulturen und Stile fand letztlich jedoch erst im 21. Jahrhundert statt.

Erst jetzt werden die Grenzen überschritten, die Entwicklung

Liest man einen Comic, so hält man nicht eine gezeichnete Geschichte in der Hand, die scheinbar aus dem Nichts kommt: Sehr oft finden sich Verweise und Referenzen auf eine Comic-Tradition, auf bestimmte Erzählgattungen oder aber auch auf bestimmte grafische Techniken und Stile. Erst auf diese Weise wird die Funktionsweise der eigenständigen Kunstform deutlich. Einen Comic einordnen zu können erhöht nicht nur den Lesespaß beim Konsumenten ungemein, es macht auch kritikfähig, denn mit einem bestimmten Grundwissen über Funktionsweise und spezifischen Besonderheiten lässt sich leichter unterscheiden, ob es sich um einen »guten« oder um einen »schlechten« Comic handelt.

Dieses Buch zeigt auf, wie sich der Comic im 20. Jahrhundert etabliert hat, zunächst werden die Entwicklungen in den einzelnen Comic-Traditionen beschrieben, unter Berücksichtigung des Lesepublikums und der Formen und Formate, die sich ausprägten – es wird also eine Geschichte der Comics erzählt. Abschließend wird versucht zu umreißen, wie sich die Bilderzählung im 21. Jahrhundert bereits verändert hat, wo der Comic heute steht, wie er mit seiner eigenen Vergangenheit umgeht und in welche Richtungen er sich entwickeln könnte.

Es soll also ein Einblick gegeben werden in die Welt der Comics. Es geht darum, zu erklären, warum sich das Medium so entwickelt hat, wie es sich heute darstellt. Der Band möchte jedoch auch und vor allem die Freude am Lesen von Comics vertiefen. Denn die Art und Weise, wie Comics mit Bildern erzählen, ist einzigartig.

Dem Comic sind im 20. Jahrhundert viele unvergessene Momente zu verdanken, die, ähnlich berühmten Filmszenen, tief im kulturellen Gedächtnis verankert sind. Etwa die Verteidigung einer Brücke durch Prinz Eisenherz mit dem ›Singenden Schwert‹; das Geldbad von Onkel Dagobert; der Ritt von Lucky Luke in den Sonnenuntergang; Snoopy, Schreibmaschine schreibend auf dem Dach seiner Hundehütte; Obelix mit dem FingerFinger, Bill (1914–1974) gegen die Stirn tippend und dem unvergesslichen Ausspruch »Die spinnen, die Römer«; oder der mit dem Gewehr über dem Kopf schwingende und »Hunderttausend Höllenhunde« fluchende Kapitän Haddock. Diese Szenen sind weithin bekannt, und die entsprechenden Comic-Serien, aus denen diese Szenen stammen, sind es auch.

Das Ganze hat leider nur einen Haken, denn all diese Szenen stammen aus Serien, die älter als ein halbes Jahrhundert sind. Anscheinend wird hierzulande das Bild des Mediums Comic von den populären Reihen geprägt, und man setzt sich nur wenig differenziert, wenn überhaupt, mit der Gegenwart auseinander. Die Behauptung, dass solche kollektiven Erinnerungen eine Frage der jeweiligen Generationszugehörigkeit seien, je nachdem, mit welchen Comics man aufgewachsen ist, setzt voraus, dass es sich beim Comic immer noch um ein Medium für Kinder handelt. Das tut es auch tatsächlich in gewisser Weise, nur werden die Kinder von heute sich womöglich an Stellen aus asiatischen Manga erinnern, der fernöstlichen Form des Comics, die seit gut 20 Jahren ihren Siegeszug in der westlichen Welt fortsetzt. Manga formen eine eigene jugendliche Subkultur, der sich die Elterngeneration etwas hilflos und meist vor allem ahnungslos gegenübersieht.

Die Auflistung der obigen Szenen zeigt aber auch eine weitere Problematik im Zusammenhang mit dem Phänomen Comic aus dem letzten Jahrhundert, denn weniger sind es emblematische, erinnerungswürdige Momente aus einzelnen Meisterwerken als vielmehr charakteristische Momente von Serien. Sehr wenige Comics wurden als Einzelwerke bekannt. Diese Tatsache unterscheidet sie grundlegend von der Literatur oder vom Film. Comics werden weitgehend mit Reihen assoziiert.

Wie hätte man Comics im letzten Jahrhundert auch ernst nehmen können, galten sie doch als kommerzielle Kunst für die Massen, die ihre eigene Trivialität kultivierten. Das macht sich nicht nur in der vermeintlichen Verknappung sprachlicher Ausdrücke fest. Comics erhoben zudem die ewige Wiederholung zum Stilmittel. Dieser Wesenszug des Comics lässt sich wunderbar an den Peanuts von Charles M. SchulzSchulz, Charles Monroe (1922–2000) aufzeigen: Die Figuren müssen jeden Tag immer wieder von vorne beginnen, mit der gleichen Naivität und mit denselben Problemen. Niemals hatte Charlie Brown gelernt, dass er kein guter Baseballspieler ist, und Linus ist jedes Jahr aufs neue mit derselben Naivität ins Kürbisfeld gezogen, um auf die Ankunft des großen Kürbis zu warten. Die Comic-Strips bezogen also ihre Komik aus der Variation des Vertrauten, die Figuren hatten feste Rollen und Eigenschaften, und dies war sehr übersichtlich für die Leser. SchulzSchulz, Charles Monroe (1922–2000) hat dieses Wiederholungsprinzip natürlich nicht erfunden, es war schon in dem Aufkommen der ersten Zeitungsstrips angelegt, aber er hat es als Stilmittel erkannt und dadurch erst zu seiner Perfektion geführt. Und seien wir ehrlich: Wäre es nicht todlangweilig, wenn Donald im voraus wüsste, dass er gegen Gustav Gans doch (wie immer) den Kürzeren ziehen wird, und sich gar nicht erst auf einen Wettkampf einlässt? Oder was wäre, wenn die Daltons einfach im Zuchthaus blieben, da sie dort sowieso wieder landen werden, und am Ende Lucky Luke gewinnt?

Beim Film heißt es oft, wenn eine Szene neu gedreht wird: Alles auf Anfang. Und genau das passierte jedes Mal zu Beginn eines neuen Strips oder einer neuen Geschichte. Ein Comic-Held ist letzten Endes also ein moderner Sisyphos: Am Ende steht er wieder unten am Berg und muss diesen verdammten Stein diesen verdammten

Das Ende eines Massenmediums

Die Tatsache, dass die Kunst des Comic-Machens gesellschaftlich gesehen nicht sonderlich anerkannt ist, hat aber noch einen gewichtigen Grund: Den Comic begleiten seine Vorurteile wie nebulöse Schatten, die einen Blick auf das wahre Wesen verhindern. So wurde dem Comic im 20. Jahrhundert beispielsweise nachgesagt, er sei ein populäres Massenmedium. Schaut man aber auf die Auflagenhöhen vieler zeitgenössischer Comics, so wird deutlich, dass dieser Status längst schon verlorengegangen ist. Als die frühen Comics als Strips in amerikanischen Zeitungen veröffentlicht wurden, war das Erscheinen noch ein Ereignis: Durch ein Zeitungsabonnement konnten große Teile der Gesellschaft die Entwicklung der Comics verfolgen, die Serien waren wohlbekannt und Teil einer Massenkultur. Das wurde im 20. Jahrhundert durch den weltweiten Erfolg von Mickey Mouse noch einmal verstärkt, denn dieser Strip erschien sowohl in Zeitungen als auch in Comic-Heften und legte auf diese Weise den Grundstein für den Erfolg von Comics in vielen Ländern. Walt DisneyDisney, Walt (1901–1966) Comics & Stories verkaufte in den 1950ern (in der Hochzeit des großen Duck-Zeichners Carl BarksBarks, Carl (1901–2000)) monatlich vier Millionen Hefte.

Auch Comics anderer Länder können erstaunliche Zahlen aufweisen. Die Figur Tintin (Tim) etwa ist einer der größten Exportschlager des kleinen Königreiches Belgien: Über 230 Millionen Exemplare wurden weltweit verkauft, die Abenteuer in mehr als 100 Sprachen übersetzt, und die Figur dürfte zu den bekanntesten Charakteren aus der Welt der Comics gehören. 1990 verkaufte sich X-Men1 nahezu acht Millionen Mal. So hoch beziffert sich in etwa auch die weltweite Startauflage eines neuen Asterix-Bandes, von der Serie sind weltweit über 320 Millionen Alben verkauft worden.

Das sind beeindruckende Zahlen, und sie verdeutlichen noch einmal die Popularität einzelner Figuren. Aber heutzutage

Solange der Comic aber als Massenkultur galt, begleitete ihn zudem immer der Verdacht des Trivialen. Die Begleiterscheinungen dieser Verdächtigung waren vielfältig: 1949 schrieb die Neue Zürcher Zeitung über die Comic Books aus Amerika, ihr Charakteristikum sei, »dass sie das Wort durch das Bild ersetzen«, hier in Deutschland schimpften Pädagogen in den 1950ern, die »Sprechblasenliteratur« sei »Lesefutter für Analphabeten«, christliche Verbände verbrannten Comics, als hätten sie aus der Vergangenheit nichts gelernt, in Amerika wurde gemutmaßt, dass die Kriminellenrate bei Comic-lesenden Jugendlichen erhöht würde, und der Psychologe Fredric WerthamWertham, Fredric (1895–1981) führte mit seinem Buch Seduction of the Innocent geradezu einen Kreuzzug gegen die bunten Hefte, der in Schauprozessen mündete, die Inhalte auf das einfachste nivellierte und für lange Jahre innovative Strömungen unterband. Hier wie dort war man sich sicher, dass es sich bei Comics um eine Vorform des normalen Buches handelte: Die Bilder würden sich die Kinder schon wieder abgewöhnen. Comics, so der einhellige Tenor, seien eine reine Kinderlektüre, weshalb 1954 auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heutzutage: für jugendgefährdende Medien) gegründet wurde, die fortan mit wachsamen Augen alle für Kinder gedachten Publikationen überwachte. Die ersten indizierten Publikationen waren natürlich zwei Comics, nämlich Der kleine Sheriff und Jezab der Seefahrer, im Grunde harmlose Abenteuercomics, denen aber von der Bundesprüfstelle

So bemühte sich das Medium Comic lange Zeit um Legitimation. Als Massenmedium gefeiert und als trivial gebrandmarkt, bekam der Comic im 20. Jahrhundert keine Chance, sich frei zu entfalten und als eigenständige Kunst- und Erzählform zu etablieren. Denn nicht nur fehlte eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz, auch das Selbstverständnis der Comic-Zeichner als Künstler war nicht vorhanden: Sie verstanden sich eher als Gebrauchsgrafiker, die ausschließlich dazu da waren, den Lesern angemessene Unterhaltung zu bieten. Als Carl BarksBarks, Carl (1901–2000) erstmals einen Fanbrief erhielt, dachte er, es handele sich um einen Scherz seiner Kollegen. Es war undenkbar, dass Comics über die Heftveröffentlichung hinaus irgendeinen Wert haben könnten. Will EisnerEisner, Will (1917–2005) wurde in den 1940er Jahren noch von den Kollegen verlacht, als er behauptete, Comics seien eine eigene Kunstform.

Deshalb blieb auch die Anerkennung durch die schönen Künste dem Comic im 20. Jahrhundert verwehrt. Entsprechend fand die Kulturgeschichte des Comics losgelöst von der Kunst- oder Literaturgeschichte statt, ein gegenseitiger Austausch kam nicht zustande. Dies bedeutete jedoch gleichzeitig, dass das Medium seitens der Hochkultur keinerlei Druck oder Erwartungen ausgesetzt war: Es konnte sich also in der eigenen Nische aus sich selbst heraus entwickeln.

Und so paradox es klingen mag: Der große Erfolg einiger Serien war gleichzeitig auch der Hemmschuh für eine Weiterentwicklung. Erfolgreiche Rezepte wurden immer wieder wiederholt und kopiert, und die eigene Tradition stand oftmals den Innovationen im Weg. Das ist der Grund dafür, weshalb es nur wenige Serien ins kulturelle Bewusstsein geschafft haben, und diese sind in der Regel die Serien, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen ansprechen, also Asterix, Lucky Luke oder Donald Duck.

So entwickelte sich bei den Comics eine eigene Tradition, und wie so üblich bei Traditionslinien war die Abweichung von der Norm unerwünscht. Das macht sich schon allein bei den Formaten fest. Kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts, also etwa zeitgleich mit dem Film, setzte der Siegeszug des Comics in den amerikanischen Zeitungen ein. Doch während der Film sich weiterentwickelte und ausdifferenzierte, blieben die Comic-Strips über 30 Jahre ein Zusatz-Service der Zeitungen und übten sich in der Kurzform. Die Comic-Hefte, die in den 1930ern aufkamen, etablierten den Superhelden, und die frühen Tage, in denen sich die Hefte explosionsartig als Teil einer neuen Jugendkultur über Amerika verbreiteten, werden aus diesem Grunde auch gerne als das »Golden Age« bezeichnet. Heutzutage erscheinen die Heftreihen mit den kostümierten Verbrechensbekämpfern immer noch in fast demselben Format: Selbst die Superheldenformel wird immer und immer wieder wiederholt und variiert, um sich dann erneut zu wiederholen. Ähnliches gilt für andere Comic-Kulturen: Die Abenteuercomics von Tintin prägten die Ausrichtung der Bande Dessinée (so der französische Ausdruck für Comic) für viele Jahrzehnte. Mitte des Jahrhunderts erreichte der frankobelgische Comic seine Blütezeit, und diese Jahre des Comic-Booms gelten auch für die französische Szene als das »Age d’Or«.

Sowohl in den USA als auch in Frankreich waren es die gesellschaftlichen Veränderungen der 1960er Jahre, die die Comics von ihren eigenen Stereotypen befreiten. Eine junge Generation von Zeichnern brachte neue Impulse, überholte auch die objektive Erzählweise und brachte einen persönlichen Ton mit in die Werke. Erstmals erzählten die Künstler von sich und ihrem Leben, immerhin über 60 Jahre nachdem sich die Form gebildet hatte. In Amerika führte das letzten Endes zum Autorencomic und zur Graphic Novel, und in Frankreich zum »Erwachsenencomic«. Die Auswirkungen dessen sind erst heutzutage richtig zu spüren. Und trotzdem blieb die Tradition immer präsent: Die populären Titel auf dem Markt waren dieselben wie zuvor.

Will man das 20. Jahrhundert als das goldene Zeitalter des

Gäbe es ein imaginatives Comic-Museum, in dem alle Künstler und ihre Serien postum ausgestellt würden, so wäre ein Großteil des Comics aus dem 20. Jahrhundert zu musealen Ehren gekommen, und die Kunstwerke hingen dort als Nachlass für kommende Generationen. Das goldene Zeitalter des Comics wäre in jenem Museum zu bewundern: Carl BarksBarks, Carl (1901–2000), der große Duck-Zeichner, starb am 25. August 2000. Will EisnerEisner, Will (1917–2005), der große Pionier, starb 2005 und überließ die Entwicklung der Graphic Novel nun anderen. Auch beim französischen Comic kann das 20. Jahrhundert als ein abgeschlossenes Zeitalter gesehen werden: Tintin starb mit seinem Schöpfer HergéHergé, eigentlich Georges Remi (1907–1983) 1983, und die Serien Asterix und Lucky Luke waren seit dem Tod des genialen Humoristen GoscinnyGoscinny, René (1926–1977) 1977 nur noch ein Schatten ihrer selbst. PeyoPeyo, eigentlich Pierre Culliford (1929–1992), der Vater der Schlümpfe, verstarb 1992, der großartige André FranquinFranquin, André (1924–1997) 1997 und MorrisMorris, eigentlich Maurice de Bévère (1923–2001), dem der »poor, lonesome Cowboy« Lucky Luke zu verdanken ist, 2001. Im März 2012 ist mit GiraudGiraud, Jean (Mœbius, 1938–2012)/Mœbius einer der Revolutionäre aus der Folgegeneration von uns gegangen.

All diese Zeichner haben den Comic geprägt und weitergebracht – doch viele ihrer Serien laufen nahtlos weiter. Neben diesen Serien differenziert sich das, was wir als konventionellen Comic kennengelernt haben, weiter und weiter aus, wie es sich für eine ernstzunehmende Kunstform gehört. Das ist natürlich die große Chance für das Erzählen mit grafischen Mitteln: Eine junge Generation prägt neue Erzählweisen, neue Stimmen setzen sich durch,

Comics sind auch nicht mehr alle komisch, wie die Grundbedeutung »funnies« oder »comic« nahelegt. Mit den Graphic Novels hat der Comic sich eine neue Leserschaft gesucht und gefunden. Doch mit dem Flirt mit der Belletristik hat der Comic nicht nur sein eigenes Modell der ewigen Wiederholung überwunden, sondern gleichzeitig auch die Form für alle möglichen Leser geöffnet. Nun kann – sofern er denn gewillt ist – jeder Comics lesen, ganz ohne Vorwissen. Für ein kulturinteressiertes Publikum gibt es eine Vielzahl an neuen Themen, etwa Sach-Comics, Literatur-Adaptionen und Biographien berühmter Persönlichkeiten. Und der Manga, dieses junge Phänomen, bildet eine eigene Subkultur, mit eigenen Codes und Stilmitteln, die dem herkömmlichen Comic-Leser gänzlich fremd sind. Auch das Trägermedium ist dabei, sich zu verändern: Von den bedruckten Seiten geht es auf die Bildschirme, und digitales Veröffentlichen ist eines der Zauberworte der Verlage. So sucht eine Form, die am Ende des 19. Jahrhunderts entstand, ihren Platz in der Moderne. Es wird sich zeigen, ob zwischen Nostalgie und Tradition genügend Raum für Innovation und Fortschritt bleibt. Der Comic, so scheint es, sucht seine Identität. Oder besser gesagt, er hat endlich zu sich selbst gefunden und kann sich frei entwickeln. Willkommen in der Zukunft!

Wenn, wie in diesem Buch häufiger, von ›dem Comic‹ gesprochen wird, so ist damit natürlich nicht ein einzelnes Werk gemeint, sondern die Gattung. »Comic« steht dabei als Sammelbegriff analog zu den Begriffen »Film« oder »Literatur«, die ähnlich eine große Bandbreite an verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten und Formen erfassen. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der in den beiden anderen Gattungen Genres und Subgenres klassifiziert werden, fehlt dem Comic. Womöglich liegt das auch in der Unschärfe des Oberbegriffs, denn »Comic« kommt von »comical«, also vom Komischen, Absurden. Deshalb ist es schwierig, einen solchen Sammelbegriff, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts etablierte, zu einer Zeit also, als das einzige Trägermedium für den Comic noch die Zeitungen waren, heute noch als Oberbegriff auch z. B. für Comic-Romane mit ernsthaften Inhalten zu verwenden. In anderen Kulturen haben sich eher formale Begriffe für das grafische Erzählen gefunden, die mehr die Funktionsweise beschreiben. In Frankreich heißen Comics »Bande Dessinée«, was nichts anderes bedeutet als ›gezeichnete Bildstreifen‹. Im Chinesischen dagegen werden die Comics »Lien-Huan Hua«2 genannt: Der Begriff zielt analog zum Französischen auf den Aspekt der Bildfolge ab und bedeutet so viel wie ›Kettenbilder‹. Und in Japan wird die Bildergeschichte »Manga« genannt, zusammengesetzt aus zwei Schriftzeichen: Das »erste ›man‹ gelesene steht für ›spontan, impulsiv, ziellos‹ und damit auch für die Rhetorik der Übertreibung […]. Das zweite ›ga‹ gelesene heißt ›Bild‹ […].«3 In Italien hingegen werden die Bildergeschichten »fumetti« genannt und beziehen sich dabei auf die Sprechblasen, die wie Rauchwölkchen wirken und mit denen die Figuren zu sprechen in der Lage sind. Beim Comic handelt es sich also um ein internationales Massenphänomen, die Sprachverwirrung aber verdeutlicht, dass der Begriff nicht universell verständlich ist. Die unterschiedlichen Bezeichnungen drücken allerdings auch ein breites Spektrum der

Natürlich lässt sich ein Comic leicht erkennen, denn er hat einige ganz typische Merkmale: Er ist z. B. gezeichnet. Eine Zeichnung ist ein subjektiver, künstlerischer Ausdruck und kann demzufolge auch einen ästhetischen Effekt beim Betrachter auslösen: Entweder gefällt eine Zeichnung, oder sie gefällt nicht. Viel liegt also im Auge des Betrachters: Die Bildkultur, die vom Comic vorgeschlagen wird, muss man begehen wollen.

Doch so leicht macht es uns der Comic auch wieder nicht, denn in die Zeichnungen ist Text integriert. Im Comic vereinen sich also zwei verschiedene Zeichensysteme, Bild und Sprache. Es ist ein Leichtes für das Auge, beides simultan wahrzunehmen (man denke nur an die Untertitel bei einem fremdsprachigen Film oder an den Computerbildschirm). Der Comic ist aber in der Lage, beide Systeme so miteinander zu verschränken, dass das Werk zu einem einzigen Ausdruck wird. Wer sich also einen Comic zur Hand nimmt, muss sich, um das Gelesene verstehen zu wollen, nicht nur auf die Zeichnungen einlassen, sondern er muss auch den Zusammenhang zwischen dem geschriebenen Text und der Grafik herstellen: Er muss die Zeichensysteme interpretieren. Dies geschieht im Einzelbild, das in der Regel als Panel dargestellt wird: Das Bild wird dabei von Panelgrenzen umrandet. Es handelt sich dabei um regelrechte Kästen, in deren Grenzen sich Bild und Wort treffen. Heutzutage werden die Umrandungen auch weggelassen, um einen anderen Erzählfluss zu erhalten. Ein klassischer Comic hat jedoch Panels. Man könnte das Panel nun die kleinste Einheit des Comics nennen. Ein einzelnes Panel allein macht zwar noch lange keinen Comic aus, doch welche Kraft schon im Einzelbild steckt, zeigen die Einbildwitze oder Cartoons, die eben mit genau nur einem Bild arbeiten und vom Leser verlangen, dass er die dargestellte Situation vervollständigt. Wenn etwa ein Stein über dem Kopf einer Figur schwebt, ist dem Betrachter klar, dass er im nächsten Moment auf den Kopf prallen wird. Gerne wird in den Einbildwitzen auch mit Sprechblasen erzählt, wie dies im konventionellen Comic üblich ist. Die Sprechblase ist das Werkzeug im Comic, um Figuren sprechen zu lassen. In einer Sprechblase, die durch einen

Das Panel funktioniert als solches aber nur in Zusammenhang mit einem anderen Panel, zwischen beiden ist ein schmaler Steg. Den Freiraum zwischen zwei Panels bzw. die weißen Flächen, die die Panels voneinander trennen, nennt man »gutter«, der englische Ausdruck für ›Graben‹. Dadurch wird angezeigt, dass es sich hierbei um verschiedene Momente handelt. Genau dieser schmale Raum stellt eines der großen Geheimnisse der Comics dar: Der Leser muss eine Verbindung beider Panels herstellen, und zwar unabhängig davon, wie nah oder wie fern die Bildinhalte zueinander stehen.

Mehrere Panels hintereinander ergeben eine Panelreihe, ähnlich einem Comic-Strip, wie er sich in den Zeitungen etablierte – in mehreren Panels hintereinander wird eine kurze Geschichte oder ein Witz erzählt. In einem Comic breiten sich die Panels allerdings auf einer Seite aus, verteilen sich als Folge und werden – zumindest im westlichen Kulturraum – von links nach rechts und von oben nach unten gelesen.

Das Einzelpanel hängt also mit weiteren Bildeinheiten zusammen und unterliegt einer eigenen, übergeordneten Struktur. Die übergeordnete Struktur des Panels ist die Seite. Auf einer Seite ordnen sich die Panels auf bestimmte Weise an, können arrangiert und regelrecht komponiert werden. Man kann hier von Seitenarchitektur sprechen, denn über eine bloße Aneinanderreihung gleich großer Panels hinaus bietet die Comic-Seite einige Möglichkeiten: Die Panels können querformatig oder längs arrangiert sein; einzelne Elemente können durch ihre Größe hervorgehoben werden; die Seite kann als Metapanel aufgebaut sein, also als ein großes Panel, in

Der Comic-Zeichner legt also im voraus fest, wie die einzelnen Panels räumlich auf der Seite angeordnet werden. Diese Festlegung wird nicht durch die Gattung der Bildergeschichte vorgegeben, sie hält nur die Möglichkeiten bereit. Der Comic-Zeichner komponiert aus dem Comic-immanenten Vokabular eine Comic-Seite und passt sie der Geschichte an. Das bedeutet aber auch, dass auf der Comic-Seite zwei Prinzipien miteinander ringen, nämlich ein gestalterisches und ein erzählerisches Prinzip. Diese Prinzipien bedingen einander. Die Comic-Seite regiert also ein Mechanismus, der dem Zeichner nicht vorgegeben wird, sondern von ihm optional als bestmöglicher Ausdruck ausgewählt wird. Hat er aber die Seite einmal gezeichnet, so hat er sein System unlösbar miteinander verkettet. Das bedeutet, dass man bei einem Comic zwar nachträglich die Bildsprache analysieren kann, es aber keine vorab vorgegebene Struktur gibt, die beim Zeichnen eines Comics notwendigerweise aufgegriffen wird. Will man sich diese spezielle Struktur vorstellen, muss man sich nur ganz einfach alle Bilder und den Text wegdenken, so dass nur noch leere Panels übrigbleiben. Diese Kästen geben die zugrundeliegende formale Struktur des Comics wieder. Sie sind, ähnlich wie bei der Sprache, die Regularitäten, die den Satzbau bestimmen. Welche speziellen Wörter man dann schließlich als Subjekt, Prädikat oder Objekt einsetzt, bleibt einem auch in der Sprache selbst überlassen. Die kreativen Freiheiten eines Zeichners sind also unbegrenzt, denn er kann seine Geschichte in einer völlig neuen Anordnung, einer völlig eigenständigen Folge und Struktur ausdrücken.

Wie erzählt nun der Comic? Das lässt sich am besten an einem Vergleich erläutern. Der frühe Stummfilm zeigte eine Szene als Abfolge von Bildern, dann wurde eine Texttafel eingeblendet – bis sich der Tonfilm durchsetzte. Dieses Nacheinander hat der Comic zu

Weil der Comic aber nun mal erzählt, ist es womöglich einfacher, sich einen Comic als einen Text vorzustellen – als einen Text, der sich deshalb lesen lässt, weil er auch verschiedenen Parametern und bestimmten Regularitäten in einer gänzlich eigenen Struktur unterliegt. Den Gesamttext eines Comics erfährt der Leser, wie gesagt, durch die Zusammenführung der erzählerischen und der gestalterischen Ebene. Diese zwei Informationsstränge laufen beim Leser zusammen. Bild und Wort bilden also ein Referenzgeflecht, durch das erst eine inhaltliche Kohärenz möglich wird. Das einzelne Panel bildet dabei, wie erwähnt, die kleinste Erzähleinheit, die eine bestimmte Funktion in einem Gesamttext erfüllt. Diese Erzähleinheit ist in ein Vorher und ein Nachher integriert, das im Moment gelesene Panel stellt also die Gegenwart dar, das vorige die Vergangenheit.

Der Comic ist also in seinem Herzen eine erzählende Gattung. Er ist aber aufgrund seiner visuellen Komponente ebenso mit der Kunst verwandt, denn schließlich eignet er sich grafische

Nein, der Comic ist eine eigenständige Kunstform, die Dinge kann, die andere Formen nicht können. Zudem ist der Comic in der Lage, das Beste aus anderen Formen zu entleihen: Er ist ein Medium mit der besonderen Fähigkeit, andere Mittel zu absorbieren. Indem Bild und Wort auf diese spezielle Weise miteinander kommunizieren, entsteht ein konzeptionelles narratives Ganzes als grafische Literatur. Diese Beziehung, diese Kommunikation zwischen Wort und Bild stellt somit neben dem leeren Raum zwischen den Panels das große Geheimnis dar: An diesen Stellen zeigt sich die große Kunst der Comics in ihrer ganz und gar einzigartigen Funktionsweise.

Die Definition aber von Comics ist eine der schwierigsten Fragen, die die Comic-Wissenschaftler bis heute umtreibt. Bislang hat noch niemand eine wirklich umfassende Definition erbringen können. Deshalb wird auch von einer unmöglichen Definition5 gesprochen. Zu vielfältig sind die verschiedenen Ausdrucksweisen des Erzählens mit grafischen Mitteln. Mittlerweile hat sich jedoch Eisners Begriff der sequenziellen Kunst als Grundlage durchgesetzt.

Der amerikanische Comic-Zeichner und -Theoretiker McCloudMcCloud, Scott (*1960) hat eine essayistische Comic-Theorie in mehreren Bänden selbst in der Form eines Comics vorgelegt und darin auch einen modernen Comic-Begriff geprägt: Dieser besagt, dass der Comic mindestens zwei stehende Bilder haben muss, um eine Geschichte zu erzählen. Letztlich beruft er sich damit auch wieder auf EisnerEisner, Will (1917–2005). McCloudMcCloud, Scott (*1960) definiert den Comic als »zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder

Vielleicht hilft es, sich einige exemplarische Comics anzuschauen, also Prototypentheorie zu betreiben. Eine ganz normale Seite von Carl BarksBarks, Carl (1901–2000) bildet solch einen Prototyp eines Comics. Um diesen ersten Prototypen gruppieren sich nun zunächst alle Sprechblasencomics. Etwas weiter entfernt, an den Rändern, finden sich auch wortlose Comics oder an einer anderen Stelle Comics, die Bild und Text fein säuberlich voneinander trennen. Diese Bereiche überschneiden sich jeweils mit anderen Formen, etwa dem Bilderbuch, das sowohl Bild als auch Text präsentiert. Je näher aber eine Geschichte am Prototypen der Bilderzählung ist, umso eher fällt sie in die Kategorie Comic.

Art SpiegelmanSpiegelman, Art (*1948)8 hat es etwas weniger kompliziert ausgedrückt: Er sieht die Form als großen Stammbaum, an dem die unterschiedlichen Ausprägungen der Bilderzählung an verschiedenen Ästen wachsen.

Seine Metapher eines großen Comic-Baums ist für ein genaueres Verständnis des Phänomens Comic sinnvoll, denn damit verdeutlicht er die Verwandtschaft des Comics zu weiteren Bilderzählungen, die ebenfalls mit der Vermischung von Text und Bild arbeiten, wie das Bilderbuch, der Cartoon oder aber – ganz weit außen an den Ästen der verzweigten Kunstform zu finden – Gebrauchsanweisungen.

Worin liegt aber nun der Unterschied zwischen einem Comic-Strip und einem Comic Book? Warum heißen die Comics nun Graphic Novels, und wovon unterscheiden sich diese? Wie