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Ein Trottel kehrt zurück

Wie eine kleine Katze
die große Idee vom Paradies
ins Wanken brachte

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Wie jeden Morgen erwachte ich auch heute vom ohrenbetäubenden Rauschen der Brandung. Während ich langsam die Augen öffnete, nahm ich zwischen den einzelnen Wellen das leise Atmen meines Freundes neben mir wahr. Dazu kam das Meckern einer verirrten Ziege, die von aufgebracht gackernden Hühnern verscheucht wurde. Die morgendliche Geräuschkulisse zauberte schon beim Aufwachen ein Lächeln auf mein Gesicht. Das war alles so viel schöner, als von einem schrecklichen Handyalarm geweckt zu werden, nur um dann in ein trübes Büro zu gehen. Diese Erkenntnis machte mich so glücklich, dass vor lauter Glück an Weiterschlafen nicht mehr zu denken war. Stattdessen drehte ich mich auf die Seite und sah David beim Schlafen zu. Seine Brust hob und senkte sich langsam, während er im Reich der Träume große Abenteuer erlebte.

David behauptete, niemals zu träumen. »Alle Menschen träumen«, sagte ich dann immer. »Du kannst dich nur nicht daran erinnern.« Wir hatten ein gemeinsames Spiel, bei dem ich David morgens erzählte, was er in der Nacht zuvor geträumt hatte. Deshalb beobachtete ich nun sehr intensiv das Zucken seiner Wimpern. Seine Hände lagen über dem weißen Laken und waren zu zwei Fäusten geballt. Als hielte er seine Angelschnur. Ich war mir sicher, dass er gerade einen sehr großen Fisch am Haken hatte. Zumindest würde ich ihm das später in den schillerndsten Farben erzählen. Es war verblüffend, wie friedlich dieser Mann aussah, wenn er schlief. So unschuldig. Wie ein Engel.

David öffnete für einen kurzen Moment die Augen, sah mich schlaftrunken an und murmelte: »Hallo Krautburger!«, bevor er wieder einschlief. Krautburger ist bisher wohl der bescheuertste Spitzname, den mir jemals einer meiner Freunde gegeben hat. Trotzdem mochte ich es irgendwie, wenn David mich so nannte. Denn dann hatte er gute Laune. Und ich auch.

Ich ließ ihn weiter träumen, stand auf und machte mir wie jeden Morgen einen schrecklich süßen, aber leckeren Instantkaffee. Ein Kopi-Mix, der zu neunzig Prozent aus Zucker bestand. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch, öffnete meinen Laptop und begann zu arbeiten. Während ich meine E-Mails las und die ersten Sätze tippte, beobachtete ich den Sonnenaufgang am Horizont, der in all seiner Pracht direkt vor meinem Fenster stattfand. So, als würde die Sonne auch heute wieder nur für uns aufgehen. Für David, mich und unsere Katze Tiger, die wir vor einigen Monaten als Katzenbaby zu uns geholt hatten. Wir waren sofort verliebt gewesen in diesen schwarz-weißen Fellknäuel mit den strahlend blauen Augen, denen man keinen Wunsch abschlagen konnte. Schon gleich gar nicht, wenn David frischen Fisch mit nach Hause brachte. Tiger durfte immer zuerst wählen.

Jetzt saß er, wie so oft, schnurrend auf dem Schreibtisch neben meinem Rechner. Er mochte die Wärme, die von dem Laptop ausging. Außerdem gefiel es ihm, meinen Fingern zu folgen, wenn sie über die Tastatur flogen. Oder besser gesagt, wenn meine vier Finger suchend darauf einhackten. Zwischendurch schoss ich ein Foto von meinem Ausblick aus dem Fenster und konnte es mir nicht verkneifen, es auf Facebook zu posten.