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Susanne Reichert
Himmlisch gechillt

Impressum:
Charles Verlag, Mathias Müller & Marcel Dax GbR, Frankfurt am Main, alle Rechte vorbehalten, eine Veröffentlichung, auch in Auszügen, ist nur mit Genehmigung des Charles-Verlags gestattet. www.charlesverlag.de
Druck: Booksfactory
Lektorat: Sonja Rudorf
Umschlaggestaltung: Marcel Dax

ISBN 978-3-940387-79-0

1. Auflage 2016

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.dbb.de abrufbar

Die Autorin

Susanne Reichert ist eine gebürtige Frankfurterin, die derzeit in Bad Vilbel mit ihrer fünfköpfigen Familie lebt. Sie schreibt seit vielen Jahren Kolumnen und Kurzgeschichten. "Himmlisch gechillt" ist ihr erster Roman. Weitere Werke sind zu erwarten. Mehr über die Autorin erfahren Sie auf susannes-wortzauber.de

Für Frank, Isabel, Patrick und Julia

Familie ist vielleicht nicht alles, aber ohne Familie ist alles nichts ...

Kapitel 1

Wohlig kuschelte ich mich in meine Kissen und zog mir die Bettdecke bis zum Kinn. Sonnenlicht schien durch die kleinen Schlitze der Rollläden und von draußen erklang Vogelgezwitscher. Ein Sonntagmorgen, wie ich ihn liebte. Kein Stress, keine Hektik, ausschlafen und später in Ruhe mit der Familie frühstücken – zumindest mit so viel Ruhe, wie es eben in einer Familie mit drei Kindern möglich war. Während meine Gedanken träge die nächste Schlafphase einleiten wollten, drang plötzlich ein schriller Misston an mein Ohr. Mein Unterbewusstsein bemühte sich nach Kräften, ihn zu ignorieren. Die Amsel in dem Apfelbaum hinter unserem Garten sang gleich ein bisschen lauter, als wolle sie sagen: Es ist besser, du weißt nicht, was da vor sich geht. Erfahrungsgemäß war das in den meisten Fällen absolut plausibel und funktionierte – halbwegs. Während sich mein kleiner Amselfreund auf seinem Zweig also mächtig ins Zeug legte und seine Arie schmetterte, quietschte aus den unteren Regionen unseres Reihenhäuschens wieder etwas, das klang wie eine rostige Kreissäge. Vorsichtig schielte ich auf die andere Bettseite. Vielleicht befand sich der Vater meiner Kinder ja gerade in einer REM-Phase, in der die Sinnesorgane nach dem Tiefschlaf allmählich wieder ihre Funktion aufnahmen, und würde der Sache auf den Grund gehen wollen. Aber Fehlanzeige. Carsten lag auf dem Rücken und atmete tief und gleichmäßig; es gab noch nicht mal ein verräterisches Augenzucken. Mein Mann war in den meisten Lebenslagen tendenziell tiefenentspannt, und dieser ruhende Pol war in unserer Familie oftmals dringend notwendig. Aber gerade jetzt hätte ich Anzeichen einer beginnenden Aktivität sehr begrüßt. Ich stupste ihn mit dem Fuß unter der Bettdecke an und stellte mich schlagartig tot, als er die Augen aufriss. Genau in diesem Moment ertönte das schaurige Jaulen erneut und ich grinste im Halbdunkeln in mich hinein. Allerdings hielt meine Freude nicht lange an.

Carsten drehte sich mit einem Schnauben auf die Seite und murmelte: »Zur Hölle mit den Nachbarn.«

So viel also zu männlichem Beistand. Die Möglichkeit, dass irgendjemand – und ich hatte einen sehr konkreten Verdacht, wer dieser jemand war – unser Haus in Einzelteile zerlegte, konnte er anscheinend deutlich länger ignorieren als ich. Ich drehte mich seufzend auf den Rücken und lauschte. Aus den Kinderzimmern im ersten Stock waren noch keine Lebenszeichen zu hören, daher musste das kuriose Treiben wohl im Erdgeschoss stattfinden. Wozu hat man eigentlich eine große Familie, wenn die unangenehmen Dinge dann doch immer an einem selbst hängenbleiben? Mit deutlich schlechterer Laune als noch vor einer Viertelstunde schob ich die Decke samt unseres flauschigen Katers zur Seite, der nur träge ein Auge öffnete und gähnte.

Ich streichelte sein weiches Köpfchen und murmelte: »Dein Leben möchte ich haben. Möchtest du vielleicht mal nachsehen, was da in unserer Küche gerade zu Hackfleisch verarbeitet wird?«

Balou warf mir einen hingebungsvollen Blick zu und schnurrte. Mehr Unterstützung hatte ich wohl nicht zu erwarten. Ein Blick auf die Uhr besserte meine Laune auch nicht wirklich. Kurz nach acht, eine Uhrzeit, zur der mir an einem Sonntagmorgen normalerweise noch nicht mal die Namen meiner Kinder einfielen.

Seufzend stand ich auf und tapste die Treppe hinunter. Eine der Kinderzimmertüren stand schon sperrangelweit offen, während hinter den anderen beiden noch schläfriges Geröchel zu hören war. Je näher ich dem Erdgeschoss kam, desto suspekter klang das geheimnisvolle Treiben. Ich holte tief Luft, öffnete die Schiebetür zum Wohnzimmer und bat das Universum um Beistand. Da gab es ja hoffentlich so etwas wie einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst! Bei dem Anblick, der sich mir dann jedoch bot, blieb mir der Mund offen stehen.

Fluchend, mit verstrubbelten Haaren und mürrischem Gesichtsausdruck flitzte ein Wesen, das entfernt an meine älteste Tochter Sophie erinnerte, zwischen Kühlschrank und Küchentheke hin und her. Das riesige Schlafshirt mit dem Aufdruck »Egal worum es geht – ich war’s nicht!« war an der Seite geknotet und mit einem merkwürdigen, weißen Muster verziert. Wenn man einen fast 15-jährigen Teenager im Haus hat, sollte man nie annehmen, eine Situation wäre so, wie sie sich auf den ersten Blick darstellt. Es scheint eine Art Teenager-Matrix zu geben, ein Parallel-Universum, in dem Erlebnisse grundsätzlich anders ablaufen als im spießigen Eltern-Kosmos.

Ohne eine große Portion Galgenhumor, gute Freunde und wahlweise Schokolade oder Alkohol wäre diese »Phase« für alle anderen Beteiligten über achtzehn kaum geistig gesund zu überstehen. Die Ratlosigkeit jedoch, mit der ich meinen Nachwuchs regelmäßig betrachtete, war auch mit erhöhtem Alkoholpegel die gleiche, nur lustiger.

Während ich in der Küchentür stand und versuchte, mir einen Reim auf dieses Chaos zu machen, musste ich daran denken, wie kalt uns diese plötzliche Wandlung doch erwischt hatte. Jahrelang lebten wir in einer rosaroten Wolke mit einem zauberhaften kleinen Wesen zusammen, das selbst in seinen Wutausbrüchen und Trotzphasen noch etwas Niedliches hatte – auch wenn es die Stirn vor lauter Empörung so stark kräuseln konnte, dass es entfernt an einen verwirrten Pekinesen erinnerte. Letztlich war es ja auch nachvollziehbar, dass sich eine 4-Jährige nichts sehnlicher wünschte als das animierte Lillyfee-Einhorn in der Größe eines irischen Wolfshundes, das laut wieherte, wenn man es nicht regelmäßig fütterte, und dass sie diesen Wunsch mit der Penetranz einer hängengebliebenen Schallplatte wiederholte. So sehr ich auch die Meinung vertreten hatte, auf ein Einhorn in diesem Haus verzichten zu können: das Strahlen in den schokoladenbraunen Augen meiner Tochter an ihrem fünften Geburtstag war entwaffnender gewesen als ein Sondereinsatzkommando. In diesem Alter brachte man noch ein gewisses Verständnis dafür auf, dass der einzig richtige Zeitpunkt für die Erfüllung kindlicher Wünsche jeder Art eben »JETZT« war. Wenn ich richtig darüber nachdenke, hat sich das bis heute nicht wirklich geändert. Und sind nicht feste Rituale die Basis einer stabilen Familienstruktur?

Doch vor ungefähr anderthalb Jahren hatte etwas von diesem niedlichen Mädchen Besitz ergriffen, was mich entfernt an den Kultfilm »Der Exorzist« denken ließ. Natürlich hatte ich davon gehört, dass sich in der Pubertät die eigenen Kinder plötzlich so stark verändern, dass man sie selbst als Eltern nicht mehr erkennt oder bestenfalls noch eine gewisse Familienähnlichkeit feststellt. Doch in süßer Unwissenheit hatte ich das schlichtweg auf die Unfähigkeit der anderen Eltern geschoben, die nicht in der Lage waren, ihre Kinder zu normalen Menschen zu erziehen.

An dem Tag, als meine goldige Tochter also äußerlich unverändert zum Frühstück erschien und bei meiner Frage, ob die Shorts für die Schule nicht etwas kurz sei, in Tränen ausbrach und »Du findest, ich bin zu dick« schrie, öffnete sich die Pforte zu einer anderen Welt, in der Landkarten und Grenzen ihre Gültigkeit verloren, und in der jedes Navigationssystem den Dienst mit der Bemerkung »You are driving offroad« quittiert hätte. Ja, so fing es an, und wenn ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, hatte ich mich getäuscht. Es wurde vielleicht nicht unbedingt schlimmer, aber täglich anders und völlig unberechenbar.

Mit leicht steigendem Blutdruck betrachtete ich das Chaos aus Rührschüsseln, Mixer und Schneebesen, dazu meine Tochter, die im Zickzack durch die Küche sauste. Das schaurige Geräusch, das mich aus dem Schlaf gerissen hatte, kam von dem Pürierstab, mit dem Sophie versuchte, eine Masse, die entfernte Ähnlichkeit mit hautfarbener Knete hatte, in eine Edelstahlschüssel einzuarbeiten. Auf der Küchentheke türmten sich offene Tupperdosen mit Zucker, Mehl, Zimt, eine Milchpackung und Eierschalen. Die Kühlschranktür stand offen und von dem Handmixer tropfte ein undefinierbarer Brei auf den Küchenboden, der von Balou, der mir dann doch neugierig gefolgt war, vorsichtig beschnuppert wurde. Es gab mir zu denken, dass selbst der Kater zurückwich und die Schnurrhaare befremdlich zitterten.

Während ich nach einer Formulierung suchte, die zumindest ansatzweise diplomatisch klingen könnte, kippte Sophie einen Schwapp Milch in die Schüssel und klatschte erneut den Pürierstab hinein. Hektisch rührte sie damit herum und zähe Klümpchen flogen in alle Richtungen. Balou suchte panisch Zuflucht unter dem Esstisch, während sich mir die Haare sträubten.

»Was zum Teufel machst du hier? Normalerweise bist du um diese Uhrzeit noch nicht mal ansprechbar, geschweige denn in der Lage, die Küche so zu verwüsten!«, sagte ich gereizt und schaute ihr über die Schulter. »Ist das für Chemie?«

Sophie, deren Gesichtsausdruck eindeutig Unheil verkündete, sah mich vernichtend an. »Ich muss zum Gottesdienst, falls du das vergessen hast! Und ich habe mich für den Waffelverkauf eingetragen, da muss man Teig mitbringen. Also bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, als alles selbst zu machen, wenn ihr noch schlaft.«

Leider musste ich grinsen. Selbst in ihren hellbraunen Haaren hingen Teigklümpchen und ihr Gesicht war von einer feinen Mehlschicht überzogen. Die Empörung und der Stress, den das arme Kind an diesem Morgen hatte, drangen aus jeder Pore.

Ich wischte ihr ein paar Spritzer vom Ohr und leckte vorsichtig meinen Finger ab. »Warum hast du mir gestern nicht Bescheid gesagt?«

Sophie knallte den Schneebesen auf die Küchentheke. »Ich habe doch erzählt, dass ich Waffeln verkaufe. Da ist es doch logisch, dass ich Teig mitbringen muss!«

Ich verzog das Gesicht. Der Teig schmeckte wie Gips. »Es ist nicht logisch, weil du es zum ersten Mal machst.« Ich rührte leicht in dem Teigmatsch herum. »Hast du denn ein Rezept dafür?«, fragte ich vorsichtig.

Sophies braune Augen blitzten mich an. »Wieso ein Rezept? Das ist doch nur Milch, Mehl, Eier, Zucker und ein bisschen Zimt.« Sie warf ihre langen Haare zurück. »Das ist doch kein Problem, so was weiß ich aus dem Kopf.«

Ich nickte bedächtig. Dass ich mich auch immer an solchen Kleinigkeiten aufhängen musste. »Und du weißt auch, welche Menge du wovon brauchst? Also, aus dem Kopf, meine ich.«

Sie stöhnte laut. »Oh Mann, Mama! Das kann man schätzen. Der Teig muss nur so mitteldünnflüssig sein und fertig. Habe ich letztens erst bei Emma gesehen. Und dann wird alles verrührt, bis es passt.«

Ich verkniff mir eine Bemerkung und sah auf die Uhr. Sophie folgte meinem Blick. »Kannst du das noch mal umrühren? Ich muss ja noch duschen, und gefrühstückt habe ich auch noch nix! Echt, wenn ich sonntags zum Gottesdienst muss, könntet ihr doch mal früher aufstehen, oder?«

Mit vorwurfsvollem Blick drehte sich das Goldstück um und stapfte die Treppe hinauf ins Badezimmer, wo die Dusche kurze Zeit später rauschte wie die Niagara-Fälle bei erhöhtem Wasserstand.

Da stand ich nun vor dem Teigmatsch meiner Tochter und gähnte. Erst einmal Kaffee, dachte ich und drückte auf die Taste der alten, monströsen Saeco, die die komplette Ecke auf der Küchentheke neben der Spüle einnahm. Während das vertraute Brummen ertönte und aromatischer Kaffeeduft durch die Küche zog, schäumte ich die restliche Milch auf, die Sophies Versuchsreihe nicht zum Opfer gefallen war. Kurz darauf nahm ich einen tiefen Schluck von meinem Milchkaffee und rührte vorsichtig in der Teigschüssel herum. Während ich ausgesprochen gut und gerne kochte, waren meine Backkünste eher experimenteller Natur. Außerdem überfiel mich jedes Mal ein grenzenloser Ekel, wenn ich Teig mit den Händen kneten musste. Nichts fand ich widerlicher, als Teigreste unter den Fingernägeln und diesen klebrigen Brei an den Händen. Ob ich allerdings selbst mit mehr Talent den sogenannten Waffelteig noch hätte retten können, war fraglich. Aber ein Versuch war es ja vielleicht wert.

Vor ein paar Monaten hatte sich Sophie entschieden, zur Konfirmation zu gehen und nahm jetzt mit einigen Freundinnen, darunter ihre beste Freundin Emma, regelmäßig am Konfirmandenunterricht teil. Wir hatten ihr die Entscheidung freigestellt, und obwohl ich manchmal ernsthafte Bedenken hatte, das Kind könnte sich beim Betreten von heiligem Boden in Rauch auflösen, war bisher wider Erwarten alles ganz gut gelaufen. Alleine bei der Vorstellung, dass da eine pubertierende Teenager-Meute auf Gott trifft, überkam mich die Befürchtung, dass der Tag des Jüngsten Gerichts plötzlich in greifbare Nähe rücken könnte. Ob Jesus nach den Konfi-Treffen im Gemeindehaus, die aufgrund der jeweiligen Stimmung der Teenies ja auch einer gewissen Gruppendynamik unterlagen, seine Mutter zerknirscht ansah und fragte: »Heilige Mutter Gottes, war ich genauso schwierig?«

Ob Maria vielleicht auch gelegentlich den Kopf an Josefs Schulter gelegt und lautlos geweint hatte, weil doch die Sache mit der unbefleckten Empfängnis eigentlich ganz gut gelaufen war und sich der Bub jetzt aus heiterem Himmel so flegelig benahm? Das hatte ihr vorher bestimmt auch keiner gesagt. Aber damals herrschten ja auch noch rauere Sitten. Da konnten sich die Teenager von heute wirklich glücklich schätzen mit Hausarrest, iPod-Verbot und sinnlosen Endlos-Diskussionen, auf die sich die Eltern viel zu oft einließen. Früher genügte ein Blick zum Kreuz und jeder Widerspruch wurde im Keim erstickt – naja fast, wenn man von Kain und Abel und wenigen anderen Ausnahmen mal absah.

Aber alles in allem freute ich mich über Sophies Entscheidung und hatte gedanklich schon mit der Planung der Feier begonnen. So was musste ja gut vorbereitet werden. Was ich allerdings nicht bedacht hatte, war die damit verbundene Herausforderung, einen Teenager nahezu jeden Sonntag gewaschen und angezogen Richtung Kirche schicken zu müssen. Das Gemurre und Gemaule nervte mich jetzt schon, und als ich als Zeichen meiner Zuneigung die ersten Male mit in den Gottesdienst gegangen war, hatte ich nur auf das Kreuz über dem Altar gedeutet und gesagt: »Das sind garantiert alles nur erfundene Geschichten! Irgendwann hatte Maria die Schnauze von dem ganzen Gemecker voll und hat mal richtig durchgegriffen!«

Sophie verdrehte die Augen und strafte mich trotz meines euphorischen Gesangs während des restlichen Gottesdienstes mit Nichtachtung.

Während ich jetzt versuchte, alle Klümpchen in dem Teig, in dem sich das Mehl so schön pickelig verkapselt hatte, glattzurühren, die Schweinerei aufwischte und nebenbei den Tisch deckte, kam Sophie angeschlurft. Mit nassen Haaren sah sie sich suchend in der Küche um. »Keine Brötchen?«, fragte sie ungeduldig.

Hunger war auch eines der ständig vorherrschenden Gefühle in unserem Haushalt, und nachdem Sophie beim letzten Abendmahl immer wieder verstohlen in den Brotkorb gegriffen hatte, musste das Kind vor dem Kirchgang unbedingt ausreichend gesättigt werden, bevor es noch auf die Idee kam, mit einem ganzen Laib in die letzte Reihe zu verschwinden – auch wenn Carsten der Meinung war, bei der Höhe der von uns monatlich zu entrichtenden Kirchensteuer könnte das Abendmahl ruhig etwas üppiger ausfallen.

Ich lächelte meine Tochter an. Ich hatte gelesen, dass Lächeln eine positive Grundstimmung vermittelte und dem Unterbewusstsein half, negativen Stress zu vermeiden! »Es schlafen noch alle, Papa war noch nicht beim Bäcker.«

Sie erstarrte mitten in der Bewegung. »Und was soll ich jetzt essen?«

Ich lächelte immer noch, wenn auch etwas verbissener. »Wie wäre es mit einem Brötchen von gestern, Brot, Toastbrot, Knäckebrot oder gar kein Brot, sondern Jogurt?«

In Sophies Blick lag völliges Unverständnis. »Aber ich esse sonntags immer frische Brötchen! Oder Croissants! Der Gottesdienst dauert voll lange.« Mürrisch blickte sie mich an. »Und warum grinst du eigentlich die ganze Zeit so?«

Ich biss die Zähne zusammen und lächelte weiter, obwohl mir der ganze Kiefer wehtat, und antwortete honigsüß. »Du kannst ja hinterher von den Waffeln essen, wenn du ohnehin zum Verkauf eingeteilt bist. Bei so viel Teig bleiben bestimmt ein oder zwei für dich übrig.« Ich hielt ihr ein Brötchen von gestern unter die Nase: »Alternativ: Brötchen von gestern?«

Sie kniff wütend die Augen zusammen, schnappte sich die Teigschüssel samt Deckel und ging zur Tür. Abrupt blieb sie stehen. »Muss ich jetzt etwa auch noch zur Kirche laufen?«

Während ich die restlichen Schüsseln in die Spülmaschine räumte, nickte ich. »Machen die anderen doch auch. Ich kann dich außerdem wohl schlecht im Schlafanzug fahren.«

»Das sieht doch keiner, wenn du im Auto sitzt. Mami, bitte! Ich bin sowieso schon voll spät dran.«

Ich war selbst schuld, ganz klar. Aber sie hatte dieses Wort gesagt! Ich denke, in jeder Eltern-Kind-Beziehung gibt es eine Art Safeword, das verhindert, dass die Eltern irgendwann emotional verkrüppeln, ausrasten oder in eine Sekte eintreten, und unseres war ganz klar: Mami! Mami war verbunden mit knuffeligen, warmen Kinderkörpern, die sich schlaftrunken in meine Arme kuschelten, mit klebrigen Küssen und einem zauberhaften Augenaufschlag, wenn sie mein Gesicht in ihre Händchen genommen und mit konzentrierter Ernsthaftigkeit gesagt hatten: »Du bist die beste Mami auf der ganzen Welt!«

Was zum Teufel sollte ich »Mami« entgegensetzen? Resigniert und im inneren Dialog mit meinem höheren Ich, das mir triefend vor Sarkasmus sagte, ich wäre ein wahres Beispiel für gelebte Konsequenz, griff ich seufzend nach meiner Jacke. Ich nahm gerade den Autoschlüssel vom Haken, da kam Carsten gut gelaunt im Schlafanzug die Treppe herunter gepoltert.

Er fuhr sich mit beiden Händen durch das dunkle, nicht mehr ganz so dichte Resthaar. »Oh, Marlene, du fährst sie?! Kannst du dann vielleicht gerade die Brötchen mitbringen?«

»Ich bin auch noch im Schlafanzug!«, schnauzte ich und schloss die Haustür mit Nachdruck hinter mir.

Im Auto setzte ich die Sonnenbrille auf und lächelte. Besonders in einer Reihenhaussiedlung ging es unter allen Umständen darum, auch in Extremsituationen äußerlich das Gefühl von Normalität zu vermitteln. Das wirkte auf alle Fälle beruhigend auf die Nachbarn, egal wie irre man sich sonst hinter verschlossenen Türen aufführte.

Als ich eine Viertelstunde später von meinen Mitmenschen unerkannt und immer noch lächelnd zu Hause ankam, stand Carsten unter der Dusche, und auch der Rest der Familie zeigte sich ansprechbar. Sebastian und Lena saßen einträchtig auf dem Sofa vor dem Fernseher und ich stellte die restlichen Frühstücksutensilien auf den Tisch.

Kapitel 2

Eigentlich waren wir auf den ersten Blick eine ganze normale Familie, wenn auch meiner Meinung nach mit einem Stresspegel, der bei einer Skala von eins bis zehn regelmäßig die Zwölf erreichte. Schon vor unserer Hochzeit hatten Carsten und ich ewige Diskussionen geführt, ob und wie viele Kinder wir haben wollten. Ich schwankte zwischen zweien, vielen oder ganz einfach nur Katzen. Ich selbst war Einzelkind und hatte meine Freundinnen immer glühend um ihre Geschwister beneidet. Selbst als meine beste Freundin von ihrer jüngeren Schwester mit einer Gabel attackiert wurde, beobachtete ich das mit einem milden Lächeln und sah es eher als Ausdruck überschäumender Lebensfreude. In meiner Vorstellung hatten sich Geschwister immer lieb, auch wenn sie es nicht offen zeigen konnten, und schlimmstenfalls hatte man wenigstens jemanden, den man vorschicken konnte, wenn die größeren und stärkeren Kinder in der Schule mal wieder jemanden zum Verhauen suchten. Ich hatte mich allenfalls mit meinen Eltern streiten können und die hatten im Zweifel sowieso immer recht.

Als Sophie geboren wurde, musste ich jedoch feststellen, dass das Leben mit zwei kastrierten Katern keine wirkliche Vorbereitung auf ein Baby war. Ich hatte mir unbedingt zuerst ein Mädchen gewünscht, weil ich davon ausging, dass man mit dem eigenen Geschlecht mehr gemeinsam hatte und somit der Grundstein für eine innige Beziehung gelegt war. Das mag vermutlich ab der Volljährigkeit so sein, wenn die gröbste Erziehungsarbeit gelaufen ist und sich gemeinsame Unternehmungen auf Shopping, Wellness-Wochenenden und Kinobesuche beschränken, aber das Leben mit Sophie stand anfangs ganz klar unter der Überschrift »Mein Kind, das unbekannte Wesen«.

Ich hatte vorher in einem tollen, anthroposophischen Erziehungsratgeber gelesen, dass eine Mutter instinktiv wüsste, warum ihr Baby schreit. Meine Instinkte waren jedoch von dem vielen Gebrüll in den ersten Monaten so irritiert und in Aufruhr, dass sie auf völlig offensichtliche Dinge wie z.B. eine volle Windel oder ganz einfach Hunger gar nicht kamen. Während ich mit dem armen Kind den Flieger machte, mich auf dem Pezzi-Ball dumm und dämlich hopste oder in unterschiedlich tiefen Resonanzen summte, quoll der wunderbar geruchsneutrale Stillstuhl oben aus der Windel heraus und es lag auf der Hand, dass Sophie nicht wie ich von der Hopserei schwitzte oder an einer seltsamen Krankheit litt, sondern dass schlichtweg die Windel überlief. Nachdem wir beide dann wieder sauber und frisch verpackt auf dem Sofa saßen, ich den in einem Anfall von Panik vereinbarten Termin beim Kinderarzt wieder abgesagt und den Gedanken an eine gemeinsame Rückführungstherapie zwecks Aufarbeitung des Geburtstraumas verworfen hatte, sahen wir uns erschöpft an. Sophie dachte auch gar nicht daran, die im Erziehungsratgeber angegebenen, durchschnittlichen sechszehn Stunden täglich zu schlafen – und schon gar nicht am Stück oder gar nachts, wenn zumindest ich sie dringend gebraucht hätte. Irgendwie hatte ich mir das alles einfacher vorgestellt, und wenn Carsten abends gut gelaunt nach Hause kam und fragte, wie unser Tag gewesen sei, hatte ich zum ersten Mal im Leben das starke Bedürfnis, mit Gegenständen zu werfen.

Da ja bekanntlich jedes Kind eine Nische innerhalb der Familie besetzt und Sophie die ihre auch lautstark verteidigte, gingen Carsten und ich die noch unbesetzten Nischen gewissenhaft durch, um das Risiko, das weitere Kinder mit sich bringen könnten, kalkulieren zu können. Selbst unsere Kater waren zu zweit und da erschien es uns unfair, Sophie im Kampf gegen die Übermacht der Eltern nicht noch ein Geschwisterchen an die Seite zu stellen. Gesagt, getan, und neun Monate später wurde Sebastian geboren. Ich habe keine Ahnung, welche Züge Jungs heutzutage in der Pubertät annehmen, aber Sebastian war und ist bis heute ein ruhiges, heiteres Kind. Ich würde nicht so weit gehen wie meine Schwiegermutter, die fest und steif behauptete, ihre Söhne hätten nie geschrien – ich vermute, sie hatten ein Glöckchen am Bett und haben höflich geläutet – und von Anfang an durchgeschlafen, aber Sebastian hatte wohl instinktiv erkannt, dass eine geballte Charmeoffensive erfolgversprechender war als viel Radau, zumal er bei Sophie sowieso selten zu Wort kam. Er wachte morgens schon mit einem Strahlen im Gesicht auf, und wenn er wirklich einmal brüllte, erschrak er selbst am meisten darüber. Trotz allem betete er seine große Schwester seit Anbeginn an und ertrug es mit stoischer Gelassenheit, wenn Sophie ihn als Prinzessin, Barbie oder Fee verkleidete. Bis er dann im Kindergarten die Bekanntschaft mit Spiderman, Darth Vader und Batman machte und begriff, dass echte Kerle keine Krönchen tragen. Damit war der Ärger im Geschwisterkosmos allerdings vorprogrammiert.

Als vier Jahre später Lena auf die Welt kam, überkam ihn das erste Mal abgrundtiefe Verzweiflung und dicke Tränen kullerten aus seinen blauen Augen. Erschüttert saß er während des 3D-Ultraschalls neben Carsten und fragte den Arzt nach dessen Ankündigung, dass er wieder ein Schwesterchen bekommen würde, ob er da nicht ein Brüderchen draus machen könnte. Der Arzt entließ ihn mit der frohen Botschaft: »Jetzt noch nicht, aber vielleicht in knapp achtzehn Jahren.«

Eine gewisse Verzweiflung überfällt ihn auch heute noch in regelmäßigen Abständen und ich bin nicht sicher, ob er angesichts seiner beiden dominanten Schwestern den Frauen nicht irgendwann abschwört und in ein tibetanisches Kloster eintritt. Inzwischen waren unsere drei Goldstücke vierzehn, zwölf und acht Jahre alt und die altersbedingte Reibung untereinander so groß, dass die Funken, die flogen, als Auslöser für einen ausgedehnten Waldbrand gereicht hätten. Stellenweise kam ich mir vor wie in einem nicht ausgewiesenen Minenfeld. Meine weiße Fahne wurde geflissentlich übersehen, und ergriff ich nicht für eines der Kinder Partei, war ich automatisch gegen alle.

Wenn ich abends erschöpft über Lego-Steine, schmutzige Klamotten, Puppenwagen und Fußballschuhe stolperte, fragte ich mich, ob zwei kastrierte Kater nicht absolut ausreichend gewesen wären; bis zu dem Moment, an dem ich vor den Betten meiner schlafenden Kinder stand. Diese tiefe, irrationale, überwältigende Liebe, die ich für diese drei Terrorkäfer empfand, stellte mein komplettes bisheriges Gefühlsleben in den Schatten – und wenn man meinem Mann glauben durfte, war das auch schon unglaublich facettenreich. Wenn Lenas kleiner Fuß unter der Decke hervor lugte, Sebastian mit seinem alten, stinkenden Stofftiger kuschelte und Sophie mit offenem Mund leicht sabberte, dann erkannte ich in ihr das Baby wieder, das sie einmal gewesen war. Sentimental und mit einem Kloß im Hals stand ich dann vor dem Bett und wollte absolut gar nichts anders haben, als es gerade war.

Natürlich will ich sie nicht komplett ändern, grübelte ich vor mich hin, während ich darauf wartete, dass Carsten mit den Brötchen von der Tankstelle zurückkam. Nur wäre es manchmal hilfreich, wenn sie ihre Grenzen nicht immer auf eine Weise austesten würden, die es zum Erhalt meines Seelenfriedens nötig machte, mehrmals täglich mit einer Schwimmnudel auf die Sofakissen einzuschlagen. Laut einem befreundeten Familienpsychologen soll man dabei vorzugsweise auch noch seine Gefühle in Worte fassen, also laut schreien: »Ich bin wütend!«, »Ich bin enttäuscht!«, »Ich bin frustriert!«. Als ich das erste Mal unsere armen Kissen vermöbelt hatte und selbige anschrie »Ich bin so wütend«, hatte meine Familie doch sehr befremdet reagiert.

»Gut, dass du das sagst! Das hätte sonst leicht missverstanden werden können!« Sophie hatte grinsend in der Tür gestanden, neben sich Sebastian und Lena, die mich entgeistert ansahen. »Machst du das auch, wenn du auf Papa sauer bist? Es hat übrigens geklingelt...!«

Meine beste Freundin Birgit war hinter ihr aufgetaucht und lachte über das ganze Gesicht. »Nein, Mäuschen, dem zieht sie mit der Schwimmnudel direkt eins über.« Zugegeben, das Konzept war noch ausbaufähig.

Als wir später am Frühstückstisch saßen und den restlichen Sonntag planten, kam Sophie schwer atmend zur Tür herein. Sie knallte die Teigschüssel auf den Tisch und verkündete strahlend: »Da, für euch! Im Übrigen hatte ich am meisten Teig dabei.«

Das war bei der Menge keine wirkliche Überraschung, und ich fragte: »Ist so viel übrig geblieben?«

Sie öffnete den Deckel und strahlte über das ganze Gesicht. »Tataa!! Nein, ich habe von dem restlichen Teig Waffeln für uns gemacht und die mitgebracht. Da brauchst du für heute Nachmittag nichts mehr machen.«

Wir guckten alle neugierig in die Schüssel und die Waffeln sahen gar nicht so schlecht aus. Ein bisschen hell und vielleicht ein bisschen glibberig, aber immerhin wie Waffeln. Carsten probierte ein Stück und kaute tapfer. »Lecker! Nicht so süß. Ein bisschen Eis dazu, Erdbeeren und Schokosoße und sie schmecken bestimmt richtig gut.« Er lächelte seine älteste Tochter an. »Hast du gut gemacht!«

Sophie lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück. »Ja, nicht wahr?! Das ging auch ratzfatz und war gar nicht so kompliziert.« Sie sah über die offene Theke in die Küche. »Und guck mal, Papa, die Küche war auch schnell wieder aufgeräumt.«

Da war sie wieder, besagte Teenager-Matrix! Da wollen sie so erwachsen sein, cool und abgeklärt, aber statt das Zusammenwirken von Mama, der Spülmaschine und dem Saugfix Wundersauger Nimbus 2000 zu registrieren, glauben sie immer noch an die Heinzelmännchen!

Ich wollte gerade zu einer gut durchdachten Standpauke ansetzen, da sprang Sophie auf und drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Bin total platt, ich muss jetzt erst mal chillen, Mama.« Ich klappte den Mund wieder zu - und lächelte!

Kapitel 3

»Mama, schau mal! Die sind ja schön, die haben richtige Gesichter!« Lena stand vor einer Steige mit Stiefmütterchen und war hingerissen von den kleinen, bunten Blumen. Ich ging neben meiner Tochter in die Hocke.

»Ja, die sind sehr schön. Davon können wir ein paar mitnehmen, aber ich brauche vor allem Pflanzen, die man nicht so oft gießen muss.« Ich griff nach einem Töpfchen mit dunkelroten Blüten, deren »Gesichter« mich am wenigstens streng musterten. »Such’ doch mal fünf oder sechs Stück aus, die möglichst freundlich gucken. Sonst beißt die Oma noch von unten die Wurzeln ab«, sagte ich zu meiner kleinen Tochter und beäugte das Angebot im Gartencenter kritisch nach seiner Friedhofstauglichkeit.

Lena war mit Feuereifer dabei und musterte ausgiebig die verschiedenen Blumen. »Die Oma hat Blumen immer so gerne gehabt, es dürfen keine sein, die muffig gucken. Das machen ja schon diese komischen Steinfiguren.« Sie sprach von den Steinskulpturen auf einem der Nachbargräber, die entfernt an den »Glöckner von Notre-Dame« erinnerten – nur dass diese leider nicht bei Einbruch der Dunkelheit singend über den Friedhof tänzelten. Ich nickte abwesend und setzte meinen Rundgang durch das Gartencenter fort.

Meine Eltern waren beide schon gestorben und das Grab befand sich auf einem Friedhof in Frankfurt-Griesheim, dem abenteuerlichen Stadtteil, in dem ich auch aufgewachsen war. Meine Freundin und ich waren damals oft mit einer leicht morbiden Begeisterung zwischen den Grabsteinen herumspaziert, wobei wir uns die schauerlichsten Geschichten ausgedacht hatten. Einer der damaligen Friedhofsgärtner hatte unsere Fantasie noch zusätzlich angeheizt, als er uns erzählte, dass auf dem großen Familiengrab der Familie Engerling die Pflanzen immer genau über dem Sarg der Oma abgestorben waren. Irgendwann wollte die Familie das suspekte, unterirdische Treiben der Oma beenden, indem sie das ganze Grab mit einer dicken Platte aus feinstem, italienischem Marmor abdeckte. Die Platte brach jedoch nach kurzer Zeit an mehreren Stellen, und seitdem war das Grab verwaist, da selbst der Familie diese unerklärlichen Dinge unheimlich wurden.

So mysteriös ging es am Grab meiner Eltern zum Glück nicht zu, aber ich konnte unmöglich täglich zum Gießen von Bad Vilbel nach Frankfurt fahren. Daher brauchte ich Pflanzen, die eine abwesenheitsbedingte Dürreperiode überstehen und auch meinen nicht vorhandenen grünen Daumen aushalten würden.

Ich konnte mit Friedhöfen und Gräbern eigentlich nicht viel anfangen. Als meine Mutter vor knapp 10 Jahren starb, hatte ich anfangs immer gehofft, an ihrem Grab eine besondere Nähe zu spüren. Ich hatte laut kommentiert, was ich da oben auf dem Grab so alles anpflanzte und zurechtschnitt, aber entweder hatten ihr meine gestalterischen Fähigkeiten die Sprache verschlagen oder sie schmollte immer noch, weil sie direkt neben ihrer Schwiegermutter beigesetzt worden war. Jedenfalls blieb sie stumm.

Ich war zwar immer mehr ein Papa-Kind gewesen, aber wir alle hatten uns nach dem Tod meiner Mutter erst einmal neu sortieren müssen. Sophie war der Augenstern meiner Mutter gewesen, und als mein Vater damals die Wohnung umgeräumt und etliches aussortiert hatte, wurde er von seiner kleinen Enkelin mit blitzenden Augen verfolgt. Mit der ganzen Entrüstung einer 6-Jährigen hatte sie neben den Umzugskartons und Müllsäcken gestanden und wie ein kleiner Hamster unzählige Sachen beiseite geschafft. Als ich ihr später erklären wollte, dass ich das unmöglich alles mit zu uns nach Hause nehmen konnte, weil wir sonst eventuell den Garten unterkellern müssten, sagte sie mit zitternder Unterlippe: »Die Omi hätte bestimmt gewollt, dass ich das bekomme! Damit wir sie nicht vergessen.«

In solchen Momenten schwieg man am besten. Also hatte ich mit leicht säuerlichem Gesichtsausdruck die beleuchtete Eisenbahn meiner Mutter in unser Reihenhäuschen umgesiedelt und jahrelang unter dem Weihnachtsbaum fahren lassen, was von Sophie und Sebastian mit verzückten Augen beobachtet wurde. Leider schlugen alle Dressurversuche mit Balou fehl, den bis zum Anschlag mit Katzenleckerli gefüllten und lautstark klingelnden Zug von den Schienen zu schubsen. Essen, das sich so schnell und laut bewegte, war ihm unheimlich. Vor drei Jahren fiel dann aber doch die Eisenbahn einer Naturgewalt in Form des Hundes meines Vaters zum Opfer, der nicht begriff, dass er keine Katze war und vor lauter Gier nach den Thunfischdrops die Züge kurz und klein biss. Spätestens ab diesem Zeitpunkt rechnete ich ebenfalls mit abgestorbenen Pflanzen auf dem Familiengrab.

Mamas Grab wurde von meinem Vater anfangs mit Hingabe gepflegt, weil man in dieser Generation ja noch absurderweise Rückschlüsse von der Grabgestaltung auf die Qualität einer Ehe zog, aber nach einiger Zeit hatte er sich dann doch für eine praktischere Variante mit immergrünen Bodendeckern entschieden, die optisch kaum von dem Friedhofsunkraut zu unterscheiden waren. Lediglich in der mittig platzierten Pflanzschale sorgten wir abwechselnd für saisonale Blümchen, um die leidenschaftliche Gärtnerseele meiner Mutter zu besänftigen.

Ich haderte unglaublich mit dem Tod meiner Mutter. Es gibt ja Menschen, die Schicksalsschläge annehmen und als Lernprozesse des Lebens betrachten können. Dieses Talent ging mir seit jeher völlig ab. Ich war Profi darin, mich ungerecht behandelt zu fühlen und konnte eine schier unermüdliche Energie für die Suche nach dem vermeintlich Schuldigen aufbringen. Akzeptieren konnte ich die Unveränderlichkeit mancher Dinge erst, wenn ich mit meinen Kräften am Ende war und völlig erschöpft aus dem Ring stieg. Ich war die erste aus meinem Freundeskreis, die ein Elternteil verloren hatte und das Höflichste, was ich auf salbungsvolle Kommentare wie »Wir bekommen von Gott nichts auferlegt, was wir nicht tragen können« oder »Die Zeit heilt alle Wunden« erwidern konnte, war nichts! Ich wollte definitiv nicht alles tragen, was ich gekonnt hätte, und die Zeit heilte auch nicht alle Wunden. Was also Gott und mich in dieser Hinsicht anging – da klafften Eigen- und Fremdwahrnehmung gehörig auseinander.

Meine polnische Haushaltshilfe hatte das Thema Trauer auf den Punkt gebracht. »Weißt du, ist wie Wälle, die rollt an Strand! Mal kleiner, denkst du, du kommst gut damit zurächt. Dann wieder hohe Wälle, ganz hoch, und bricht über dir zusammen. Aber Wälle kommt immer wieder, wird nur kleiner mit Zeit.«

Nach dem Tod meiner Mutter rückte mein Vater ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit, was ihn stellenweise leicht überforderte. Ich fing aus lauter Panik an, ihn fürsorglich zu bemuttern, weil ich befürchtete, er würde mit dem Alleinsein nicht fertigwerden. Anfangs ließ er sich noch geduldig gefallen, dass ich ihn mehrmals täglich anrief und fragte, was er gegessen habe, ob seine Verdauung regelmäßig funktioniere und ob er mit dem Hund draußen gewesen sei, bis er eines Tages knurrte: »Ich habe meine Frau verloren, aber nicht meinen Verstand!«

Kaum ein Mensch war für mich ein solcher Inbegriff von Kraft und Stärke gewesen wie mein Vater. Es gab kein Problem, für das er keine Lösung gefunden hätte, und wann immer ich unsicher vor einer Entscheidung stand, sagte er: »Wenn der einzige Grund, es nicht zu tun, die Angst vor dem Scheitern ist, dann mach es! Angst ist ein schlechter Ratgeber.«

Mit dieser Unerschütterlichkeit machte er weiter, für sich und für uns. Er putzte seine Wohnung weiterhin nach dem Zeitplan meiner Mutter, lernte, dass es Lebensmittel gab, die in rohem Zustand für Menschen nicht genießbar waren und legte einen Großteil seines Misstrauens gegenüber gewissen Haushaltsgeräten ab. Während er unverständlicherweise gegen Nahrungsmittel in Pulverform, die sich, mit heißem Wasser übergossen, in eine komplette Mahlzeit verwandelten, keine Ressentiments hegte, war ihm die schweineteure Kaffeemaschine, die jeden Mann in den Zwillingsbruder von George Clooney verwandelte, schlichtweg suspekt.

Dass er sich mit seiner Raucherei mal ernsthaft in Schwierigkeiten bringen könnte, wollte er nie wahrhaben und ich vermute, er kam sich ein bisschen vor wie John Wayne im Ruhestand, wenn er bei Sonnenuntergang mit seiner Kippe im Mund in seinem Kleingarten saß und nebenbei dem sonoren Brummen der angrenzenden A5 lauschte. Gemessen an der Anzahl seiner täglich gerauchten Zigaretten hatte er mit seiner Ignoranz auch fast sieben Jahre lang Erfolg. Auf seine anhaltende Husterei machte mich erst eine Nachbarin aufmerksam, die ihn nachts immer auf dem Balkon hörte und anfangs dachte, es wäre das Röcheln einer kaputten Lüftung. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis wir ihn überzeugen konnten, endlich zum Arzt zu gehen, doch da war es schon zu spät. Alles ging furchtbar schnell und ein knappes Jahr später wurde er beerdigt.

Sein Tod war jetzt knapp drei Monate her und auch dieses Mal hörte ich keine Stimmen, wenn ich das Grab besuchte, in dem meine Eltern jetzt wieder zusammen waren – wenn man mal von Frau Gärtner absah, die am Grab nebenan ihrem Mann immer noch die Leviten las, weil er ständig der Grundschullehrerin ihres Sohnes auf den Hintern geschielt hatte.

Die Bepflanzung des Familiengrabes wollte ich nun also möglichst pflegeleicht gestalten, und meine Versuche hätten rein optisch nie eine verwandtschaftliche Beziehung zu meiner Mutter vermuten lassen. Aber ich gab mein Bestes und musste nun einen Teil der Bodendecker ersetzen, die mir im Winter erfroren oder schlichtweg vertrocknet waren. Lena half mir mit Begeisterung, und wenn ich sah, wie meine Tochter mit der Verkäuferin fachsimpelte, war klar, dass der grüne Daumen meiner Mutter eine Generation übersprungen hatte. Ich versuchte gerade, die vielen Informationen über die unterschiedliche Wuchshöhe, Pflegeintensität und den möglichen Schädlingsbefall zu verarbeiten, als Lena beladen mit einem Arm voller Stiefmütterchen auf mich zugewankt kam. »Die gucken alle lieb, deshalb habe ich sie alle mitgenommen. Die mit dem bösen Blick habe ich stehenlassen.«

Eine ältere Dame mit nach herabhängenden Mundwinkeln und Schlupflidern sah mich unsicher an. »Ihre Kleine findet, dass viele davon einen bösen Blick haben. Die kann ich meinem Paul dann aber sicher nicht auf das Grab setzen, oder?«

Sie tat mir Leid und ich sagte: »Naja, es sind halt ‚Stiefmütterchen’. Die haben ja auch im wirklichen Leben nicht so den besten Ruf, vermutlich gucken deshalb ein paar von ihnen etwas unfreundlich.«

Die Dame warf mir einen verschnupften Blick zu. »Mein Paul hat auch ein Mädchen und einen Bub mit in die Ehe gebracht und ich habe nicht einen Tag so miesepetrig geschaut! Im Gegenteil, ich war eine wahre Frohnatur, und putzen mussten die Kinder bei mir auch nie!«

Ich stöhnte innerlich und Lena kicherte hinter ihren Blümchen. »Ja, wissen Sie, durch die ganzen Märchen halten sich diese Vorurteile irgendwie tapfer. Denken Sie nur mal an Schneewittchen, Aschenputtel oder Hänsel und Gretel. Das waren noch Stiefmütter der alten Schule. Aber ganz sicher kann man die mit Ihnen gar nicht vergleichen.«

Während ich noch versuchte, das Ausmaß des Fettnapfes, in den ich getreten war, etwas zu verkleinern, rauschte das beleidigte »Stiefmütterchen« davon, knallte die armen Blümchen wieder in die Palette und griff sich einen Arm voller »Vergiss mein nicht«.

Lena zupfte an meiner Jacke. »Mama, du sagst jetzt besser nichts mehr. Weil mit den Stiefmüttern in den Märchen, das ging nie wirklich gut aus. Aber heute nennt man das eh ‚Patchwork-Familie’ und bei dem Boris Becker zum Beispiel läuft das super. Der hat sogar nochmal kirchlich geheiratet – glaube ich zumindest, wegen des weißen Kleides!«

Ich sah Lena völlig entgeistert an. »Woher weißt du denn, wie das bei dem Boris Becker läuft?«

»Na, von der ‚Gala’, die immer bei euch oben auf dem Klo liegt. Da steht, dass das bei denen super klappt. Auch mit den beiden Frauen.«

Während wir unseren Wagen zur Kasse schoben, erklärte ich meiner 8-jährigen Tochter, dass die eine seine Ex-Frau sei (also Babs) und man in der westlichen Welt nicht mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet sein durfte. Also zumindest nicht offiziell und wenn, dann sollten beide nach Möglichkeit nichts voneinander wissen. Alles andere gehörte in die Besenkammer, das ginge zur Not gerade noch so durch! Mir wurde deutlich bewusst, dass es durchaus auch Nachteile hat, wenn das kleinste Kind flüssig lesen kann. Ab sofort musste pädagogisch wertvollere Lektüre auf die Toiletten verteilt werden, am besten gleich in mehreren Sprachen!

Kapitel 4

Ich hatte von Anfang an geahnt, dass ich alle Register würde ziehen müssen, um Sophie an einem Sonntagmorgen um halb neun aus dem Bett zu bekommen, und es war ein Wunder, dass sie sich nicht am Bettgestell festgekettet hatte. Mein Plan, das große Kind kurz wachzurütteln, wieder in mein Bett zu kriechen und weiterzuschlafen, war damit ebenfalls hinfällig.

»Ich bete vom Bett aus«, stöhnte es irgendwo aus den tieferen Regionen zwischen Bettdecke und Kissen. »Ehrlich!«

»Gott sieht alles, also steh auf und fang’ schon mal an, deine Sünden zu bereuen. Das könnte eine Weile dauern.«

Sophies verwuschelter Haarschopf tauchte auf. »Du bist wieder so witzig, Mama, ehrlich.«

»Ich weiß. Und jetzt raus aus den Federn.«

»Früher hatten die Menschen auch keine Kirchen und haben überall da gebetet, wo es eben gepasst hat – zu Hause oder in Höhlen oder so.«

Ich zog den Rollladen hoch und drehte mich zu meiner verschlafenen Tochter um.

»Die Menschen früher haben ihre Gottesdienste in Höhlen abgehalten, weil die Christen von den Römern verfolgt wurden und ihren Glauben nicht öffentlich leben durften und nicht, weil sie zu faul waren aufzustehen.«

Ich öffnete das Fenster. »Außerdem erzähl’ mir nicht, dass du eher aufstehen würdest, wenn du in einer Höhle beten müsstest.«

Sophie streckte sich und gähnte. »Könntest du nicht beim Frühstück ein bisschen was predigen, von der Schule oder was du halt sonst immer so erzählst, dann vergibst du mir meine Sünden und fertig?«

Was ich sonst eben so erzählte, na toll! Meine Erziehungsversuche kamen einer Sonntagspredigt gleich – nur vermutlich mit deutlich weniger Ergriffenheit. Vielleicht sollte ich ihr auch immer mal einen Klingelbeutel unter die Nase halten und sagen: »Die heutige Kollekte ist für einen 3-wöchigen Aufenthalt im Mütter-Genesungsheim, damit meine völlig zerrüttete Psyche wieder etwas mehr emotionale Stabilität gewinnt.«

Nachdem ich sichergestellt hatte, dass Sophie mit einem Stapel Klamotten wirklich im Badezimmer verschwunden und nicht auf halber Strecke im Katzenkorb wieder eingeschlafen war, schlich ich leise zu meinem Kleiderschrank. Wenn ich ohnehin schon wach war, konnte ich meine Tochter auch mal wieder in den Gottesdienst begleiten. So eine gemeinsame spirituelle Erfahrung könnte der Beziehung zwischen Mutter und Tochter einen ganz entscheidenden Kick geben.

Als ich eine halbe Stunde später die Treppe runterkam und mir die Autoschlüssel schnappte, saß Sophie mit halbgeschlossenen Augen im Flur, und aus den Kopfhörern dröhnten eindeutig keine himmlischen Chöre. Irgendwann ist das Kind stocktaub, dachte ich bei mir, tippte sie an und nickte mit dem Kopf Richtung Haustür. Als wir kurz darauf auf dem Parkplatz neben der Kirche hielten, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Wie eine kleine Armee Untoter schlurften etliche Konfirmanden im Halbschlaf zum Haupteingang der Kirche und nahmen die Außenwelt offensichtlich nur sehr reduziert wahr. Sophie reihte sich in die Schlange ein und schreckte erst auf, als sie merkte, dass ich immer noch hinter ihr war.

»Du willst doch nicht etwa mit?«, fragte sie entgeistert.

»Doch! Dann ist das für dich nicht so öde. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«

»Mama, da gehen von niemandem die Eltern mit! Emmas und Jennys Mütter sind doch auch nicht in der Kirche.«

Irgendwie war ich schon etwas verletzt, dass sogar ein gemeinsamer Gottesdienstbesuch peinlich wurde, aber ich ließ es mir nicht anmerken. »Die haben auch nur ein Kind und brauchen göttlichen Beistand nicht so dringend wie ich. Ich setze mich aber auch gerne zwei Reihen hinter dich, wenn es dich beruhigt.«

Sophie verdrehte die Augen und quetschte sich neben Emma auf einen Platz in der ersten Kirchenbank, die offensichtlich für die Konfirmanden reserviert war. Immerhin konnte keiner im Schlaf von der Bank fallen, wenn sie wie die Ölsardinen sitzen, dachte ich belustigt. Die Orgel spielte auf und ich sah einen Jungen hochschrecken, der mit offenem Mund und geschlossen Augen halb von der Bank gekippt war.

Der Gottesdienst begann und Pfarrer Heumann hielt ein glühendes Plädoyer für die Liebe –die Liebe Gottes, die Nächstenliebe und die Liebe einer Mutter. Er sprach der Mutterliebe durchaus etwas Göttliches zu, da diese ihren Kindern gegenüber ähnlich bedingungslos und unerschütterlich sei. Es gäbe Wut auf die Kinder, Trauer, Enttäuschung, aber ähnlich, wie sich die Gläubigen »trotzdem« immer wieder für Gott entschieden, würde sich eine Mutter stets hinter ihr Kind stellen, komme, was wolle. Ich dachte darüber nach und spürte ein leichtes Unbehagen. Natürlich liebte ich meine Kinder über alles, auch wenn ich hin und wieder dachte, dass sie mein Ableben sicherlich zeitlich begünstigten. Aber bedingungslos? Davon war ich, ehrlich gesagt, um Einiges entfernt und wenn ich nach der Schwimmnudel griff und ein unschuldiges Kissen anbrüllte, hatte das nicht mal ansatzweise etwas Göttliches an sich. Oder ging es hier einfach um das »trotzdem«, egal ob sich der Puls gerade weit außerhalb des Normbereiches bewegte?

Als ich Sophie später in einigem Abstand zum Auto folgte – man will ja das Kind nicht in Verlegenheit bringen – warf sie mir einen zerknirschten Blick zu.

»Es tut mir Leid. Emma fand es ziemlich cool, dass du mitgekommen bist.«

»Ach ja?«, fragte ich. »Wieso denn das?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Weil du dich einfach dafür interessierst, denke ich.«

Ich nickte und schnallte mich an. Sophie beugte sich nach vorne.

»Das ist schon irgendwie schräg, findest du nicht?«

Ich sah in den Rückspiegel.

»Was genau meinst du?«

»Naja, die Liebe einer Mutter und die Liebe zu Gott oder von Gott zu den Menschen... Und dann die Sache mit Maria.«

»Ich kann dir jetzt gerade nicht ganz folgen«, erwiderte ich etwas ratlos.

»Mann, Mama! Stell dir das doch mal vor. Da wird jemand ungewollt schwanger...«

»Nein, Sophie, nicht ungewollt, das war die göttliche Empfängnis. Maria war dazu auserwählt, Gottes Sohn zu gebären.«

»Das haben sie denen damals erzählt«, unterbrach sie mich ungeduldig. »Aber egal. Da wird dann also ungewollt der Retter der Welt geboren, Gottes Sohn, der sein Wort verkünden und die Menschheit retten soll und dann läuft da was total schief.... Und anschließend opfert Gott seinen eigenen Sohn!«

Sophie redete sich immer mehr in Rage.

»Gut, er ist nur der Vater, aber Maria guckt auch die ganze Zeit dabei zu und macht nix.«

Lieber Gott, die Gedankengänge einer 14-jährigen waren manchmal wirklich haarsträubend.

»Sophie, Maria und Josef waren, wie viele Menschen in dieser Zeit, tiefgläubig und haben Gottes Wort nicht angezweifelt.«

Empört lehnte sie sich zwischen den Vordersitzen durch.

»Mama, jetzt mal ehrlich. Stell’ dir mal vor, es kommt jemand zu dir und sagt, ich wäre die Auserwählte Gottes und solle jetzt die Welt retten, komme, was wolle!«

Ich versuchte es! Wirklich! Aber auch meiner Fantasie waren Grenzen gesetzt.

»Dann läuft das gar nicht gut und die stellen mich einfach so an den Pranger.«

»Jesus wurde gekreuzigt, nicht an den Pranger gestellt!«, kommentierte ich geduldig.

Sophie wedelte ungeduldig mit der Hand.

»Egal! Du würdest denen doch die Hölle heiß machen, oder?«