Buchcover

Anny von Panhuys

Das Mädchen aus Mexiko

Roman

Saga

1

Isabel Herbert reckte ihre schmale, kleine Gestalt fast starr hoch, und das feine Gesicht mit den wundervollen, schwarzen Augen brannte in dunkler Glut. „Vater, wenn du wirklich verlangst, ich soll freundlich sein zu diesem grässlichen Sennor Aldaz, dann bin ich dir ernstlich böse. Ich mag ihn nicht leiden.“

Franz Herbert lachte. „Dann bin ich dir ernstlich böse!“ machte er seinem verwöhnten Töchterchen nach. „Na lass, kleines Mädchen, so schlimm wird es nicht gleich werden.“

Er zog die Siebzehnjährige zu sich heran und liess sich in einen der Korbsessel fallen, die hier in Isabels hellem, grossem Zimmer reichlich vorhanden waren. Isabel stand nun vor ihm, seine Hände hielten die ihren. Er sah zu ihr auf.

„Kleine Isa, du fauchst gleich wie dein Tiger, wenn ein anderer als du in seine Nähe kommt. Sei doch bitte vernünftig und lass mit dir reden.“ Sein hageres, von mexikanischer Sonne gebräuntes Antlitz, das ebensowenig wie sein blondes Haar und seine blauen Augen die deutsche Heimat verleugnen konnte, wurde sehr ernst und nachdenklich. „Liebe, kleine Isa, deine Mutter starb zu früh, viel zu früh für dich. Ich bin in das Zirkusleben eingekesselt und kann nicht so handeln, wie ich deiner Zukunft wegen möchte. Es würde mir schwer, das ganze Unternehmen aufzulösen. Ich würde den Zirkus Herbert verkaufen, aber es ist langwierig, einen Käufer zu finden. Die ihn übernehmen möchten, besitzen kein Geld, und die Geld besitzen, haben kein Interesse an ihm. Jedenfalls will ich dich aus dem Betrieb heraushaben. Du bist zu waghalsig, arbeitest gegen meinen Willen mit. Wo wir hinkommen, sorgst du für Aufreizungen! Ich gebe zu, manchmal ohne es zu wollen. Und hier, in der Stadt Mexiko, gehörst du gewissermassen zu den Sehenswürdigkeiten! Sieh, Liebling, ich kann sterben, dann stehst du allein auf der Welt, und ich hätte keine Ruhe im Grabe, wenn ich dich so zurücklassen müsste. Ich fürchte tausend Gefahren für dich und möchte dich im bürgerlichen Leben wissen. Sennor Aldaz liebt dich, er ist reich, er ist, wenn ich nicht sehr irre, ein guter Mensch, er würde dich auf Händen tragen. An seiner Seite würdest du auch eine Rolle in der hiesigen Gesellschaft spielen, hast mit ihm kokettiert —“

Isabel hatte plötzlich grosse Tränen in den Augen. „Da du so glatt alle Vorteile anführst, die ich als Sennor Aldaz’ Frau hätte, will ich dich auch auf die Nachteile aufmerksam machen.“ Ihre Lippen schürzten sich. „Möglich, dass Sennor Aldaz mich liebt, möglich auch, dass ich mit ihm kokettierte. Aber er hat braune Zahnflecke vom vielen Rauchen, und sein Gesicht ist anstatt mit Haut mit gegerbtem Leder überzogen, er hat Augen wie ein Fisch, und wenn er lacht, dann meckert er, und seine Ohren wackeln dabei. Dazu sind seine Finger unangenehm feucht und — “

„Hör’ auf!“ Franz Herbert schüttelte den Kopf. „Sennor Aldaz gilt hier als sehr hübscher Mann. Doch kann und will ich dich nicht zwingen, seine Frau zu werden. Aber ich habe ihn ganz gern, er entstammt einer ausgezeichneten Familie, und ich muss dich bitten, ihm wenigstens selbst zu sagen, dass er auf seinen Antrag nichts zu hoffen hat. Der Mensch ist so vernarrt in dich, hat sich so in die Sache hineingeredet, dass er mir nicht glauben würde. Und dann —“ er brach ab, setzte wieder an, brach noch einmal ab, vollendete schliesslich: „Es ist wohl besser, du erfährst die Wahrheit. Der Zirkus hatte letzthin grosse Verluste. Sennor Aldaz lieh mir fünfzigtausend Pesos, in ungefähr einem Jahre hoffe ich sie ihm zurückzahlen zu können. Heute ist es mir nicht möglich, ohne dass ich unsere ganze Zukunft aufs Spiel setze. Den Zirkus könnte ich überhastet nur mit grossem Verlust verkaufen, unser schönes Haus ebenso —“

Isabels schmale, dunkle Brauen zuckten wie die schlanken Flügel eines kleinen Vogels. „Du hast Geld von Sennor Aldaz? Davon ahnte ich nichts. Aber sage, zahlst du ihm denn keine Zinsen, Vater?“

„Komische Frage!“ verwunderte sich Franz Herbert. „Natürlich zahle ich ihm Zinsen.“

Isabel atmete auf. „Darauf kommt es doch nur an. Dann hat er dir doch keine selbstlose Gefälligkeit erwiesen, und du brauchst dich gar nicht so verpflichtet zu fühlen. Übrigens hat der Petroleumkönig Geld genug, er wird gerne warten, bis du es ihm zurückzahlen kannst.“

Ihr Vater unterdrückte einen Seufzer. „Wollen es hoffen, Isabel, wollen es hoffen.“

Er gab Isabels Hände frei und erhob sich. Er war ein Riese gegen die Tochter, die klein und zierlich war, wie es auch die Mutter gewesen, der sie ähnelte in allem, bis auf das Haar. Das war Erbteil von ihm, dem deutschen Vater. Mattblond und leicht gewellt lag es um das schmale Köpfchen. Die grossen, schwarzen Augen bildeten dazu einen überaus reizvollen Gegensatz.

In Mexiko heiraten die Mädchen früh, die Sonne reift hier Blumen und Früchte und Menschen schneller. Cinta Marca, Isabels Mutter, war erst sechzehn Jahre gewesen, als sie Herberts Frau geworden war. —

Er schritt ein paarmal durch das Zimmer, und Isabel beobachtete ihn, wie er so den hübsch möblierten Raum durchquerte. Sie hatte seinen vorher innegehabten Platz eingenommen. Sie lächelte jetzt nachsichtig.

„Reg’ dich doch nicht auf, Vater, Sennor Aldaz denkt nicht daran, sein Geld zurückzuverlangen, und mit unnützen Sorgen schadest du dir nur. Reden wir lieber von gescheiteren Dingen.“ Sie schlug ein Bein über das andere, legte die gefalteten Hände um das Knie und wippte schaukelnd hin und her. „Vater, meine neue Nummer steht! Morgen kannst du sie schon ankündigen, Bonito arbeitet tadellos.“

Franz Herbert unterbrach seinen Zimmerspaziergang. „Isabel, es bleibt dabei, in der neuen Nummer, die du dir selbst zusammengestellt hast, trittst du nicht auf! Du trittst überhaupt nicht auf. Ich will es nicht! Du machst immer aussergewöhnliche Sachen, und wenn das für einen Künstler auch kein Fehler ist, will ich doch nicht in ständiger Furcht um dein Leben sein. Auftreten lasse ich dich nicht mehr.“

Isabels dunkle Augen blitzten. „Vater, du hast es ja nicht der Mühe für wert gehalten, dir meine neue Nummer anzusehen auf den Proben, sonst würdest du mein Auftreten kaum abwarten können.“ Es klang vorwurfsvoll, als sie fortfuhr: „Statt stolz auf meine Leistungen zu sein, behandelst du alles ganz nebensächlich. Das ist unrecht von dir. Ich habe doch nun mal Zirkusblut in den Adern. Kann ich dafür? So etwas lässt sich nicht gewaltsam unterdrücken. In einer Stunde will ich dir die neue Nummer vorführen. Bitte, sieh sie dir an. Du wirst staunen, wie Bonito sich benimmt —“

Bei dem Worte „Bonito“ war der Ausdruck ihres Gesichtchens warm und zärtlich.

Franz Herbert sah ziemlich ratlos aus. Isabel hatte ja recht, sie hatte Zirkusblut in den Adern, er hätte früher versuchen müssen, es in ihr zu unterdrücken. Es war jetzt etwas spät dazu, hoffentlich aber nicht zu spät. Er hatte gehofft, Sennor Aldaz würde ihr gefallen, die Liebe hätte Isabels Leben vielleicht in die Bahn gelenkt, die er für sie wünschte.

Er dachte plötzlich wieder an seine Schwester Helene in Deutschland, wie schon öfter in letzter Zeit, und sagte lächelnd: „Möchtest du nicht ein paar Jahre in Deutschland leben? Tante Helene in Worms am Rhein würde sich freuen, ihre einzige Nichte kennenzulernen. Ich will mich dann bemühen, den Zirkus zu verkaufen, und siedle später auch nach Deutschland über.“

Isabel lachte laut. „Das kann mich alles nicht reizen, Vater. Gib dir gar keine Mühe. Ich bleibe hier, und ich trete auf, und wenn dir das Zirkusleben über ist, dann stelle mich an die Spitze. Sollst dein blaues Wunder erleben, wie ich alles leite!“

„Das glaube ich, dass ich dann mein blaues Wunder erleben würde,“ bestätigte er, wider Willen lächelnd. „Aber ich trage gar kein Verlangen danach.“

Isabel stürzte auf den Vater zu. Mit einem Sprung schwang sie sich hoch, hing an seinem Halse. „Du wirst in einer Stunde in die Manege kommen, Sennor Direktor. Ich lasse dich nicht eher los, bis du ja sagst.“

Was blieb ihm übrig? Es war Isabel bisher immer gelungen, ihn ihren Wünschen geneigt zu machen. „Ansehen will ich mir deine Nummer, aber die Erlaubnis, darin aufzutreten, steht auf einem anderen Blatt.“

Franz Herbert empfing ein paar kräftige Küsse rechts und ein paar kräftige Küsse links, dann gab ihn Isabel frei.

Er machte, dass er aus dem Zimmer kam. Isabel hatte es auch heute verstanden, ihn herumzukriegen. Er ärgerte sich darüber, aber er fiel doch immer wieder darauf herein.

Er kam sich schwach vor, machte sich schon vor der Tür Vorwürfe und suchte ärgerlich sein Arbeitszimmer auf. Vor seinem Schreibtisch stand er lange vor dem Bilde seiner schon vor sechzehn Jahren verstorbenen Frau. Isabel war ihr so ähnlich — bis auf das Haar. Das ihrer Mutter war schwarz gewesen, mit einem Schimmer wie von dunklem Stahl. Er setzte sich an den Schreibtisch, stützte den Ellenbogen auf die Platte und legte das Kinn in die hohle Hand. Er musste in letzter Zeit so viel an seine Schwester denken, mit der er in einem kargen Briefwechsel stand.

Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er Deutschland verlassen. Ein gefallsüchtiges Mädchen, das ihn am Gängelband geführt und dann, als sie Gelegenheit dazu hatte, den Reicheren zum Manne nahm, war der Grund, der ihn aus der Heimat trieb. Das kleine Gut der Eltern, das er nach deren Tod bewirtschaftete, verkaufte er, gab die Hälfte des Erlöses seiner mit einem Arzt verheirateten Schwester und zog in die Welt.

In San Franzisko wurde er, als vorzüglicher Reiter, Mitglied des Zirkus Marca, heiratete nach einigen Jahren die einzige Tochter des Direktors, und so wuchs Isabel in der Zirkusluft auf.

Anfangs liess er sie in allem gewähren, aber Isabel war tollkühn und spielte mit der Gefahr. Er wünschte nicht, dass sie dieses Leben fortsetzte. Er dachte an das Elternhaus, sah die Schwester als junges Mädchen vor sich, im weissen Volantkleid mit glattem Scheitelhaar und dicken Zöpfen. Die Tanzstunde in der Kreisstadt war der Höhepunkt ihrer Jungmädchentage gewesen. Isabel aber ritt wie ein Cowboy, turnte am höchsten Reck und fuhr in ihrem kleinen Auto aus, während neben ihr der junge Tiger „Bonito“ sass, trotzdem es deshalb nur so Strafzettel regnete.

Sie hatte eine Nummer einstudiert mit Pferd und Tiger, aber er würde sie nicht darin auftreten lassen. Isabels Name sollte endgültig vom Programm verschwinden.

Seit einiger Zeit beschäftigte ihn nur die Frage, wie es ihm gelingen könnte, sie ins Privatleben zu drängen. Solange sie jünger gewesen, hatte sie sich leidlich seinen Anordnungen gefügt, nun sie älter geworden war, machte es ihr jedoch Vergnügen, förmlich mit ihrem Leben zu spielen.

Es klopfte. Ein Mestize meldete: „Sennor Aldaz!“ Er erschrak. Richtig. Sennor Aldaz wollte sich ja Antwort auf seinen Antrag holen.

Sennor Yorge Aldaz trat ein. Er war ein hübscher, schlanker Mann. Einem Menschen ohne Vorurteil fiel nichts von dem an ihm auf, was Isabel an ihm bemängelt hatte. Nur etwas selbstbewusst schien er, als er fragte: „Nun, Sennor ’Erbert, darf ich hoffen?“

Franz Herbert, der ihm Platz angeboten hatte, lächelte etwas verlegen. „Nein, Sennor, es bleibt bei Isabels Nein —“

Der Jüngere starrte ihn an. „Ich kann das nicht glauben. Sie hat mir manchmal ganz grosse Augen gemacht.“

Franz Herbert biss auf seiner Unterlippe herum. „Isabel denkt sich nichts dabei.“

In diesem Augenblick flog die Tür auf. Isabel trat ein, und neben ihr trabte weichpfotig ein junger Tiger.

Sennor Aldaz sah plötzlich sehr blass aus. „Donna Isabel, legen Sie das Tier doch an die Kette!“ rief er ihr entgegen und erhob sich zur Begrüssung.

„Wozu?“ lachte sie. „Bonito gehorcht aufs Wort. Wenn ich ihm keinen anderen Befehl gebe, bleibt er an meiner Seite, und wenn ich befehle, er soll Ihnen ein Küsschen geben, dann tut er es.“

Yorge Aldaz zuckte die Achseln. Er fand den Scherz sehr töricht. Wenn das Mädel nur nicht so selten schön wäre, weiss der Himmel, er ginge davon und würde ihrem Vater morgen die Kündigung des Geldes senden. Denn es war ja eine Unverschämtheit, ihm, der die ergiebigsten Petroleumminen in ganz Mexiko besass, einen Korb zu geben. Aber der Korb war vielleicht doch nicht so ernst zu nehmen.

Er äugte nach dem Tiger, der ihn mit seinen schrägen Lichtern neugierig betrachtete. „Schaffen Sie doch, bitte, das Vieh hinaus, Donna Isabel, ich möchte in Gegenwart Ihres Vaters eine Frage an Sie richten.“

„Bonito stört nicht, im Gegenteil, er nimmt grossen Anteil an allem, was mich angeht,“ gab sie zurück und strich dem schön gezeichneten Tier zärtlich über den grossen Katzenkopf. „Oder haben Sie etwa Angst vor Bonito, Sennor? Ich fände das sehr unmännlich.“

Yorge Aldaz versuchte zu lächeln, aber der schräge Blick des Tieres störte ihn. Dennoch sagte er: „Ihr Herr Vater teilte mir eben mit, Sie schlügen meinen Antrag ab. Ich bescheide mich damit noch nicht und wiederhole Ihnen meinen Antrag persönlich. Ich bitte sie, genau zu überlegen, dass ich Ihnen viel, sehr viel zu bieten vermag. Ich bin sehr reich, als meine Gattin dürfen Sie sich jeden Wunsch erfüllen.“

Isabel nickte ihm zu. „Es klingt sehr verlockend, Sennor Aldaz, aber ich darf nicht ja sagen, weil ich Sie nicht liebe!“

Yorge Aldaz atmete unfrei. Er hatte bestimmt mit Isabel Herberts Jawort gerechnet, schon deshalb, weil ihr Vater in seiner Schuld stand und diese Schuld, wie er genau wusste, vorläufig nicht zurückzahlen konnte, ohne schwere Verpflichtungen auf sich zu nehmen.

Isabel sah ihn an. „Nein, Sennor, ich liebe Sie nicht. Sie werden Ihren Wunsch vergessen. An mir hätten Sie doch keine Freude, denn ich bin eine Wildkatze, wie Vater mich manchmal nennt, und Wildkatzen passen gar nicht zur Ehefrau.“

Yorge Aldaz sagte leise: „Sie werden Ihren Entschluss ändern, ich gebe Ihnen Bedenkzeit!“

Isabel machte eine Bewegung lebhaften Verneinens. „Ich liebe Sie nicht und werde Sie nie lieben.“

Er fragte fast heftig: „Sie lieben einen anderen?“

Isabel lachte und neigte sich zu dem Tiger nieder. „Ja, meinen Bonito liebe ich!“

Yorge Aldaz empfand die unüberlegte, etwas übermütige Antwort als Spott. „Sennorita ’Erbert, ich vermag Sie nicht zu zwingen, meine Frau zu werden, ich muss mich fügen, aber nun habe ich noch eine Kleinigkeit mit Ihrem Vater zu besprechen.“

„Ich soll hinausgehen, heisst das, nicht wahr?“ Sie setzte sich. „Ich darf mit anhören, was Sie mit meinem Vater reden wollen, Vater erlaubt das.“

Yorge Aldaz zuckte die Achseln. „Wie Sie wünschen!“ Er wandte sich an Franz Herbert. „Sennor ’Erbert, ich muss Ihnen leider die geliehenen fünfzigtausend Pesos kündigen, wir haben monatliche Kündigung ausgemacht.“

Also doch! Franz Herbert war zusammengezuckt. Er hatte diese Kündigung befürchtet und dennoch nicht daran geglaubt. Er entgegnete fest: „Als Sie mir das Geld liehen, betonten Sie, die monatliche Rückzahlung in unserem Vertrag sei nur eine Formsache.“

„Es wäre auch eine Formalität geblieben, wenn Ihre Tochter —“ Mit lebhaftem Achselzucken brach Aldaz den Satz ab.

Isabel sah mit grossen Augen zu ihm hinüber. „Ich kann mir nicht denken, dass der reiche Petroleumfürst einer so überaus kleinlichen Rache fähig wäre.“

Yorge Aldaz blickte an ihr vorbei. „Sennor ’Erbert, ich halte meine Kündigung aufrecht.“

Da sprang Isabel von ihrem Stuhle empor. „Sie halten die Kündigung aufrecht, auch wenn Sie wissen, dass Vaters Unternehmen vielleicht daran zugrunde geht?“

„Auch dann!“ versetzte er, ruhig scheinend, während er vor Wut über den Korb innerlich zitterte.

„Ich bitte Sie herzlich, die Kündigung zurückzunehmen,“ sagte sie weich.

Er nickte. „Sofort! Wenn Sie meine Frau werden wollen!“

„Aber ich liebe Sie doch nicht,“ wehrte sie sich, „und es ist hässlich, wenn man ohne Liebe heiratet.“

Sein Stolz empörte sich. Die schönsten Mädchen aller Nationen hätten das Glück, seine Frau zu werden, besser zu schätzen gewusst als diese Zirkusprinzessin. Er lächelte mit leichtem Spott, der sein Beleidigtsein verhüllen sollte. „Die Kündigung bleibt bestehen, und nun will ich mich empfehlen.“

Franz Herbert ging einen Schritt auf ihn zu. „Sennor Aldaz, lassen Sie mir wenigstens ein Vierteljahr Zeit.“

„Vier Wochen, Sennor ’Erbert, vier Wochen. Ich brauche mein Geld!“

Franz Herbert wollte noch einmal sein Heil versuchen, doch Isabel liess ihn nicht dazu kommen.

„Demütige dich nicht unnütz, Vater,“ rief sie ihm zu. „Ich will’s einmal auf andere Weise versuchen.“ Sie wandte sich Yorge Aldaz zu. „Sennor, die Art, wie Sie sich gegen meinen Vater benehmen, gleicht einer Erpressung, finde ich.“

Er lachte noch immer voll Spott. „Sennorita, ich habe leider keine Zeit mehr.“

Er wollte auf die Tür zu. Sie vertrat ihm den Weg, der junge Tiger hielt mit ihr Schritt. Sein schräger, grünlicher Blick beengte Yorge Aldaz.

„Nehmen Sie die Bestie beiseite,“ sagte er ärgerlich.

Sie lächelte. „Sofort, wenn Sie es meinem Vater schriftlich geben, dass die Rückzahlung des Geldes ein Jahr Zeit hat.“

Franz Herbert blickte seine Tochter plötzlich entsetzt an. „Isa, Kind, treibe nicht solche Scherze!“

„Lass nur, Vater, ich treibe keinen Scherz. Erpressung gegen Erpressung! Anscheinend traut Sennor Aldaz meinem lieben Bonito nicht. Und er hat bis zu einem gewissen Grade auch recht. Jedenfalls gibt Bonito den Weg nur frei, wenn Sie meinem Vater entgegenkommen, Sennor. Dass Sie mich lieben, dafür kann ich nicht und mein Vater noch weniger. Ich dulde es aber nicht, dass Sie sich an ihm rächen.“

„Rufen Sie die Bestie aus dem Wege,“ befahl Yorge Aldaz noch einmal.

„Nur wenn Sie unterschreiben, was ich Ihnen sagte.“

„Isa, verlass mit dem Tier das Zimmer!“ drängte Franz Herbert.

Isabel schüttelte den Kopf. „Ich nütze unseren Vorteil, Sennor Aldaz hat Strafe verdient, ein Caballero handelt nicht wie er.“ Sie wendete sich an Aldaz. „Soll Ihnen Bonito Pfötchen geben oder Küsschen? Er macht das sehr liebreich.“ Sie lachte. „Sie wollten mich heiraten und haben Angst vor meinem Liebling.“ Sie tätschelte den Tiger, zeigte auf Aldaz: „Schau, Bonito, der Sennor fürchtet sich vor dir.“

Das Tier musste die Bewegung seiner geliebten Herrin falsch gedeutet haben, denn plötzlich schnellte sein weicher und doch nerviger Körper gegen Yorge Aldaz an, der zu Boden stürzte, während der Tiger die rechte Pranke hob.

Nur einen schmalen Streif trug Yorge Aldaz auf der Wange davon, denn Isabel riss das Tier sofort zurück, aber Aldaz war fahl vor Wut. Er riss seinen Revolver aus der Tasche, und in den gellen Schrei Isabels mischte sich schon der Schuss. Das Tier richtete sich steil auf, fiel dann zurück, ein Zucken ging durch den Körper von Isabels verhätscheltem Liebling, dann streckte er sich. Seine grünen Lichter glimmten noch einmal wie in voller Erkenntnis des letzten Abschiedes zu Isabel hinüber, dann brach ihr Glanz.

Verzweifelt warf sich das Mädchen über das tote Tier, ihr Schluchzen war herzbrechend.

Yorge Aldaz trat zu Franz Herbert „Notwehr, Sennor ’Erbert. Sennorita Isabel hat vorhin angezweifelt, dass ich ein Caballero bin. Behalten Sie deshalb, bitte, das Geld, solange Sie es brauchen.“

Er wollte etwas zu Isabel sagen, doch eine leidenschaftliche Geste scheuchte ihn fort. Er verliess das Zimmer. Hinter sich hörte er Isabels Weinen.

Franz Herbert neigte sich über seine Tochter. „Kind, Kind, wie durftest du dich so benehmen! Du hast nur den Schaden davon.“ Er seufzte. „Höre auf zu weinen, Kind! Du hättest Bonito sowieso nicht mehr lange als Haustier behandeln können. Wilde Tiere gehören hinter Gitterstäbe.“

Isabel sass inmitten des Zimmers, der Kopf des toten Tieres lag in ihrem Schoss.

„Vater, ich darf Sennor Aldaz nicht mehr begegnen, ich hasse ihn, ich verabscheue ihn. Ich möchte deshalb fort von hier. Vater, jetzt bitte ich dich, lass mich weit fort, zu Tante Helene nach Deutschland, dort sind die Menschen ruhiger, herzwärmer, niemand hätte dort meinen Bonito getötet.“

„Aber sie wären vor ihm ausgerissen,“ lächelte Franz Herbert, der glücklich war über Isabels Entschluss.

Es war wirklich für sie die höchste Zeit, in andere Verhältnisse zu kommen. Die eben durchgemachte Stunde hatte ihm bewiesen, wie selbstherrlich Isabel war. Bei seiner Schwester würde sie sich ändern. Und es war gut, wenn sie jetzt sobald wie möglich fortkam. Bei ihrem Naturell bestand Gefahr für Yorge Aldaz, wenn er ihr in den Weg kam.

Er half seinem Kinde aufstehen und bettete ihr Köpfchen an seiner Brust. „Liebes, liebes Mädelchen, mit dem nächsten Dampfer schicke ich dich nach Europa.“ Er streichelte sie. „Es wird dir in Deutschland gefallen, wenn der Himmel auch nicht so blau ist wie hier und es einen Winter dort gibt mit Eis und Schnee.“

Er fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Augen. An sein Herz klopfte plötzlich urgewaltig das Heimweh, das er niemals so stark, so elementar verspürt hatte wie eben.