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EIN FOHLEN VON
DER EIGENEN STUTE

EIN HANDBUCH FÜR ANGEHENDE HOBBYZÜCHTER

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(Foto: tierfotoagentur.de/Alexa P.)

Karin Kattwinkel

EIN FOHLEN VON
DER EIGENEN STUTE

EIN HANDBUCH FÜR ANGEHENDE HOBBYZÜCHTER

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Haftungsausschluss

Die Autorin, der Verlag und alle anderen an diesem Buch direkt oder indirekt beteiligten Personen lehnen für Unfälle oder Schäden jeder Art, die aus in diesem Buch dargestellten Übungen entstehen können, jegliche Haftung ab.

In diesem Buch sind einige Reiter abgebildet, die ohne splittersicheren Kopfschutz reiten. Dies ist nicht zur Nachahmung zu empfehlen! Achten Sie immer auf die entsprechende Sicherheitsausrüstung für sich selbst: feste Schuhe und Handschuhe bei der Bodenarbeit sowie Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls Sicherheitsweste beim Reiten.

IMPRESSUM

Copyright © 2015 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Satz: Pinkhouse Design, Wien

Titelgestaltung und Layout: www.ravenstein2.de
Coverfoto: C. Slawik
Fotos im Innenteil: Dallmer, Dr. Ende, www.fotolia.com,
Hengststation Kretschmer, R. Kallenbach,

K. Kattwinkel, D. Mette, MSD Tiergesundheit, N. Sachs,

D. Schäfer, C. Slawik, www.tierfotoagentur.de
Grafiken: M. Mähler
Lektorat der Originalausgabe: C.-M. Ossapofsky

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Tschechische Republik, www.graspo.com

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach
vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6395-2

INHALT

Vorwort

Wichtige Überlegungen vorab

Voraussetzungen bei Stall und Umfeld

Wenn Sie Ihr Fohlen später verkaufen möchten

Voraussetzungen bei der werdenden Mutter

Wie finden Sie den richtigen Vater?

Am Anfang steht die Bürokratie

Ein bisschen Tierzüchtungslehre

Die Sache mit den Genen

Die Sache mit der Größe

Aufklärung für Pferdebesitzer

Was Sie sonst noch beachten müssen

Pferdesex auf Bestellung

Welche Kosten kommen auf Sie zu?

Was tun bei Deckverletzungen?

Neues Leben entsteht

Die Befruchtung

Hat es geklappt?

So entwickelt sich das Fohlen

Wenn die Stute nicht tragend wird

Mögliche Komplikationen während der Trächtigkeit

Gründe für ein nicht ansteckendes Verfohlen

Maßnahmen bei einem Virusabort

Manchmal sind es zwei

Die Haltung der hochtragenden Stute

Das große Ereignis rückt näher

Letzte Vorbereitungen

Wurmkur

Ruhe ist oberstes Gebot

Anzeichen der bevorstehenden Geburt

Der normale Ablauf

Künstliche Einleitung der Geburt

Der neue Erdenbewohner ist endlich da

Die Versorgung des Neugeborenen

Glückliche Momente: Mutter und Kind lernen sich kennen

Unterdrückung war noch nie eine gute Erziehungsmethode

Wenn die Stute über ihr Mutterglück die guten Manieren vergisst

Wenn bei der Geburt etwas schiefgeht

Wenn die erste Aufregung vorüber ist

Ist das Fohlen gesund?

Natürliche Schluckimpfung

Achten Sie auf Sauberkeit

Kein Grund zur Sorge: Kotfressen in den ersten Tagen

Wann müssen Sie Milch zufüttern?

Unverträglichkeit der Biestmilch

Euterentzündung

Wenn die Stute stirbt

Noch ein Fohlen im nächsten Jahr?

Die wichtigsten Fohlenkrankheiten

Darmpechverhalten

Fohlenlähme

Durchfall

Spätlähme

Nabelentzündung

Nabelbruch

Blasenriss

Fohlenhusten

Lungenentzündung

Druse

Unfälle

Wie füttern Sie richtig?

Hochträchtigkeit – jetzt braucht die Stute mehr Futter!

Jetzt sind es zwei – doppelte Ration?

Die Kinderstube prägt das ganze Leben

Noch einmal ein bisschen Bürokratie

Die Aufzucht – soziale Kontakte prägen den Charakter

Wann zahnt das Fohlen?

Wurmkuren

Schutzimpfungen

Das A und O: frische Luft, Sonne und viel Bewegung

Der Auslauf

Das muss jedes Fohlen lernen

Reiten mit oder ohne Fohlen?

Hufpflege

Huf- und Stellungsfehler

Wann muss das Fohlen zugefüttert werden?

Damit aus dem Absetzen kein Trauma wird

Grundlagen einer erfolgreichen Aufzucht

Gönnen Sie Ihrem Liebling die Freiheit der Weide

Welche Faktoren beeinflussen das Wachstum des Fohlens?

Wann wird das Fohlen geschlechtsreif?

Wie wächst das Fohlen?

So erkennen Sie, was aus Ihrem Fohlen wird

Wichtige Adressen

VORWORT

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(Foto: R. Kallenbach)

Ein eigenes Fohlen entstehen, leben und wachsen zu sehen, ist wohl das schönste Erlebnis, das einem als Pferdefreund widerfahren kann.

Aber es bedeutet auch, eine große Verantwortung zu übernehmen. Damit Sie es in vollen Zügen genießen können, möchte Ihnen dieses Buch die Sicherheit des nötigen Fachwissens geben. Ich möchte Ihnen eine echte Basis für sichere Entscheidungen bieten und Ihnen vor allem dabei helfen, mögliche Fehlerquellen zu erkennen und von vornherein abzustellen – zum Wohle der Entwicklung Ihres Lieblings und zu Ihrer eigenen Freude.

Seien Sie ehrlich zu sich selbst! Wägen Sie vor allem sehr sorgfältig ab, ob die geliebte Stute auch unter züchterischen Gesichtspunkten wirklich Mutter werden sollte.

Viel zu oft werden frühzeitig „verschlissene“ oder unreitbare Stuten zur Zucht genutzt, nach dem Motto: „Wenn ich sie schon nicht mehr reiten kann, dann soll sie wenigstens noch ein Fohlen bekommen“.

Da viele Probleme auch eine erbliche Ursache haben können, ist dies natürlich gleichbedeutend mit einer Negativauslese. Die Schwierigkeiten mit dem Pferdenachwuchs sind dann oft schon vorprogrammiert.

Auch selbst kreierte „Rassemixe“ haben es oft schwer im späteren Leben, sei es, weil ihr Exterieur selten gute Reitpferdeeigenschaften aufweist oder weil ganz unterschiedliche Herkunftsländer der Elterntiere Ursache von Stoffwechselproblemen sein können.

Leider erweist sich auch die Idee, aus der eigenen Stute einen Nachkommen zu ziehen, um auf diese Weise günstig an ein gutes Pferd zu kommen, nicht selten als Trugschluss. Die Trächtigkeit der Stute und die Aufzucht eines Fohlens verlangen bei aller Freude, die damit verbunden ist, sehr viel Sorgfalt, Geduld und Sachkenntnis, aber auch Geld und Zeit. Auch ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit (denn Rückschläge und Enttäuschungen gehören nun einmal zum Züchteralltag) und das Verständnis Ihrer Familie beziehungsweise Ihres Partners sind gefordert.

Bedenken Sie: Fehler, die in den ersten Lebensmonaten eines Pferdes gemacht werden, beeinflussen sein ganzes Leben. Seien Sie sich dessen bewusst, dass es gut vier Jahre dauert, bis aus dem Pferdekind ein Reitpferd werden kann.

Bei keiner Tierart sind die Aufzuchtbedingungen für seine spätere Nutzung so wichtig wie beim Pferd. Hier werden die Weichen gestellt für die Ausbildung seines Skeletts und für seine Konstitution, die letztendlich seine Eignung als Sport- oder Freizeitpferd bestimmen. Ungünstige Aufzuchtbedingungen können Ursprung späterer gesundheitlicher Probleme sein, die eine aussichtsreiche Karriere vorzeitig beenden. Entscheidend für die psychische Entwicklung des Pferdenachwuchses ist ein pferdegerechtes Umfeld. Dazu gehören genügend Platz und ausreichende Weideflächen, aber auch die entsprechende Pferdegesellschaft möglichst in gemischten Altersgruppen, auf jeden Fall aber gleichaltrige Spielkameraden. Eine einzelne Stute mit Fohlen hinter dem Haus zu halten hat nichts mit Tierliebe zu tun, sondern ist bloßer Egoismus.

Herz, Verstand und eine stets wache Aufmerksamkeit sind weitere wichtige Grundvoraussetzungen, die Sie als Aufzüchter oder Aufzüchterin mitbringen sollten. So sollten Sie den Pferden eine Leitpersönlichkeit sein. Nur dann können Sie deren Charakter formen und das Pferdekind zu einer angenehmen Pferdepersönlichkeit heranreifen lassen. Allzu oft kommt bei aller Liebe die Konsequenz, mit der insbesondere das heranwachsende Pferd behandelt werden muss, zu kurz. Der Mensch muss eindeutig die Führungsrolle übernehmen und in jeder Situation ohne Kompromisse respektiert werden, ohne dass dabei Grobheit oder gar Gewalt vonnöten wären. Das Pferd bleibt untergeordnetes Herdenmitglied, eine Rolle, in der sich das Herdentier Pferd durchaus wohlfühlt, gibt sie ihm doch Sicherheit und Geborgenheit. Nicht zuletzt sollten Sie ehrlich erkennen können, wo Ihre Grenzen liegen. Scheuen Sie sich nicht, wenn nötig, kompetenten Rat und Hilfe zu holen.

Viel Spaß beim Lesen und alles Gute für Ihre Pferde wünscht Ihnen

Karin Kattwinkel

WICHTIGE ÜBERLEGUNGEN VORAB

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(Foto: C. Slawik)

Voraussetzungen bei Stall und Umfeld

Nicht jede Haltungsform, die für Reitpferde, „Pferde-Rentner“ oder Jungpferde ideal ist, eignet sich auch für Zuchtstuten und ihre Fohlen. Im letzten Drittel der Trächtigkeit brauchen Stuten zunehmend Ruhe und einen ungestörten Rückzugsbereich. Außerdem sollten tragende Stuten grundsätzlich nicht ständig Kontakt mit neuen Pferden und großem Publikumsverkehr haben, da eine erhöhte Infektionsgefahr besteht.

Zum Abfohlen wird ein sauberer, abgetrennter Bereich mit reichlich Stroheinstreu benötigt, der gut zu überwachen ist. Auch bei Robustrassen kann Hilfe notwendig werden, und ein matschiger Gemeinschaftsauslauf ist nicht geeignet für eine Geburt.

Die Weide ist zwar unter hygienischen Gesichtspunkten ideal, aber schlecht zu überwachen. Außerdem beschützen insbesondere Erstlingsstuten ihre Fohlen oft eifersüchtig vor neugierigen Herdenmitgliedern und Menschen. Eine geräumige Einzelbox gibt ihnen während dieser wichtigen Prägungsphase zwischen Mutter und Kind die nötige Ruhe und Sicherheit. Sperren Sie jedoch eine herdengewohnte Stute nicht ohne Sichtkontakt zu den anderen ein. Das verursacht ihr zu viel Stress!

In einer Gruppe mit mehreren Mutterstuten ist das Abfohlen in der Herde meist kein Problem, vor allem wenn erfahrene Fohlenstuten dabei sind. Der Liegebereich muss groß genug und gut zugänglich sowie zu beleuchten sein.

Wenn Sie also Ihrer Stute keinen geeigneten Abfohlbereich und keinen Einzelauslauf für die ersten Wochen bieten können, sollten Sie die werdende Mutter lieber einem erfahrenen Züchter anvertrauen. Hier findet Ihr künftiges Fohlen auch gleichaltrige Spielgefährten, mit denen es artgerecht aufwachsen kann.

Natürlich liegt bei den meisten Gelegenheitszüchtern der Idee, ein eigenes Fohlen zu haben, auch der Wunsch zugrunde, es aufwachsen zu sehen und ganz für sich zu haben. Doch sollte Ihnen das Wohl von Mutter und Kind wichtiger sein als die Erfüllung der eigenen Träume.

Vielleicht lassen sich ja auch gute Kompromisse schließen, und Sie bauen Ihre Pferdeanlage entsprechend um. Oder ein befreundeter Pferdehalter in der Nähe hat den gleichen Wunsch und Sie können sich zusammenschließen?

Wichtig sind in jedem Fall qualitätvolle große Weideflächen. Im Sommer gehört ein junges Pferd auf die Weide, und zwar Tag und Nacht! Schon allein aus diesem Grund sind auch die meisten reinen Reitställe für züchterische Ambitionen nicht geeignet.

Hinweis:

Achten Sie darauf, dass es in der Umgebung von Stute und Fohlen keine Gefahrenquellen gibt:

•  Keine hervorstehenden Nägel

•  Keine scharfen Kanten

•  Keine schmalen Ritzen (auch unter Abtrennungen und Türen)

•  Keine Heuraufen, in denen die schmalen Hufe des Fohlens hängen bleiben können.

Die wichtigsten Fragen für Einsteiger:

• Was soll Ihr Fohlen werden?

Wollen Sie ein Springpferd, Dressurtalent oder familiengerechtes Freizeitpferd? Setzen Sie sich ein Zuchtziel und suchen Sie die Eltern gezielt danach aus.

• Behalten oder verkaufen?

Wollen Sie Ihren Pferdenachwuchs selber reiten? Können Sie ihn alleine ausbilden? Wollen Sie ihn als Absetzer verkaufen oder erst als erwachsenes Pferd?

• Reicht der Platz?

Sind Stall und Weide für eine Zuchtstute geeignet?

• Haben Sie genug Zeit?

Stute und Fohlen brauchen nicht weniger Zeit als ein Reitpferd – im Gegenteil!

• Reicht Ihr Fachwissen?

Wissen Sie genug über Pferdezucht? Oder sind Sie zumindest bereit, sich die nötige Fachkenntnis anzueignen?

• Besitzen Sie Durchhaltevermögen?

Pferdezucht verlangt Stehvermögen. Erfolge brauchen ihre Zeit, Rückschläge gibt es so sicher wie das Amen in der Kirche.

Es vergehen Jahre, bis aus Ihrem Traum ein erwachsenes Pferd wird.

• Reicht das Geld?

Der Versuch zu züchten kann ganz schön ins Geld gehen. Ein Weg, um billig an ein gutes Pferd zu kommen, ist er nicht! Kalkulieren Sie auf jeden Fall Rücklagen für etwaige zusätzliche Tierarztkosten und Ähnliches mit ein.

• Wie steht Ihre Familie zu Ihren Zuchtambitionen?

Keine ganz unwesentliche Frage, wenn diese nicht ebenso pferdebegeistert ist wie Sie selbst.

Was kostet das eigene Fohlen?

Bis zum Absetzen müssen Sie etwa mit mindestens
folgenden Kosten rechnen, wenn alles glatt geht:

Versicherung Stute und Fohlen 220,- Euro
Futterkosten:
   •  10 dt Kraftfutter à 15,50 Euro 155,- Euro
   •  10 dt Heu à 12,- Euro 120,- Euro
   •  20 dt Stroh à 8,- Euro 160,- Euro
   •  0,5 dt Ergänzungsfutter à 160,- Euro 80,- Euro
Summe Futterkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515,- Euro
   
Weidekosten (Zaun, Dünger) 100,- Euro
Decktaxe ab 500,- Euro
Transporte 100,- Euro
Strom, Wasser 40,- Euro
Hufpflege Stute und Fohlen 480,- Euro
Betrag Zuchtverband 70,- Euro
Tierarztkosten
   •  Tupferprobe und Untersuchung 90,- Euro
   •  Follikelkontrolle und Ultraschall 95,- Euro
   •  Trächtigkeitsuntersuchung 35,- Euro
   •  Impfungen 250,- Euro
   •  Neugeborenenuntersuchung 50,- Euro
   •  Entwurmung Stute und Fohlen 240,- Euro
   •  Sonstige Tierarztkosten 100,- Euro
Summe Tierarztkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860,- Euro
   
Summe aller Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.885,- Euro
   
   
Professionelle Züchter müssen dazu noch berücksichtigen:
Wert der Stute (5.000,- Euro)
10 Nutzungsjahre (betriebswirtschaftlicher Restwert 1.000,- Euro) 400,- Euro
AfA (amtliche Tabelle für Abschreibungen) + Unterhaltung Stall/Anlage 820,- Euro
Lohnanspruch (120 Arbeitsstunden à 10,- Euro) 1.200,- Euro
Kosten für das Fohlen gesamt 5.305,- Euro

Unvorhergesehene Kosten, zum Beispiel eine Krankheit oder Verletzung, können die Kosten schnell in die Höhe treiben.

Wenn Sie Ihr Fohlen später verkaufen möchten

Dann sollten Sie bei der Auswahl von Stute und Hengst besonders kritisch sein. Erfüllt das Fohlen große Erwartungen an Ausstrahlung und Exterieur, so können Sie es meist ohne großen Aufwand allein durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“ verkaufen.

Andere Möglichkeiten sind Inserate im Internet oder in Fachzeitschriften beziehungsweise auf den Fohlenauktionen der Zuchtverbände. Für die Auktionen wird in der Regel streng selektiert. Am besten erkundigen Sie sich beim zuständigen Verband.

Voraussetzungen bei der werdenden Mutter

DAS BESTE IST GERADE GUT GENUG

Versuchen Sie möglichst objektiv zu sein, um zu entscheiden, ob eine Karriere als Mutter wirklich das Richtige für Ihre Stute ist. Sie selbst wie auch ein eventueller Käufer werden an einem guten, gesunden und leistungsbereiten Pferd sicher mehr Freude haben als an einem, das durch das, was ihm die Natur mitgegeben oder auch nicht mitgegeben hat, benachteiligt ist.

50 Prozente seiner Gene, aber 100 Prozent seines erworbenen Verhaltens bekommt das Fohlen von seiner Mutter. Deshalb sollten Zuchtstuten einen einwandfreien Charakter haben und nach Möglichkeit keine Untugenden wie Weben, Koppen, Schlagen zeigen. Nicht nur, weil solche Eigenschaften unter Umständen vererbbar sind. Viel entscheidender ist das schlechte Beispiel für das Fohlen. Außerdem besteht immer die Gefahr, dass die Stute bei einem überschießenden Temperamentsausbruch das Fohlen verletzt.

Selbstverständlich muss die Stute organisch gesund sein. Ist ein Pferd aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr reitbar, weil es zum Beispiel chronisch lahmt oder hustet, so sollten Sie in jedem Fall einen Tierarzt zurate ziehen, der die Frage beantworten kann, ob diese Probleme möglicherweise vererbbar sind. In diesem Fall müssen Sie sich als verantwortungsbewusster Pferdebesitzer wohl oder übel von der Idee, mit einer solchen Stute zu züchten, verabschieden.

Das gilt ebenso, wenn Trächtigkeit, Geburt und Säugezeit die bereits angegriffene Gesundheit der Stute noch weiter beeinträchtigen.

Es gibt jedoch auch nicht vererbbare Mängel, die den Einsatz der Stute zur Zucht beeinflussen können. Ist eine Stute infolge eines Unfalls oder durch falsche Haltung oder Nutzung unreitbar geworden, dann sollte ein erfahrener Tierarzt klären, ob der Stute eine Belastung durch Trächtigkeit, Geburt und Fohlenaufzucht zuzumuten ist.

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(Foto: N. Sachs)

Das Gleiche gilt für Stuten, die schon in die Jahre gekommen sind. Hat die Stute in jungen Jahren bereits einmal ein Fohlen bekommen, so ist ein später Wiedereinstieg in die Zucht sicher problemlos möglich. Stuten, die das erste Mal Mutter werden, sollten möglichst nicht älter als 16 Jahre sein.

Im Hinblick auf die Geschlechtsgesundheit können Sie das Euter sowie den Genitalbereich selbst untersuchen. Das Euter muss symmetrisch aussehen und zwei gleiche Zitzen haben. Achten Sie beim Betrachten der Scham auf Stellung (eventueller Hinweis auf Gebärmuttersenkung) und festen Schluss (ansonsten Gefahr von Keimbefall durch Verschmutzung).

Pferde mit starken Rückenproblemen (vor allem bei Blockierungen der Lendenwirbelsäule) haben oft nervale Reizleitungsstörungen, die zu mangelnder Sensibilität im After- und Schambereich führen können.

Damit verbunden sein können eine Vielzahl von Problemen im Beckenbereich (von Kolikneigung über Koordinationsstörungen der Hinterhand, Blasenproblemen, Zyklusstörungen bis hin zur Schwierigkeit, das Becken abzukippen).

Ob Ihre Stute betroffen ist, können Sie mit einem Stäbchen oder mit einem festen Strohhalm leicht selbst testen. Bei spontanem „Kitzeln“ in der After- und Schamregion erfolgt bei gesunden Pferden eine deutlich sichtbare Reaktion wie deutliches Hautzucken oder Zusammenziehen des Afterschließmuskels. Ist dies nicht der Fall, wäre ein guter Osteopath Ihr Ansprechpartner. Achtung: Stehen Sie für diesen Selbsttest bitte in jedem Fall seitlich neben der Hinterhand für den Fall, dass die Reaktion der Stute „sehr deutlich“ ausfällt. Die Untersuchung der inneren Geschlechtsorgane bleibt dem Tierarzt überlassen.

Nicht ausgewachsene Stuten bringen oft kleine und schwächliche Fohlen zur Welt. Hinzu kommt, dass sich dann die Muttertiere selbst nicht richtig weiterentwickeln, denn das unreife Knochengerüst der Stute wird dann doppelt belastet: durch das Gewicht des Fohlens samt Fruchtwasser und durch die nur mangelhafte weitere Verkalkung, denn die reife Frucht hat immer noch höhere Priorität.

Auch über eine optimale Mineralstoffversorgung durch die Fütterung sind diese Probleme nicht abzufangen! Die Folgen dieser Praxis treten meist erst später zu Tage, beispielsweise wenn solche Stuten für sportliche Zwecke genutzt werden und dann schneller verschleißen.

Deshalb sollten Sie Ihre Stute nicht vor dem dritten Lebensjahr decken lassen. Bei spätreifen Robustpferderassen, wie beispielsweise Isländern, sollten Sie sich noch ein weiteres Jahr Zeit lassen. Erfahrene Züchter lassen allerdings oftmals zu stark wachsende Stuten bereits zweijährig belegen, weil sich das Größenwachstum während der Trächtigkeit in der Regel verlangsamt.

Wie finden Sie den richtigen Vater?

Schauen Sie sich den Auserwählten wenn irgend möglich live an. Nur so bekommen Sie wirklich einen Eindruck von Gebäude, Temperament, Ausstrahlung, Verhalten und Rittigkeit. Ist die Entfernung zu groß, sollten Sie den Hengsthalter zumindest um eine Videoaufnahme bitten. Empfehlenswert ist auch die Besichtigung bereits vorhandener Nachzucht.

Manche Hengste vererben ihren eigenen Typ konsequent weiter, auch mit unterschiedlichen Stuten. Andere machen Fohlen, die immer mehr Ähnlichkeit mit der Mutter haben. Wieder andere bringen vorwiegend Mischungen. So können Sie wichtige Informationen gewinnen, wenn Sie kleine Fehler Ihrer Stute korrigieren wollen oder am liebsten ein genaues Abbild von ihr haben möchten.