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Nr. 1347

 

Am Ereignishorizont

 

Stygians letzte Tat – die Milchstraße soll sterben

 

von Kurt Mahr

 

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Auf Terra schreibt man den Dezember des Jahres 446 NGZ, was dem Jahr 4033 alter Zeitrechnung entspricht. Somit sind seit den dramatischen Ereignissen, die zum Kontakt mit ESTARTUS Abgesandten und zur Verbreitung der Lehre des Permanenten Konflikts in der Galaxis führten, rund 17 Jahre vergangen.

Doch trotz dieser relativ langen Zeitspanne hat keiner der Sothos die Galaktiker auf den angestrebten Kurs bringen können.

Auch in der Mächtigkeitsballung ESTARTU, wo die Ewigen Krieger seit Jahrtausenden regieren, lehnt man sich gegen ihre Herrschaft auf, was die Zerstörung der Heraldischen Tore von Siom Som und Ijarkors Reaktionen eindeutig aufzeigen. Und dafür, dass die Unruhe im Reich der nicht mehr präsenten ESTARTU weiter um sich greift, liegen schon Beweise vor.

Die Worte Oogh at Tarkans, des, wiedererweckten Begründers der Upanishad-Lehre, tragen noch mehr zur Unruhe bei. Sie werden in ESTARTU und der Menschheitsgalaxis überall dort gehört, wo die Statuen des »Lehrerslehrers« stehen, und sie bleiben nicht ohne Wirkung.

Sotho Tyg Ian beginnt zu erkennen, dass seine Sache verloren ist, und er beschließt, den Untergang der Milchstraße herbeizuführen. Seine letzte Tat vollzieht sich AM EREIGNISHORIZONT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Julian Tifflor – Der Terraner bereitet einen Verzweiflungsschlag vor.

Tirzo und Arfrar – Der Diapath und der Nakk halten miteinander Kontakt.

Tal Ker und Tyg Ian – Der alte Sotho misst sich erneut mit seinem Nachfolger.

Fazzy Slutch, Sid Avarit und Guang-Da-G'ahd – Tal Kers Begleiter.

1.

 

Die Natur enthüllte einen der Höhepunkte ihrer Schöpfung: das Zentrum der Milchstraße.

Eine riesige See aus Licht, die sich ausbreitete, so weit der Blick reichte, erfüllt von einer Leuchtkraft, die das Auge geblendet hätte, wären da nicht Gruppen von Filtern gewesen, die dem grellen Leuchten mehr als 99 Prozent seiner Intensität nahmen.

Das ganze Bild auf einmal zu erfassen war unmöglich. Stück um Stück tastete der überforderte Verstand sich vor, löste die Szene in Einzelheiten auf und verdaute jede für sich.

Ganz am Rand – da standen riesige Sterne, blaue Supergiganten mit Oberflächentemperaturen von mehr als einhunderttausend Grad, im Zustand der Auflösung begriffen. So dicht waren die Sternriesen gepackt, dass sie wie eine solide Mauer erschienen. Leuchtende Materiefahnen strebten von der Oberfläche und aus dem Herzen der Giganten hinaus in den Raum, gezogen von der übermächtigen Kraft der Gravitation, die vom Zentrum der Szene ausging, von jenem finsteren Abgrund, dem außer den Gravitonen, den Mittlern der Schwerkraft, nichts mehr entwich. In strahlende Nebel gehüllt erschienen die Riesensterne. Die Nebel aber waren nichts anderes als ihre eigene Substanz, die sie von sich gaben, um den gefräßigen Abgrund zu füttern: das gigantische Schwarze Loch im Mittelpunkt der Milchstraße.

Näher zur Bildmitte hin begannen die strahlenden Schlieren, sich zu verdichten. Sie wurden beschleunigt und mitgerissen von den Titankräften, die der Abgrund verstrahlte. Sie formten sich zu einer rotierenden Scheibe von riesigen Ausmaßen, und innerhalb der Scheibe bewegten sie sich auf einer Spiralbahn immer näher an die Grenze heran, an der alles Licht erstarb und das Chaos dann begann: an den Ereignishorizont des Schwarzen Loches.

Die Scheibe rotierte mit irrsinniger Geschwindigkeit; mehr als 100.000 Kilometer in der Sekunde legten die glühenden Gasmassen am äußeren Scheibenrand zurück. Und dennoch erschien die Bewegung dem Auge, das aus der Entfernung blickte, langsam, denn der Rand der Scheibe brauchte sechzehn Stunden, um den Abgrund einmal zu umrunden.

Dort, wo die Materiefahnen aus den Leibern der blauen Sternriesen zusammenströmten und in den Rand der strahlenden Scheibe mündeten, entstanden groteske Gebilde: Wolkentürme, Berge, Schluchten und seltsam geformte Auswüchse, in denen der von staunender Ehrfurcht erfüllte Mensch die Geister der Unterwelt zu erkennen glaubte. Weiter zum Zentrum hin begann die Scheibe, sich zu glätten. Am Rand des Abgrunds wirkte die Scheibe wie eine blanke Fläche aus Metall, erhitzt bis auf mehrere Millionen Grad. Dort leuchtete sie am grellsten, und doch stellte das sichtbare Licht nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtenergie dar, den sie von sich gab.

Im Zentrum der Scheibe lag der finstere Abgrund, das Unerklärliche. Jenseits des Ereignishorizonts versagte menschliche Vorstellungskraft. Nur unanschauliche Formeln vermochten zu beschreiben, was dort vor sich ging. Einhundertmillionenmal die Masse des Sterns Sol – 2 x 1038 Kilogramm –, das war die Masse des gigantischen Black Hole, das den gravitomechanischen Mittelpunkt der Milchstraße bildete. In seinem Zentrum lag die Singularität, durch die der Weg in andere Universen führte. So gewaltig war die Masse des Schwarzen Loches, dass sein Ereignishorizont immer noch einen Radius von mehr als sechzehneinhalb Lichtminuten hatte.

Seit einer halben Stunde zeigten die großen Video-Displays im Kontrollraum der BASIS das atemberaubende Bild. Dreißig Minuten lang war kein Wort gefallen, kein Laut zu hören gewesen außer dem steten, leisen Summen der Geräte und dem gelegentlichen Aufseufzen eines der Anwesenden, der mit seinem Staunen nicht mehr zurechtkam.

Julian Tifflor erhob sich von seinem Platz an der großen Kommandokonsole.

»Bild aus!«, verlangte er.

»Moment mal!«, kam eine nörgelnde Stimme, die mitten aus der Luft zu sprechen schien. »Willst du nicht auch das andere Wunder sehen?«

»Welches andere Wunder, Holt?«, erkundigte sich Julian Tifflor.

»Die Faust des Kriegers natürlich«, antwortete die Stimme des merkwürdigen Wesens, das einst den Archivaren von Schatzen im Tiefenland als kostbares Kleinod gegolten und sich später im Innern der Hamiller-Tube verkrochen hatte. »Warte, ich zeig's dir.«

Die Bilder auf den Displays begannen zu kippen. Der Ausblick im Kontrollraum richtete sich nach oben. »Oben« bedeutete den Blick aus der Zentrumsballung der Milchstraße hinaus in Richtung Halo, in Richtung der Mächtigkeitsballung ESTARTU.

Die Lichtmauer der blauen Sterngiganten löste sich auf. Einzelne Sterne wurden erkennbar. Und dann, plötzlich, schimmerte in der Schwärze des interstellaren Raums ein matter Lichtfleck, eindeutig wahrnehmbar erst, nachdem einige der Filter, die die Augen der Betrachter bisher geschützt hatten, entfernt worden waren. Der Fleck hatte die Form eines Kreises. Im Vergleich mit dem atemberaubenden Anblick, den die Videoflächen noch vor ein paar Sekunden geboten hatten, wirkte er wenig beeindruckend.

»Das ist sie?«, fragte Tifflor enttäuscht.

»Das ist die Faust des Kriegers«, antwortete die Stimme aus der Luft. »Du siehst sie von unten. Du siehst die Basis der Faust – ganze einundzwanzig Lichtjahre davon. Die Ebene der Basis ist zehn Lichtjahre von unserem gegenwärtigen Standort entfernt«, erklärte der Holt. »Vor vierzehneinhalb Jahren wurde die Faust gezündet. Sie mag in Wirklichkeit einen Basisdurchmesser von zwölfhundert und eine Höhe von achttausend Lichtjahren haben. Aber optisch siehst du nur den Teil, dessen Lichtemissionen seit Mitte vierzwounddreißig den Weg bis hierher gefunden haben.«

Julian Tifflor musterte den blassen Lichtfleck mit Unbehagen und gleichzeitig mit einem Gefühl der Verachtung. Wie klein und unscheinbar war doch das Denkmal, das Sotho Tyg Ian sich selbst zum Ruhm errichtet hatte, gegenüber dem gewaltigen Werk der Natur!

»Das genügt«, entschied Tifflor. »Wir haben Arbeit. Die Bilder würden uns nur ablenken.«

Die Displays erloschen. Im Kontrollraum taten um diese Zeit noch etwa achtzig Besatzungsmitglieder Dienst, die Mehrzahl Terraner oder Menschen terranischer Herkunft. Ihre Blicke waren auf den Mann gerichtet, der an der großen Kommandokonsole in der Mitte des Raumes stand. Rechts und links von ihm, jeder für seinen eigenen Konsolenabschnitt verantwortlich, saßen Waylon Javier, der Kommandant der BASIS, und Galbraith Deighton, der Sicherheitschef des Unternehmens Großer Bruder.

»Wir wissen nicht, worauf wir uns hier eingelassen haben«, sagte Julian Tifflor ernst. »Sotho Tyg Ian hat die Vernichtung der Milchstraße angedroht. Die Experten sagen uns, dass wir seine Drohung ernst zu nehmen haben. Wir sind hier, um zu erfahren, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, den Sotho an der Ausführung seines Planes zu hindern. Es liegen schwere Tage vor uns. Wir kennen die technischen Mittel des Sothos nicht. Wir wissen nur, dass sie den unseren überlegen sind. Der Sotho wartet auf uns. Er weiß, dass wir der Verzweiflung nahe sind. Es kann sein, dass wir alle dran glauben müssen. Wir wissen, dass die Gefahr überall lauert. Aber ich erwarte von euch allen, dass ihr eure Pflicht tut – und mehr noch, falls es die Situation erfordert.«

Er wandte den Blick in die Richtung, aus der er zuletzt die Stimme des Tabernakels von Holt gehört hatte.

»In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren«, sagte er, »ob inzwischen schon ein paar Daten vorliegen, die es uns ermöglichen, einen halbwegs zusammenhängenden Überblick über die Lage zu gewinnen.«

»Die Aufgaben, die die Analyse zu bewältigen hat, sind von ungewöhnlicher Komplexität.« Das war die ruhige, gesetzte Stimme der Hamiller-Tube. »Die Strahlung der Akkretionsscheibe ist so intensiv, dass es fast unmöglich ist, andere Energiequellen zu ermitteln. Ich glaube, drei punktförmige Quellen gefunden zu haben. Sie sind in geometrisch exakter Konstellation rings um die Scheibe verteilt, so dass ... Ja, soeben habe ich die vierte entdeckt. Die vier Quellen bilden die Eckpunkte eines Quadrats, dessen Ebene identisch ist mit der Ebene der Akkretionsscheibe. Es handelt sich ohne Zweifel um künstliche Anlagen. Drei der vier Anlagen strahlen mit annähernd gleicher Intensität. Die vierte, die ich zuletzt fand, scheint energetisch fast tot.«

Eine Videofläche entstand. Das Bild zeigte das Black Hole mit seiner Akkretionsscheibe in schematischer Darstellung. In geringem Abstand vom äußeren Rand der Scheibe erschienen vier blaue Leuchtpunkte.

»Die vier Stationen sind je etwa eins Komma zwei Milliarden Kilometer vom Zentrum des Schwarzen Loches entfernt. Sie bewegen sich auf ein und derselben Bahn um das Schwarze Loch. Ihre Bahngeschwindigkeit beträgt knapp über einhunderttausend Kilometer in der Sekunde.«

»Was ist die Funktion dieser Stationen?«, wollte Julian Tifflor wissen.

»Darüber kann ich, solange das Emissionsspektrum noch nicht vollständig ausgewertet ist, nur spekulieren«, antwortete die Hamiller-Tube. »Sotho Tyg Ian verwendet die Energien des Schwarzen Loches für den Unterhalt des Stygischen Netzes und die Stabilisierung des kosmischen Leuchtfeuers, das er die Faust des Kriegers nennt. Ich nehme an, dass die Stationen der Kontrolle der Energiegewinnung dienen.«

»Wir wissen, dass der Sotho sich an Bord einer der Stationen befindet«, sagte Tifflor. »Gibt es irgendeinen Hinweis, welche von den vieren das ist?«

»Ich würde sagen: die vierte – die, die ich zuletzt entdeckte. Der Sotho ist anscheinend im Begriff, eine Serie neuer Funktionen zu programmieren. Zu diesem Zweck hat er die Station zunächst energetisch lahmlegen müssen.«

»Es muss mehr als nur vier Kontrollstationen geben«, erklärte Julian Tifflor. »Die Energie des Schwarzen Loches ist so, wie sie von der Natur erzeugt wird, für Sotho Tyg Ian nicht verwertbar. Er muss sie einsammeln, transformieren und abstrahlen. Dazu braucht er die entsprechenden technischen Vorrichtungen. Von diesen muss es in der Umgebung der Akkretionsscheibe nur so wimmeln.«

»Ich bin auf der Suche«, erklärte die Hamiller-Tube. »Ich melde mich in regelmäßigen Abständen mit Fortschrittsberichten – und selbstverständlich sofort, wenn ich eine wichtige Entdeckung mache.«

Julian Tifflor setzte sich. Im Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten.

»Hoffentlich macht Tirzo bald Kontakt«, seufzte er.

 

*

 

Der Blue hatte sich in einen kleinen Raum unweit der Kontrollzentrale zurückgezogen. Die Beleuchtung war gedämpft, so dass sie ihn nicht ablenken konnte. Als einziges Mobiliar enthielt der Raum eine Liege. Darauf hatte Tirzo sich ausgestreckt. Ein Vorrat an Paratau-Tropfen lag griffbereit neben ihm. Er hatte die Augen geschlossen und horchte mit Spannung in die fremde Welt jenseits der Hülle des großen Raumschiffs.

Sein diapathischer Sinn erfasste die Strömungen ultrahochfrequenter Hyperenergie, die den Weltraum durchzogen. Sie waren von ungewöhnlicher Intensität. Er spürte sie deutlich, selbst ohne die Hilfe des Psichogons. Er fürchtete sich vor dem, was ihn erwartete, wenn er einen Tropfen Paratau in die Hand nahm. Seine Fähigkeit war eine einzigartige. Alles, was er über die Diapathie wusste – die Gabe, durch die »Wand« des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums hindurch Eindrücke aus dimensional übergeordneten Kontinua zu empfangen –, hatte er aus eigener Erfahrung gelernt. Er konnte nicht auf dem Wissen anderer Diapathen aufbauen. Der Raum mit seinen kreuz und quer verlaufenden Psi-Feldströmen machte ihm Angst. Wenn er sein Bewusstsein mit Hilfe des Parataus öffnete und die Kräfte des Hyperraums auf sich einwirken ließ, würden sie dann seine Kapazität nicht überfordern?

Er versuchte, die Gefühle der Furcht beiseitezuschieben. Er dachte an die Aufgabe, die ihm gestellt war. Er unternahm dieses Experiment nicht zu seinem Vergnügen. Es ging darum, Verbindung mit den fünf Nakken aufzunehmen, die sich irgendwo im Vorfeld des gigantischen Schwarzen Loches befanden. Die Nakken waren bis vor kurzem Sotho Tyg Ians Psi-Ingenieure gewesen, verantwortlich für die Aufrechterhaltung des Stygischen Netzes und der Faust des Kriegers. Man hatte sie schließlich überzeugen können, dass die Machtgier das einzige Motiv des Sothos war und dass er, wenn man ihn gewähren ließ, unendliches Leid über die Völker der Milchstraße bringen würde.

Daraufhin hatten die Nakken Sotho Tyg Ian den Dienst aufgesagt. Was sie wirklich bewegte, ließ sich nicht erkennen. Sie besaßen von Natur aus keine Organe, mit denen sie sich ihrer Umwelt hätten mitteilen können. Kommunikation mit den Nakken war nur mit Hilfe so genannter Sicht-Sprech-Masken möglich, die die Techniker der Ewigen Krieger entwickelt hatten.

Wie dem auch sein mochte: Die Nakken hatten sich von Sotho Tyg Ian abgekehrt und die Verlorenen Geschenke der Hesperiden, mit denen der Sotho den Blues die Lehre vom Permanenten Konflikt hatte aufzwingen wollen, aus der Eastside abgezogen. Diese Unbotmäßigkeit seiner Psi-Ingenieure und eine Reihe anderer Ereignisse hatten Sotho Tyg Ian dazu veranlasst, eine fürchterliche Drohung auszusprechen. Er werde die Milchstraße vernichten, indem er sie in eine Materiesenke verwandelte, hatte er verlauten lassen.

Beim letzten Kontakt mit Arfrar, einem der fünf Nakken, hatte Tirzo erfahren, dass die Drohung des Sothos durchaus ernst zu nehmen sei. Arfrar und seine Artgenossen sahen keine Möglichkeit, Sotho Tyg Ians barbarisches Vorhaben zu vereiteln.

»Wir versuchen, euch zu helfen«, hatte Arfrar gesagt. »Aber uns sind die Hände gebunden. Die Schaltungen, die Sotho Tyg Ian vornehmen will, können wir nicht vereiteln. Wer sich UDHURU nähert, wird vernichtet. Wir können erst eingreifen, wenn die Schaltungen wirksam geworden sind. Es gibt vielleicht eine Möglichkeit, die freigesetzten Energien ...«

An dieser Stelle war die Verbindung abgebrochen. Tirzos Versuche, nochmals Kontakt mit Arfrar aufzunehmen, waren gescheitert. Aber Arfrar und seine Artgenossen waren noch immer die Einzigen, die den Völkern der Milchstraße in dieser Stunde der Not wirksam beistehen konnten. Deswegen musste Tirzo sich mit ihnen in Verbindung setzen und das Risiko eingehen, dass die energetischen Ströme des Hyperraums ihm das Gehirn verbrannten. Denn ohne die Hilfe der Nakken war die Milchstraße zum Sterben verdammt. Vorsichtig, und ohne die Augen zu öffnen, griff Tirzo nach dem Paratau.

Er nahm einen der glitzernden Tropfen zwischen die Spitzen der schlanken Finger.

Und plötzlich wurde es hell um ihn!

 

*

 

Mit einer Leuchtkraft, als würden sie von zehntausend Sonnen gespeist, boten sich die energetischen Stränge des Stygischen Netzes ihm dar. Er ließ die Hand sinken und legte den Paratau-Tropfen auf die Oberfläche der Liege. Wenn er ihn nur mit einer Fingerkuppe berührte, verlor das Bild an Helligkeit, so dass er es ertragen konnte.

Er sah das Stygische Netz aus einer Perspektive, aus der er es noch nie zuvor wahrgenommen hatte. Bisher hatte er die Stränge nur auf freier Strecke gesehen, ein lockeres Gewebe aus grünlich leuchtenden Fäden vor dem mit den bunten Lichtkaskaden der Sonnen und Sternballungen erfüllten Hintergrund des Psiraums.

Hier jedoch befand er sich am Ursprung des Netzes. Vor ihm lag der Punkt, an dem die Stränge entsprangen, Tausende, vom Ort ihrer Entstehung nach allen Richtungen des Raumes auseinanderstrebend. Aus dem Abgrund der Singularität wurden die Energiebahnen geboren, aus der Kraft des Schwarzen Loches nährten sie sich.

Er nahm sich Zeit, sich an den Anblick zu gewöhnen. Er lernte rasch, wie er die Helligkeit des Bildes regulieren konnte, indem er den Druck der Fingerkuppe auf den Paratau-Tropfen verstärkte oder verringerte. Er horchte in sich hinein und spürte keine Gefahr.