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Nr. 1343

 

Der Königstiger

 

Krisenherd Milchstraße – ein Raumschiff zwischen den Fronten

 

von K. H. Scheer

 

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Auf Terra schreibt man den November des Jahres 446 NGZ, was dem Jahr 4033 alter Zeitrechnung entspricht. Somit sind seit den dramatischen Ereignissen, die zum Aufbruch der Vironauten und zum Erscheinen der beiden Sothos aus ESTARTU führten, rund 17 Jahre vergangen.

Trotz dieser relativ langen Zeitspanne hat keiner der Sothos die Galaktiker auf den angestrebten Kurs bringen können. Ein eindeutiger Beweis dafür sind die Ausschaltung von Pelyfors Flotte und der Tod dieses Ewigen Kriegers.

Auch in der Mächtigkeitsballung ESTARTU, wo die Ewigen Krieger seit Jahrtausenden regieren, lehnt man sich gegen ihre Herrschaft auf, was die Zerstörung der Heraldischen Tore von Siom Som und Ijarkors Reaktion eindeutig aufzeigen. Und dafür, dass die Unruhe im Reich der nicht mehr präsenten ESTARTU weiter um sich greift, obwohl die Pterus mit allen Mitteln gegensteuern, liegen schon Beweise vor.

Aber auch die Gegenspieler der Machthaber in ESTARTU haben ihre Probleme. Do kommen die Gänger des Netzes auf Sabhal mit Ratber Tostan, dem Flüchtling aus dem KLOTZ, nicht klar. Hauptgrund dafür ist offensichtlich DER KÖNIGSTIGER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ratber Tostan – Ein Terraner will nach Hause.

Posy Poos – Tostans Gefährte, ein Swoon.

Taffas Rozoll – Ein alter Draufgänger von Ertrus.

Sill – Erster Offizier der TAAHL.

Lorca Visenen – Chefmedizinerin auf Sabhal.

Prolog

 

Taffas Rozoll hätte seine steigende Beunruhigung niemals eingestanden – nicht einmal vor sich selbst! Dennoch versuchte er, den Ausdruck seines Gesichts möglichst unbewegt zu halten.

Lorca Visenen, Ara-Medizinerin und Primameda der Araklinik auf dem Netzgängerplaneten Sabhal, bemerkte dennoch das Zucken der zerfurchten, lederartigen Haut. Nahe den Mundwinkeln konnte es der ertrusische Gigant nicht vollständig kontrollieren. Die Primameda hütete sich jedoch, eine dahingehende Bemerkung zu machen. Taffas Rozoll war schon immer als Polterer mit wenig gesellschaftsfähigen Manieren bekannt gewesen.

Nunmehr hatte er das auch für Ertruser hohe Alter von fünfhundertundzehn Jahren erreicht. Seine noch immer vortreffliche körperliche Verfassung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Umgangsformen noch kauziger geworden waren.

Dennoch – der Ertruser war im Radius von einigen hundert Lichtjahren das einzige Intelligenzwesen, das in der Lage war, ein Spezialraumschiff terranischer Bauweise zu betreten, die dort vorhandenen Sicherheitseinrichtungen zu begreifen und sich dementsprechend zu verhalten.

Die hochgewachsene, überaus schlanke Ara-Medizinerin blickte unauffällig – wie sie glaubte – auf den Zeitmesser. Man schrieb den 30. Juni 446 NGZ-Standard.

Rozoll drehte den mächtigen Kopf. Der weiße Sichelkamm seiner Haupthaare reflektierte das Licht der Armaturen.

»Nervös?«, dröhnte seine Stimme. Er bemühte sich nur selten um eine gemäßigte Lautstärke. »Wenn der verrückte Bursche dort drüben trotz unseres richtigen Kodesignals Feuer eröffnet, wirst du mich das letzte Mal angegiftet haben. Was soll der Blick auf das Kombigerät?«

Lorca Visenen wappnete sich mit Gleichmut und Geduld. Taffas Rozoll glich einem grobbehauenen Fels, dessen Konturen von einem abenteuerlich anzusehenden Kampfpanzer kaum gemildert wurden. Der Raumanzug schien so alt zu sein wie jener Mann, der kaum in den riesigen, speziell für ihn angefertigten Kontursessel hineinpasste. Um ihn montieren zu können, hatten drei gavvrische Normalsitze entfernt werden müssen.

»Ich bin so nervös, wie es die Situation bedingt«, versuchte Lorca die Stimmung zu mildern. »Nicht jeder besitzt deine Nervenstärke.«

Rozoll musterte sie argwöhnisch. Die beiden gavvrischen Piloten des großen Beiboots achteten nicht auf den Disput. Sie hatten ihren neuen Missions-Kommandanten schätzen gelernt, zumal sie seine Grobheiten anders einstuften als Wesen menschlicher Abstammung. Diese Tatsachen hatten den Ertruser friedfertig gestimmt und den weichen Kern unter seiner harten Schale die Oberhand gewinnen lassen.

So hatte er lediglich Dinge verlangt, die für ihn in seiner Jugend selbstverständlicher Lebensinhalt gewesen waren: Disziplin, richtig denken, wenn überhaupt selbständig denken und andere Tatsachen, die dem ehemaligen Oberst und Kommandanten eines Superschlachtschiffs der Imperiumsflotte auf den Leib geschrieben waren.

»Nicht glotzen!«, fuhr er die Piloten brummig an. »Ein sauberes Anpassungsmanöver sollt ihr fliegen. Ihr lernt es noch, mein Wort darauf! Dort, die offen stehende Großschleuse ist unser Ziel.«

Rozoll schaute auf den Großbildschirm vor den Piloten.

»Werden wir von deinem Freund Einschleusungshilfe erhalten?«, wollte Sill wissen. Der Gavvron war Erster Kosmonautischer Offizier an Bord des Fünfhundert-Meter-Kugelraumers TAAHL.

Das gavvrische Schiff war längst in der unergründlichen Schwärze des Alls verschwunden. Rozoll hatte es nicht riskiert, mit dem für ihn unersetzbaren Spezialraumer zu nahe an das Terraschiff heranzufliegen, das erst drei Stunden zuvor mit flammenden Impulstriebwerken aus der vom KLOTZ gebildeten psionischen Störzone hervorgebrochen war.

»Musst du wieder fragen wie ein Frosch?«, regte sich der Ertruser auf. »Du hast doch wohl den Funkspruch, gesendet auf der alten Frequenz, noch in Erinnerung? Wir hatten den exakten Wortlaut meines ertrusischen Grußes ›werde satt und dick‹ abzustrahlen, oder Ratber Tostan hätte auf uns das Feuer eröffnet. Das ist typisch für das alte Schlitzohr.«

»Also keine Einschleusungshilfe?«, wollte der Gavvron duldsam wissen. Den Vergleich mit einem wenig intelligenten Frosch hatte er nicht verstanden.

Der Ertruser holte röhrend Luft. Die Primameda verzog das Gesicht.

»Nein, natürlich keine Bergungshilfe«, belehrte Rozoll gemäßigter. »Es ist überhaupt fraglich, ob die Positroniken des zerschossenen Schiffes nach dem Strangeness-Durchgang noch so funktionieren, wie es sich Tostan vorgestellt hat. Die syntronischen Steuercomputer sind garantiert ausgefallen.«

»Die Reservepositroniken dürften aber noch in Ordnung sein, wenigstens teilweise«, gab Lorca zu bedenken. »Andernfalls hätten sie nicht den Funkspruch auf der alten USO-Frequenz abstrahlen können. Und das war nach dem Durchbruch!«

Rozoll musterte die Primameda mit einem vernichtenden Blick.

»Wieso kümmerst du dich nicht um deinen Fachbereich? Wenn du den wahrscheinlich erneut bewusstlosen Terraner mit seinem swoonschen Begleiter nicht sofort wieder auf die Beine bringst, hast du endgültig zwei dicke Knoten in deinen Lappenohren. Außerdem habe ich nicht von einem Funkgerät primitivster, also störunanfälliger Art gesprochen, sondern von den wesentlich komplizierteren Zentralcomputern.«

Lorca Visenen rang sich ein Lächeln ab. Rozoll achtete nicht mehr auf sie.

Die Außenbilderfassung hellte die Steuerbordwandung des geheimnisvollen Schiffes auf. Sektionsvergrößerungen zeigten große Schussöffnungen. Einige waren fugenlos glatt mit den typischen Abschmelzspuren hoher Thermoenergien, andere wirkten zerrissen. Hier hatten andere Waffenstrahlen das Werk der Zerstörung verrichtet.

Rozoll erkannte, dass es sich um lange zurückliegende Trefferspuren handeln musste. Bei der Flucht aus dem Gigantraumer, den Geoffry Abel Waringer KLOTZ genannt hatte, waren die Schäden sicherlich nicht entstanden.

Rozoll dachte über Lorcas Einwand nach. Man wusste zu wenig über die Reaktionen älterer positronischer Gerätschaften im Einflussbereich der veränderten Psi-Konstante. Es war daher durchaus möglich, dass die alten Zusatzgeräte des Terraschiffs die Strangeness-Verschiebung bei der schnellen Flucht ohne die berüchtigte Totallöschung der Speicherwerte überstanden hatten. Rozoll gab selbstverständlich nicht zu, dass der Funkspruch nicht von einem Gerät prähistorischer Konstruktion abgestrahlt worden war. Lorca hätte triumphieren können.

Er grinste schadenfroh vor sich hin, tätschelte der irritiert schauenden Primameda das Knie und deutete dann auf den Bugbildschirm.

»Das ist ein Zweihundert-Meter-Kugelraumer der TSUNAMI-Klasse in der ATG-Ausführung. Schon mal etwas davon gehört?«

Die Primameda verneinte zögernd. Taffas nickte selbstzufrieden.

»Wäre auch verwunderlich gewesen«, nörgelte er. »Ihr Sabhal-Narren habt ja nur noch eure Netztanzerei im Kopf. Hineinstolzieren und transportieren lassen, wie? Wie das funktioniert, interessiert euch nicht. Verzeihung, wollte sagen, ihr versteht es sowieso nicht.«

»Ist dir jetzt wohler?«, regte sich die Medizinerin auf. »Auf die Gefahr hin, von einem Ungeheuer deiner Art nochmals schmerzhaft geschlagen zu werden – du gehörst in psychiatrische Behandlung.«

Der Ertruser lachte dröhnend. Die Gavvron schalteten die Schallabsorber ihrer Raumanzüge ein.

Die Primameda presste die feingliedrigen Hände gegen die Ohren.

»Geschlagen?«, johlte der Hüne erheitert. »Bei Ertrus, der Welt aller Herrlichkeiten, sagtest du geschlagen? Ich habe mit meinem Finger deine Lanze gestreift.«

»Meine was?«, staunte Lorca. Ihre albinotischen Augen schauten ihn fragend an. Vorsichtig tastete sie nach dem Kommandogeber für ihre beiden Medoroboter. »Welche Lanze?«

»Dein gemeingefährlich spitzes Knie«, erklärte der Ertruser. »Ho, dir werde ich nie einen Ehevertrag anbieten! Die schwächlichste meiner fünf Frauen ist im Verhältnis zu dir wie eine Panzerwand aus Ynkelonium-Terkonit-Stahl.«

»Ich verzichte auf die üble Ehre!«, schrie Lorca außer sich. »Willst du dich jetzt wohl auf deine Aufgabe konzentrieren! Dort drüben befinden sich zwei Galaktiker in höchster Not. Ihr Schiff ist ein Wrack, und niemand versteht es, wieso sie damit noch aus dem KLOTZ entfliehen konnten.«

»Es sieht aus wie ein Wrack«, korrigierte Rozoll. »Tostan muss unbekannte Intelligenzen lange Zeit über den tatsächlichen Betriebszustand getäuscht haben. Plappere nicht jede dumme Vermutung nach. Niemand fliegt tatsächlich mit einem wirklichen Wrack.«

Lorca massierte ihr schmerzendes Knie mit der Handfläche. Der Ertruser achtete nicht mehr auf sie. Das Beiboot hatte das Anpassungsmanöver beendet und flog spitzwinklig auf die geöffnete Großschleuse zu.

»Einlenkwinkel zur Dockung programmiert. Welche Verankerung sollen wir wählen?«, fragte einer der Piloten und wandte den Kopf.

Rozoll schaute prüfend in das humanoide Gesicht, in dem die stark ausgebildeten, vorgewölbten Brauenwülste, die breite, flache Nase und der große, dünnlippige Mund auffielen. Die Statur des Gavvron entsprach der eines normal gewachsenen Terraners. Die Extremitäten unterschieden sich ebenfalls nicht von denen eines Menschen.

Unter der mächtigen Stirnwulst bemerkte Rozoll kluge Augen.

»Was würdest du hinsichtlich ausgefahrener Waffentürme, eines wahrscheinlich bewusstlosen Kommandanten und unter Umständen unzuverlässig reagierender Roboter vorschlagen, Junge?«

Der Gavvron lächelte. Gelbliche Zähne wurden sichtbar.

»Einfache Magnetverankerung mit sofortiger Lösungsmöglichkeit; vorausgesetzt, das Schleusenmaterial ist magnetisch ansprechbar.«

»Bestens!«, lobte der ehemalige Imperiumskommandant und spätere Freifahrer, der wegen seiner gewagten Geschäfte nicht immer Beifall gefunden hatte. »Ohne die Zusatzbemerkung hätte ich dich für noch entwicklungsbedürftig gehalten. In der Schleuse wirst du Magnetschienen und deutlich markierte Anlegeplatten finden. Sie sind mit roter Farbe gekennzeichnet. Der Ynketerkstahl ist nämlich antimagnetisch. Also docke an wie erwähnt.«

»Wir werden es schaffen, MisKo«, nickte der Gavvron. Er sprach den Ertruser mit dem Titel an, den ihm die Mannschaft der TAAHL verliehen hatte. MisKo bedeutete Missions-Kommandant. Damit war Rozoll dem eigentlichen Schiffsführer für den Zeitraum der Rettungsexpedition übergeordnet worden.

Das Heck des zylindrischen Beiboots schwenkte um fünfundsechzig Grad herum. Der halbrunde Bug wies nun auf die nachtdunkle Öffnung der großen Hangarschleuse. In ihr befanden sich keine Beiboote mehr.

»Helme schließen, Autarksysteme kontrollieren!«, erklang Taffas Rozolls Stimme ungewohnt gedämpft. »Solange wir uns noch in einer schallleitenden Atmosphäre befinden, auf Sprechfunk verzichten! Redet einfach lauter als üblich.«

Niemand antwortete. Das Summen des Graven klang plötzlich überlaut. Die gähnende Öffnung näherte sich. Ehe der Bug in ihr verschwand, ließ der Ertruser die Feldspirale eines Schwebemikrofons vor die Panzerscheibe seines Helms gleiten.

»Taffas Rozoll, Galaktiker von Ertrus, anflugautorisiert durch Kodetext ›werde satt und dick‹, ruft den Kommandanten der TS-32, Ratber Tostan. Falls er besinnungslos sein sollte, rufe ich die Zentrale-Hauptpositronik. Bitte melden!«

»Zen-Po TS-32 übernimmt«, erklang eine Robotstimme aus den Lautträgern der Helme. »Kommandant nicht einsatzbereit. Hilfe erforderlich. Taffas Rozoll identifiziert, Eindockung genehmigt.«

»Kurz und aufschlussreich«, meinte der Ertruser. »Gut, Junge, dann verankere mal dein Prachtstück auf den beiden Leitschienen direkt vor uns. Klar bei Umlenkschub und Alarmstart. Wenn es heiß werden sollte, möchte ich blitzartig verschwinden. Bei Ertrus, hier sieht es ja aus wie auf einem Schrottplatz! Einiges verstehe ich wirklich nicht.«

Die Primameda hielt in ihrer Erregung die Luft an. In der Hangarschleuse, ehemals für drei Space-Jets gedacht, schien es zu Kampfhandlungen gekommen zu sein. Lorca wurde klar, warum die Außentore nicht zuglitten. Der Mechanismus schien nicht mehr zu funktionieren.

Das gavvrische Beiboot setzte auf. Man vernahm das Klacken der Metallberührung.

»Eingedockt, MisKo«, gab der Erste Pilot bekannt. »Triebwerke laufen, Schubumkehr steht. Alarmstart erfolgt notfalls in einer Viertelsekunde.«

»Aber erst dann, wenn wir wieder an Bord sind!«, rief Lorca.

»Keifende Heulpfeifen lassen wir natürlich zurück«, dröhnte Rozolls Stimme. Sie wurde von dem Helm nur wenig gedämpft. »Verdammt, musst du unschuldige Leute immer mit deinem Geschrille erschrecken? Sind deine Medoroboter klar?«

»Selbstverständlich!«

»Bei dir ist überhaupt nichts selbstverständlich. Brauchst du Hilfe? Oder können die Robots die Kisten allein schleppen?«

Lorca Visenen zögerte. »Sie könnten es, aber ich möchte sie sofort einsatzbereit haben. Kannst du die großen Diagnosegeräte tragen?«

»Mit dem kleinen Finger, aber ich möchte ebenfalls nicht gehindert werden.«

»So gib mir zwei Gavvron mit. Ich brauche sie.«

Rozoll winkte Sill und einem zweiten Mann der Besatzung zu. Die Piloten blieben an Bord.

»Hangar wird nicht belüftet«, erklärte einer. »Die Außentore können entweder nicht mehr geschlossen werden, oder man will sie nicht zugleiten lassen. Ihr müsst euch aus dem Boot schleusen.«

Taffas Rozoll ging zuerst in die Internschleuse. Ihm folgten die beiden Medoroboter, die beiden Gavvron und Lorca Visenen. Die Lebenserhaltungssysteme und die Funksprechanlagen schalteten sich automatisch ein. Hier herrschte das Vakuum.

Die Infrarotgeräte brachten nur ein schlechtes Abbild der Umgebung. Es schien kaum zu Wärmestrahlungen gekommen zu sein.

Rozoll schaltete sein V-Flutlicht ein. Es wurde hell vor den Augen der so verschiedenartigen Lebewesen.

»Wir nehmen die Lastenschleuse rechts hinten«, bestimmte der Ertruser. »Nichts anfassen, hört ihr! Die Raumer der TSUNAMI-Klasse sind gegen alle Eventualitäten abgesichert. Es sind Sonderkonstruktionen. Tüchtige Kommandanten lassen grundsätzlich noch einige Spezialitäten einbauen. Benehmt euch also wie geduldete Besucher, die von tausend Augen beobachtet werden. Lorca, du bleibst hinter mir. Sill, kommt ihr mit den Behältern der Medogeräte zurecht? Meine Kontrollen zeigen fast ein Gravo an. Also läuft hier noch mindestens ein Notkraftwerk.«

Der Gavvron winkte ab und hob den glänzenden Metallbehälter hoch.

»Gut«, beschied der Ertruser. »Der zentrale Antigravschacht wird außer Betrieb sein. Fünfdimensionale Anlagen reagieren besonders empfindlich auf eine von null verschiedene Strangeness-Konstante. Wir nehmen den mechanisch betriebenen Notaufzug direkt neben dem Antigravschacht. Lorca, musst du unbedingt die Geräte mitschleppen? Sind deine Medoroboter minderwertig?«

»Sie sind Spitzenklasse, aber hier haben wir es mit unbekannten Symptomen zu tun. Eine Art von Psiphrenie ist nicht auszuschließen. Dafür benötige ich erweiterte Diagnosemöglichkeiten.«

Der Gigant schritt an dem eingedockten Beiboot vorbei; hinein in die unergründlichen Tiefen eines Hangars, dessen konstruktive Einrichtungen er eigentlich nur vom Hörensagen kannte. Einen der geheimnisvollen TSUNAMI-Raumer hatte er während der Krise mit den Armadaschmieden nur einmal per Transmitter betreten. Restliche Informationen hatte er von Geoffry Abel Waringer erhalten.

Das große Materialschott öffnete sich problemlos. Die dahinter liegende Schleuse war hell beleuchtet. Nach dem Außentorverschluss erfolgte der Druckausgleich wie gewohnt.

Rozoll atmete erleichtert auf.

Die Primameda sah zu ihm hinauf. Rozoll maß 2,52 Meter in der Höhe und 2,14 Meter in der Breite. Die für ihn gültige Ertrus-Schwerkraft von 3,4 Gravos konnte er durch die ständige Kontrolle seiner Muskelkräfte auf den Wert von nur einem Gravo einstellen. Damit gehörte er zu den wenigen Ertrusern, die ohne Schwerkraftneutralisator auskamen. Dennoch wirkte er mit seiner gewaltigen Masse bedrohlich und raumfüllend. Es war nicht verwunderlich, dass er von den Gavvron respektiert wurde.

Rozoll entlüftete seinen Flottenkampfpanzer und fuhr den Helm auf die Schulterhalterungen des Formhalsstücks zurück.

Lorca und die Gavvron folgten seinem Beispiel. Die beiden auf energetischen Prallfeldern laufenden Medoroboter warteten im Hintergrund. Der Diagnosespezialist glich einem Würfel. Die Maschine für sofortige Therapiemaßnahmen aller Art war fast zweieinhalb Meter hoch und in ihrer zylindrischen Außenform noch ungewöhnlicher als die Würfelkonstruktion.