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Nr. 77

 

Der Robotmensch und der Mutant

 

Zwischenspiel auf Birachy-Chan – Kennon begegnet dem Kind-Mutanten

 

von William Voltz

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man Ende November des Jahres 2841.

Dieses 29. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die solare Menschheit oder die Menschheit von den Welten der ersten Siedlungswelle wieder nach den Sternen greift und sich weiter im All ausbreitet. Es ist eine Zeit der großen Erfolge und großen Leistungen – es ist aber auch eine Zeit voller Gefahren und Überraschungen.

Mit einer solchen Überraschung werden die USO und ihre Staragenten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon konfrontiert.

»Tek« und »Ken«, die bislang unangefochten unter ihrer Deckadresse als Chefs der UHB, der »Unabhängigen Hilfsinstitution für Bedrängte«, ihr eigenes kleines Sonnensystem regiert haben, bekommen es mit Verbrechern zu tun, die Tekener in seinem eigenen Herrschaftsbereich zum Gefangenen machen und entführen.

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Goss Repalio – Sinclair M. Kennon in neuer Maske.

Corco Bennary – Geheimdienstchef der Tarey-Bruderschaft.

»Schlappohr« Bennary – Ein Junge mit besonderen Fähigkeiten.

Lady Carr – Angehörige eines Nomadenstammes.

Ronald Tekener – Gefangener des Admo-Chans von Birachy-Chan.

Cartalsos – Ein galaktischer Händler aus dem Volk der »Überschweren«.

1.

 

Elf Stunden, nachdem er als Goss Repalio an Bord der MARCONO eingetroffen war, schaltete Sinclair M. Kennon, der Mann mit dem Robotkörper, seinen Mikrodeflektor ein und verließ heimlich seine Kabine. Trotz seiner Unsichtbarkeit bedeutete dieses Vorgehen ein Risiko. Er musste damit rechnen, durch einen Zufall entdeckt zu werden. Andererseits bedeutete die jetzige Schlafperiode für die Besatzung vielleicht die letzte Chance, an die Bordpositronik heranzukommen. Kennon wollte unter allen Umständen herausfinden, wo das Ziel der MARCONO lag. Nur, wenn er das vor der Landung wusste, konnte er sich auf bevorstehende Schwierigkeiten rechtzeitig einstellen.

Als Kennon lautlos den Korridor durchquerte, um zum nächsten Antigravschacht zu gelangen, tauchte plötzlich ein Kind vor ihm auf.

Es war ein Junge, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt.

Das Kind sah ihn!

Kennon blieb überrascht stehen.

Nein, es bestanden keine Zweifel! Die Bewegungen des Jungen ließen keinen anderen Schluss zu. Das Kind sah Kennon, obwohl dieser seinen Mikrodeflektor eingeschaltet hatte.

Kennons Gedanken wirbelten durcheinander.

Was konnte er tun?

Wer war dieses Kind?

Besaß es schon genügend Verstand, um aus Kennons Benehmen bestimmte Rückschlüsse zu ziehen und ihn zu verraten?

Unwillkürlich zuckte Kennons Hand zur Waffe, doch er führte die Bewegung nicht zu Ende, denn er wusste genau, dass er nicht auf diesen Jungen schießen würde.

Er betrachtete den Jungen. Das Kind war kräftig und für sein Alter ungewöhnlich muskulös. Das Gesicht war breit, die Nase ein bisschen nach oben geschoben. Der Junge schielte ein bisschen. Seine Ohren standen ziemlich ab, was auch durch die langgewachsenen, rostroten Haare nicht verborgen wurde.

Der Junge sah nett aus.

Aber da war noch etwas!

Kennon konnte es nicht erklären, aber irgendwie war dieser Junge kein Kind mehr. Er besaß eine Ausstrahlungskraft, die weit über die aller anderen Kinder hinausging, die Kennon bisher kennen gelernt hatte.

Unmittelbar vor Kennon blieb das Kind stehen. Da das Versteckspiel für Kennon keinen Sinn mehr hatte, schaltete er den Mikrodeflektor ab.

Er deutete auf den Eingang seiner Kabine.

»Unterhalten wir uns dort?«

Irgendwie war es überhaupt nicht lächerlich, dass er zu diesem Kind wie zu einem Erwachsenen sprach.

»Ja«, sagte der Junge. »Meinetwegen.«

Er ging voraus und öffnete die Tür. Ohne jedes Misstrauen betrat er Kennons Kabine, zog einen Stuhl zu sich heran und nahm darauf Platz.

Kennon schloss die Tür und blieb stehen.

Die Blicke der beiden so verschiedenen Menschen trafen sich. Kennon hatte das unangenehme Gefühl, dass der Junge durch die Biomolplastschicht auf den Robotkörper sah – und in diesen hinein.

»Ich bin mir nicht genau darüber im Klaren, ob du ein richtiger Roboter oder nur so etwas Ähnliches bist!«, hörte Kennon den Jungen sagen.

Er blickte ihn fassungslos an. Sein bestgehütetes Geheimnis war diesem Kind bekannt. Wenn der Junge ein Wort darüber zu einem Besatzungsmitglied der MARCONO sprach, war Kennon verloren.

Ich darf diesen Jungen nicht weglassen!, dachte Kennon.

Die Konsequenzen dieses Entschlusses entsetzten ihn. Sein Gehirn, der einzige Teil, der von seinem menschlichen Körper übriggeblieben war und das jetzt in einer stählernen Schale ruhte, erbebte. Er stand vor der Entscheidung, entweder diesen Jungen zu töten oder entdeckt zu werden und dabei selbst das Leben zu verlieren.

»Woher weißt du es?«, fragte Kennon.

»Ich bin der Fallensteller«, sagte der Junge.

»Was?«, fragte Kennon verblüfft.

Das Kind auf dem Stuhl lächelte zufrieden. Hinter diesem schüchternen Lächeln, das entging Kennon nicht, verbargen sich Stolz und Selbstsicherheit.

»So nennen sie mich«, erklärte der Junge. »Fallensteller.«

»Was bedeutet das?«

»Ich weiß es nicht genau«, gestand der Junge. »Aber ich kann alle Wesen spüren. Ich spüre nicht nur, wo sie sind, sondern auch was und wie sie sind. Du bist der erste, der mir Schwierigkeiten macht.«

Ein Mutant!, schoss es durch Kennons Gehirn.

Vor zwei Jahren waren in der Galaxis zum ersten Mal Gerüchte entstanden, dass irgendwo in der Tarey-Bruderschaft ein positiver Mutant aufgetaucht sei. Niemand hatte sich um diese Geschichten gekümmert, denn sie besaßen in den seltensten Fällen einen realen Hintergrund.

Kennon überlegte blitzschnell.

Diesen Mutanten gab es offenbar tatsächlich. Irgendwie war es Corco Bennary gelungen, dieses Kind für die Dienste der Cardmanosch zu gewinnen.

Kennon sah ein, dass er Bennary unterschätzt hatte. Der Kommandeur des Geheimdienstes hatte niemals etwas von einem Mutanten erwähnt. Dieser Junge war sein Trumpf, den er nur in entscheidenden Situationen ausspielte. Sofort fragte sich Kennon, ob Bennary das Kind auf ihn angesetzt hatte.

Er bezweifelte es.

Seine Entdeckung durch den Fallensteller war wahrscheinlich ein Zufall.

»Du bist ein Mutant«, sagte Kennon leise. »Weißt du das?«

»Nein«, sagte der Junge.

»Wie heißt du?«

»Fallensteller!«

»Ich meine deinen richtigen Namen.«

»Ich habe keinen richtigen Namen. Alle nennen mich Fallensteller.«

Das Kind machte weder einen bösartigen noch einen angriffslustigen Eindruck auf Kennon. Das bedeutete jedoch noch lange nicht, dass es ihn nicht verraten würde.

»Weißt du jetzt mehr über mich?«, fragte Kennon.

Der Fallensteller überlegte.

»Es ist schwer bei dir!«

»Ich besitze ein mentalstabilisiertes Gehirn«, erklärte Kennon. »Trotzdem weißt du, dass ich einen Robotkörper besitze.«

»Ich sehe ihn«, erwiderte der Junge.

Kennon wusste, dass er nichts an der Situation ändern konnte, indem er eine Unterhaltung über die eigentlichen Schwierigkeiten hinauszögerte.

»Was wirst du tun?«, fragte er den Jungen.

»Weggehen«, erklärte der Fallensteller.

Die lakonische Antwort war mehr als viele Worte dazu angetan, Kennon verzweifeln zu lassen.

»Niemand an Bord dieses Schiffes, du natürlich ausgenommen, weiß, dass ich einen Robotkörper besitze.«

»Das dachte ich mir«, erklärte der Fallensteller gelassen.

Kennon hatte nicht geglaubt, dass ihn ein Kind jemals so aus der Fassung bringen könnte. Doch er musste sich eingestehen, dass er vollkommen hilflos war, denn er würde niemals einen Mord begehen, um das Kind zum Schweigen zu bringen.

»Wirst du mich verraten?«, erkundigte sich der USO-Spezialist. »Wirst du Bennary erzählen, was du hier gefunden hast?«

»Warum fürchtest du dich davor, dass ich es tun könnte?«, fragte der Junge interessiert.

»Nun ...«, Kennon suchte nach Worten. Wie sollte er zu diesem Jungen sprechen? Wie zu einem Erwachsenen oder wie zu einem Kind?

»Wahrscheinlich würde man mich töten, wenn man erfährt, wer ich bin«, sagte Kennon schließlich.

Im Gesicht des Fallenstellers erschien ein trauriger Ausdruck.

»Ich spüre dich ziemlich gut«, sagte er. »Du bist kein schlechter Mann. Ich will nicht, dass man dich umbringt.«

»Und Bennary?«, fragte Kennon lauernd. »Kannst du ihn spüren?«

»Ja! Er ist kein guter Mensch!«

»Warum hältst du dann zu ihm?«

»Er ist mein Vater!«, sagte der Fallensteller.

Für Kennon war das ein ungeheurer Schock. Gleichgültig, ob diese Information richtig war oder nicht, entscheidend war nur, dass der Fallensteller an sie glaubte.

Die Sache wurde immer verzwickter!, dachte Kennon.

»Du darfst diesem Mann, den du für deinen Vater hältst, nichts von meiner wahren Identität berichten«, beschwor er den Fallensteller. Er lächelte. »Außerdem stimmt es nicht, dass du keinen Namen besitzt. Wenn Bennary dein Vater ist, trägst du seinen Namen.«

»Ich heiße nur Fallensteller!«, sagte der Junge.

Kennon sah ihn abschätzend an.

»Was wirst du tun?«

»Ich weiß es nicht«, sagte der Junge.

Die Situation war unverändert, und Kennon stand ihr nach wie vor hilflos gegenüber. Wie lange konnte er den Jungen überhaupt hier festhalten, ohne Verdacht zu erwecken?

»Hat dich jemand hergeschickt?«, fragte er.

Der Fallensteller verneinte.

»Ich gehe oft im Schiff spazieren und spüre nach den verschiedensten Menschen. Das macht mir Spaß. Dabei habe ich dich gefunden.«

»Du weißt, dass ich dich nicht weggehen lassen kann«, sagte Kennon nachdenklich. »Wenn du mich verrätst, wird man mich töten. Aber das ist nicht die einzige Konsequenz. Ein guter Freund von mir wird dann ebenfalls sterben. Die USO wird in Schwierigkeiten geraten. Die gesamte Menschheit kann unter Umständen bedroht werden.«

Die Lippen des Jungen bewegten sich kaum.

»Deshalb wäre es besser, wenn du mich töten würdest.«

»Ja«, sagte Kennon.

Sie sahen sich an. Beide brachten Verständnis füreinander auf, aber jeder fühlte, dass er ein Gefangener dieser Situation war.

»Man würde mich suchen!«, prophezeite der Fallensteller.

»Es würde nach einem Unfall aussehen«, sagte Kennon leise.

Plötzlich schüttelte das Kind entschieden den Kopf.

»Du kannst es nicht tun! Du kannst nicht töten. Ich spüre dich jetzt genau. Du bist einsam. Oh, wie schrecklich einsam du bist mit deinem stählernen Körper.«

Jedes dieser Worte traf Kennon wie ein Faustschlag ins Gesicht. Er wich unwillkürlich zurück. »Sei still!«, rief er. »Schweig!«

Der Fallensteller sagte: »Kann ich dein Freund sein?«

Benommen hob der Mann mit dem Robotkörper den Kopf.

Der junge Bennary (wenn er ein Bennary war!) lächelte ihm zu.

»Ich werde dich nicht verraten. Du bist weiterhin Goss Repalio.«

Obwohl er sich nur auf sein Gefühl verlassen konnte, glaubte Kennon dem Jungen sofort. Er wurde überwältigt von einem Gefühl unsagbarer Erleichterung.

»Wir werden uns öfter sehen«, sagte der Fallensteller. »Ich werde Bennary verlassen und in Zukunft immer bei dir bleiben. Du bist jetzt mein Freund.«

Kennon wollte etwas sagen, diesem Kind erklären, dass das alles unmöglich war, aber er brachte keinen Ton heraus.

»Da du keinen Namen hast, werde ich dich Schlappohr nennen«, sagte er schließlich.

Der Junge schlug mit den Fingerspitzen gegen seine Ohren und lächelte.

»Deshalb?«

»Deshalb!«

Der Fallensteller drehte sich plötzlich um und verließ die Kabine. Fast hätte Kennon einem impulsiven Entschluss gefolgt und ihn festgehalten. Unterschwellig war sein Bewusstsein noch immer voll von Misstrauen. Aber das war sicher grundlos. Er konnte dem jungen Bennary vertrauen. Die Begegnung erschien ihm mit einemmal unwirklich, er konnte kaum glauben, dass sie tatsächlich stattgefunden hatte.

Bei all diesen Überlegungen durfte er seine eigentliche Aufgabe nicht vergessen. In drei Stunden war die Schlafperiode vorüber. Bis zu diesem Zeitpunkt musste er die Schiffspositronik angezapft haben. Kennon schaltete den Mikrodeflektor ein und verließ die Kabine zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. Kennon erreichte den Antigravschacht und schwebte bis in die Höhe der Zentrale. Es war niemand zu sehen.

Die MARCONO flog ohne die geringste Störung durch den Linearraum. In der Zentrale befand sich jetzt sicher nur die Standardbesatzung. Kennon trat durch ein offenes Schott in die Zentrale. Wie er vorausgesehen hatte, hielten sich dort ein halbes Dutzend Männer auf. Zwei von ihnen unterhielten sich, die anderen beobachteten die Kontrollen.

Lautlos huschte der USO-Spezialist zur Bordpositronik. Dann öffnete er einen seiner Unterarmverschlüsse und zog zwei zylinderförmige Gegenstände hervor. Er schob sie in Kontaktöffnungen der Positronik und berührte die herausragenden Enden mit dem Unterarm.

Die Verbindung war hergestellt.

Kennon konnte nun alle Daten abberufen, für die er sich interessierte. Alles geschah in Sekundenschnelle. Kennon zog die Stöpsel wieder heraus. Für wenige Augenblicke war Kennon ein Teil der Positronik gewesen.

Der USO-Spezialist beseitigte alle Spuren seines Tuns und zog sich wieder zurück. Unangefochten erreichte er seine Kabine. Dort erst begann er mit der Auswertung der Daten. In wenigen Minuten wusste er alles über das Ziel der MARCONO.

Das Schiff näherte sich einem Sonnensystem, das erst vor wenigen Jahren von der Tarey-Bruderschaft eingegliedert worden war. Es war eines jener zahlreichen Systeme, die weitab aller Verkehrszonen lagen und die in erster Linie von so genannten »Sekundär-Siedlern« besiedelt waren. Das waren Menschen, die von ehemaligen terranischen Auswanderern abstammten, sich nun aber ihrerseits eine neue Welt gesucht hatten. Die meisten dieser Welten lagen weit außerhalb des terranischen Einflussbereichs.

Wegen ihrer politischen Unbeständigkeit wurden Sonnensysteme, in denen Sekundär-Siedler lebten, auch als »Wackelsysteme« bezeichnet.

Die Sonne, der sich die MARCONO näherte, hieß TYK-AMBAZOR und besaß zehn Planeten. Sie lag im äußeren Zentrumsring der Galaxis und war 22.336 Lichtjahre von Terra entfernt.

Der vierte Planet dieses Systems trug den Namen Birachy-Chan, die Hauptstadt dieser Welt hieß Puyk.

Kennon hatte Einzelinformationen über diese Welt bekommen, die für weitere Unternehmungen sehr nützlich sein konnten. Birachy-Chan war ein relativ trockener Planet mit einer guten Sauerstoffatmosphäre. Es gab viele Gebirge auf den sieben Kontinenten. Die Ebenen waren in den meisten Fällen Savannen. Es gab noch zahlreiche tätige Vulkane. Schmale Meere trennten die einzelnen Kontinente voneinander. Die Durchschnittstemperatur auf Birachy-Chan betrug nur 27,36 Grad Celsius, wahrscheinlich deshalb, weil der Planet ziemlich weit von einer roten Sonne entfernt war.

Eine Umdrehung des Planeten dauerte 27,18 Stunden.

Auf Birachy-Chan lebten siebenundsechzig Millionen Menschen, eineinhalb Millionen davon in Puyk.

Doch das war nicht alles, was Kennon erfuhr.

Die Sekundär-Siedler von Birachy-Chan waren überwiegend mongolischer Abstammung. Regierungschef auf Birachy-Chan war Nuru-Chure, dem Titel nach der »Admo-Chan«. Den wenigen Informationen, die Kennon über ihn bekommen hatte, glaubte er entnehmen zu können, dass der Admo-Chan ein Diktator war, der wenig Rücksicht auf sein Parlament nahm.

Kennon war zufrieden. Er kannte jetzt das Ziel. Weitere Informationen musste er direkt von Corco Bennary in Erfahrung bringen. Der USO-Spezialist blickte auf die Uhr. Sofort nach Beendigung der Schlafperiode musste er mit Bennary sprechen.

Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr aus der Zentrale dachte er an Schlappohr.

Hoffentlich machte ihm der Junge keinen Strich durch die Rechnung.

Dann, dachte Kennon, war alles umsonst gewesen ...

2.

 

Bennary blickte auf, als er den vermeintlichen Goss Repalio neben sich auftauchen sah.

Seine Augen verengten sich.

»Es ist mir manchmal unheimlich, wie leise Sie sich bewegen, Goss«, sagte er mit einem drohenden Unterton in der Stimme. »Es macht mich nervös. Und wenn ich nervös bin, verliere ich manchmal die Beherrschung.«

»Ich werde Ihretwegen ein paar Glöckchen an meine Beine binden«, versetzte Kennon ungerührt. Er ahnte, dass der Chef der Cardmanosch längst wusste, dass Repalio nicht der verweichlichte Mann war, als der er auftrat. »Aber deshalb bin ich nicht gekommen.«

Er machte eine kurze Pause, dann sagte er: »Ich wusste nicht, dass Kinder an Bord sind.«

»Mein Sohn«, sagte Bennary beinahe teilnahmslos. »Er geht gern im Schiff spazieren. Er ist immer bei mir.«

Entweder spielte Bennary die Anwesenheit des Fallenstellers gekonnt herunter, oder der Junge war ihm wirklich gleichgültig.

»Es erstaunte mich nur«, sagte Kennon in einem Tonfall, der Bennary erkennen lassen musste, dass das Thema auch für den Passagier erledigt war. »Eigentlich wollte ich von Ihnen nur erfahren, wohin wir fliegen.«

»Später«, wich Bennary aus.

Kennon spürte genau, dass der andere ihn belauerte. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie umschlichen sich wie zwei große Tiere, die auf eine Chance für einen erfolgreichen Angriff warteten. Unter anderen Umständen hätte Kennon dieses Psychospiel amüsiert, jetzt jedoch verlangte es seine volle Konzentration und Aufmerksamkeit. Der geringste Fehler konnte ihn verraten.

»Wir könnten Informationen austauschen«, schlug er dem Kommandeur vor.

Bennary tat überrascht. Seine Mimik drückte aus, dass er nicht daran glaubte, dass Repalio ihm Neuigkeiten mitteilen könnte.

»Aktion Rarität-C findet nicht die ungeteilte Zustimmung des Lordadmirals«, fuhr Kennon fort. Gleichzeitig fügte er beschwörend hinzu: »Sie werden diese Informationen natürlich für sich behalten, Bennary!«