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Nr. 22

 

Der Marsch durch die Unterwelt

 

Das USO-Team unter Barbaren – und im Kampf gegen die Ungeheuer von Cronot

 

von Ernst Vlcek

 

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Anfang Februar des Jahres 2408 Terra-Zeit ist die Mission der USO-Spezialisten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon alias Rabal Tradino abermals in eine kritische Phase getreten. Die beiden Asse der USO, die ihren großen Bluff mit dem so genannten »Halbraumspürer-Absorber« starteten und sich in die Gewalt der Condos Vasac begaben, um ihre Kollegen Monty Stuep und Kamla Romo zu retten, sind einer neuen »großen Sache« auf der Spur.

Von Umshyr gelangten alle vier Männer per Transmitter in die Geheimstation ZONT-1 auf Phynokh, dem Planeten der Orkane, wo sie als Transportbegleiter der Fremden fungierten, die zu den eigentlichen Befehlshabern der CV gehören. Am Ziel angekommen, vernichteten die USO-Spezialisten die Zentrale der Fremden und zerstörten damit gleichzeitig alle in der Galaxis existierenden Transmitterweichen.

Nach dem großartigen Erfolg ihrer Sabotageaktionen mussten die Männer der USO wieder einmal die Flucht ergreifen. Eine USO-Flotte näherte sich dem Planeten Phynokh – und das war für Tekener und seine Kollegen, die ja das Vertrauen der CV weiterhin behalten wollten, das Signal, sich abzusetzen.

Tekener und seine Kollegen erreichen den von Antis unterjochten urweltlichen Planeten Cronot. Sie schließen sich den primitiven Eingeborenen an, die gegen die fremden Unterdrücker rebellieren, und erfahren von den »Feuerdämonen« der Antis, die Leben zerstören und schreckliches Leben zeugen.

Tekener ahnt Schlimmes. Er begreift, dass Cronot ein Biolabor der Condos Vasac ist; er beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, und er beginnt den MARSCH DURCH DIE UNTERWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Daynamar – Anführer der Rebellen von Cronot.

Ronald Tekener, Sinclair Marout Kennon und Monty Stuep – Die USO-Spezialisten besuchen das Dämonenland.

Kamla Romo – Ein kleiner Mann von Siga.

Ojanis – Anführer der »Sumpfgebleichten«.

Crenioc – Beherrscher der Unterwelt von Cronot.

Cherisin – Ein »Feuerbläser«.

1.

 

Die Cordos kamen!

Der Dschungel erbebte unter dem Stampfen ihrer Säulenbeine, die Luft widerhallte von ihrem Trompeten. Das war der Warnruf für die Dschungelbewohner.

Die affenartigen Bajas flüchteten in die Baumwipfel. Verschreckte Vögel schwangen sich in die Lüfte und zogen kreischend ihre Kreise. Bodentiere hetzten in wilder Panik davon, versuchten, sich vor der heranwälzenden Front aus tonnenschweren, panzergeschuppten Leibern in Sicherheit zu bringen. Das scheue Gauri rannte an der Seite des räuberischen Bushars, der aasfressende Kojo folgte dem Weg des allesfressenden Toots. Jetzt, in der Stunde der gemeinsamen Gefahr, vergaßen sie die ihnen von der Natur auferlegten Rollen. Sie waren keine Feinde, nicht länger Jäger oder Gejagter – sie waren Gleichgestellte, Flüchtlinge vor einer übermächtigen Bedrohung.

Zwanzigtausend Cordos waren los!

Zwanzigtausend Urweltriesen, die alles niedertrampelten, was sich ihnen in den Weg stellte. Ihre mächtigen Leiber trieben breite Schneisen in den Dschungel. Mit den beiden Rüsseln teilten sie das Buschwerk, ihre Säulenbeine stampften das Unterholz nieder. Das wurde unzähligen Kleintieren zum Verhängnis, die zu langsam waren, um sich der großen Flucht anzuschließen.

Zwanzigtausend Cordos, von ihren humanoiden Symbionten gelenkt, ließen breite Straßen der Vernichtung hinter sich. Geknickte Jungbäume, entwurzelte Baumriesen, blattgewalztes Buschwerk – tiefe Wunden im grünen Teppich der Natur. Aber diese Wunden würden bald wieder heilen. Denn die junge Dschungelwelt Cronot war ein Planet mit Treibhausatmosphäre. Die Vegetation war üppig; Pflanzen wuchsen schneller als anderswo. In der Tat. Cronot war ein Treibhaus exotischer Flora, eine Brutstätte vielfältiger Fauna.

»Kein Wunder, bei 46,21 Grad Celsius mittlerer Temperatur«, murmelte Kamla Romo, während er in fünfhundert Meter Höhe der Cordo-Herde entgegenflog. Aus der Vogelperspektive hatte er einen hervorragenden Überblick. Aber was vielleicht wichtiger war: Von hier oben wirkten die über zwölf Meter großen Elefantentiere kleiner als er. Und das konnte schon dazu angetan sein, das Selbstbewusstsein eines kaum neuneinhalb Zentimeter messenden Siganesen aufzumöbeln.

Das war allerdings nicht der Grund, weshalb er sich mit Hilfe seines Kampfanzuges in der Luft befand.

Kamla Romo war auf einem wichtigen Erkundungsflug.

Zwei Terra-Tage waren vergangen, seit der wagemutige Barbar Daynamar mit den zwanzigtausend Cordos die Tempelstadt POLA-1-C überrannt und dem Erdboden gleichgemacht hatte. Diese Gelegenheit, sich von den Antis abzusetzen, ließen sich Ronald Tekener, Sinclair M. Kennon, Monty Stuep und er, Kamla Romo, nicht entgehen. Dabei gelang es Kennon, ein Bildsprechgerät an sich zu bringen. Er sandte damit einen Hilferuf an die Adresse der Antis und konnte so vortäuschen, dass sie von Daynamar entführt würden und einem ungewissen Schicksal entgegensähen. Die Antis konnten nicht ahnen, dass es sich bei der angeblichen Entführung um ein abgekartetes Spiel handelte. Sie mussten der Meinung sein, dass ihre terranischen Verbündeten in akuter Lebensgefahr schwebten. Entsprechend würden sie handeln.

Kamla Romos Erkundungsflug hatte zum Ziel, eventuelle Verfolger auszukundschaften. Bisher hatten weder Kennon mit den in seinem Robotkörper eingebauten Ortungsgeräten, noch Romo mit den Geräten seines Kampfanzuges irgendwelche Flugkörper ausmachen können. Das hatte Ronald Tekener zu denken gegeben, und er hatte Romo ausgeschickt, der Sache nachzugehen. Bisher war seiner Mission jedoch kein Erfolg beschieden.

Was bezweckten die Antis mit dieser Verzögerungstaktik? Formierten sie ihre Streitkräfte aus den anderen beiden Tempelstädten zu einem Großangriff? Das lag im Bereich des Möglichen, denn der Gewaltakt der Barbaren schrie förmlich nach Vergeltung. Doch wenn die Antis das vorhatten, würden sie eine herbe Enttäuschung erleben.

Daynamar hatte die Möglichkeit eines großangelegten Gegenschlages einkalkuliert. Deshalb veranlasste er, dass sich seine Streitmacht vierundzwanzig Terra-Stunden nach dem Überfall auf POLA-1-C in alle Windrichtungen verstreute. Wie die Äste vom Stamm und die Zweige vom Ast, sollen sich meine tapferen Rockandos verteilen, hatte er angeordnet. Und so war es geschehen; die Schneisen, die von den Cordos in den Dschungel geschlagen worden waren, gingen in alle Richtungen. Damit war den Antis die Aussicht auf einen erfolgreichen Rachefeldzug genommen.

Kamla Romo ließ die letzten Nachzügler der aufgesplitterten Cordo-Herde hinter sich und stieß weiter in die Richtung der vernichteten Tempelstadt POLA-1-C vor. Er wollte gerade für einen kurzen Augenblick seine Ortungsgeräte einschalten, als er eine verblüffende Entdeckung machte.

Tief unter sich auf einer Dschungellichtung sah er einen Cordo reglos daliegen. Daneben war ein einzelner Anti-Gleiter gelandet.

 

*

 

Ohne lange zu überlegen, ging Romo tiefer. Der Siganese landete mit ausgeschaltetem Schutzschirm in der Astgabel eines Baumes, von wo er einen guten Überblick hatte. Um die Gefahr einer Ortung durch die Antis zu bannen, schaltete er alle Geräte bis auf das Außenmikrophon ab.

Dann konzentrierte er sich gespannt auf die Geschehnisse, die vor ihm abrollten.

Dem Gleiter waren vier Antis entstiegen. Indem sie sich an den Panzerschuppen des toten Cordos hinaufzogen, erkletterten sie seinen Körper. Ihr Ziel war das große Ohr, das selbst jetzt noch über die Gehörmuschel gerollt war. Romo vermutete sofort, dass es die Antis auf den Rockando abgesehen hatten, der sich mit aller Wahrscheinlichkeit noch im Knorpelsattel hinter dem Ohr befand.

Der Führer der vierköpfigen Anti-Gruppe baute sich an der Flanke des toten Tieres auf und rief:

»Komm heraus, du stinkender Barbar, oder wir holen dich!«

Romo vernahm einen gedämpften Fluch. Der humanoide Symbiont des Cordos, der Cordorider, lebte also noch.

Der Anti-Führer gab seinen Leuten einen Wink. Die drei versuchten zuerst, das erstarrte Ohr wegzubiegen, um einen Zugang zum Knorpelsattel zu schaffen. Als ihnen das nicht gelang, zogen sie Vibratormesser. Sie hätten es sich leichter machen können, indem sie das Ohr mit den Strahlern abtrennten. Da sie diese Möglichkeit erst gar nicht in Betracht zogen, stand es für Romo fest, dass sie den Rockando lebend haben wollten.

Die drei Antis setzten ihre Vibratormesser am dicken Ohransatz des Cordos an und sägten sich langsam einen Weg durch die Knorpel und erhärteten Muskeln. Es entstand ein hohes Geräusch, das bis weit in den Ultrafrequenzbereich hineinreichte, wenn die Vibratormesser auf Knochen stießen. Romo, der einen ausgeprägten Ultrahorchsinn besaß, empfand dies als äußerst schmerzhaft. Aber er schaltete das Außenmikrophon nicht aus, denn er befürchtete, dass ihm dann etwaige wichtige Details der Unterhaltung zwischen den Antis entgingen.

»Macht schon«, drängte der Anti-Führer seine Leute. »Wir wollen ihn schließlich noch verhören.«

»Wer weiß, vielleicht erfahren wir von ihm überhaupt nicht, wohin Daynamar mit den Gefangenen geflüchtet ist«, warf einer der Antis ein, die sich schwitzend mit ihren Vibratormessern an dem Ohransatz des Cordos zu schaffen machten.

»Es wird sich natürlich um ein hypnosuggestives Verhör handeln«, meinte der Anti-Führer geringschätzig. »Das wird ihm die Zunge lösen.«

»Ich wollte eigentlich ausdrücken, dass dieser Wilde möglicherweise gar nicht weiß, wohin Daynamar unsere drei Verbündeten bringt.«

Der Anti-Führer kam nicht mehr dazu, sich über die Vermutung seines Untergebenen Gedanken zu machen. Die Antis hatten inzwischen mit ihren Vibratormessern zwei Drittel des Ohres abgetrennt. Darauf schien der Rockando im Knorpelsattel nur gewartet zu haben.

Mit einem Schrei trat er das Hindernis vor seinem Versteck beiseite und sprang ins Freie. Er war eine furchterregende Erscheinung, wie er in voller Lebensgröße von knapp zwei Metern dastand, die muskulösen Beine gespreizt, das Schwert gezückt. Unter seiner ebenholzschwarzen Haut zeichneten sich dicke Muskelstränge ab. Seine strahlend blauen Augen funkelten böse, blondes, zerzaustes Haar umrahmte das edle, scharfgeschnittene Gesicht.

Bevor noch einer der Antis zur Waffe greifen konnte, schwang der Rockando sein langes, doppelschneidiges Schwert. Zischend durchschnitt es die Luft in weitem Bogen. Auf der Brust eines Anti zeichnete sich ein blutiger Streifen ab. Er brach gurgelnd zusammen.

Der Rockando machte einen kurzen Schritt nach vorne, das Schwert sauste durch die Luft. Ein zweiter Anti griff sich brüllend ins Gesicht. Der dritte fiel unter einem furchtbaren Schwerthieb des Rockandos.

Als sich der Wilde jedoch seinem vierten Gegner zuwendete, blickte er in die Mündung eines Paralysators. Trotzdem gab er nicht auf. Er hob sein schweres Schwert noch zum Schlag – und gerade als er es hoch über dem Kopf erhoben hatte, traf ihn der Lähmstrahl voll vor die Brust. Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte er mitten in der Bewegung, dann zog ihn das Gewicht des Schwertes nach hinten. Es gab einen dumpfen Laut, als sein Körper auf den Panzerschuppen des toten Cordos aufprallte. Der Anti ging hin und rollte den bewusstlosen Rockando über den Rücken des toten Tieres zu Boden. Dann wollte er mit einem gewagten Sprung folgen. Aber er war kaum in die Hocke gegangen, da sackte er wie vom Blitz gefällt zusammen und kollerte vornüber ins Gras.

Kamla Romo steckte seinen winzigen Schockblaster zufrieden weg. Er hatte alles getan, um den Rockando vor einem schlimmen Schicksal zu bewahren. Nun konnte er nur noch hoffen, dass der Eingeborene vor dem Anti aus der Paralyse erwachte. Die Chancen dafür standen fünfzig zu fünfzig. Denn auf der einen Seite besaß der Rockando eine widerstandsfähigere Konstitution, andererseits aber hatte Kamla Romos siganesischer Miniaturparalysator nicht die Wirkung der anderen Waffe.

Seufzend schaltete der Siganese sein Flugaggregat ein. Er hätte gerne noch mehr für den Rockando getan, aber er konnte nicht solange zuwarten, bis einer der beiden aus der Paralyse erwachte. Er musste zurück zu seinen Kameraden und das äußerst zufriedenstellende Ergebnis seines Erkundungsfluges berichten.

Zwei Stunden später hatte Kamla Romo die Distanz zurückgelegt, die ihn von der kleinen Cordo-Herde unter Daynamars Führung trennte. Er erkannte Euteul, das Leittier Daynamars, augenblicklich. Denn auf dem Nacken dieses Saurier-Elefanten saßen drei Reiter.

USO-Spezialist und Kosmokriminalist Major Sinclair Marout Kennon – der Mann mit dem vollrobotischen Körper.

Und Monty Stuep, der Ertruser.

Zu ihm hatte Romo eine besondere Beziehung. Denn die Außentasche von Monty Stueps Kombination war der Unterschlupf des Siganesen. Bisher wussten weder die Antis, noch die Rockandos etwas von seiner Existenz. Und das sollte so bleiben. Deshalb wollte Romo versuchen, unbemerkt in Stueps Tasche zu landen. Das wäre für den flinken Siganesen diesmal weiter nicht schwierig gewesen, weil sämtliche Rockandos ihre Plätze in den Ohrensätteln ihrer Symbionten eingenommen hatten. Außerdem waren die Cordos in einen langsamen Trab verfallen, so dass Romo sein Ziel ganz leicht hätte ansteuern können.

Wenn nicht dieser vorwitzige Vogel gewesen wäre. Er stieß mit seinem langen, spitzen Schnabel nach Romo, als dieser nichtsahnend durch das dichte Geäst der Urwaldriesen nach unten schwebte. Der Schlag kam so überraschend für den Siganesen, dass er vollkommen die Kontrolle verlor und abstürzte. Er landete einigermaßen wohlbehalten im Unterholz. Keine zwei Meter vor dem herantrottenden Leittier der Saurier-Elefanten, das die langsame Gangart dazu nutzte, mit den beiden kräftigen Rüsseln allerlei Nahrung aufzunehmen und dem breiten Maul zuzuführen. Der eine Rüssel erwischte Kamla Romo und saugte sich an ihm fest.

2.

 

»Ein Giftwurm!«, schrie Monty Stuep und sprang mit einem Satz über Euteuls mächtigen Schädel hinweg. Er landete auf dem Rüssel und schlug mit einem kräftigen Handkantenschlag gegen dessen Ende. Euteul stieß einen kehligen Schmerzenslaut aus und gab das zappelnde Etwas frei, das es mit dem Rüssel geschnappt hatte.

Monty Stuep griff schnell danach und steckte es sich in die Außentasche seiner Kombination.

»Das war noch einmal Glück, kleiner grüner Mann«, murmelte der Ertruser.

»Nennt man das Glück, wenn man von einer Vertrauensperson Giftwurm geschimpft wird!«, piepste es empört aus Monty Stueps Brusttasche.

Der Ertruser hatte keine Gelegenheit mehr zu einer Entgegnung, ohne die Existenz des Siganesen zu verraten. Denn inzwischen war die Cordo-Herde zum Stillstand gekommen. Die Saurier ließen ihre riesigen Ohren sinken, um den Ausstieg für ihre humanoiden Symbionten freizugeben.

Daynamar war der erste, der seinen Knorpelsattel in der Ohrmuschel seines Tieres verließ. Die Knorpelstränge auf der Innenseite von Euteuls Ohr geschickt nutzend, kletterte er zu Boden.

Monty Stuep, der abseits stand, entging die Erregung des Rockandos nicht. Daynamar war eine imposante Erscheinung. Die dunkle, fast schwarze Haut, die ein besonderes Merkmal seines Volkes war, spannte sich über wahre Muskelpakete an den Armen, den Beinen und der Brust.

Sein Gesicht war wie aus schwarzem Marmor gemeißelt. Die Augen bildeten darin zwei kaltglitzernde Seen. Selbst wenn sein ebenmäßiger Mund lächelte, blieben die Augen wachsam. Die Augen waren es, die seine Gefährlichkeit ausdrückten. Aber neben Härte, Mut und Tapferkeit konnte man noch etwas anderes herauslesen, was man bei den anderen Rockandos vermisste – Intelligenz. Sie war es hauptsächlich, die ihn zum Führer seines Volkes gemacht hatte, und diese außergewöhnliche Intelligenz machte ihn auch zu einem wertvollen Verbündeten für die USO-Spezialisten.

Aber tief in seinem Herzen war und blieb Daynamar ein Wilder.

Monty Stuep beobachtete ihn wachsam, als er sich ihm näherte.

»Was haben Sie mit Euteul gemacht?«, fragte Daynamar herausfordernd.

»Ich habe gesehen, wie das Tier einen Giftwurm aufnahm«, erklärte der Ertruser ruhig. »Da ich weiß, wie unangenehm selbst für einen Cordo dieses Gift sein kann, habe ich gehandelt. Hoffentlich habe ich Euteul nicht mehr geschadet als geholfen.«

»Sie haben ihn verwirrt«, sagte Daynamar nur und wandte sich seinem Cordo zu. Er ergriff den Rüssel und betrachtete die kleine Schwellung an seinem Ende. Dann strich er behutsam darüber und hauchte die Schwellung an. Der Cordo dankte es ihm, indem er ihm den Rüssel behutsam um den Hals legte. Dies war einer der seltenen Momente, in denen Wärme in Daynamars Augen lag. Monty Stuep hatte bisher immer angenommen, dass zwischen Symbionten entweder eine biologische oder eine parapsychische Verbindung bestehen musste. Hier sah er nun, dass eine emotionelle Verbindung genügte, um aus zwei grundverschiedenen Lebewesen gleichwertige Partner zu machen.

Die blinden Cordos und die humanoiden Rockandos waren für eine Lebensgemeinschaft wie geschaffen. Während die Rockandos ihren Symbionten als »Knorpeltrommler« Futterplätze und Gefahren signalisierten, bekamen sie von den Cordos Schutz und Unterstützung.

Als sich Daynamar wieder Monty Stuep zuwandte, war die Wärme aus seinen Augen verschwunden.

»Wie gut können Sie kämpfen, Stuep?«, fragte er, die Hand am Knauf seines Schwertes.

Der über zweieinhalb Meter große Ertruser blieb ruhig.

»Vielleicht halten Sie mich jetzt für einen Feigling, Daynamar«, sagte er. »Aber meine ethische Einstellung verbietet es mir, Hand an einen Freund zu legen.«

Daynamar blickte ihn lange an, dann ließ er sein Schwert los.

»Das wollte ich hören – dass wir noch immer Freunde sind. Auch wenn Sie sich an Euteul vergangen haben.«

Damit ließ er den Ertruser stehen und erteilte Befehle an seine Leute.

Monty Stuep wusste nur zu gut, dass die Angelegenheit damit nicht bereinigt war. Daynamar war zwar ihr Verbündeter, aber es ging gegen seine barbarische Einstellung, einen Riesen von Gestalt an seiner Seite zu wissen, dessen Stärke er nicht kannte. Es drängte alles in ihm, sich mit Stuep zu messen – auch wenn er ein Verbündeter war.

 

*

 

»Warum machen wir hier Rast, wenn unser Zielgebiet, die Küste, ganz nahe ist?«, wollte Ronald Tekener von Daynamar wissen.

»Euteul ist unruhig«, antwortete der Rockando knapp.

Die Cordos hatten sich zu einem Kreis formiert, in dessen Mitte die Rockandos saßen. Sie reinigten ihre Waffen und ihre Ausrüstung, aßen oder diskutierten die letzten Ereignisse. Der Überfall auf die Tempelstadt POLA-1-C lieferte ihnen genügend Gesprächsstoff. Sie konnten nicht genug davon schwärmen, wie Daynamar die Götter überlistet und den Götterhauch zum Erlöschen gebracht hatte, damit sie mit den zwanzigtausend Cordos in die Tempelstadt einreiten konnten. Mit Götter meinten die abergläubischen Rockandos die Antis, die sich durch ihre technische Überlegenheit auf Cronot den Nimbus von allmächtigen Wesen schafften. Götterhauch nannten die Rockandos den Schutzschirm, der sich über POLA-1-C gespannt hatte.

Tekener, Kennon und Stuep hatten sich mit Daynamar zu einer Lagebesprechung von den anderen abgesondert. Während die USO-Spezialisten bequeme Sitzstellungen eingenommen hatten (abgesehen von dem Siganesen Kamla Romo, der sich immer noch in Stueps Brusttasche befand), kniete Daynamar aufrecht, die Hände auf das Schwert gestützt. Diese feierliche Pose nahm er gerne bei zeremoniellen Handlungen ein, und eine Lagebesprechung war für ihn ein Zeremoniell.

»Wir müssen uns klar werden, was nun zu geschehen hat«, meinte Ronald Tekener. »Bisher ist für uns alles nach Wunsch verlaufen. Die Antis sind der Meinung, wir wären Gefangene der Rockandos. Sie wissen nicht, dass wir uns Daynamar freiwillig angeschlossen haben und es uns ein persönliches Anliegen ist, das Land der Dämonen zu erreichen. Wir müssen unbedingt jene seltsamen Vorgänge untersuchen, von denen unser Freund Daynamar berichtet hat. Bis dorthin ist es aber noch ein weiter Weg.«

»Ich werde euch führen«, versicherte Daynamar.