Cover

Ulrike Reiche

Kundalini-Yoga

Mit der universalen Lebenskraft zum wahren Selbst

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Ulrike Reiche

Ulrike Reiche ist Yoga-Lehrerin und Ausbilderin in der Kundalini-Tradition nach Yogi Bhajan. Sie arbeitet als Coach und Organisationsberaterin für Gesundheit im Beruf. www.femalespirit.de und www.humanatwork.de

Über dieses Buch

Im Kundalini-Yoga spricht man von Energiekörpern, wenn man die geistige Grundausstattung des Menschen beschreiben will. Seine Gefühle, seine Talente oder seine Werte sind neben vielen anderen Aspekten wie die Stockwerke eines Hauses. Durch die Stromleitungen fließt subtile Energie, die man mit Hilfe gezielter Meditationen spüren und beeinflussen kann.

Yoga-Coach Ulrike Reiche erklärt anschaulich das System der Energiekörper und gibt effektive Übungen für die eigene Persönlichkeitsentwicklung an die Hand.

Impressum

eBook-Ausgabe 2012

Knaur eBook

© 2012 O. W. Barth Verlag

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

ISBN 978-3-426-41357-9

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Endnoten

1

Deutsche Übersetzung des Mul-Mantras von Simran Kaur Wester.

Gurudass Singh Khalsa (veröffentlicht im 3HO Kundalini-Yoga-Journal)

2

Karin Brucker, Die Urkraft Kundalini, O. W. Barth Verlag, München 2010, S. 22ff.

3

Karin Brucker, Die Urkraft Kundalini, O. W. Barth Verlag, München 2010, S. 35ff.

4

KRI, The Aquarian TeacherTM, Die Wurzeln des Kundalini-Yoga, Kapitel 2, S. 26

5

Shiv Sharan Singh, Die Wissenschaft angewandter Numerologie, Dyal Singh Edition, Groß-Umstadt 2001

6

Karin Brucker, Die Urkraft Kundalini, S. 187ff., O. W. Barth Verlag, München 2010, S. 187ff.

7

Siehe Zitat Yogi Bhajan im Vorwort: Wenn die Kundalini aufsteigt, um alle Energiezentren zu durchdringen, dann weiß der Mensch, dass er eins mit allem ist. Darum wird gesagt, dass Kundalini-Yoga gefährlich sei. Es ist gefährlich, weil der Mensch nicht mehr dazu geeignet ist, von einem anderen Menschen ausgebeutet zu werden.

8

KRI, International Teacher Training Manual Level 1, S. 241

9

Yogi Bhajan in seinem Vortrag »Das Erwecken der Seele« von 1969, veröffentlicht in KRI: International Teacher Training Manual Level 1, S. 26ff.

10

Barbara Ann Brennan, Lichtarbeit, Goldmann, München 1987/1998

11

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 19

12

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 20

13

KRI, The Aquarian TeacherTM, Die Wurzeln des Kundalini-Yoga, Kapitel 2, S. 26

14

KRI, The Aquarian TeacherTM, Die Wurzeln des Kundalini-Yoga, Kapitel 2, S. 261265

15

Yogi Bhajan/Sat Hari Singh Khalsa, Die Perlen der Weisheit, Bad Soden 1998, S. 88

16

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 222

17

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 308

18

Yogi Bhajan/Gurcharan Singh Khalsa, The Mind: Its Projections and Multiple Facets, KRI 1998

19

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 318

20

Patanjali, Die Wurzeln des Yoga, O. W. Barth Verlag, München 2012, S. 21

21

Siehe Zitat Yogi Bhajan im Vorwort: Wenn die Kundalini aufsteigt, um alle Energiezentren zu durchdringen, dann weiß der Mensch, dass er eins mit allem ist. Darum wird gesagt, dass Kundalini-Yoga gefährlich sei. Es ist gefährlich, weil der Mensch nicht mehr dazu geeignet ist, von einem anderen Menschen ausgebeutet zu werden.

22

The Teachings of Yogi Bhajan, 18. Juli 1982, Quelle: KRI Daily Notes

23

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 90ff.

24

Yogi Bhajan/Sat Hari Singh Khalsa, Die Perlen der Weisheit, Bad Soden 1998, S. 54

25

Yogi Bhajan/Sat Hari Singh Khalsa, Die Perlen der Weisheit, Bad Soden 1998, S. 70

26

The Teachings of Yogi Bhajan, 20. Juli 1996, Quelle: KRI Daily Notes

27

Yogi Bhajan/Sat Hari Singh Khalsa, Die Perlen der Weisheit, Bad Soden 1998, S. 105

28

Yogi Bhajan, Self Knowledge (deutsche Ausgabe 1998), Yogi Press Sat Nam Media, Groß-Umstadt, 2005, S. 13

29

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 126

30

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 125

31

KRI, The Aquarian TeacherTM, Kapitel 16, S. 264

32

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 224

33

Guruchander Singh Khalsa, Numerology, Radiant Light Press, USA, 1993

34

Yogi Bhajan, zitiert in Shiv Sharan Singh, Die Wissenschaft angewandter Numerologie, Dhyal Singh Edition, Groß-Umstadt 2001, S. 96

35

Yogi Bhajan, zitiert in Shiv Sharan Singh, Die Wissenschaft angewandter Numerologie, Dhyal Singh Edition, Groß-Umstadt 2001, S. 98

36

Yogi Bhajan, 4. Juli 1984, Quelle: KRI Quotation of the Day, 28102011

37

Hans Rhyner/Kerstin Rosenberg, Das große Ayurveda-Ernährungsbuch, Urania Verlag AG, Neuhausen/Schweiz 2003, S. 14

38

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 120

39

Peter Lauster, Wege zur Gelassenheit, Rowohlt Verlag, Reinbek 2007

40

KRI, The Aquarian TeacherTM, Kapitel 7, S. 86

41

Originaltitel: Learning to meditate/Meditation für Konzentration in der Handlung, Quelle: Aquarian Teacher (dt. Ausgabe)

42

Originaltitel: Meditation for the negative Mind, Quelle: Yogi Bhajan/Guru Charan Singh, The Mind, S. 211

43

Originaltitel: Meditation for the positive Mind, Quelle: Yogi Bhajan/Guru Charan Singh, The Mind, S. 212

44

Originaltitel: Meditation for the neutral Mind, Quelle: Yogi Bhajan/Guru Charan Singh, The Mind, S. 213

45

Originaltitel: Clarify the Subtel Body, Quelle: Pranee Prana Pranayam, S. 150/151

46

Originaltitel: Pranayama gegen Negativität und Krankheit, Quelle: Shakta K. Khalsa, Yoga für Frauen, Dorling Kindersley, München 2008, S. 163

47

Originaltitel: Meditation für ein starkes Schutzfeld, Quelle: Yogi Bhajan, Guru Darshan K. 1993, S. 40 (entnommen aus: Anand K. Seitz, Kundalini-Yoga, Rowohlt Verlag, Reinbek 1999; KRI-Siegel)

48

Originaltitel: To heal ourselves, Quelle: New Millenium 2000 # 0351

49

Originaltitel: Kirtan Kriya, Quelle: Aquarian Teacher (dt. Ausgabe), S. 549

50

Originaltitel: Projektion 27 – Master, Quelle: Yogi Bhajan/Guru Charan Singh, The Mind, S. 263

51

Originaltitel: Tattvas Balance beyond Stress & Duality, Quelle: Aquarian Teacher (dt. Ausgabe), S. 520

52

Shiv Sharan Singh, Die Wissenschaft angewandter Numerologie, Dyal Singh Edition, Groß-Umstadt 2001, S. 78

55

Joachim Bauer, Das Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2006

56

Andreas Weber, Alles fühlt, Berlin Verlag, Berlin 2007

57

B. K. S. Iyengar, Licht fürs Leben, O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 14, 15

58

Deva Premal, The Moola Mantra, 2007 © Prabhu Music

Mul-Mantra

EK ONG KAR

Ich bin eins mit der schöpfenden Schöpfung.

SAT NAM

Das ist meine wahre Identität.

KARTA PURKH

Das Seiende zeigt sich in meinen Handlungen.

NIRBHAO

Ich habe keine Angst.

NIRVÄR

Ich kenne keine Feindschaft, keine Wut.

AKAAL MURAT

Mein Wesen ist unsterblich.

ADSCHUNI

Ich wurde niemals geboren.

SÄI BHANG

Ich bin vollkommen, alles ist in mir enthalten.

GURPRASAD

Alles, was ich weiß,
ist ein Geschenk der unendlichen Weisheit Gottes.

 

DSCHAP

Meditiere (sagt die Seele dem Menschen).

 

AAD SATSCH

Über die ursprüngliche Wahrheit.

DSCHUGAAD SATSCH

Über die Wahrheit aller Zeitalter.

HAEBHIE SATSCH

Über die Wahrheit der Gegenwart.

NANAK HOSIE BHIE SATSCH

Über die Wahrheit, die immer sein wird,
sagt Nanak.[1]

Vorwort

In der Tradition des Kundalini-Yoga, wie ihn Yogi Bhajan lehrte, gilt das Mul-Mantra als die Wurzel des ersten Samens, der die Essenz der kompletten Lehre in sich trägt. Es beschreibt die Seele selbst, die alle göttlichen Aspekte enthält. So ist das Mantra ein Puzzle, bei dem alle Teile perfekt zusammenpassen.

Das Mul-Mantra geht auf Guru Nanak zurück (14691539), den ersten Guru der Sikhs. Als Gegner des Kastensystems hatte er sich stets für die verbindenden Aspekte der verschiedenen Religionen eingesetzt und die Einheit Gottes jenseits aller religiösen Formen gelehrt. Eines seiner bekanntesten Zitate lautet: »Es gibt keine Hindus, es gibt keine Muslime, es gibt nur Geschöpfe Gottes.«

In diesem übergeordneten, neutralen Sinn ist auch der Gebrauch des Mul-Mantras im Rahmen der Yoga-Praxis zu verstehen. Da es sich direkt auf die Essenz der menschlichen Seele bezieht, steht es jenseits jeder religiösen Deutung. Die fortwährende Rezitation des Mantras kann die Erfahrung des »Eins-Seins« beim Meditierenden auslösen. Es kann wie ein Werkzeug genutzt werden, um alle Hindernisse aufzudecken, die den Menschen im Zustand des Getrennt-Seins halten.

So wie das Mul-Mantra auf poetische Weise die Reise der Seele durch das Leben mit dem Ziel der Einheit beschreibt, so weist jeder Teil des Mantras auf bestimmte Entwicklungsaspekte hin, denen ein Mensch auf dem spirituellen Pfad begegnen kann. Aus diesem Grund dient das Mul-Mantra in der Praxis des Kundalini-Yoga als assoziative Leitlinie, die es erlaubt, gezielte Übungen und spezielle Meditationen auszuwählen, um körperliche Blockaden oder geistige Begrenzungen zu überwinden und persönliches Wachstum zu ermöglichen.

Die bewusst zusammengestellte, tägliche Yoga-Praxis wird so zu einem heilenden Element für alle Ebenen des Seins – Körper, Geist und Seele – und führt den Menschen seinem eigentlichen Ziel zu. Das kann man aus der Bedeutung des Wortes Yoga ableiten, denn Yoga heißt »verbinden«. Das heißt, Yoga ermöglicht die Erfahrung von Gesundheit und Einheit im Sinne von ganz = heil sein und vertieft unabhängig von der individuellen religiösen oder auch nicht religiösen Ausrichtung jede spirituelle Disziplin.

Der kulturelle und weltanschauliche Kontext hat einen Einfluss darauf, wie sich der Mensch die Welt erklärt und welchen Sinn er dem allgemeinen Geschehen zuweist. Orientierung hierfür findet er in den jeweiligen philosophischen, religiösen oder auch esoterischen Denk- und Erklärungsmodellen. In der westlichen Welt sind wir dank der Reformation und der Aufklärung darin geübt, uns unser eigenes Bild zu machen – um es mit Kant zu sagen: uns unseres Verstandes zu bedienen. Intellektuell gesehen haben wir wohl mehr als genug Möglichkeiten, unserem Leben Sinn und Inhalt zu geben.

Doch der Verstand ist nur eine von mehreren Erfahrungsebenen des Menschseins. Spiritualität ist weit mehr als eine intellektuelle Leistung, und sie weist über alles erlernbare, messbare und erfassbare Wissen hinaus. Sie verbindet das Denk- und Wertesystem des Menschen mit der erlebten Realität, indem sie die individuelle Wahrnehmung berücksichtigt. Diese wird jedoch von jedem Menschen in seinem Innersten erfahren und entzieht sich äußerer Kontrolle. Aus diesem Grunde nutzen viele Religionen oder Kulturen Praktiken, die allesamt sinnliche und/oder körperliche Aspekte ansprechen und dem Menschen ein ganzheitliches Erleben ermöglichen. Beispielhaft seien genannt: Segen und Gebet in vorgegebenen Hand- oder Körperhaltungen, (ritualisierte Sprech-)Gesänge, Klänge und Rhythmen, Tänze, Atemtechniken, Feuerrituale, Wassertaufe … aber auch Übungen zur Selbstversenkung wie Kontemplation oder Meditation.

Um zu einer vollständigen Erfahrung der Realität zu gelangen, ist es unabdingbar, neben dem geistigen auch das körperliche, emotionale und seelische Erleben gleichermaßen zuzulassen, einzuordnen und zu steuern. Wie kann dies gelingen?

An diesem Punkt knüpft Yoga an. Er ist eine ganzheitliche Übungspraxis, die Körper- und Atemübungen miteinander verbindet, um in einen entspannten und balancierten Zustand zu gelangen. Ein entspannter Körper lässt das Denken automatisch ruhig werden und ermöglicht eine meditative Erfahrung, die in dem Gefühl des Eins-Werdens mit der Welt münden kann und zu tiefer innerer Ruhe und mentaler Stärke führt.

Yoga ist bekannt für seine positive Wirkung auf die Gesundheit und eine allgemein anerkannte Methode zum Stressabbau. Im Mittelpunkt der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Studien steht dabei meist die in der westlichen Welt übliche Sichtweise, die dem physischen Körper eine funktionale Struktur zuweist.

Der Yoga basiert jedoch auf anderen Erklärungsmodellen, die die Wirkungsweise von Körper- und Atemübungen bzw. Meditation veranschaulichen. Dabei dominiert stets die Vorstellung, dass alle Prozesse im Menschen von Energieströmen beeinflusst werden. Bislang sind diese energetischen Kräfte, anders als die Auswirkungen der Yoga-Praxis, mit den bekannten Methoden weder mess- noch sichtbar zu machen. Allerdings zeigt die moderne Quantenphysik mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen physisch-materiellen Zuständen und geistigen Prozessen auf. Es scheint so, dass auf diesem Sektor noch Potenzial für zahlreiche Nobelpreise schlummert.

Losgelöst von diesen wissenschaftlichen Forschungen erfährt der Yoga Praktizierende direkt und unmittelbar die Effekte der Übungspraxis, und zwar auf allen Ebenen des Seins: Körper, Geist und Seele. Geübte Yogis bzw. Yoginis beobachten im Zuge der voranschreitenden Praxis eine zunehmend verfeinerte Wahrnehmung für die subtile Wirkung der Yoga-Übungen. Auf derartigen Erfahrungen gründen alle energetischen Erklärungsmodelle des Yoga. Sie beschreiben feinstoffliche Strukturen des menschlichen Systems, die von jedem Menschen in einer meditativen Praxis erfahren werden können, wenngleich sie mit den herkömmlichen Messmethoden physisch nicht auffindbar sind.

Der Yoga kennt verschiedene Energieformen, die im System »Körper-Geist-Seele« wirksam sind. Jeder Energieform werden verschiedene Aufgaben zugeschrieben. Der Begriff Kundalini beschreibt den Ursprung allen Bewusstseins und aller Erkenntnis. Sie drückt den ursprünglichen Kraftstrom des Universums aus und ist als zielgerichtete kreative Aktivität erfahrbar. Sie kann sich in den unterschiedlichsten Formen materialisieren: Bewusstsein, Erinnerung, Klang, Licht, Energie, Stoßkraft, Substanz und vieles mehr.[2] Insofern ist die Kundalini an jedwedem Schöpfungsprozess beteiligt und treibt die evolutionäre Entwicklung voran. Im Menschen bewirkt diese Energie sowohl physische Veränderungen als auch die Ausbildung der Psyche. Wenn man von einem Kundalini-Aufstieg spricht, so handelt es sich um einen Prozess, in dem sich der Mensch seiner geistigen Form bewusst wird und das dahinterliegende schöpferische Prinzip erkennt. Dies geht einher mit der intensiven Reinigung negativer Strukturen und dem Erlangen der Erkenntnis darüber, wie diese zustande gekommen sind.[3] Oder anders ausgedrückt: Eine aktive Kundalini setzt Selbstheilungsprozesse (im Sinne der Ganzwerdung von Körper-Geist-Seele) in Gang und fördert das persönliche Wachstum.

Eine Yoga-Praxis, die auf die Kundalini-Energie fokussiert ist, führt dazu, dass der Yogi bislang unbewusst ausgeführte Denkmuster erkennen und beeinflussen kann. Damit hält er den Schlüssel dafür in der Hand, schädliche Verhaltensweisen in eine positive Richtung zu verändern und seinen Lebensweg nach eigenem Ermessen zu gestalten. Eine Methodik, die dem Menschen ermöglicht, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln und gezielt Einfluss auf das eigene Wohlbefinden zu nehmen, führt in die Unabhängigkeit von äußeren Gegebenheiten und ermächtigt ihn, zum Schöpfer des eigenen Lebens und seiner Umstände zu werden. Dies mag ein Grund dafür sein, dass in allen bekannten Yoga-Traditionen dem Weg des Kundalini-Yoga mit großem Respekt begegnet und ihm zuweilen eine gewisse Gefährlichkeit zugeschrieben wird.

 

Yogi Bhajan, der die diesem Buch zugrundeliegende Tradition des Kundalini-Yoga lehrte, sagte dazu sinngemäß: Erhabenheit und innere Haltung werden durch Kundalini-Yoga vermittelt. Wenn die Kundalini aufsteigt, um alle Energiezentren zu durchdringen, dann weiß der Mensch, dass er eins mit allem ist. Darum wird gesagt, dass Kundalini-Yoga gefährlich sei. Er ist gefährlich, weil der Mensch nicht mehr dazu geeignet ist, von einem anderen Menschen ausgebeutet zu werden.[4]

 

Yogi Bhajan hat die von ihm gelehrte Form des Kundalini-Yoga »den Yoga des Bewusstseins« genannt. Damit hat er der gängigen Fokussierung auf physische Effekte die Wirkung der Yoga-Praxis auf Geist und Seele zur Seite gestellt. So basiert der Kundalini-Yoga nach Yogi Bhajan auf denselben Übungsmethoden wie der Hatha-Yoga. Doch die spezifische Kombination von Körperhaltungen/-bewegungen und bewusster Atemführung sowie Meditation zielt stets auf die Freisetzung und Lenkung der Kundalini-Energie ab. Dies führt unmittelbar zu einer sensibleren Selbstwahrnehmung und ermöglicht dem Übenden erweiterte Erkenntnisprozesse. Die Kundalini-Yoga-Tradition gründet auf zwei energetischen Erklärungsmodellen:

  1. Das Chakra-System, dem acht energetische Hauptzentren zugrunde liegen. Dieses Modell beschreibt Wirkungszusammenhänge zwischen Körper- und Organfunktionen und emotionalen sowie mentalen Aspekten. Auf dieser Basis lassen sich energetische Zustände physisch zuordnen und bewerten. So wird es möglich, unterstützende Yoga-Übungen auszuwählen, die körperliche Selbstheilungskräfte aktivieren und in eine energetische Balance zurückführen.

  2. Das System der zehn Energiekörper, mit dessen Hilfe vor allem geistig-seelische Zustände und die dahinterliegenden Lebensthemen aufgezeigt werden. Die Auseinandersetzung mit diesem System erlaubt es, Denk- und Verhaltensmuster direkt zu beeinflussen. Zielsetzung des tendenziell psychologischen Ansatzes ist es, dem Menschen Zugang zu der ihm innewohnenden seelischen Quelle zu verschaffen und ihm zu ermöglichen, aus eigener Kraft sein Potenzial zu entfalten.

Dieses Buch widmet sich dem System der zehn Energiekörper, wobei die enge Wechselbeziehung mit den Chakras berücksichtigt wird. Ein Grund dafür ist, dass es über alle Yoga-Traditionen hinweg bereits zahlreiche Publikationen über den Aufbau und die Funktionen der Chakras gibt. Hingegen werden die Energiekörper bislang zumeist in einer eher abstrakten Weise beschrieben, der vielfach Hinweise auf energetische Zusammenhänge und eine nützliche Yoga-Praxis fehlen. Aus diesem Grund konzentriere ich mich im Besonderen auf:

Nun ist es besonders herausfordernd, etwas zu beschreiben und in Worte zu fassen, das vom Menschen mehr innerlich erfahren wird, als dass es generell messbar wäre. Ich wage mich allein deshalb an diese Aufgabe heran, weil ich über Jahre hinweg das System der zehn Energiekörper studiert und eigene Erfahrungen damit gesammelt habe. Hierzu haben mich neben den Lehren von Yogi Bhajan einige seiner direkten Schüler maßgeblich inspiriert:

Auf meinem persönlichen Yoga-Weg begleitet mich seit dem Jahr 2000 Atma Singh, bei dem ich meine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin durchlief. In seinem Unterricht habe ich erfahren, dass Yoga Kräfte freisetzen kann, die alle Begrenzungen aufheben und das persönliche Potenzial ans Licht heben. Atma Singh ist für mich vielfacher spiritueller Impulsgeber, dem ich in tiefer Dankbarkeit verbunden bin.

Im Jahr 2004 unternahm ich meine erste Reise nach Indien. Ich verzichtete damals auf meine tägliche Yoga-Praxis, machte aber ersatzweise ein Buch des Yoga-Lehrers Shiv Sharan Singh über die tantrische Numerologie[5] zu meiner täglichen Lektüre. Dieses Buch hat mich dazu angeregt, mich mit dem System der Energiekörper näher zu befassen.

Das Erlernen des Sat Nam Rasayan, einer meditativen Heiltechnik aus der Tradition des Kundalini-Yoga, hat meine Yoga-Praxis verfeinert und das Bewusstsein für energetische Prozesse geschärft. Der Meister des Sat Nam Rasayan ist Guru Dev Singh, dem ich viele tiefe und herausfordernde Meditationserfahrungen verdanke.

 

Wichtige Erkenntnisse für dieses Buch liefern neben meiner persönlichen Yoga-Praxis auch die Erfahrungen im Yoga-Unterricht in meinen Kursen und Einzelberatungen. Die Konzeption verschiedener Yoga-Fortbildungen hat mir geholfen, mein Wissen zu systematisieren, es in eigene Worte zu fassen und vermittelbar zu machen. Eine weitere wichtige Grundlage ist meine systemische Ausbildung. Der systemische Ansatz hat mir verdeutlicht, wie sehr das Verhalten des Menschen und seine Kommunikationskultur von seinen zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflusst sind und in ständiger Wechselwirkung mit seinem Umfeld stehen. Letztlich liegt dieses »Denken in Beziehungen« erstaunlich nah bei der yogischen Sichtweise, die ebenfalls unterschiedliche Aspekte miteinander in Beziehung setzt und deren systemische Abhängigkeiten beschreibt: auf der individuellen Ebene Körper-Geist-Seele und auf der universellen Ebene Individuum-Gesellschaft-Universum.

Letztlich bleibt das System der zehn Energiekörper jedoch nur ein Versuch, das für den menschlichen Geist Unfassbare zu beschreiben und erklärbar zu machen. Sowenig wie die Kundalini-Energie für das menschliche Auge sichtbar oder (bis heute) wissenschaftlich messbar ist, so wenig sollte die Beschäftigung mit diesem Energiemodell dazu führen, die beobachteten Phänomene in Schemata zu pressen. Denn das Modell ist nicht das, worum es wirklich geht. Es ist lediglich ein hilfreiches Werkzeug, das man weglegt, sobald das Ziel erreicht ist.

Zur Erinnerung: Kundalini-Yoga ist eine Erfahrungswissenschaft, die den Menschen in die innere Unabhängigkeit und äußere Freiheit führt. Das bedingt, dass jeder Mensch das Recht auf seine eigene Erfahrung hat und zu seiner individuellen Form finden kann, jenseits aller Dogmen und Bewertungen.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Inhalte des Buchs das Verständnis für energetische Prozesse auf allen Ebenen des Seins vertiefen und dazu anregen, die eigene Yoga-Praxis gezielt für persönliches Wachstum zu nutzen.

Einführung