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Bernard Moitessier
Tamata
Erinnerungen eines Seglers
Aequator

Impressum

Bibbliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Angaben sind im Internet unter https://dnb.de abrufbar.
Originalausgabe inkl. Grafiken: Tamata et l‘alliance
Arthaud, Paris, 1993
Aequator GmbH, München
© 2015 Aequator GmbH
Übersetzung aus dem Französischen: Manfred Braun
Lektorat: Chistina Weidner
Foto auf dem Titelbild: © Familie Moitessier
Grafik: Helden & Mayglöckchen GmbH & Co. KG, Karlsruhe
Printed in Germany
ISBN 978-3-95737-007-5
eISBN 978-3-95737-008-2
Mit freundlicher Unterstützung des Institut Français

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Inhalt

Lockruf des Windes

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Anhang

Indochina

Segelschule

Boote

Der verschenkte Sieg

Ahe

Schreiben

Lockruf des Windes

Ein Vorwort von Wilfried Erdmann

„Du, ich glaube die rote Ketsch hat vor, unter Segel anzulegen“, sagte ich zu meinem Bootsnachbarn Heinz. Und genau so war es. Unter vollen Segeln kurvte sie ins Hafenbecken von Alicante. Sie bot ein herrliches Bild. Besan, Großsegel, Stagfock, Klüver. Meine Augen konnten sich nicht lösen. Schaum umspülte den Bug. Der Anker war bis eine Handbreit überm Wasser abgelassen. Die Ketten, die den Klüverbaum hielten, spiegelten sich auf der stillen Wasseroberfläche. Nach und nach wurden die Segel geborgen, ein Aufschießer gefahren und der Anker fallen gelassen. Einfach fantastisch, wie die das machten. Mann und Frau. Festmacherleinen schwirrten durch die Luft. Mit ein paar Seglern zogen wir gemeinsam das motorlose Boot an den Kai. Nein, ich hatte keine Worte zu diesem Bild, so schön und stark stand es in meinem Blickfeld. Die Silhouette der Stadt im Hintergrund, ein hoher Himmel mit leichtem Gewölk darüber. Ein Bild, das ich bis heute in meinen Kopf bewahre.

Es war die Joshua mit Bernard Moitessier und seiner Frau Françoise im Innenhafen von Alicante, als sie direkt aus der Südsee kamen. Von Tahiti ums Kap Hoorn ins Mittelmeer. Sie waren 126 Tage auf See gewesen. Schiff und Crew sahen überhaupt nicht verwildert aus. Mit dieser Fahrt hatten Moitessiers eine seglerische Höchstleistung vollbracht und mit über 14.000 Seemeilen nonstop und Kap Hoorn waren sie „la sensation“ an unserem Kai, wo keiner je einen Ozean überquert hatte.

So lernte ich Bernard Moitessier kennen. 1966 in Alicante, als ich mit der Segelei anfing, absolut keine Ahnung hatte, aber gleich allein um die Welt segeln wollte, es dennoch – dies vorweg – mit seiner Hilfe schaffte.

Wie das? Zum einen: Moitessier führte mich in die Navigation ein. Das war schon total hilfreich. Ach nein, das war sensationell. Zum anderen: Seine Joshua, die in der Nähe meiner Kathena lag, diente mir als Anschauungsobjekt für spezielle Aspekte der Ausrüstung, des Lebens auf einem kleinen Schiff und des Segelns übers Meer. Ich schaute mir viele Sachen ab: Gummistropps für alles, Drahtklemmen für den Rest. Und Moitessier gab mir – von Reling zu Reling – immer wieder Anregungen. Schließlich hatte er Kap Hoorn im Kielwasser, aber auch zwei Schiffe verloren. Er sprach von Schiffen und nicht von Yachten, wie es die anderen Segler am Kai taten. Das war für mich eine erste Überraschung. Und weiter: Bernard, wie ich ihn bald nennen durfte, wies mich in die Astronavigation ein. Mit Sextanten, nautischen Tafeln und Notizblock standen wir auf seinem Vordeck: Latitude, Longitude, Azimut, Deklination, Alhidade umschwirrten mich für ein paar Stunden. Dann schwirrte ich ab. Glückselig mit meinen Unterlagen unterm Arm. Das GPS-Zeitalter war noch lange nicht angebrochen und Navigation mit dem Sextant daher eine ernsthafte Angelegenheit. Daran scheiterten mehr Weltumseglungen als durch fehlerhafte Seemannschaft. Das war mir schon in meinen Anfängen klar.

Bernard gab mir vor allem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und meinte, das sei das wichtigste beim Segeln übers Meer. Und dann: Vertrauen ins Boot. „Auch wenn dein Schiff klein ist. Wenn du unter den Fußsohlen die Bewegungen des Meeres spürst, dann bist du richtig dabei. Dann ist die See dir in Fleisch und Blut übergegangen.“ Dann mach weiter. Das sagte er nicht, aber ich dachte es mir.

Nun sind die Memoiren des international bekannten Hochseeseglers auf Deutsch erschienen. Über 500 Seiten dick. Acht Jahre Niederschrift – unterbrochen von regelmäßigen Segeltörns an Bord seines letzten Schiffes Tamata in Französisch-Polynesien. Bernard zieht die sehr persönliche Bilanz eines wirklich bewegten Lebens. Tamata ist viel mehr als Segeln. Es ist die Erzählung eines ungewöhnlichen, gelebten Traumes. Kurzum eine Erklärung, warum dieser „Vagabund der Meere“ zu einer großen Seglerlegende geworden ist. Aufgewachsen ist er in Vietnam. Die rational-nüchterne französische Denkweise und die asiatische Welt voller Drachen und Dämonen prägten ihn fortan. Nach dem Militärdienst in Vietnam folgte die Reise ums Kap der Guten Hoffnung, in die Karibik und weiter nach Frankreich. Er verlor dabei zwei Schiffe, die zum größten Teil von ihm selbst gebaut worden waren. Logisch, die waren aus Holz, es waren die 1950er Jahre. Dafür schuftete er wie ein „eingespannter Wasserbüffel“.

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Mit Nonstop-Weltumsegler Bernard Moitessier am Kai
von Papeete 1970. Unser ertes Treffen fand in Alicante statt.

Seine größte Herausforderung startete er dann mit Joshua 1968. Die Teilnahme an der ersten Nonstopregatta um die Welt für Alleinsegler. Sechs Monate später hatte er alle großen Kaps im Kielwasser und war zurück auf dem Atlantik. Er nahm Kurs auf England, als im klar wurde, dass er jeglichen Ehrgeiz, die Regatta zu gewinnen oder überhaupt zu beenden, verloren hatte. Jetzt zurückzukehren, hätte im Endeffekt bedeutet, niemals aufgebrochen zu sein. Die Sonne, das Meer, das Kreuz des Südens, der Himmel, die Albatrosse, all diese Dinge aufgeben? Nein! In führender Position verschenkte er den Sieg. „Ich mache nonstop Richtung Pazifikinseln weiter, weil ich auf See glücklich bin und vielleicht auch, um meine Seele zu retten.“ Das ist der Geist, der mich an Bernard Moitessiers Geschichte fesselt.

Tamata ist ein Buch für Moitessier-Liebhaber und Langstreckensegler. Zum einen: Es ist absolut lesenswert. Und andererseits: Es gibt auch eine Antwort auf die Fragen aller, die vom Horizont der Südsee und dem Leben unter Palmen träumen. Moitessier kann man nicht ersetzen. Es gibt diese Schiffe nicht mehr, es gibt diese Szenerie nicht mehr und es gibt vor allem diese Art des Schreibens nicht mehr. Ende.

Wilfried Erdmann

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Die Halbinsel Indochina

Kapitel 1

Damals hieß Vietnam noch Indochina. Meine Eltern hatten Frankreich als frisch verheiratetes Paar aus lauter Fernweh verlassen. Sie hatten zunächst eine Schiffsreise nach Madagaskar gebucht, mein Vater mit einem Diplom der Pariser Wirtschaftshochschule, meine Mutter mit Palette und Pinseln. Ich unternahm die Reise als Embryo im Bauch meiner Mutter.

Madagaskar war nur eine Zwischenetappe. Die Reise sollte weiter gehen: bis zum Land der Reisfelder und mit Binsen bestandenen Ebenen, mit einem Fluss, der so breit ist, dass man ihn mit dem Meer verwechseln kann, und der einmal im Jahr in der Regenzeit mit seinem gewaltigen Hochwasser die Erde befruchtet.

Auch Hügel und Berge bietet dieses Land, riesige Wälder, die man wochenlang durchstreifen kann, und man hört dann nur die Geräusche des Dschungels, welche die Sinne ansprechen, eingehüllt in diesen Geruch nach Humus, der aus weiter Ferne kommt, um in das tiefste Innere einzudringen.

Ein Land der Feen, Drachen und Götter, mit unzähligen Pagoden und einer vom Dschungel verschlungenen Riesenstadt, die einzig aus gewaltigen Tempeln besteht. Ein Land mit einer unberührten Natur, das aber auch mit der unglaublich reichen Gegenwart und Vergangenheit des Volkes verwoben ist. Land der Träume, in dem sich in einem vielseitigeren, tieferen und reicheren Leben Ost und West begegnen können.

Meine Eltern haben sich also auf dem Weg nach Indochina gemacht, wo ich einige Wochen später auf die Welt kam. Meine Mutter und meine chinesische Amme sangen mir die Wiegenlieder ihrer Heimatländer, mit ihren Drachen, die sich im tiefsten Geheimnis der beiden so verschiedenen Kulturen verbargen. Aber es waren dieselben Drachen, die es zu bekämpfen galt.

Françou kam im darauf folgenden Jahr zu Welt, Jacky ein Jahr später. Später erblickte meine neun Jahre jüngere Schwester Babette das Licht der Welt und einige Jahre danach kam noch mein jüngster Bruder Gilbert. Und Assam, unsere chinesische Amme, für uns wie eine zweite Mutter, sollte 27 Jahre bei uns bleiben, bis zu unserem Abschied von Indochina, ebenso wie der Koch Minh, der kurz nach der Geburt von Jacky in unser Haus kam.

Jedes Jahr während der drei Monate Schulferien, die wir in unserem Dorf an der Küste des Golfs von Siam, ganz nahe an der Grenze zu Kambodscha verbringen, genießen meine Brüder und ich eine nahezu unbegrenzte Freiheit; eine innere und äußere Freiheit, die uns ebenbürtig mit den Tieren des Waldes macht.

Die restliche Zeit verbringen wir in der Großstadt; in der Schule, im Schwimmbad, in unserem Haus, auf Ausflügen und auf der Straße. Denn kurz nach der Ankunft in Indochina hatte mein Vater einen kleinen Importbetrieb in Saigon übernommen.

Saigon... Klänge, Gerüche, Menschengewimmel. Tausende von Menschen, die mit den Holzsohlen ihrer Sandalen auf den Bürgersteigen klappern. Menschen, die Lasten auf den Schultern tragen, Karren und Rikschas ziehen oder wild klingelnd radfahren.

Auf den Straßen wimmelt es von „Tacatacs“, Karren wie Streichholzschachteln auf zwei großen eisenbeschlagenen Holzrädern, die von einem mit Schellenband geschmückten Pferdchen gezogen werden. Und der Kutscher schlägt mit der flachen Hand auf den Kasten, um sich einen Weg zu bahnen.

Hier wird alles mit Muskelkraft bewegt. Autos sind eine Rarität und Motorgeräusche sind auf der Straße oder in den Werkstätten der Handwerker nur selten zu hören. Dennoch hört man überall in der Stadt ein Rauschen, das von den Unmengen an fliegenden Händlern ausgeht. Sie verströmen den Duft von Trockenfisch aus dem Großen See in Kambodscha1, von der Garnelenpaste aus der Region Camau, von Nuoc-mam2 aus Phu Quoc3 und Phan Thiêt4; Düfte von chinesischer Suppe, Gewürzen, Ingwer, Minze, Kampfer, Durians, in Kokosöl gebackenen oder Chili gewälzten Küchlein und einen etwas schalen Geruch von lebenden Fischen, die in großen geflochtenen Bambuskörben, die mit einer Mischung aus Kuhdung und Harz abgedichtet sind, begutachtet werden.

Auf dem Rückweg von der Schule mache ich mit meinen Brüdern oft einen Abstecher auf den Markt. Vor einer Auslage drückt eine alte Frau mit dem Daumennagel in eine Guave, um zu prüfen, ob sie ihrem Geschmack entspricht. Sie legt die Frucht zurück auf den Haufen, nimmt eine andere, drückt mit dem Nagel in das Fruchtfleisch, einmal, zweimal, dreimal, schnüffelt, spuckt Betelsaft aus, feilscht endlos, riecht an einer vierten Guave, bevor sie mit dem Nagel hineindrückt, entscheidet sich für diese... Nein, sie nimmt eine andere, drückt erneut mit dem Nagel in das weiche Fruchtfleisch, diskutiert lauthals über den Preis. Dies wiederholt sich hundertfach entlang der Obstberge, in einem Gegacker, das alles übertönt. Am Boden sieht der Betelsaft wie Sterne aus Blut aus.

Ein Zahnzieher kauert vor seinem Patienten und massiert eine schwarze Paste in sein Zahnfleisch. Dann packt er den Backenzahn hinten im Rachen zwischen Daumen und Zeigefinger, hält den Kopf mit der anderen Hand fest, drückt mit voller Körperkraft und reißt den Zahn heraus. Anschließend legt er ihn in einen kleinen Korb voller Zahnstümpfe, die auf die gleiche Weise nur mit Hilfe der Zauberpaste und seinen Fingern aus Stahl entfernt wurden. Dann tupft er das Zahnfleisch mit dem Ende des Tuches ab, das an seinem Gürtel hängt, hackt eine Messerspitze von Blättern, die er aus einem Kästchen nimmt, fein, formt daraus eine Zauberkugel und drückt diese in die Zahnlücke. Der Patient erhebt sich und hält sich dabei die Backe, zahlt einen Piaster und geht, nachdem er versichert hat, dass er keine Schmerzen mehr habe, von dannen.

Françou und Jacky rufen mich lauthals. Ich durchquere die Reihen mit Hühnern, deren Flügel einer hinter dem anderen festgebunden sind, wie die verdrehten Arme nach einem Judokampf. Die Franzosen halten diese Art des Umgangs mit Hühnern für brutal. Ich weiß nicht, ob sie Recht haben, denn die Hühner machen nicht den Eindruck, als ob sie leiden würden, und bleiben ganz ruhig, obwohl sie sich nicht bewegen können. Wenn ihre Flügel auf diese Weise gefesselt sind, können sie sich nicht aufrichten und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dies einer zu stramm angezogenen Schnur um die Füße vorziehen. Es ist allemal besser als das Schicksal der Hühner in Afrika. Dort werden sie anscheinend bei lebendigem Leib gerupft und so auf den Märkten verkauft.

Ich komme an den Ort, zu dem mich meine Brüder gerufen haben. Eine laut lärmende Gruppe kommentiert einen Fischkampf. Zwei Fische, so groß wie der kleine Finger, liefern sich in einer Flasche mit breitem Hals einen erbitterten Kampf. Man könnte sie mit Puppenfächern verwechseln, mit ihren riesigen Flossen in den prächtigsten Farben von Rot bis Violettblau, in allen Farben des Feuerregenbogens5. Um die Flasche herum liegen die Piaster der Wetteinsätze am Boden. Nach einigen Minuten heftigen Kampfes wird ein Fisch ganz grau und sinkt leblos zu Boden. Der Besitzer des Unterlegenen nimmt seinen Fisch aus dem Glas und verteilt Piaster an die Gewinner der Wette.

Am Ausgang des Marktes bleiben wir noch eine Zeitlang stehen, um eine Szene zu beobachten, die uns immer wieder von Neuem fasziniert. Ein Greis kauert vor einem Käfig, in dem ein kleiner Vogel, mit roten Punkten und einem Schopf auf dem Köpfchen, zwitschert. Neben dem Käfig befindet sich eine Tafel mit chinesischen Schriftzeichen. Wenn er genügend Spieleinsätze auf den Feldern der Tafel sieht, erzeugt der Alte mit seiner Zunge einen Pfiff. Der Vogel schlüpft dann am Ende des Käfigs durch ein rundes Loch in einen Kasten. Nach einigen Sekunden kommt er wieder heraus und hat in seinem Schnabel ein winziges Plättchen aus poliertem Bambus mit einem chinesischen Schriftzeichen. Anschließend hüpft er quer durch den Käfig und legt das Plättchen auf den Zeigefinger seines Meisters und bekommt dafür ein Reiskorn. Dreimal hintereinander holt der Vogel ein Plättchen aus dem geheimnisvollen Kasten und erhält zur Belohnung sein Reiskorn. Dem Gewinner winkt zusätzlich zum vier- oder fünffachen Einsatz ein Horoskop. Der Alte versenkt den Rest des Geldes in der Innenseite seines dort mit Knöpfen versehenen Gürtels.

Etwas weiter fächelt eine dicke Händlerin den Brennraum ihres Ofens aus gebranntem Ton an. Im darauf stehenden Kochtopf kocht sie Eier. Drei Kulis kauern um den Kochtopf und verkosten eines der beliebtesten Gerichte. Es handelt sich um Eier, die unterschiedlich weit entwickelte Küken enthalten, je nach dem gewünschten Geschmack, anscheinend besonders delikat mit etwas Salz und Chili. Hühnereier sind doppelt so teuer wie Enteneier.

Tag und Nacht hat jeder fliegende Händler, jede Zunft einen eigenen unverkennbaren Ruf. Am Klappern der Bambussandalen eines chinesischen Suppenverkäufers, durchdringend wie ein Zikadenzirpen, erkennt man genau, in welcher Ecke einer Straße er sich gerade befindet. Die Zunft der blinden Masseure hat wiederum einen ganz anderen Ruf, wie auch die Fischverkäufer, die Zahnzieher, die Wahrsager, die öffentlichen Schreiber und selbst die Kinder, die ihre Schildkröten aus Lehm verkaufen. Die Schildkröten bringen Glück, sind so groß wie ein Fingernagel und im Inneren befindet sich eine lebendige Fliege zum Bewegen der Beine, die aus Bambussplittern nachgebildet sind.

So hört man bereits von weitem aus diesem Konzert von sonoren Schwingungen heraus, wer in diesem erstaunlichen Gefüge des Gewimmels von Saigon was macht.

Trotz der Gefahr einer ordentlichen Tracht Prügel, treibe ich mich während der Unterrichtszeit am Arroyo6 herum, um die Dschunken zu betrachten.

Am erstaunlichsten sind diejenigen, die von der Küste von Annam kommen. Nur das Äußere des Aufbaus ist aus Holz, ebenso wie Vor- und Achtersteven. Der Rest des Rumpfes besteht aus geflochtenem Bambus, der mit einer Mischung aus Kuhdung, Harz und Holzöl abgedichtet ist, wie die Fischkörbe auf dem Markt. Sie kommen während des Nordostmonsuns mit einer Ladung Nuoc mam aus Phan Thiêt hierher und kehren beladen mit Reis für die Tonkin-Region7 in den Norden zurück, sobald der Südostmonsun einsetzt.

Eines Tages unterhalte ich mich mit dem Taï cong8 einer der Dschunken. Er ist sehr erstaunt, dass ein kleiner Franzose die Landessprache spricht. Da er sieht, wie sehr ich mich danach sehne, an Bord zu kommen, nimmt er mich in einer Art riesigem schwimmenden Korb mit. Ich erfahre, dass auf diesem Boot bis zu zehn Säcke mit jeweils 100 Kilo Reis transportiert werden. Er wrickt es mit einem kurzen und sehr breiten Paddel vorwärts, aber in umgekehrter Richtung, indem er das Paddel zu sich zieht. Ich bewundere seine Geschicklichkeit. Der Korb ist vollkommen rund und er bewegt ihn schnurgeradeaus. Als er das Ufer erreicht hat, lädt mich mein neuer Freund zu einem Besuch auf seiner Dschunke ein. Er ist ganz erstaunt, dass ein Kind so etwas interessiert und beantwortet freundlich alle meine Fragen. Seine Dschunke kann 50 Tonnen Reis laden und kreuzt deutlich besser als alle anderen Arten von Dschunken. Er zeigt mir, wie sich das gewaltige Ruder im Achtersteven bewegt und damit ermöglicht, dass das Ruderblatt wesentlich tiefer liegt als der Boden des Bootes. Es dient somit als Kielschwert am Heck. Eine Art Säbel aus Holz bewegt sich in einer Nut im Vorsteven und taucht ebenfalls tief ins Wasser ein, um den geringen Tiefgang vorne auszugleichen. Mit diesen beiden Säbeln, deren Eintauchtiefe beliebig geregelt werden kann, kann ein perfektes Gleichgewicht unter Segeln erreicht werden. Wenn ein Ufer oder ein Arroyo angesteuert wird, werden Säbel und Ruder in der Nut nach oben gezogen und das Boot hat einen minimalen Tiefgang. Ich würde alles dafür geben, um auf seiner Dschunke zu bleiben, ganz weit weg von der Schule... Als ich ihm dieses Geständnis mache, streichelt er meine Wange und sagt, dass er sich keinen Ärger mit der Polizei erlauben kann, bringt mich ans Ufer zurück und schenkt mir eine kleine Dschunke von der Küste Annams, geschnitzt aus einer Kokosnuss.

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Straßenszene: Suppenverkauf und Babykorb
(Zeichnung von Marthe Moitessier)

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Da läuft er trippelnd dahin und kündigt sich durch das Klappern
des Bambus an. „Wer will eine Schale dampfendes Kioutiou?“
(Zeichnung von Marthe Moitessier)

Unter den großen kegelförmigen Hüten aus den Blättern der Wasserpalme mit einer sehr breiten Krempe, die gut vor der Sonne und sogar ein bisschen vor dem Regen schützt, be- und entladen lange Reihen von Kulis mit glänzendem Körper die Dschunken. Es herrscht ein unentwegtes Kommen und Gehen. Enorme Lasten werden an den Enden des flexiblen Bambusjochs auf den Schultern balanciert. Nahezu im Laufschritt bewegen sie sich die schmale Planke ohne Geländer hinauf und hinunter, in einem harmonischen Tanz, begleitet von Flüchen, wenn der Vordermann trödelt.

An Deck stapeln die Frauen mit einem schwarzen Turban und einem von Betel geröteten Mund die Lasten, die der Kuli von seinem Joch unter zweifachem Schwung der Schulter abwirft. Er geht über die andere Planke wieder von Bord, nimmt im Vorübergehen den Bambusstab entgegen, den ihm sein Arbeitgeber reicht, und steckt diesen in seinen Gürtel. Er hat die Geschwindigkeit seiner Schritte dabei nicht verlangsamt und die Zehen seiner nackten Füße saugen sich auf der schweißglänzenden Planke förmlich fest.

Wie die kleinen hellbraunen Sperber, die am Himmel auf der Lauer nach Fisch im braunen Wasser des Arroyo ihre Bahnen ziehen, gleiten die Sampans9 von einer Dschunke zur nächsten. Sie werden ausschließlich von den Kulis zum Arbeiten verwendet. Sie hoffen auf einen Ruf zum Entladen der Dschunken, denn die Sampans haben einen geringen Tiefgang und allmählich setzt die Ebbe ein. Das bedeutet noch mehr Stäbe in den Gürteln. Je mehr man davon hat, desto höher ist der Lohn, den man nachts auf der Straßen ausgeben kann.

Wenn das Haus schläft, gehe ich ab und zu mit meinen Brüdern auf Zehenspitzen die Holztreppe nach unten, um im Freien umherzustreifen. Im turbulenten Nachtleben von Saigon finden wir die große Freiheit.

Um den Markt herum kauern Männer und Frauen in kleinen Gruppen im Kreis und spielen Karten um Geld. Oder andere Glücksspiele, die mithilfe von auf dem Pflaster aufgemalten Kästchen mit Geistern, merkwürdigen Tieren, chinesischen Schriftzeichen, Kreuzen und Rauten gespielt werden.

Überall wird gewürfelt, werden Karten gespielt oder es werden Bambusstäbchen versetzt, die mit schwarzen, roten, blauen und gelben Zeichen versehen sind. Die kleinen Haufen mit Piastern am Boden wechseln die Besitzer, Streitgespräche flammen auf, nicht selten durchsetzt mit Flüchen. Und schon als Kind wittere ich im nächtlichen Atem von Saigon eine gewisse Gewalt.

Und dann kommt Têt, im Mondkalender das Neujahrsfest. Eine Woche lang befindet sich ganz Saigon im Delirium. Die riesigen Feuerwerke dauern ganze Nächte und eine gewaltige Menge säumt die Straßen der jubelnden Stadt. Es ist die Woche des Drachens des Neumondes, in der ein leuchtender Drachen, der zum Klang der Trommeln und Bronzezimbeln tanzt und tanzt, während überall Tausende von Krachern in der Luft explodieren. Drachen für die Armen und Drachen für die Reichen. Sie können bis zu 30 bis oder 40 Meter lang sein und haben Schellen am ganzen Körper. Und wenn sie ihr gewaltiges Maul vor dem Balkon eines reichen Händlers öffnen, verschlingen sie Ketten mit Krachern und ein Päckchen mit Piastern, was Glück bringen soll, wie uns Assam erzählt.

Wir befinden uns in der Kolonialzeit. Unser Haus ist groß, die Dienerschaft umfangreich. Neben Assam und Minh (dem Koch), die zur Familie gehören, gibt es noch den Boy, der das Essen serviert und saubermacht, Tchu, den Fahrer und Mechaniker, der sich um das Auto und die Lieferkarren kümmert, ein häufig wechselndes Hausmädchen und schließlich den Rikschakuli.

Dennoch genießen wir eine reichlich spartanische Erziehung, da meine Eltern in diesem Klima scheinbarer Mühelosigkeit eine Verweichlichung ihrer Kinder befürchten. Papa hasst runde Rücken und hängende Schultern. „Haltet euch gerade!“ Diesen kurzen Satz habe ich oft gehört, begleitet von einem dumpfen Schlag auf die Schulterblätter.

Matratzen gibt es für uns Kinder nicht. Wir schlafen auf indochinesische Art, eingewickelt in einen Sarong. Zwischen dem Körper und der Holzpritsche ist nur eine einfache Matte. Auch die Peitsche ist uns vertraut. Besonders am Samstag, bei einem Sechser in der Schule, setzt es Hiebe. Mein Vater kann einfach nicht verstehen, warum seine Kinder solche Faulpelze sind. „Drei Generationen Intellektuelle... und das bleibt davon übrig!“

Er verabscheut die Lüge, insbesondere das Bluffen und Betrügen, die er als die erbärmlichsten Formen der Lüge betrachtet. Aber man muss ab und zu ein wenig flunkern, um nicht dauernd verdroschen zu werden.

Sehr früh lehrt uns mein Vater, uns zu verteidigen. Schneller! Schneller! Stärker! Stärker! Und unsere kleinen Fäuste schlagen auf seine Handfläche ein. Papa korrigiert den Stil, er lacht und wir lachen mit ihm, glücklich und stolz auf unsere Fortschritte. Er bläut uns ein eisernes Gesetz ein: Niemals den Streit suchen, immer versuchen, die Sache irgendwie zu lösen, aber als erster losschlagen, wenn eine Regelung im Guten gescheitert ist. Und wenn einer von uns wieder mal mit blauen Flecken übersät aus der Schule kommt, stellt Mama unweigerlich die simple Frage, halb im Scherz, halb im Ernst: „Hast du die Zähne mitgebracht?“ Sie meint die Zähne des anderen.

Die Wutausbrüche von Papa machen uns Angst, aber wir bewundern seine Kraft. Keiner in Saigon hat ihn jemals beim Tauchen geschlagen, mehr als zweieinhalb Mal legt er die 33 Meter des Schwimmbeckens ohne Luftholen zurück. Mühelos macht er einen Handstand, allein mit der Kraft seiner Arme und macht ein paar Schritte auf seinen Händen. Françou wird später darin brillieren und es gelingt ihm, die gesamte Länge des Schwimmbeckens im Handstand zurückzulegen. Ich schaffe es keine 20 Meter und Jacky ist am schlechtesten. Dafür ist er der beste Gewehrschütze, während ich bei meiner Steinschleuder bleibe und Françou sich aufs Schwimmen konzentriert. Meine Mutter will, dass wir im Laufe der Zeit zu schönen kleinen Wesen voller Leben und Gesundheit werden, mit wachen Augen und flinken Füßen, ganz im Geiste der wunderbaren Geschichten des Dschungelbuches, aus dem sie uns am Abend vor dem Einschlafen vorliest.

Während der unteren Jahrgangsstufen fahren wir brav in der Rikscha des Hauses zur Schule. Zumindest glauben das die Eltern. Aber nach der ersten Kurve lassen wir die drei Ranzen in der Rikscha und laufen die restlichen zwei Kilometer im fröhlichen Trab nebenher. Denn wir wollen so stark werden wie Papa, seinen Atem und sein Durchhaltevermögen haben, um, wenn wir größer sind, Rugby und Wasserpolo wie er spielen zu können.

Es tut gut zu laufen und dabei seinem glücklichen Körper leben zu hören, immer vertrauter mit ihm zu werden und schweißüberströmt in der Schule einzutreffen. Das Laufen in Saigon entlang der Häuser gleicht dem Durchqueren eines riesigen Obstgartens.

Nahezu alle Straßen sind mit Obstbäumen gesäumt, Mango- und vor allem Tamarindenbäume. Es gibt sie überall, die ganze Stadt ist voll davon, man könnte stundenlang spazieren gehen, ohne je den Schatten der Tamarindenbäume verlassen zu müssen. Diese großen Bäume haben winzige Blätter, vergleichbar mit denen der Akazien und Mimosen, die einen sanften Schatten spenden und sich am Abend schließen, als ob sie schlafengehen würden. Ihre Schoten werden zu Mus und anderen Zutaten der asiatischen Küche verarbeitet. Also kommen die Leute mit ihren Karren und Säcken, stellen die Bambusleitern bis zur ersten Astgabel auf, die Kulis steigen in die Bäume und schütteln die Zweige. Die trockenen Schoten fallen raschelnd auf den Bürgersteig und die Straße, wo die Pflücker sie zusammenkehren und in Säcke packen, die auf den von Hand gezogenen Karren gestapelt werden.

Gleichzeitig feiern die Vögel ein Festmahl. Sie wirbeln und zwitschern um die Pflücker herum, auf der Jagd nach Insekten, die aus ihren Verstecken vertrieben wurden. Auch die Kinder auf der Straße haben ihren Spaß und zielen mit der Steinschleuder auf die Vögel, die durch ihre Jagd nach Nahrung abgelenkt sind und dadurch unvorsichtig werden.

Es gibt auch große Parks, in denen wir uns mit der Steinschleuder herumtreiben und auf die Stiele der reifen Mangofrüchte zielen, damit diese zu Boden fallen, ohne Schaden zu nehmen. Und es gibt einen Zoo mit Reihern und Krickenten in Teichen, die mit Seerosen bewachsen sind, deren Samen zu duftenden Kuchen verarbeitet wird. Wir statten manchmal am Spätnachmittag nach der Schule dem Zoo einen Besuch ab und laufen neben der Rikscha her, die unsere Ranzen befördert.

Normalerweise laufen wir aber lieber zum Schwimmbad, wo uns Papa bereits zur Schwimmstunde erwartet. Ich muss sieben oder acht Jahre alt gewesen sein, als er mich eines Abends aus dem Becken holte. Ich war bereits 3.000 Meter ohne Pause gekrault. Und ich kraulte weiter. Er fürchtete, dass mein Herz stehen bleibt. Ich protestierte, ich wollte weiter schwimmen. Also holt er mich mit Gewalt aus dem Wasser und umarmt mich voller Liebe in seinen Augen.

Unser Haus ist groß. Es handelt sich um ein Doppelhaus, das mit zwei Dächern gedeckt ist, die durch eine kleine Terrasse getrennt sind. Dort machen wir mit unserem Vater vor dem Mittagessen Gymnastik.

Im Erdgeschoss sind die Büros und die Lagerräume des väterlichen Betriebs. In den Höfen stehen Fässer und Konservenkisten herum. In Becken reinigen Arbeiter die Flaschen. Sie werden anschließend mit Wein gefüllt und in den Handkarren des Hauses an die chinesischen Händler ausgeliefert. Man hört Hammerschläge auf Kisten, die man zunagelt, dumpfes Aufschlagen der Waren, die von den Kulis bis an die Decken gestapelt werden, Rascheln des Strohs zum Verpacken, klirrende Flaschen, Fässer, die man rollt und aus denen man mit Hammerschlägen den Spund herauszieht, Befehle und Rügen des Vorarbeiters. Es nimmt kein Ende, so läuft das Leben im Haus ab.

Eine Wendeltreppe im Inneren führt zum Obergeschoss. Die Räume sind riesig und die Decken so hoch, dass unsere kleinen Papierflieger Loopings machen und im Gleitflug landen, ohne je an die Wände zu stoßen. Hier wohnen wir mit einem Teil des Personals. Das Gebäude ist so riesig, dass mehrere Räume des Obergeschosses als Magazin für die Waren dienen, die in den Lagern im Erdgeschoss keinen Platz mehr haben. Dort spielen wir während der Mittagsruhe Indianer.

Von unserem Obergeschoss führt eine weitere Treppe zur Terrasse, wo sich eine Zisterne befindet. Papa achtet darauf, dass immer eine dünne Schicht Petroleum auf der Oberfläche dieser Wasserreserve ist. So können die malariaverbreitenden Mückenlarven dort nicht überleben.

Unter den Dächern, an beiden Seiten der Terrasse, befinden sich die Dachgeschosse. Sie sind nur durch zwei kleine Öffnungen zugänglich, die durch Spinnennetze, am Rand der Dachrinne, geschützt sind. Dort quetschen wir uns durch, um eine geheimnisvolle Welt zu entdecken. An den Dachsparren hängen, ähnlich den Schoten der Kapokbäumen10 unserer magischen Stadt, Fledermäuse mit ihren großen, am Körper anliegenden Flügeln und ihren Augen, die auf die Dämmerung warten, um sehen zu können.

Und ganz oben sind die Dächer. Dort sind wir Kinder völlig ungestört. Die Dächer gehören uns ganz allein: über uns der Himmel, die Wipfel der großen Tamarindenbäume, welche die Geräusche der Stadt wie ein großer Mantel aus Wald dämpfen; meine Mundharmonika, Jackys Flöte, auf der er den ganzen Boléro von Ravel spielen kann, ohne sich einmal in der Note zu irren und Françous Zeichenheft, das er immer dabei hat.

Dort oben auf den Dächern entfliehen wir im Geiste in unser Dorf am Golf von Siam.

Jacky fertigt das Segel seiner Piroge11, die im Dorf auf ihn wartet, aus einem alten Mehlsack an, den er mit Bitten und Drohungen Assam entlockt hat. Für das Ruder kann ich im Haufen der alten Kisten ein ausreichend breites Brett finden. Tagelang schnitzen wir es mit unseren Taschenmessern zurecht. Die Takelage meiner Piroge ist bereits fertig, auch Françous Piroge ist gerüstet.

Seit der Rückkehr aus den letzten Ferien zeichnet Françou eine Karte des Dorfes. Jede Strohhütte befindet sich am exakten Platz entlang des Weges und ist mit den Namen des Freundes versehen, der darin wohnt. Weiter weg der Strand, das Meer, die Inseln, der Wald.

Vor diesem Bild, das so realistisch ist, dass wir uns bereits auf der Rückfahrt zu unserem wahren Zuhause wähnen, diskutieren Jacky und ich über ein Detail:

„Das alte Wespennest war näher bei den Gräbern hinter der Strohhütte von Derk.“

Françou zögert, versetzt aber dennoch das Nest ein wenig. Es war uns gelungen, es mit Fackeln aus geflochtenen Kokospalmblättern zu verbrennen, nahezu ohne von den gelb und schwarz behaarten Wespen mit einem roten Fleck am Rücken, der einem zornigen Auge ähnelt, gestochen zu werden.

„Da ist dein Grün etwas zu dunkel. Es müsste neben dem großen wilden Jackfruchtbaum am Fuße des Hügels etwas heller sein. Und da, entlang des Baches, an dem die Eichhörnchen an der Liane des Pistazienbaums ihren Durst stillen, müsste dein Grün dunkler sein. Erinnerst du dich nicht?“

Françou ist ein wenig verunsichert, aber nicht ganz einverstanden. Er wird das Grün später korrigieren, sobald wir es an Ort und Stelle noch einmal überprüft haben.

Brav über sein mit Booten vollgekritzeltes Heft gebeugt, blickt ein Kind in der letzten Reihe des Klassenzimmers aus dem Fenster. Es hört kein Wort von dem, was der Lehrer erzählt, erkennt aber sofort den Gesang der Elster mit ihrem feuerroten Hals, die so scheu und stets misstrauisch ist. Und den der Schildwida mit gegabeltem Schwanz, die mitunter etwas abgelenkt ist, wenn sie sich zu lange die Federn putzt.

Eine winzige Änderung im Triller sagt ihm, dass der Vogel den Ast wechseln wird und die Hand des Kindes streicht über die Steinschleuder, die in seiner Tasche verborgen ist. Denn es gibt einen Triller, der besagt „Ich wechsle nur den Ast“, und einen anderen, kurzen, der besagt „Jetzt fliege ich weg“.

Und das Kind fliegt mit dem Vogel davon. Es fliegt ganz hoch, ganz weit, über die gewaltige Ebene der von Seidenreihern übersäten Reisfelder, danach über die Brücken, Arroyos, die Arme des Mekongs, weit jenseits des Horizonts, bis zu den Hügeln, von denen aus es sein Dorf betrachten kann. Vor ihm breitet sich dann der große schwarze halbmondförmige Strand aus, der bei Ebbe voller Venusmuscheln ist, und seine Felsen an den beiden Enden. Dort, wo der Pfad zur Pagode12 abbiegt, nahe der linken Spitze, liegt unsere kleine verzauberte Insel, die man schwimmend erreichen kann; erfüllt vom lauten Gesang des Eisvogels, mit einem Miniaturstrand, der mit idealen Kieseln für die Steinschleuder übersät ist. Dort drüben noch weiter auf dem Meer, aber noch in Pirogenentfernung, liegt die zweite, ein wenig geheimnisvolle Insel, der Françou den Namen „Insel der Todsünde“ gegeben hat. Und fern am Horizont sind all die anderen Inseln; und hinter dem Dorf der Wald, in dem die Vögel singen, die winzigen Pfefferplantagen eingebettet in den kleinen Dschungel der Hügel, die Nester der dicken behaarten Wespen, die wir aus tiefstem Herzen hassen; die Stöcke der wilden Bienen, die man langsam ausräuchern muss und die grünen Schlangen, auf die man entlang der kaum sichtbaren Pfade, die von den freilebenden Tieren auf den Hügeln gebahnt wurden, aufpassen muss. Dann kehrt das Kind zum Strand seines Dorfes zurück; ein mit Kokospalmen gesäumter Strand, an dem ihn seine geliebte Kambodschanische Piroge und die seiner Brüder erwarten. Es ist ein weiß eingefasster Strand, an dem er mit den Augen die kleinen Strandläufer verfolgt, die wie Schaumkugeln vor den Wellen im Zickzack laufen, damit ihre Füße nicht nass werden. Die erwischt man mit der Steinschleuder kaum, da sie nie stillhalten. Es ist vollkommen unvorhersehbar, wohin sie sich im nächsten Augenblick bewegen werden.

Es gibt weder Wald noch Meer in Saigon, aber wir tragen den Wald unserer Ferien in uns, streicheln unsere Zwergeichhörnchen, die kaum länger als die Hand sind und mit Steinschleudern erbeutet wurden. Sie haben uns zwischen der Haut und dem Hemd begleitet und erkennen uns am Geruch. Sie sind mit uns aus dem Wald, in dem sie geboren wurden, gekommen; dem Wald hinter dem Dorf.

Statt am Abend die Hausaufgaben zu machen, beobachten drei kleine Jungen in aller Stille, wie die Eichhörnchen an den verputzten Wänden ihres Kinderzimmers spielen. Es sind Schätze des Lebens und der Schönheit, mit ihrem gelben Bauch und den drei schwarzen Streifen, die am hellgrauen Rücken entlang laufen und sich so deutlich abzeichnen wie der Wald in der Dämmerung. Bevor wir zu Bett gehen, hält jeder das seine in den zu einem Liebesnest verschränkten Händen und streift es mit den Lippen, damit es das Eichhörnchen warm hat und stets seinen Freund erkennt.

Dann eines Morgens finde ich das meinige steif und kalt auf meiner Holzpritsche, erstickt zwischen der Matte und meinem warmen schlafenden Körper, an den es sich, ganz nah an seinen Freund, angeschmiegt hat. Die Tränen fließen und die Mutter versucht das Kind zu trösten, das an diesem Tag dennoch nicht in die Schule gehen will. Und unsere drei Eichhörnchen, kleine Kugeln aus Fell, die am Abend so weich und warm sind, erfahren unter vielen Tränen alle das gleiche Schicksal.

Die Schule ist für mich wie nahezu kompletter Nebel. Lediglich die Chemie vermag mich ein bisschen aus dem Stumpfsinn zu holen: Man mischt Kohlenstoffstaub mit Schwefel und Salpeter im richtigen Verhältnis. Und schon gehen die Kracher los! Und die Raketenwettbewerbe! Und das Kaliumchlorat, bumm-bumm-bumm, wenn man richtig draufhaut! Die Chemie ist wenigstens zu etwas gut und kann eines Tages vielleicht nützlich sein!

Der Geschichtsaufsatz fällt mir nicht so leicht. Zum Thema „Der ägyptische Feldzug“ liefere ich knapp zehn Zeilen ab und erzähle von einem Land irgendwo in Asien, durch das der Nil fließt und in dem viele Pyramiden stehen. Keine Spur von Napoleon. Meinem Vater verschlägt es die Sprache. Befragt zum Russlandfeldzug hätte ich ohne Zweifel erzählt, dass es dort im Winter sehr kalt und im Sommer sehr warm sei, dass es Steppen und Schlitten gäbe und eine Brücke mit dem Namen Beresina.

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An seinem Kinnbart ist die Weisheit des Alters, an seiner Brille das Wissen
des Gelehrten und an seinem Schirm die Würde und der Respekt, den man
Personen aus gutem Haus schuldig ist, zu sehen.
(Zeichnung von Marthe Moitessier)

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Straßenszene: Kraftprotz, Rikscha, Gelehrter
(Zeichnung von Marthe Moitessier)

Eines Tages wird folgendes Thema für einen französischen Aufsatz gestellt: „Ein rollender Stein setzt kein Moos an.“ Da küssen mich ausnahmsweise einmal die Musen. Ich zimmere einen formidablen Aufsatz zusammen und vertrete eine klare Meinung: Je mehr man sich bewegt, je mehr man reist, je mehr unterschiedliche Dinge man im Leben macht, desto weniger riskiert man, dass die schlechten Angewohnheiten sich niederschlagen und anderer Unrat an einem kleben bleibt. Und erneut gesellt sich ein weiterer Sechser zu einer bereits ansehnlichen Schar. Kommentar des Lehrers: „Du bist nicht nur ein nichtsnutziger Faulpelz, sondern auch noch ein Kretin und ein verderbtes Subjekt. Aus solchen Jungen wie dir wird niemals etwas Ordentliches. Der Anarchist liegt dir im Blute.“

Bei Françou und Jacky ist es das Gleiche. Wir träumen an unseren leblosen Pulten vom Dorf. Wir veranstalten Wettbewerbe, wer in einer Woche die meisten Glühbirnen von den Straßenlaternen schießt. Eine Zeitlang verlegen wir uns darauf, Stinkbomben anzufertigen, die wir von unseren Dächern in den Hof der Nachbarn werfen. Die Nachbarn werden es dem lieben Gott gedankt haben, dass uns diese neueste Marotte schnell mit Peitschenhieben ausgetrieben wurde, wobei es für mich, den Ältesten, die doppelte Ration gab.

Zugleich Faulpelze und Gauner träumen meine Brüder und ich von Meer und Wald; träumen, in einer Art von Lethargie gefangen, unterbrochen von Krisen, in denen Verzweiflung und Aufbegehren Hand in Hand geben. Also ziehen wir die Steinschleuder aus der Tasche und zielen auf irgendetwas, um diese Stadt auszulöschen, die wir nicht in unsere Herzen lassen wollen.

Saigon ist somit der Inbegriff meiner endlosen Monate voller Langeweile, die uns von unserem Dorf trennen. Saigon, das ist wie das Marschieren unter einer bleiernen Sonne auf einem endlosen Kiesweg. Und auf diesem Weg gibt es keine Wasserstelle, soweit das Auge reicht, Hunderte von Kilometern in alle Richtungen.

Recht bald bricht die wildeste Zeit meiner Jugend an und ich beginne in Läden zu stehlen. Wohl eher um mich zu beweisen und zu bestätigen als aus wahrer Lust. Denn es würde mir nicht im Traum einfallen, einen Sou aus der Tasche meiner Mutter zu stehlen. Eines Tages aber stehle ich eine Mundharmonika, die es mir wirklich angetan hat.

„Ich hatte dich schon längere Zeit im Auge. Leg das dorthin zurück, wo du es her genommen hast, und komm mit mir.“

Es handelt sich um einen Polizisten in Zivil. Ich werde leichenblass, ganz starr vor Scham und Angst. Weder mein Vater noch meine Mutter würden etwas so Unglaubliches verstehen können.

Er führt mich zu einem der kleinen chinesischen Bistrots am Rande des Marktes, weist auf einen Hocker, setzt sich mir gegenüber und bestellt zwei Milchkaffee.

„Ich stand an der Ecke, als du dich letzte Woche nach Schulschluss geprügelt hast. Du hast dich wacker geschlagen, er war größer und stärker als du.“

Ich werde auf meinem Hocker ganz klein. Ich habe Angst. Mir ist nicht ganz klar, was er mir mit dieser Geschichte der Prügelei, die ich nicht angefangen hatte, sagen will. In mir löst sich alles in vollkommener Verzweiflung auf.

„Ich habe dich ein paarmal Wasserpolo spielen sehen. Du hältst dich immer an die Spielregeln, selbst wenn der andere unter Wasser schummelt und der Schiedsrichter es nicht sieht. Also, warum stiehlst du?“

Mein Hals ist zugeschnürt, ich bin nicht in der Lage, irgendetwas zu erwidern. Es gibt auch nichts zu antworten, ich bin den Tränen nahe. Im nahen Tamarindenbaum singen die Vögel und ich erinnere mich wieder an die schöne schwarze Amsel mit den weißen Flecken an den Flügelenden, auf die ich mehrere Tage lang auf der Terrasse mit meiner Steinschleuder gelauert habe und die ich schließlich abschießen konnte.

Ohne lauter zu werden wiederholt er seine Frage: „Warum stiehlst du?“ Ich spüre in diesem Moment die Wärme seines bohrenden Blicks in meinem, der versucht zu verstehen. Die Angst verfliegt.

„Das bleibt unter uns. Ich nehme den großen Schwamm und wische diesmal alles weg. Es würde mich wirklich bekümmern, dich eines Tages in einer Besserungsanstalt mit einem Haufen Gaunern als Kameraden wiederzufinden.“

Mein Herz ist übervoll und meine Augen sind tränennass. Ich bekomme gerade noch ein gemurmeltes „Danke, Monsieur!“ heraus, das er wie eine Fliege mit der Hand wegwischt.

„Danke lieber deinem Stern. Bedanke dich mit Taten, nicht mit Worten.“

Er erhebt sich und geht. Ich bleibe noch lange sitzen. Ich trinke meinen Milchkaffee in kleinen Schlucken aus... und dann seinen.

Der Lärm und die Rufe des Marktes, seine Farben, sein reges Treiben, dies alles dringt wie Lichtwellen in mich ein.

Ich lausche den Vögeln, die sich im Tamarindenbaum Geschichten erzählen. Die Amsel, die ich anderntags auf der Terrasse abgeschossen hatte, war in meiner Hand wieder erwacht, ganz unbeschadet. Ich habe die Hand geöffnet, sie freigelassen und zugesehen, wie sie mit ihren schönen weißen Flecken an der Spitze der schwarzen Flügel davonflog.

Kapitel 2

Die Geschäfte meines Vaters laufen gut und in seinem Handelshaus geht es zu wie in einem Bienenstock. Aber seine wirkliche Passion ist die Landwirtschaft. Das Geld, das er mit seiner Ovomaltine, seinen Weinfässern und seinen Konservenkisten verdient, investiert er in Land.

Kurz nach unserer Ankunft in Indochina hatte er eine Konzession für 150 Hektar roten Boden auf der Hochebene von Djiring zwischen Saigon und Dalat erhalten, um dort Kaffeebäume anzupflanzen. Eine weitere erwarb er für 300 Hektar Schwemmboden in der Nähe eines kleinen Fischerdorfs an der Küste des Golfs von Siam, um dort ein Reisfeld anzulegen.

In diesem Dorf verbringen wir unsere Schulferien, jedes Jahr drei Monate zwischen Meer und Wald und das seit Ewigkeiten!

Nach einem unumstößlichen Zeitplan beginnt die Reise von Saigon zum Dorf am Vorabend mit dem Beladen des riesigen staubfarbenen Hotchkiss. Kaum zu glauben, was in den alles reinpasst! Und was nicht reinpasst, wird oben auf das Dach gebunden. Alles wird zusätzlich mit Gummiriemen fixiert, damit sich die Seile in den unzähligen Schlaglöchern in der Straße nicht lösen.

Um drei Uhr morgens werden wir geweckt und springen aus den Betten. Schnell ein Omelett mit Reissuppe, während Tchu das Auto auf die Straße fährt und den Motor im Leerlauf warmlaufen lässt. Es kommen noch die allerletzten Sachen an Bord und die Truppe macht sich auf den Weg: zuerst Papa, dann der Chauffeur Tchu, Mama, der Koch Minh, Assam und noch ein Hausmädchen, das nicht zu dick sein darf.

Und zum Schluss kommt die ganze Kinderschar, die sich in diesem Durcheinander aus Paketen und Beinen einen Platz sucht. Einige Rangeleien zwischen den Brüdern, ab und zu werden auch ein paar Ohrfeigen verteilt, die man nicht immer kommen sieht, da rätselhafterweise in der Straßenlaterne vor dem Haus immer die Glühbirne fehlt. Man schließt die Türen, sorgsam darauf bedacht sie nicht zuzuschlagen – Papa ist ohnehin schon reichlich genervt – und das Auto macht sich schließlich auf die Reise, die drei Tage lang dauern wird.

Zunächst verschwindet Saigon in der stillen Nacht. Anschließend streckt sich Cholon, die Zwillingsstadt, noch gähnend in der Nacht. Und bald fahren wir durch die endlosen Reisfelder, die neben der Straße aufwachen.

Papa fährt, während Tchu sorgsam auf die Motorengeräusche achtet. Mama hält Babette in den Armen, Assam bereitet das Fläschchen für Gilbert vor. Minh ist eingeschlafen, sein Kopf ruht an der Schulter des ebenfalls schlafenden Hausmädchens. Jacky streichelt sein Luftgewehr, das er noch kurz vor der Abfahrt aus dem Kofferraum holen konnte. Françou kritzelt ein Gedicht auf den Knien, während an uns die ruhige Ebene Cochinchinas13 vorbeizieht, eingehüllt in die ersten Strahlen der Morgendämmerung, aus der sich die feinen Federn der Betelnusspalmen in den Bambushainen abheben.

In solchen Betelnusspalmen haben unsere toten Eichhörnchen gespielt. Wir werden wieder welche aus dem Dorf mitbringen: eines für mich, eines für Françou, eines für Jacky. Und erbeuten würde alle drei ich mit meiner Steinschleuder. Denn Françou ist nicht besonders zielsicher und Jacky kennt nur sein Gewehr. Wenn er auf ein Eichhörnchen schießt, kann man es nur noch halbtot aufsammeln, weil die Eingeweide raushängen. Oder das Eichhörnchen kann gerade noch davon hinken. Bei mir und meiner Steinschleuder besteht wenigstens die Chance, dass eines von drei abgeschossenen Tieren überlebt. Sobald ich meines habe, gebe ich das nächste Françou, im Tausch gegen hundert Tonkugeln für meine Steinschleuder, was ein fairer Handel ist. Mit Jacky tausche ich vier Flugdrachen gegen ein Eichhörnchen, was mir ebenfalls mehr als angemessen erscheint. Vielleicht sollte ich den Preis auf zweihundert Tonkugeln für Françou und sechs Flugdrachen für Jacky erhöhen. Schließlich ist es schwierig, ein Eichhörnchen in gutem Zustand zu erbeuten.

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Cochinchina

Die Sonne geht auf und spiegelt sich glitzernd auf den feuchten Reisfeldern, auf dem Wasser der Arroyos, auf den Bewässerungskanälen, auf den stehenden Tümpeln, in denen sich die schwarzen Büffel im Schlamm suhlen, um sich vor der Wärme zu schützen, bewacht von nackten Kindern, fast noch Säuglinge. Der Büffel ist der Motor der Reisfelder, der vor seinem kleinen Karren aus Holz niemals ausfällt. Der Büffel ist langsam, aber die Erde ist geduldig, sagen die Bauern. Ab und zu sehen wir einen, der dabei ist, die Straße zu überqueren. Dann müssen wir das Auto lange vorher abbremsen. Die Nüstern des Tiers sind mit einem rostigen Eisenring durchbohrt. Daran ist ein Seil befestigt, an dem das Kind das gewaltige Tier wie ein Spielzeug hinter sich herzieht. Der Büffel zögert, macht einige Schritte auf die Straße, das Kind zieht am Seil, der Büffel schüttelt seine großen halbmondförmigen Hörner, mit denen er einen Elefant aufschlitzen könnte, geht einen Schritt vorwärts, dreht den Kopf zu den anderen im Tümpel, denkt lange nach, zögert immer noch, kommt nicht vom Fleck.

Es ist wohl besser, wenn wir in ausreichendem Abstand anhalten und dem Büffel Zeit lassen. Denn Büffel können Autos nicht ausstehen. Wir steigen aus, um die Beine auszustrecken, Kühlwasser aufzufüllen und die Ruhe und den Frieden der Reisfelder zu genießen. Mama nutzt diese häufigen Stopps, um eine Skizze in ihr Zeichenheft zu malen.

Unsere Sippe erreicht nach einem Umweg über Go-Cong, wo Papa von Kunden erwartet wurde, am späten Vormittag Mytho. Diese Hunderte von Kilometern auf der Straße gehören zu seiner Arbeit. Er nutzt die Reise, um Bestellungen bei den Händlern aufzunehmen. Wir essen zu Mittag und brechen wieder auf; eine große Fähre hinter Mytho, die Straße, die kleine Stadt Bentré. Wir fahren schnell wieder weiter. Die Straße, noch eine Fähre in Begleitung eines überfüllten Omnibusses, auf dem Dach ein Berg von Bambuskörben mit Hühnern; die Straße, nach links Richtung Tra Vinh, bevor es weitergeht. Mit Ausnahme der kurzen, beruflich bedingten Pausen von Papa haben wir kaum Zeit, uns diese Provinzstädte anzusehen. Wir durchqueren sie rastlos. Mit den häufig von Tamarindenbäumen gesäumten Straßen erinnern sie mich oft an kleine Saigons.

Das Dorf ist noch sehr weit weg. Voller Buckel und Schlaglöcher erstreckt sich die Straße vor dem Auto schier endlos. Alle fünfzehn oder zwanzig Kilometer muss Kühlwasser nachgefüllt werden, weil der Kühler kocht. Tchu nutzt die Gelegenheit, um nachzusehen, ob unter der Motorhaube alles in Ordnung ist. Er setzt eine Unterlegscheibe unter einem Bolzen ein, der Geräusche verursacht, spannt den Riemen des Lüfters ein wenig nach oder bastelt mit einer Zange und Eisendraht herum, während sich der Motor erholt. Gott sei Dank ist Tchu da! Papa und er wechseln sich am Lenkrad ab, aber ohne Tchu würde das Auto bald stehen bleiben.