Weitere Bücher der gleichen Autorin in der Reihe „Chroniken des Lichts“

fries-lichtkrieger1

Lasset das Drama in Rom beginnen

174 Seiten

 

Jenny und Rafe sind angehende Krieger des Lichts, einer geheimen Bruderschaft, die für das Gute und gegen Dämonen kämpft. Sie sollen als Abschlussprüfung einen unschul-digen Menschen vor den Dämonen retten.

Dummerweise erwarten die Götter, dass sie diese Aufgabe im Team erledigen, und es passt Rafe gar nicht, dass er mit Jenny zusammen arbeiten soll. Schließlich ist sie für ihn die größte Zicke im ganzen Universum!

 

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Und der Spaß geht in Venedig weiter

170 Seiten

 

Dass ihr neuer Auftrag sie nach Venedig führst, würde Jenny und Rafe ja vielleicht sogar Spaß machen – wäre nicht Jennys Schwester auf die Idee gekommen, ihr Baby bei ihnen zu parken.

Und jetzt hat Rafe ein Riesen-Problem.: Wie soll er seiner neusten Flamme klar machen, dass nur er sie vor Dämonen und bösen Vampiren beschützen kann, wenn er noch nicht einmal mit einem Baby fertig wird?

 

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Chroniken des Lichts 3


Salem – da war doch noch etwas

D.Fries

Salem-Hexen



Für Oma und Opa

Danke, dass ihr immer für mich da seid und mich bei Allem unterstützt!



Machandel Verlag Charlotte Erpenbeck 
Bildquelle Cover-Collage: Val Shevchenko/Vera Petruk/Fotokvadrat  www.shutterstock. com
Innenbild: www. Wikipedia.org
2015
ISBN 978-3-95959-003-7





1.Kapitel – Aus zwei mach vier

 

Ratsch ...

Jawohl! So gehörte sich das! Ich knurrte gereizt und pfefferte die Pappe ins Eck. Himmel nochmal! Das war schon der dritte Umzugskarton, bei dem mir der verdammte Boden durchgekracht war!

„Jenny!“ Sie konnte doch nicht ernsthaft zu doof sein, um einen dämlichen Karton zu packen, ohne dass dieser Gefahr lief, wegen Überfüllung das Handtuch zu werfen!

Meine Partnerin kam aus der kleinen Küche gestürzt. „Oh Rafe, nicht schon wieder!“ Sie ließ ihren Blick über das Chaos auf dem Boden schweifen. Scherben, gemischt mit Waffen und … waren das ernsthaft Gummibärchen und Nagellackfläschchen?

„Hey, was kann ich dafür, wenn du alles einfach nur in die Kisten stopfst?“ Sie seufzte theatralisch und ging neben dem Desaster in die Hocke. „Das war meine Lieblingstasse!“

Sie wedelte mit einem knallpinken Porzellanhenkel vor meiner Nase herum. „Und das interessiert mich, weil?“

„Weil du meine Launen abbekommst, wenn ich nicht meinen schwarzen Tee mit Sahne bekomme.“

„Dann kauf dir eine Neue!“

Sie sah auf und warf mir einen genervten Blick zu. „Du verstehst das nicht! Die habe ich von Chris bekommen! Das war ein Geschenk von meinem Mentor! Die hatte einen persönlichen Wert!“

„Dann hättest du sie vielleicht in einen anderen Karton in Watte einpacken sollen und nicht mit Nagellack und Gummibärchen in einen ohnehin schon überfüllten stopfen sollen!“ Ich verspürte den urplötzlichen Drang, ihr den Henkel ins Gesicht zu werfen.

„Oh, Gummibärchen!“ Sie fischte ein rotes aus dem Scherbenmeer und steckte es sich in den Mund. „Hab mich schon gefragt, wo ich die hingepackt habe. Aber zurück zur Tasse …“

Ich wusste, dass sie mich nur ärgern wollte. Und ja, ich sollte eigentlich nicht darauf anspringen, aber das war gar nicht so einfach, wenn sie einen herausfordernd anfunkelte.

Das Klingeln unseres Telefons ersparte Jenny meine bissige Antwort. Oh nein. Nicht schon wieder.

„Willst du nicht ran gehen?“

Ich schüttelte energisch den Kopf. „Das letzte Mal, als ich rangegangen bin, war es deine durchgeknallte Schwester, die uns ihr Baby und ihren dämlichen Köter aufs Auge gedrückt hat!“

„Aber ich muss hier erst mal retten, was zu retten ist.“

„Und ich …“

„Rafe! Für dich!“ Wir hatten im Eifer des Gefechts gar nicht bemerkt, dass Leo ins Wohnzimmer gekommen war und den Hörer abgenommen hatte. Oh, na toll. Ich sah meine Freundin fragend an, als sie mir schulterzuckend den Hörer reichte. Ich spürte Jennys neugierigen Blick, als ich mich knurrend meldete. Wenn das jetzt irgendein bescheuerter Onlineverkäufer oder Cossette war, dann würde ich einen Schreikrampf bekommen. Ehrlich.

„Rafe McCourt?“

Ich kniff die Augen zusammen. In meinem Hirn ratterte es. Diese weibliche, quietschige Stimme kannte ich irgendwoher. Nur woher? Ich hatte sie früher oft gehört …

„Hier spricht Ellen Havers.“

Ellen Havers?! Ach nein! Was zum Henker wollte denn die Sekretärin meines ehemaligen Schuldirektors von mir?

Irgendwie beschlich mich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Nicht gut. Gar nicht gut! Als ich weiterhin schwieg, räusperte sich die Frau am anderen Ende der Leitung unbehaglich. Ich konnte sie regelrecht vor mir sehen. Wie sie mit ihrem feinem Bürokostüm, auf dem protzigen Schreibtischstuhl saß und mit ihren pink lackierten Fingernägeln durch ihre wasserstoffblonde Dauerwelle strich. „Ich möchte Sie bitten, morgen Abend das Büro des Schulleiters aufzusuchen.“

Ich runzelte die Stirn. Wieso sollte ich?

„Ich habe meinen Abschluss. Ich bin ein Krieger. Ich habe meine Prüfung in Rom bestanden und hab auch schon in Venedig aufgeräumt und jetzt sollen wir uns um Salem kümmern. Wir wissen zwar noch nicht genau um was, aber wir sollten hierher und …“

Ich wurde wieder von einem Räuspern am anderen Ende der Leitung unterbrochen.

„Was soll ich bitte in der Schule? Wenn jetzt erst rausgekommen ist, dass ich es war, der die Selbstschussanlage bei Mortons Bürotür installiert hat, das ist längst verjährt!“

Leos Augenbrauen schossen in die Höhe.

„Das waren Farbpatronen“, fügte ich hastig hinzu. Nicht, dass am Ende die innere Polizistin mit ihr durchging.

Havers hüstelte wieder. „Nein. Darum geht es nicht.“

Nicht? Oh … „Und die Sache mit dem explodierten Chemiesaal, die ist auch längst vorbei!“

„Nein. Es geht auch nicht um den Chemiesaal, Mr. McCourt.“

Ah nein? Vielleicht sollte ich besser die Klappe halten, bevor ich mich noch tiefer in die Scheiße ritt.

„Sie sollen zu dem Direktor, weil er Ihnen und Ihrer Partnerin Praktikanten zugewiesen hat.“

Was?! Praktikanten? Wie, Praktikanten? Hey, Sekunde mal. Die konnten uns doch keinen halb ausgebildeten Krieger schicken! „Okay, ich bevorzuge die Strafen für die Selbstschussanlage und den Chemiesaal.“

„Morgen Abend um halb acht. Bitte seien Sie pünktlich.“ Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, schloss ihn aber gleich geräuschvoll wieder. Sie hatte aufgelegt. Ich fluchte unterdrückt.

Warum eigentlich immer ich?

„Und?“ Neugierig musterte Jenny mich.

„Wir sollen morgen in die Schule.“

„In die Schule? Warum?“

„Weil wir einen Praktikanten bekommen.“

Leo fuhr ruckartig zu mir herum. „Ihr bekommt einen was?!“

„Einen Praktikanten. Also nur vielleicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das Diggeron ausreden können.“

Die Augen meiner Freundin begannen zu leuchten. „Ach, komm schon. Praktikanten sind doch toll.“

Mein „begeistertes“ Gesicht musste wohl Antwort genug gewesen sein, denn Leos Augen blitzen amüsiert auf. „Na ja, überleg doch mal …“

„Das kann Rafe nicht. Er hat zu wenig im Oberstübchen um auf einen grünen Zweig zu kommen.“

Ich hörte Jenny gar nicht mehr zu. Mir schossen plötzlich ganz viele Gründe durch den Kopf, die für eine kleine begleitende Nervensäge sprachen. „Wisst ihr, was?“

Beide Mädchen hoben unisono eine Augenbraue – Jenny die linke und Leo die rechte.

„Ja?“

„Meine Schwerter müssten geschliffen und poliert werden. Dann liegen da noch Wurfdolche herum, die schon seit Wochen ausbalanciert werden müssten. Und wenn er dann schon bei uns wohnt, kann er auch gleich sauber machen und …“

Jenny brachte mich mit einem warnenden Blick zum Schweigen, der jeden anderen in die Flucht geschlagen hätte. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Sie klang tödlich ruhig.

Oh, oh. Kein gutes Zeichen. „Warum denn nicht?“

„Rafe!“ Mehr Empörung in einem einzigen Wort ging nicht. Es klang fast so, als wäre mein Name ein Synonym für eine Beleidigung.

„Was denn? Jetzt mal ehrlich. Irgendwie müssen wir ihn doch beschäftigen.“

„Ich muss bei Chris anrufen und ihn nach Tipps fragen!“ Jenny sprang auf und stürmte an mir vorbei. Ja, genau. Als ob ihr ehemaliger Mentor ihr Tipps für eine kleine Nervensäge aus der Schule geben konnte. Immerhin hatte er Jennys Erziehung auch nicht hingekriegt, wie man unschwer erkennen konnte.

Bei dem Gedanken daran, die nächsten Wochen einen halb ausgebildeten Krieger des Lichts mit mir herumschleppen zu müssen, verzog ich gequält das Gesicht.

„Ach komm schon, Rafe.“ Leo trat auf mich zu und legte mir eine Hand an die Wange. „Das wird sicherlich nur halb so schlimm, wie du denkst. Mach dich nicht verrückt.“

Verrückt machen? „Ich mache mich nicht verrückt!“

Sie lächelte amüsiert und ihre braunen Augen blitzen schelmisch auf. „Natürlich nicht.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen, den ich halbherzig erwiderte.

„Hey, warum bekommen wir ausgerechnet jetzt einen kleinen Halbwüchsigen? Wir stecken mitten im Umzugsstress! Und überhaupt. Wir sind gerade mal drei Jahre dabei. Also noch blutige Anfänger und …“

Hatte ich wirklich „blutige Anfänger“ gesagt?

„Okay, vergiss das Letzte.“

Leos Mundwinkel zuckten spöttisch. „Keine Angst, den Gefallen werde ich dir nicht tun. Im Gegenteil. Ich werde es dir bis ans Ende deiner Tage unter die Nase reiben.“

Diese Befürchtung hatte ich allerdings auch … Ach Mann, das Leben war doch nicht fair. Aber na gut. Was hatte ich die letzten Jahre gelernt? Kopf hoch, Bauch rein, Brust raus und einfach durch.

Es würde schon schief gehen.

Zur Not konnte ich meine To-Do-Liste ja noch um ein paar Punkte ergänzen. An Ideen sollte es mir jedenfalls nicht mangeln.

Vielleicht könnte ich ihn auch Bürokram erledigen lassen. Meine Akten zu dem Venedig-Fall müssten unbedingt vorschriftsmäßig fertiggemacht und abgelegt werden.

 

Ich kniff verächtlich die Augen zusammen, als ich mich mit Jenny vor unserer alten Schule materialisierte. Majestätisch ragte das strahlend helle Schloss vor uns in den Himmel. Schülergrüppchen standen im Hof beisammen, unterhielten sich und lachten miteinander.

Zwei Mädchen rannten eilig an Jenny und mir vorbei. Oh ja. Die guten alten Zeiten. Abhetzen, um rechtzeitig bei irgendeinem Lehrer im todlangweiligen Unterricht zu sitzen. Obwohl ... abgehetzt hatte ich mich eigentlich nie. Eher im Gegenteil. Meine Jungs und ich hatten gar nicht eingesehen, uns Stress wegen den Lehrern zu machen. Immerhin war Stress, wissenschaftlich gesehen, schädlich für den Körper und somit auch für die Gesundheit. Und es hätte ja niemandem etwas gebracht, wenn wir wegen Burnout oder Magengeschwüren unfähig gewesen wären, den Unterricht weiterhin zu besuchen. Also lieber zehn Minuten plus X zu spät, als wochenlang ausfallen zu müssen.

Ich wurde grob angerempelt, als ein halbwüchsiger Teenager mit knallblauen Haaren an mir vorbeistürmte.

Vielleicht sollte ich meine Theorie den Neulingen hier an der Schule auch mal erklären. Ich wollte ihn schon zurückziehen, doch Jenny fing meine Hand ab, bevor ich ihn erwischen konnte.

„Wag es nicht. Komm einfach mit.“ Jenny lief los, und ich folgte ihr missmutig. Oh Mann! Ich hatte sowas von keine Lust auf das ganze Theater hier!

Ich betrat hinter ihr die Eingangshalle. Und welch Überraschung – die hatte sich nicht in kleinster Weise verändert. Jeder unserer Schritte schien von den Portraits der Götter genauestens beobachtet zu werden. Das hatte ich früher schon gehasst. Dieses ständige Gefühl, bei jedem Schritt beobachtet und kontrolliert zu werden.

„Rafe! Komm jetzt!“ Ungeduldig wedelte Jenny mit der Hand.

Ja, ja. Ist ja gut. Sie sollte mal keinen Stress machen. Wie gesagt, Stress ist ungesund. Ich sollte ihr das vielleicht auch mal näher bringen.

Brummelnd stapfte ich hinter ihr durch die rötlich marmorierte Halle. Das Büro des Direktors war im ersten Stock. Ich versuchte mit Absicht, etwas Zeit herauszuschlagen, indem ich immer wieder stehen blieb und die verschiedenen Bilder an den Wänden betrachtete.

„Sieh mal. Das da gab es schon zu unserer Zeit.“ Ich deutete auf eine Gruppe von Reitern, die in wildem Galopp über ein blutiges Schlachtfeld ritten.

„Das gab es auch schon zur Zeit von Chris und Cossette. Und das war 1753. Komm jetzt!“ Sie packte mich genervt am Handgelenk und zog mich weiter.

„Und diese Ritterrüstung.“ Ich stemmte mich gegen ihren Griff. „Die gab es damals noch nicht.“

Meine Partnerin stöhnte genervt. „Doch, Rafe. Die gab es schon. Du und dein toller Kumpel habt sie im zweiten Jahr in die Luft gejagt.“

Upps, stimmt. „Und danach hat uns das Rostding durch das ganze Schloss gejagt.“

Jenny grinste breit. „Bis ihr Vollidioten euch unten im Schlossgarten auf den alten Apfelbaum retten konntet. Das werde ich wohl nie vergessen.“

Ich zog eine Grimasse. „Wir waren die ganze Nacht auf diesem bescheuerten Baum, weil Diggeron sich geweigert hat, die Blechschüssel zurückzupfeifen.“

Jenny lachte leise und auch einen Hauch schadenfroh. „Ich fand es genial. Dumm und Dümmer mussten sich auf einen Baum retten, weil eine Ritterrüstung Rache an ihnen nehmen wollte.“

„Das war nicht lustig! Es war verdammt kalt und geregnet hat es auch.“

„Aber offensichtlich war die Strafe nicht hart genug gewesen. Denn ihr habt immer wieder diverse Ritterrüstungen belästigt.“

„Aber keine mehr in die Luft gejagt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nur eingefärbt, Helme vertauscht oder Frauenkleider angezogen.“

„Und ab und zu haben wir sie geölt. Das fanden sie irgendwie auch nicht komisch.“

„Ich weiß gar nicht, wie oft ihr auf Bäumen übernachtet habt.“

Ganz ehrlich? Ich auch nicht. „Etliche Male.“

Sie nickte nur. „Ihr wart aber auch zwei dämliche Vollidioten.“

Autsch. „Gar nicht wahr!“

Belustigt drehte Jenny sich zu mir um. „Stimmt, ihr seid es immer noch.“

Amüsiertes Lachen ließ uns herumfahren. Oh nein! Hinter uns stand Diggeron und klatschte in die fleischigen Hände. „Da sind sie ja, meine beiden Lieblingssorgenkinder.“ Der gewichtige Direktor blieb vor uns stehen und breitete väterlich die Arme aus. Also wenn er jetzt dachte, ich würde begeistert mit ihm auf Schmusekurs gehen, dann hatte er sich aber gewaltig geschnitten.

„Meine Rüstungen haben mir mitgeteilt, dass ihr Lieblingsfeind wieder zurückgekommen ist.“ Diggeron musterte mich schmunzelnd. Komisch, zu meiner Schulzeit fand er meine Aktionen überhaupt nicht lustig. Na ja, egal. Ich setze ein gezwungenes Lächeln auf und hoffte, dass er es zumindest halbwegs schlucken würde.

„Eure Praktikanten befinden sich noch im Unterricht. Ich werde euch erst ein paar Einweisungen geben und dann holen wir sie gemeinsam ab.“

Meine Gedanken überschlugen sich. Sekunde. Alles auf Anfang! PraktikantEN?! Wie jetzt? Mehrzahl? „Ähm ...“ Jenny warf mir einen warnenden Blick zu, der mich dazu veranlasste die Klappe zu halten. Ich glaube, sie hatte den Ernst der Lage nicht verstanden.

Diggeron hatte PraktikantEN gesagt! Das bedeutete mindestens zwei! Oder drei! Oder noch mehr! Und ich war so was von nicht bereit, Babysitter für einen Haufen von Möchtegernkriegern zu mimen, die sich einbildeten, alles besser zu wissen.

Jenny packte mich wieder am Handgelenk und zerrte mich weiter. „Reiß dich zusammen.“ Ihr Zischen hätte jeder in die Ecke getriebenen Raubkatze Konkurrenz gemacht.

Na gut ... Ergeben trottete ich hinter ihr in Richtung des Büros des Schulleiters. Ich würde ihm die Sache mit der Mehrzahl schon noch ausreden.

Bla, bla, bla … Gelangweilt zupfte ich an meinen Fingernägeln und starrte auf das Gemälde einer wilden Amazone, die hinter Diggeron an der Wand hing und jeden Gast mit Argusaugen zu bewachen schien, während sie ihre Hand schussbereit an dem eleganten kitschig verzierten Langbogen hatte. Ein hübsches Bildchen, für das Sterbliche mit Sicherheit eine unmenschliche Summe an Geld hinlegen würden.

Jenny stellte immer wieder ernste Zwischenfragen, die mich ehrlich gesagt nicht die Bohne interessierten.

Seit geschlagenen zwanzig Minuten hockten wir nun schon im Büro des Schulleiters und ließen uns von Anweisungen und Regeln berieseln. Warum zur Hölle sollte einer unserer Praktikanten bitte eine Liebelei mit einem Dämon eingehen? Wie bescheuert war denn das?

„Sollte dem Schüler der Kopf abgetrennt werden ...“

Ruckartig sah ich auf. Was?! Hatte ich jetzt richtig verstanden? Ich sah zu Jenny und formte mit den Lippen ein stummes „Kopf abgetrennt?“ Sie zuckte kaum merklich mit den Schultern. Auch auf ihrem Gesicht lag so etwas wie leichte Fassungslosigkeit. Na, immerhin waren wir uns zumindest hier einig.

„Dann bitten wir euch darum, sowohl den Kopf als auch den Körper zurück zur Schule zu bringen, um …“

Ich räusperte mich. „Entschuldigung, Direktor Diggeron, aber warum sollte unser Schüler geköpft werden?“ Ich versuchte nicht mal, meinen perplexen Unterton zu verstecken.

„Mein lieber Rafe, alles ist möglich.“

Ah ja. Ich ließ mich wieder gegen die Stuhllehne fallen. Wann konnten wir endlich wieder gehen? Das hier war doch lächerlich.

„So, nun bitte ich euch, diesen Vertrag zu unterzeichnen.“ Diggeron schob uns Pergament und Feder über den Tisch zu.

„Was ist das?“ Ich beäugte das Schreiben misstrauisch.

„Ihr bezeugt hiermit lediglich, dass ich euch in die Pflichten der Praktikumsanleiter eingeweiht habe.“

Jenny zog das Papier zu sich und überflog das Geschriebene mit gerunzelter Stirn. Dann griff sie nach der Feder und setzte schwungvoll ihren Namen auf das Papier. „Sehr schön. Rafe, du auch noch.“

Na gut, wenn wir dann endlich hier wegkamen ... Ich kritzelte eilig meinen Namen unter Jennys und schob Diggeron das Pergament wieder zu. Er klatschte in die Hände und die kleinen Käferäuglein leuchteten begeistert. „Sehr schön. Ich bin sofort wieder da.“ Er erhob sich, so schnell es sein massiger Körper zuließ, und trippelte zur Tür, die er schwungvoll wieder hinter sich zuzog.

Ich lehnte mich stöhnend zurück und massierte mir die Schläfen. „Ich dachte schon, der hört nie auf zu labern.“

„Hast du dir den Wisch überhaupt durchgelesen?“, wollte Jenny süffisant lächelnd wissen streckte sich genüsslich. Ich schüttelte den Kopf. „Nö. Du hast ihn gelesen. Reicht doch.“

Sie seufzte theatralisch, während ihre Augen spöttisch aufblitzten. „Du hast gerade unterschrieben, dass wir die Jungen nach ihrer Schulzeit übernehmen, sollten wir mit ihnen zurechtkommen.“

Was?! Ich sah so ruckartig auf, dass mein Nacken knackste. „Sag mal spinnst du! Wie kannst du sowas unterschreiben?“ Ich war ehrlich fassungslos. Was sollte denn der Mist? Ich meine ... wie kam sie darauf, dass ich Lust dazu hatte, mich mit halb ausgebildeten Kriegern rumzuschlagen?

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab damit kein Problem. Du hättest ja nicht unterschreiben müssen. Beziehungsweise du hättest nur mal ordentlich lesen müssen.“

Fluchend raufte ich mir das Haar. „Ist das dein Ernst? Komm schon, sag mir, dass du mich auf den Arm nimmst!“

Mein letzter klitzekleiner Hoffnungsschimmer erlosch, als sie den Kopf schüttelte und meine Hand tätschelte. „Das ist mein voller Ernst. Wir beide werden Mentoren, wenn wir sie ordentlich im Praktikum anleiten.“

„Jenny, wir kennen sie doch gar nicht.“

„Aber wir werden sie kennenlernen. Und sollten wir nicht mit ihnen zurechtkommen, können wir ja immer noch …“

Ich unterbrach sie. „Und was ist, WENN wir mit ihnen zurechtkommen? Jenny, ZWEI Auszubildende?“

„Dann ist doch alles in Ordnung.“

Arrgh! Nichts war in Ordnung! Ich wollte keine kleinen Azubis! Darüber würden wir später noch ein ernstes Gespräch führen müssen.

 

Die Tür zum Büro des Schulleiters flog auf. Ich richtete mich kerzengerade auf, als Diggeron hereinkam, dicht gefolgt von einem großen, schlaksigen Jungen. Ich kniff die Augen zusammen. Dunkelblaue Haare?! Das hatte ja nicht mal ich in meiner Schulzeit fertig bekommen. Lässig grinsend ließ Blauhaar seinen Blick erst über Jenny und dann über mich wandern. Na, wenn das keine Herausforderung war.

Hinter Mister Obercool stolperte ein kleiner, rothaariger Nerd mit Sommersprossen ins Büro des Schuldirektors. Peinlich berührt ruckte er seine runde Harry–Potter-Brille zurecht und lächelte meine Partnerin und mich scheu an.

Ich hob eine Augenbraue. Okaaaaay... War das Diggerons Ernst? Die beiden … also ich wusste ja nicht … Das schrie nach Ärger. Da prallten doch Himmel und Hölle aufeinander!

Ich schielte zu Jenny, die zielsicher auf den Blauhaarigen zuging und ihm die Hand reichte. „Hi. Ich bin Jenny.“

Er grinste schief und warf ihr einen funkelnden Blick zu, bei dem jedes Teeniemädchen dahingeschmolzen wäre. „Levin. Freut mich.“ Meine Partnerin nickte und wandte sich an den Nerd, dem sie ebenfalls die Hand reichte.

„Ich bin Matthéo.“ Aus seiner Stimme war ganz klar ein unterschwelliger „Tu-mir-nichts–Unterton“ herauszuhören.

Ich saß immer noch wie festgewachsen auf dem Stuhl und starrte die Jungs ungläubig an. Der Obercoole und der Nerd. Und das bei uns in der Wohnung. Meine Nerven lagen jetzt schon blank. „Und das hier ist Rafe.“

Ich sah ruckartig auf, als Jenny mich grob in die Schulter knuffte und mir einen ungeduldigen Blick zuwarf. Seufzend erhob ich mich und reichte den Jungen hintereinander die Hand. Bei Mr. Blauhaar drückte ich fester als nötig zu. Gleich mal klarstellen, wer hier das Sagen hatte.