Inhalt

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Bandoleros
  4. Kapitel 2
  5. Kapitel 3
  6. Kapitel 4
  7. Kapitel 5
  8. Kapitel 6
  9. Kapitel 7
  10. Kapitel 8
  11. Kapitel 9
  12. Kapitel 10
  13. Kapitel 11
  14. Kapitel 12
  15. Kapitel 13
  16. Kapitel 14
  17. Kapitel 15
  18. Kapitel 16
  19. Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Bandoleros

1

Es war in Nord-Virginia, als der letzte, traurige Kriegsrat unserer schon geschlagenen Armee stattfand.

Das Hauptquartier war jämmerlich primitiv. Es gab keine Zelte, keine Tische oder anderes Möbelzeug. Nur ein Lagerfeuer brannte unter mächtigen Bäumen. Die Offiziere hockten auf Decken oder Sätteln.

General Lee bestand darauf, dass wir uns niedersetzten. Er aber lehnte stehend am Stamm eines alten Baumes, und er kam uns ebenfalls wie ein alter Baum vor, der schon zu lange allen Stürmen standgehalten hatte. Der Feuerschein beleuchtete sein zerfurchtes Gesicht.

O Vater im Himmel, er war uns ein so großartiger Kommandeur gewesen. Doch all seine Kriegskunst hatte nichts mehr ausrichten können gegen die Macht des Nordens.

Und es gab keinen einzigen Hoffnungsschimmer mehr.

Nach einer Weile – als wir alle versammelt waren –, begann er zu sprechen: »Gentlemen, unsere Lage ist hoffnungslos. Ich habe nun alle Meldungen erhalten, auf die ich noch warten musste. Meine Armee besteht nur noch aus achttausend bewaffneten und etwa zwanzigtausend unbewaffneten Soldaten. Letztere warfen auf der Flucht ihre Waffen fort, wollten nur noch ihr Leben retten. Und alle sind wir bis ins Mark erschöpft und fast verhungert. Ich habe von General Grant die Forderung zur Kapitulation und Übergabe erhalten. Wir sind von seiner mehrfach überlegenen Armee umzingelt. Alle Rückzugswege sind uns abgeschnitten. Dies ist die Lage, Gentlemen.«

Es war der 8. April 1865.

Wir alle schwiegen eine Weile. Einige von uns knirschten mit den Zähnen, und vielleicht rannen diesem oder jenem Tränen über die Wangen. Denn wir hatten umsonst gekämpft und das ganze Leid gemeinsam mit unserer Zivilbevölkerung nutzlos ertragen. Dieser Krieg hatte uns alle ins Elend gestürzt, so wie es jeder Krieg tut – und das auf beiden Seiten.

Ja, es war ein verdammter Krieg. Wir hassten ihn längst.

Doch darum ging es jetzt nicht. Es ging jetzt um unsern Stolz. Wir Südstaatler der Konföderation wollten nicht zu Boden gehen.

Wir begannen dann mit den Beratungen.

Sollten wir uns ergeben oder einen Durchbruch aus der Umzingelung versuchen?

Taten wir Letzteres und gelang uns dies, würden wir keine gefangene Armee mehr sein und auf eine ehrenhaftere Weise Frieden schließen können.1)

Nun, wir fassten zuletzt den Entschluss, den Durchbruch zu wagen.

General Lee gab nun jedem der Offiziere die Befehle.

Da ich nur den Rang eines Captains hatte, war ich einer der Letzten, an den er sich wandte.

»Captain Kilbourne …«, so begann er und wartete, bis ich vor ihm stand.

»Yes, Sir«, sagte ich.

Im Feuerschein betrachteten wir uns. Er war ein sechs Fuß großer, sehr stattlicher Mann. Und in seinen hellen Augen erkannte ich noch einmal jenes Leuchten, das uns stets begeistert und mitgerissen hatte.

»Sie führen das Regiment von Colonel Hartford, weil alle ranghöheren Offiziere gefallen sind?«

»Yes, Sir, so ist es.«

»Wie viel Reiter haben Sie noch?«

»Siebenundfünfzig, Sir. Aber jeder zählt für drei oder vier. Es sind die besten Männer der alten Texas-Brigade, Sir.«

Ich sagte es mit Überzeugung, um mir selbst Mut zu machen und ihm zu verstehen zu geben, dass er sich auf uns verlassen konnte.

Das zwingende Leuchten in seinen Augen wurde stärker.

Dann sprach er: »Mein Sohn, ich verlasse mich auf euch. Bringt die Geschütze auf dem Hügel an unserer Ostflanke zum Schweigen. Es ist unsere linke Flanke, und wir verlieren unsere Angriffswucht, wenn wir von der Seite her Feuer bekommen. Die sechs Geschütze müssen erobert werden. Captain Hackett folgt Ihnen mit zwei Bagagewagen voller Artilleristen. Diese sollen mit den eroberten Geschützen in die Unionstruppen feuern. So einfach ist das.«

»Yes, Sir«, erwiderte ich und salutierte.

Dann machte ich mich auf den Weg zu meinen Reitern und rief die Sergeanten zu mir. Offiziere gab es außer mir keine mehr.

Die Sergeanten starrten mich an in der verblassenden Nacht.

Ich sagte ihnen, was General Lee von uns erwartete, und sie begriffen, dass wir alle nur so aus der Mausefalle entkommen konnten.

Master Sergeant Mike Banner fragte: »Und was ist, Sir, wenn unser Durchbruch nicht gelingen sollte? Dann bleibt uns doch nur noch die Gefangenschaft – oder?«

Nun spürte ich die Blicke der drei Sergeanten noch deutlicher.

Und ich schüttelte den Kopf.

»Wenn wir die Geschütze den nachfolgenden Artilleristen übergeben haben«, sprach ich, »brechen wir weiter durch – geradewegs nach Texas. Das ist ein verdammt weiter Weg – weiter als fünfzehnhundert Meilen. Aber wer unseren letzten Angriff überlebt, der wird es mit mir schaffen. Wir gehen nicht in Gefangenschaft – und möge diese noch so ehrenhaft sein – wir nicht. Wir brechen durch auf jeden Fall.«

Damit hatte ich es ihnen gesagt. Genau das hatten sie hören wollen. Wir waren ein kläglicher Rest der glorreichen Texas-Brigade von Stonewall-Jackson, und General Lee würde kapitulieren müssen nach diesem Durchbruch.

Es war dann keine Fahnenflucht mehr, wenn wir heimritten.

Die Sergeanten gingen zu ihren jämmerlich dezimierten Schwadronen. Keine war noch stärker als zwanzig Reiter statt deren mehr als hundert.

Wir saßen auf und warteten auf die Hornsignale.

Diese ertönten schon bald.

Und so ritten wir an im Morgengrauen, während die Nebel stiegen und uns Deckung gaben.

O Moses, diese Nebel würden für viele von uns zum Leichentuch werden.

Verdammt, was hassten wir diesen Krieg, all das Töten und Blutvergießen, all die Not des ausgebluteten Südens, der einst so feudalistisch lebte und nun in bitterste Armut stürzte!

Und alles begann eigentlich damals im Jahre 1851, als die Schriftstellerin Harriet Beecher-Stowe die Geschichten aus dem Leben der Sklaven veröffentlichte.

Ein Jahr später erschien dann das Buch »Onkel Toms Hütte«, von dem im ersten Jahr mehr als dreihunderttausend Exemplare verkauft wurden und das die Menschen des Nordens aufrüttelte.

Im Jahre 1859 wurde dann der fanatische Kämpfer für die Sklavenbefreiung, John Brown, zum Tode verurteilt und gehängt.

Und weiter ging es, als 1860 Abraham Lincoln zum Präsidenten der Union gewählt wurde.

Süd-Carolina trat als erster Staat aus der Union aus und es folgten die Staaten Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Texas, Virginia, Arkansas, Nord-Carolina und Tennessee.

Sie taten sich zu einem Staatenbund zusammen und wählten Jefferson Davis zu ihrem Präsidenten.

Und dann begann der Krieg mit der Beschießung von Fort Sumter im Hafen von Charleston in Süd-Carolina.

Es war am 12. April 1861.

An all diese Dinge dachte ich noch einmal, indes wir durch den Nebel zu unserer linken Flanke ritten. Überall hatten sich nun die erschöpften, halb verhungerten und kranken Soldaten erhoben, um die Sturmreihen zu formieren.

Meldereiter waren unterwegs.

Als wir den Fuß des langen Hügels erreichten, auf dessen Kamm die Geschütze standen, die bei Tageslicht auf uns zu feuern beginnen würden, wenn wir uns nicht endlich ergaben, ließ ich angaloppieren.

Es war kein steiler, jedoch ein ziemlich langer Hang. Es waren auch keine hohen Hügel, kaum mehr als hohe Bodenwellen. Und so galoppierten unsere Pferde wahrhaftig die Viertelmeile, ohne zu ermüden.

Obwohl die Yanks unsere Hornsignale hörten, konnten sie wohl nicht glauben, dass sich unsere erschöpfte, halb verhungerte und arg dezimierte Armee noch einmal zum Angriff aufraffen würde.

Aber was meine Reiter und mich betraf, wir kamen noch mal wie die Teufel aus der Hölle gejagt, so wie wir von der Texas-Brigade es schon so oft getan hatten.

Es waren alles Texaner, mit denen ich ritt. Wir lenkten unsere Pferde mit den Schenkeln und hatten die Zügel zwischen den Zähnen.

In einer Hand hielten wir den Säbel und in der anderen Hand den Colt.

So griffen wir an.

Es wurde die Hölle, und ich möchte das Blutvergießen und Töten nicht einzeln schildern, denn das ist ja nicht der Sinn meiner Geschichte.

Wir nahmen die sechs Geschütze. Ja, wir eroberten sie und machten die Bedienungen klein trotz eigener Verluste.

Dann war es vorbei, und wir warteten keuchend und fluchend auf die Artilleristen, versorgten dabei, so gut wir konnten, unsere Verwundeten, zählten die Toten, deren Namen ich in mein arg zerfleddertes Notizbuch eintrug.

Endlich kamen die beiden Wagen mit Captain Hackett und dessen Artilleristen heraufgefahren.

»Gute Arbeit, Blake«, rief er mir zu. »Wirklich erstklassige Arbeit, Blake Kilbourne! Doch jetzt könnt ihr abhauen, weil wir an der Reihe sind.«

Indes seine Kanoniere die Geschütze umdrehten, legten wir unsere Verwundeten in die beiden Wagen. Dann saßen wir wieder auf.

Und nun führte ich nur noch achtunddreißig Mann gen Süden – achtunddreißig von siebenundfünfzig.

O Vater im Himmel, was würde noch alles kommen?

***

Nun, lieber Leser meiner Geschichte, ich will es kurz machen: Der Durchbruch unserer Armee blieb stecken. Er gelang nicht trotz einiger Anfangserfolge.

Es war der 9. April 1865, und wir wussten noch vor Sonnenaufgang, dass alles verloren war. General Lee würde unsere Armee nicht mehr aus der Umklammerung hinausführen können. Wir würden uns ergeben müssen.

Wir waren an diesem grauen Morgen schon einige Meilen geritten, hatten auch gekämpft und waren durch feindliche Linien gestoßen. Aber hinter uns kam niemand mehr, obwohl die Schlacht noch voll im Gange war, Kanonen- und Gewehrfeuer fortwährend in weiter Runde zu hören war, überall Geschrei, Explosionen und Durcheinander herrschten.

Unionsinfanterie rückte von allen Seiten vor.

Ich hielt vor einem Waldstück an, »witterte« hinein und fragte mich, ob dort eine Truppe auf uns wartete. Dann sah ich mich nach meinen Reitern um.

Sie würden mir folgen, verließen sich auf meinen Instinkt wie zuvor schon viele Male.

Ich nickte ihnen zu.

»Also reiten wir heim nach Texas«, rief ich.

Dann ritt ich in den Wald hinein. Es war ein dichter Wald. Nur gute und geschmeidige Reiter konnten hier durchkommen, ohne von tiefen Ästen aus dem Sattel gewischt zu werden.

Sie folgten mir.

Und weil wir unterwegs noch mehrmals gekämpft hatten, waren es nur noch vierundzwanzig.

O Vater im Himmel, wie viele würden mit mir Texas erreichen?

2

Es war ein weiter Weg vom Appomattox River nach Texas. Wir waren abgerissen, halb verhungert, zum Teil krank und verwundet, ohne Proviant und Ausrüstung. In unseren zumeist schon zerlumpten Uniformen waren wir nichts anderes mehr als armselige Satteltramps.

Aber wir waren Texaner auf dem Heimweg nach Texas.

Das war die Kraft, die uns antrieb.

Wir wollten den Yankees nicht unsere Waffen übergeben und von ihnen nicht gefangen werden.

Unbesiegt wollten wir heim.

Vielleicht konnten das einige Menschen nicht verstehen.

Doch dann kannten sie die Texaner nicht.

Denn diese hatten sich schon bei Alamo nicht ergeben. Und wir alle waren echte Texaner.

Wir wussten nicht, dass an diesem ersten Tag unseres Ritts General Lee im Justizgebäude von Appomattox, in der Nähe der Stadt Lynchburg, die Kapitulation des Südens unterschrieb.2)

Wir ritten nach Südwesten, mussten von Nord-Virginia nach Tennessee und von dort durch Arkansas, bevor wir die Grenze von Texas erreichten.

Zwischen Tennessee und Arkansas floss der mächtige Mississippi.

Er war fast eine Meile breit, und irgendwie mussten wir hinüberkommen.

Aber das alles würden wir schaffen, denn wir hatten in den vergangenen Jahren im Verlauf des unseligen Krieges noch ganz andere Dinge schaffen müssen.

Wir ritten durch ein vom Krieg verwüstetes Land, sahen niedergebrannte Herrenhäuser, verwüstete Plantagen und Farmen und all die vielen anderen schrecklichen Zeichen der Zerstörung.

Am dritten Tage erwartete uns ein alter Mann am Rande der Straße.

Er hob die Hand, um uns anzuhalten.

»Wartet, Soldaten«, sagte er laut genug durch den Hufschlag unserer Pferde.

Wir hielten an, und er deutete hinter sich.

»Sie warten auf euch«, sprach er. »Sie warten auf die heimkehrenden Soldaten des Südens. Es kamen schon gestern die ersten Morsesignale per Spiegel von Hügel zu Hügel von Appomattox her. Sie warten auf euch.«

Unsere nun verharrenden Pferde schnaubten. Die Sättel knarrten. Und die Reiter hinter mir fluchten.

Ich fragte: »Wer wartet auf uns, Mister?«

Er lächelte bitter.

»Mein Name ist Fitzgerald, John Fitzgerald. Ich besaß die größte Plantage in dieser Gegend mit mehr als zweihundert Sklaven. Diese sind nun frei. Und sie haben sich zum Teil – es sind mehr als achtzig Mann – zu einer Bande zusammengeschlossen, um Rache an uns zu nehmen. Sie brannten meinen Besitz nieder, töteten meine Söhne und meine Frau und vergewaltigten meine beiden Töchter. Mich schickten sie hierher, damit ich jedem Konföderierten-Soldaten sage, dass er hier seine Waffen ablegen und auch das Pferd zurücklassen muss. Ihr dürft nur waffenlos und zu Fuß weiter. Aber sie werden euch abschlachten. Letzteres darf ich euch nicht sagen. Ich tue es dennoch. Ihr könnt nicht mal mehr umkehren, denn sie sind nun auch hinter euch. Ihr sitzt in der Falle. Wenn ihr mir eine Waffe gebt, werde ich an eurer Seite kämpfen.«

Als er verstummte, sah man ihm an, dass er uns nichts mehr zu sagen hatte.

Er war ein alter Mann. Alles, was er besaß, hatte man ihm genommen – die Familie und den Besitz. Nun wollte er nur noch kämpfend sterben.

Das Fluchen meiner Reiter wurde böser, grimmiger, lauter.

Verdammt, der Krieg war für uns beendet. Wir wollten heim, in Frieden heim. Wir hatten genug vom Töten, vom Hass und von all dem Elend, das wir uns gegenseitig bereitet hatten.

Aber da war noch der Hass der frei gewordenen Sklaven. Nun fühlten sie sich als die Herren, denn jetzt waren sie stärker.

Wahrscheinlich waren sie auch aufgehetzt worden, gab es noch ganz andere Hintergründe. Eine bisher unterdrückte Masse war ja so leicht aufzuhetzen. Das war nur zu menschlich.

Wir sollten also unsere Waffen abgeben und ihnen überdies auch noch unsere Pferde überlassen. Als armseliger Haufen sollten wir zu Fuß weiterziehen und uns ihnen bedingungslos ausliefern.

Oh, diese Dummköpfe! Wir waren Texaner. Hatten diese frei gewordenen Sklaven noch nie etwas von Texanern gehört?

Ich wandte mich im Sattel um und sah in die bärtigen Gesichter meiner vierundzwanzig Reiter. Die Bärte konnten die Hohlwangigkeit ihrer Gesichter nicht verbergen. Doch ihre Augen funkelten.

Wir hatten einige Reservepferde und auch Packtiere bei uns, auch überzählige Waffen. Ja, wir würden diesen alten Mann auf ein Pferd setzen und ihm einen Säbel und einen Revolver in die Faust geben.

Und dann …

Ich zögerte noch. Denn wenn wir kämpften, würde es wieder Tote geben, würde abermals Blut fließen auf beiden Seiten.

Aber da sah ich hinter uns die Bande auftauchen. Sie kamen von zwei Seiten aus dem Wald auf die Wagenstraße, hatten uns an sich vorbeigelassen, um uns den Rückweg zu verlegen. Es waren an die vierzig Mann, die meisten zu Fuß, etwa ein Dutzend zu Pferde.

Sie johlten und zeigten uns drohend ihre Waffen. Doch nicht alle waren mit Gewehren bewaffnet. Einige trugen Mistgabeln, Sensen und selbstgefertigte Lanzen.

Wenn sie unsere Waffen und Pferde bekamen, würden sie sehr viel gefährlicher auf die nächsten Heimkehrer lauern können. Diese hatten dann kaum noch eine Chance gegen sie.

Ich seufzte voll Bitterkeit.

Dann gab ich die Befehle.

***

Wir griffen wieder einmal an, wie es die Texas-Brigade schon so oft getan hatte, die Zügel zwischen den Zähnen, den Säbel in der einen und den Revolver in der anderen Hand.

Etwa vierzig frei gewordene Sklaven versperrten uns den Weg nach Texas. Und wir schossen und schlugen uns durch sie hindurch. Die meisten waren betrunken und deshalb wie von Sinnen vor Hass und Wut.

Auch der alte John Fitzgerald ritt mit uns und kämpfte noch einmal wie ein Junger.

Doch dann bekam er eine Kugel mitten in die Stirn. Ich sah es mit einem raschen Seitenblick, weil sein Gesicht mir zugewandt war. Er fiel tot vom Pferd.

Wir ritten weiter. Denn wir durften nicht anhalten. Hinter uns kam ja die andere Hälfte der schwarzen Bande heran.

Wir entkamen.

Und nun ritten nur noch siebzehn Mann hinter mir, von denen einige schlimm verwundet waren. Wir machten uns aus dem Staub, denn wir wollten keinen Krieg mehr; wir hassten ihn zu sehr. Wir wollten heim.

Korporal Skinner – oha, er war gewiss ein harter Bursche – stieß einen Laut aus, der wie ein Schluchzen klang. Und er sagte dann fast wimmernd: »O Vater im Himmel, nimmt es denn gar kein Ende?«

»Es gibt keinen Vater im Himmel«, sagte eine andere Stimme böse. »Nur Narren glauben an ihn. Denn wenn es ihn gäbe, dann würde er nicht zulassen, dass wir Menschen uns immer wieder gegenseitig umbringen.«

***

Und so ritten wir dann durch Tennessee, durch das Blaugrashügelland, in dem die Feudalherren lebten, die reichen Sklavenhalter, die sich für Aristokraten hielten, zumindest wie solche lebten, herrliche Pferde züchteten und schöne Frauen ihr eigen nannten.

Hier hatten die Weißen schon Bürgerwehren gebildet, die Krieg gegen die Banden der nun frei gewordenen Sklaven führten, um ihre Familien zu schützen und ihren Besitz zu behalten.

Ja, es herrschte immer noch eine Art Krieg, und er würde erst enden, wenn die Unionstruppen als Besatzungsmacht kamen und für Ordnung sorgten.

Noch war es nicht soweit. Es konnte noch Wochen dauern. Immer wieder wurden wir aufgefordert, mitzukämpfen gegen den schwarzen Pöbel. Man versprach uns Sold, bessere Ausrüstung, ja sogar Land, wenn wir bleiben würden.

Doch keiner von uns blieb. Wir wollten heim nach Texas. Und wir überstanden auch einige Scharmützel mit schwarzen Banden ohne große Verluste.

So ritten wir weiter, Tag für Tag – und manchmal auch in den Nächten.

Das Land war immer noch eine Wüstenei.

Bald würde die Not noch größer sein. Denn es wurde nirgendwo gearbeitet. All die Plantagen und Pflanzungen, die Farmen, Baumwollspinnereien – und was sonst noch alles einmal zum Wohlstand des Landes beigetragen hatte, lagen brach.

Bald würde es den frei gewordenen Sklaven sehr viel schlechter gehen als zuvor, als sie noch im Besitz der weißen Feudalherren waren.

Man konnte diesen Widersinn kaum begreifen.

Sie waren frei und gerieten in immer größere Not. Denn niemand würde sich um sie kümmern oder sich für sie verantwortlich fühlen.

O Moses, wie verrückt war diese Welt!

Irgendwann ritten wir durch den so genannten Baumwollgürtel von Tennessee und erreichten irgendwo zwischen Memphis und Dyersburg den mächtigen Mississippi.

Auf der anderen Seite lag Arkansas.

Und wenn wir drüben waren, hatten wir den halben Weg geschafft, erst den halben Weg nach Texas. Oh, verdammt, wie weit das war!

Wir ritten flussabwärts, denn irgendwo musste es einen Ort mit einer Fähre geben. Oha, wir hatten zwar schon viele Gewässer auf unseren Pferderücken durchschwommen. Doch dieser gewaltige Strom war auf einem schwimmenden Pferd nicht zu bewältigen. Die Strömung war zu stark. Ein ständiger Wind verursachte kniehohe Wellen. Und das jenseitige Ufer war fast eine ganze Meile weit entfernt.

Wir mussten eine Fähre finden.

Als wir rasteten, fingen einige meiner Männer einige Fische, andere zündeten ein Feuer an und sorgten für die Glut zum Braten.