Über das Buch:
Die Premiere ihres Films ist ein voller Erfolg. Ist das der Durchbruch für Chase und Keith in Hollywood? Oder womöglich der Anfang vom Ende? Chase erkennt, was auf dem Spiel steht, und zieht unerwartete Konsequenzen. Keith ist fassungslos. Was hat Gott mit ihm und mit seinem Lebenstraum vor?
Auch die Träume von Andi liegen in Trümmern: ausgenutzt, alleingelassen – und schwanger. Sie sieht nur einen Ausweg ...
Für Bailey dagegen scheinen sich endlich alle Träume zu erfüllen: nicht nur im Studium, sondern auch privat.

Über die Autorin:
Karen Kingsbury war Journalistin bei der Los Angeles Times. Seit einiger Zeit widmet sie sich ganz dem Schreiben christlicher Romane. Sie lebt mit ihrem Mann, drei eigenen und drei adoptierten Kindern in Washington.

Kapitel 8

Bailey Flanigan schob den Einkaufswagen neben ihrer Mutter durch den Supermarkt. Ihre Vorratsschränke waren ziemlich leer, deshalb schoben sowohl Bailey als auch ihre Mutter einen Einkaufswagen. Ihre Mutter versuchte, nichts zu vergessen, das sie brauchten. Trotzdem erkundigte sie sich nach Baileys Leben, wie sie das immer machte, wenn sie zusammen waren.

„Hast du von Andi gehört?“

„Nicht viel.“ Bailey runzelte die Stirn. „Vier Packungen Blaubeeren?“

„Nimm lieber sechs. Die Jungen essen sie im Sommer schneller weg.“

Bailey nahm sechs Packungen und legte sie in ihren Wagen. „Ich habe das Gefühl, dass sie mir aus dem Weg geht.“

„Wegen der ganzen Sache mit Taz?“

„Ja. Mama, du weißt, wie sehr ich es versucht habe. Dieser Typ war so schlecht für sie. Jetzt hat er ihr das Herz gebrochen, und sie schottet sich noch mehr ab als vorher.“

„Vielleicht sollte sie bei uns einziehen. Damit sie zum Leben auf dem Campus Abstand bekommt.“

„Das wäre schön.“ An diese Möglichkeit hatte Bailey auch schon gedacht. Andi hatte sich nicht zu der Freundin entwickelt, die sie sich erhofft hatte, aber im Haus ihrer Eltern würden sie trotzdem eine Freundschaft aufbauen können.

Sie gingen durch den Gang mit den Tiefkühltruhen zur Obstabteilung. „Meinst du, dass sie dafür offen wäre?“

„Eigentlich nicht.“ Bailey wollte ehrlich zu sich selbst und zu ihrer Mutter sein. „Sie spricht kaum mit mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie bei uns einziehen will.“

„Das ist wirklich schade.“

„Ja. Sie braucht eine Freundin – jetzt, da es zwischen ihr und Taz aus ist.“ Bailey nahm drei Bündel Bananen und legte sie neben die Blaubeeren. „Manchmal frage ich mich, was ihr durch den Kopf geht und warum sie so abweisend ist.“

„Vielleicht Schuldgefühle.“

„Vielleicht.“

„Das ist schade.“

„Ja. Ich finde keine Möglichkeit, zu ihr durchzudringen.“

Baileys Mutter füllte eine Plastiktüte mit Tomaten und eine zweite mit Koriander. Jeden Sommer bereitete sie frischen Pico de gallo zu und stellte ihn in den Kühlschrank. Es gab diesen Tomatensalat zu fast allem, ob zu Fisch oder zu Truthahnsandwiches. „Erzähl mir von deinen Prüfungen.“

„Sie liefen ganz gut.“ Bailey zog die Nase kraus. „Ich mache mir ein wenig Sorgen wegen meines Statistikkurses. Die Fragen, die wir bekamen, hatten wir vorher nicht geübt.“ Sie unterhielten sich über die Noten, mit denen Bailey in diesem Semester rechnete, und die Kurse, die sie im Herbst belegen wollte. Sie waren schon fast bei der Kasse, als ihre Mutter sie vielsagend anschaute. „Und … wie läuft es mit Tim?“

Bailey seufzte und begriff, dass sie das immer machte. Sie seufzte jedes Mal, wenn jemand Tim erwähnte. Das hatte etwas zu bedeuten, nicht wahr? „Ich frage mich immer wieder, warum ich nicht mit ihm Schluss mache. Er ist nett, und wir haben viele gemeinsame Interessen.“

„Er kommt aus einer guten Familie.“

„Ja.“ Bailey schob ihren Einkaufswagen langsamer. „Aber viele Jungen kommen aus einer guten Familie. Das heißt nicht, dass ich mit ihnen zusammen sein muss.“

Ihre Mutter zögerte und hatte die Augen mehr auf Bailey gerichtet als auf das, was um sie herum geschah. Sie warf beinahe einen Wagen um, der von einer kleinen grauhaarigen Frau geschoben wurde. „Entschuldigung.“ Jenny hielt sich bestürzt den Mund zu. Dann tauschte sie mit Bailey einen Blick, und sie lachten leise. „Ich muss besser aufpassen, wohin ich laufe.“

„Das müssen wir beide.“

Dieses Mal richtete ihre Mutter den Blick nach vorne. „Also, Bailey? Warum bist du mit ihm zusammen?“

Diese Frage beschäftigte Bailey schon seit Monaten. „Wahrscheinlich, weil ich damals, als wir beim christlichen Kindertheater waren, so lange heimlich in ihn verliebt war.“ Ihr Herz wurde schwerer, als sie sich an der Schlange vor der Kasse anstellten. „Es ist so unkompliziert, mit Tim zusammen zu sein. Er ist sympathisch. Er teilt meinen Glauben. Und er ist der einzige Junge in meinem Leben. Sonst zeigt keiner Interesse an mir.“

Jenny begann, die Sachen aus ihrem Einkaufswagen auf das Band zu packen, aber sie zog eine Braue hoch und schaute Bailey mitfühlend an. „Das stimmt nicht.“

„Doch.“ Die Enttäuschung klang in ihrer Stimme deutlich mit. Vor ihrer Mutter musste sie keine Mauern aufbauen. Je älter sie wurde, umso mehr war ihre Mutter ihre beste Freundin. „Wenn Cody mich mögen würde, würde er etwas sagen. Er wartet auf die Frau seiner Träume. Das hat er mir selbst gesagt.“

Jenny nickte langsam und sagte nichts weiter zu dem Thema. Sie luden ihre Wagen fertig aus, wobei Bailey ihre Gedanken weiterwandern ließ. Sie würde Cody heute Abend so gern zu ihnen nach Hause einladen. Sie hatten vor, einen Footballfilm anzusehen – Gegen jede Regel. Und vorher würde ihre Mutter die berühmte Baxter-Enchilada-Pfanne zubereiten, nach einem Rezept, das sie vor Jahren von Ashley Baxter Blake bekommen hatte. Wahrscheinlich würden sie sogar eine Runde Pictionary spielen, bevor sie schlafen gingen. Cody würde ein solcher Abend gefallen. Tim musste sich immer noch von seiner Krankheit erholen und konnte deshalb nicht dabei sein, aber trotzdem konnte sie nicht einfach Cody anrufen und ihn einladen. Also tat sie das Einzige, was sie tun konnte.

Sie betete, dass Cody, wo er auch war, wissen würde, wie viel er ihr bedeutete. Und dass er ihr eines Tages offen sagen würde, welche Absichten er hatte, falls er wirklich Gefühle für sie spürte, wie ihre Mutter glaubte.

Bis dahin würde sich zwischen ihnen nichts ändern.

* * *

Ricky öffnete Cody mit einem Football in der Hand die Haustür. „Cody!“

„Wow, schau dich nur an!“ Cody sprang die Stufen hinauf und umarmte den jüngsten der Flanigans. „Du bist ja einen ganzen Kopf größer geworden!“

Ricky strahlte. „Ja, das glaube ich auch.“

„Du musst ja fast genauso groß sein wie deine Brüder.“

„Ich bin schon größer als Shawn und fast so groß wie Justin.“ Er blähte seinen Brustkorb auf. „Papa meint, ich werde bestimmt eins neunzig groß.“

Cody verkniff sich ein Lachen. „Das ist gut möglich, Ricky. Du bist auf jeden Fall der größte Zwölfjährige, den ich je gesehen habe.“

„Ja, und weißt du was? Ich spiele im nächsten Jahr als Quarterback in der Mannschaft der siebten Klasse. Ist das nicht stark?“

„Wow. Das ist wirklich stark, Ricky. Du wirst das super machen.“

Ricky zog Cody ins Haus. „Du musst unbedingt kommen und dir meine Spiele ansehen.“

Sie gingen durch einen offenen Flur in die Küche. Jedes Mal, wenn er hier war, wünschte sich Cody, er wäre nie von hier fortgegangen. Aber zur Armee zu gehen war das Beste gewesen, was er hatte tun können, auch wenn es mit hohen persönlichen Kosten für ihn verbunden gewesen war. Doch nun zahlte der Staat für sein Studium, und er hatte seinen Teil dazu beigetragen, um sein Land zu verteidigen. Das bereute er keinen Augenblick.

Die Küche war leer, aber durch eine Fensterfront konnte Cody Jim hinter dem Haus sehen. Er war ziemlich weit vom Haus entfernt und spielte mit Justin, Shawn, BJ und Connor Football. Alle Flanigan-Jungs spielten Football, auch wenn Connor, der schon siebzehn war, lieber Musik am Familienklavier komponierte, als sich auf dem Sportsender ein Footballspiel anzusehen.

„Komm, spiel mit!“ Ricky grinste, als er Cody den Ball zuwarf. „Jetzt können wir drei gegen drei spielen!“

Das liebte Cody so sehr an den Flanigans. Es spielte keine Rolle, dass er wochenlang oder monatelang nicht hier gewesen war. Sie behandelten ihn wie ein Familienmitglied und benahmen sich, als wäre es völlig natürlich, dass er hier war, und als wäre er nie ausgezogen. Er wollte Ricky fragen, wie es seinem Herzen ging und ob er wieder Herzrhythmusstörungen gehabt hatte. Aber er hatte das Gefühl, dass dafür jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war. Außerdem musste es Ricky körperlich gut gehen, wenn er vorhatte, im nächsten Jahr in der Schulmannschaft Football zu spielen. Darüber war Cody sehr froh. Er machte sich häufig Sorgen um den jüngsten Sohn der Flanigans.

„Komm!“, wiederholte Ricky seine Aufforderung, während er schon halb zur Hintertür hinaus war. Er hielt sich die Hände wie einen Trichter um den Mund. „Cody ist da“, brüllte er. „Jetzt können wir endlich richtig spielen!“

Cody sah sich um und lauschte, ob noch jemand im Haus war. Bailey war vor den Sommerkursen wieder nach Hause gezogen. Er fragte sich, ob sie jetzt daheim war, hörte sie aber nicht. Er war eigentlich nicht gekommen, um Football zu spielen, aber jetzt reizte ihn dieser Gedanke sehr. Er trainierte immer noch jeden Tag und bewegte sich auf seiner Unterschenkelprothese so viel, dass er jetzt besser laufen, schwimmen und Rad fahren konnte als vor seiner Kriegsverletzung. Heute trug er eine Jeans und Sportschuhe. Als er zu Jim und den Jungen hinausrannte, freute sich Cody, dass er nicht im Geringsten humpelte.

„Cody!“ Jim hob zur Begrüßung die Hand, und sein Gesicht strahlte genauso wie die Sonne am Himmel über Bloomington. „Schön, dich zu sehen!“

„Du spielst doch mit, oder?“ BJ kam atemlos angelaufen. „Wir brauchen schon den ganzen Nachmittag einen sechsten Mann.“

Cody lachte. „Ich bin dabei.“

Für ein Spiel im Garten ging es ziemlich wild und ehrgeizig zu, aber so spielten diese Jungs immer. Als ginge es bei jedem Spiel um den Super Bowl. Ricky war der Schlimmste; er beklagte sich über Fouls und diskutierte ständig, wenn er das Gefühl hatte, seine Mannschaft werde benachteiligt. Am Ende gewann Cody mit Justin und Connor. Ricky ließ den Kopf hängen, als sie ins Haus zurückgingen, aber nur für eine Minute. „Ich habe heute furchtbar gespielt.“

„Hey.“ Jim raufte die blonden Haare seines Sohnes und bedachte ihn mit einem strengen Blick. „Das stimmt nicht. Eine Mannschaft gewinnt und eine verliert, das ist immer so. Ihr habt alle gut gespielt.“

Ricky sah aus, als wollte er ihm widersprechen, unterließ es dann aber und lächelte zögernd. „Okay.“

Sie waren schon fast beim Haus, als Jim stehen blieb. Er stemmte die Hände in seine Seiten und rang immer noch nach Luft. „Geht mal ins Haus und schaut, ob Mama und Bailey schon zurück sind. Ihr könnt ihnen bestimmt helfen, die Einkäufe ins Haus zu bringen und das Essen vorzubereiten.“

Keiner der Jungs murrte. Sie gingen gemeinsam ins Haus, und die hitzige Wettkampfatmosphäre ließ bereits nach. Justin legte Ricky den Arm auf den Rücken. „Du warst heute gut. Wir hatten Glück, das war alles.“

„Gewonnen ist gewonnen.“ Sie grinsten sich an, und eine Minute später waren alle im Haus.

Cody schaute ihnen fasziniert nach. Eine solche Familie wünschte er sich auch eines Tages. Die Kinder waren Freunde. Cody atmete tief ein und langsam wieder aus. Die Sonne blendete ihn, als er Jim mit zusammengekniffenen Augen ansah. „Wie lang hat es gedauert, bis sie sich so nahestanden, nachdem ihr die Kinder adoptiert hattet?“

„Die Adoption war eine Entscheidung der ganzen Familie.“ Jim hatte den Football in der Hand. Er warf ihn in die Luft und fing ihn auf, ohne den Blick von Cody abzuwenden. „Wir haben uns fest vorgenommen, kein Mitleid mit unseren neuen Jungs aus Haiti zu haben. Dadurch bekamen sie die gleiche Liebe, und wir stellten an sie die gleichen Erwartungen wie an unsere leiblichen Kinder.“ Er zuckte die Achseln. „Und wir haben viel gebetet. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich diese Kinder irgendwann nicht nahegestanden hätten.“

„Ich habe mir darüber wahrscheinlich nie große Gedanken gemacht, als ich bei euch wohnte.“ Cody hielt sich die Hand als Sonnenschild an die Stirn. „Ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt.“

„In deinem Leben war ja auch einiges los.“

Cody hatte nicht damit gerechnet, dass er Zeit mit Jim allein hätte, aber jetzt, da sie hier zusammen waren, bot es sich an, ihm zu sagen, was ihm auf dem Herzen lag. Sein Atem ging wieder normal, und sein Körper hatte sich nach dem Spiel wieder abgekühlt. „Hast du eine Minute Zeit? Um zu reden, meine ich?“

„Klar.“ Jim zögerte nicht. Er war einer der begehrtesten Profifootballtrainer des Landes, er hatte ein Haus voller Kinder, und heute war einer seiner wenigen freien Tage. Aber er zögerte keinen Moment, als Cody ihn fragte, ob er Zeit für ihn habe. Das war Jim Flanigan. Er warf einen kurzen, angeschnittenen Pass, sodass der Football neben der Hintertür landete. Dann forderte er Cody mit einem Kopfnicken auf, ihm zu folgen. „Gehen wir spazieren. Ich will sehen, wie der Weg durch den Wald aussieht. Manchmal ist er im Frühling überwuchert.“

Cody ging neben ihm her. „Ich habe mir viele Gedanken über meine Zukunft gemacht und darüber, was ich mit meinem Leben anfangen will.“

„Das freut mich.“ Jim grinste ihn an. „Die Schlacht ist schon halb gewonnen, wenn man sich darüber Gedanken macht. Zu viele Jugendliche machen das nicht.“ Jim ging langsam weiter und war ganz auf Cody konzentriert. In der Ferne hallte das Klopfen eines Spechts im Wald wider, aber ansonsten war kein Geräusch zu hören. Nicht einmal ein leichter Wind, der in den frischen Sommerblättern rascheln würde. „Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“

Cody kniff die Augen zusammen und schaute zum blauen Himmel hinter den Zweigen hinauf. „Ich muss immer an etwas denken, das du mir vor langer Zeit gesagt hast, als ich hier wohnte. Du hast gesagt, dass das Leben keine Generalprobe sei und dass es wichtig sei, in der kurzen Zeit, die wir haben, Freude zu finden.“

„Ja.“ Jim nickte langsam. „Das sage ich allen meinen Kindern.“

„Du hast gesagt, dass die Freude in erster Linie dadurch kommt, dass man den Herrn kennt und eine persönliche Beziehung zu Jesus hat.“

„Auf jeden Fall.“

Der Weg vor ihnen sah aus, als müsste man die Sträucher zurückschneiden, aber es war noch genug Platz, um durchzukommen. „An zweiter Stelle, sagtest du, kommt die Freude durch deine Familie. Es ist also wichtiger, wen man heiratet, als welchen Beruf man ausübt.“

„Das stimmt.“ Sein Lächeln war entspannt. „Die Arbeit kommt und geht.“

„Ja.“ Cody konnte sich an das Gespräch erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. Jim Flanigan hatte ihm mehr Ratschläge für sein Leben gegeben als jeder andere, den er kannte. „Und du sagtest, Freude komme daher, dass man so wenige Schulden wie möglich hat. Dass man innerhalb seiner finanziellen Grenzen lebt.“

„Das ist sehr wichtig.“

„Und als letzten Punkt hast du mir gesagt, dass zu einem glücklichen Leben gehört, dass man seinen Beruf liebt.“

„Unbedingt.“ Jim atmete tief ein und ließ die Schönheit, die ihn umgab, auf sich wirken. „Wenn du dein Leben lang das tust, was du liebst, wirst du es nie bereuen. Unabhängig davon, wie viel Geld du damit verdienst.“

„Genau.“ Cody liebte solche Gespräche mit Jim. „Ich habe daran gedacht, Rettungssanitäter zu werden, und ich habe überlegt, Jura zu studieren. Ein großer Staatsanwalt zu werden wie die Typen im Fernsehen.“ Er schmunzelte, und Jim grinste ebenfalls. „Ein schnelles Auto fahren und in einem schönen Haus wohnen. Solche Sachen.“

Jim legte den Kopf schief und zog eine Braue in die Höhe, während sein Grinsen einem warnenden Blick wich. „Materieller Reichtum kann eine Falle sein. Als Jenny mich heiratete, war ich ein armer Lehrer. Das war für uns beide okay.“

„Genau das Gleiche habe ich in letzter Zeit auch gedacht.“ Cody blieb stehen und schaute Jim an. „Ich glaube, ich will Footballtrainer werden. Ich will als Trainer mein Geld verdienen.“ Cody machte sich damit, dass er seine Träume verriet, verwundbar. Er war nicht sicher, ob Jim ihn für verrückt halten würde, weil er auch nur daran dachte, dass er das Talent zum Trainer haben könnte. Aber bevor er ihm die Sache genauer erklären konnte, nickte Jim zustimmend.

„Ich habe dich am Spielfeldrand im Umgang mit unseren Jungs gesehen. Ich glaube, du wärst ein Naturtalent, Cody. Wenn du Trainer werden willst, dann probier es aus. Arbeite im Trainerteam an der Clear Creek High mit. Wenn es dir nicht gefällt, suchst du dir etwas anderes. Aber wenn du es nie probierst, kann es sein, dass du dir die Chance entgehen lässt, etwas zu machen, das dir wirklich viel Spaß machen könnte.“

„Wirklich?“ Bei jedem Wort, das Jim sagte, wurde Cody leichter ums Herz. „Vielleicht sogar für die nächste Saison?“

„Natürlich. Du bist jung. Jünger, als ich es war, als ich als Trainer anfing. Wenn du es ausprobieren willst, dann tu es gleich. Es könnte dein Leben verändern.“

Cody war ganz aufgeregt. War das möglich? Dass er schon im Herbst als Trainer an der Clear Creek High mitarbeiten könnte? Er richtete sich ein wenig auf und war plötzlich in Bezug auf seine Zukunft so aufgeregt wie schon ein ganzes Jahr nicht mehr. Sie gingen ein Stück weiter, und Jim wechselte das Thema. „Wie steht es um deinen Glauben, Cody? Hast du eine gute Beziehung zu Jesus?“

„Auf jeden Fall.“ Er erzählte Jim von dem Wochenende mit Campus für Christus und dass es ihm gutgetan hatte, in der Bibel zu lesen und Gott um Führung für sein Leben zu bitten. „Das ist einer der Gründe, warum ich mit dir sprechen wollte. Der Herr hat mir an dem Wochenende klargemacht, dass ich versuchen sollte, als Trainer zu arbeiten. Dafür schlägt mein Herz.“

„So war es bei mir auch.“ Jim grinste und klopfte Cody auf den Rücken. „Ich bin froh, dass du gekommen bist.“ Sie kehrten um und schlenderten zum Haus zurück. „Bailey war auch bei dem Wochenende.“

„Ja.“ Cody sprach nie gern mit ihrer Familie über Bailey. Er war sich nicht sicher, was sie in Bezug auf Tim Reed dachten, aber immerhin war er Baileys Freund. Das wussten alle. „Wir haben uns unterhalten. Es war nett, sich so zu treffen.“

Jim verlangsamte sein Tempo und schaute Cody jetzt durchdringender an. „Sie mag dich sehr.“ Er sah aus, als würde er vielleicht mehr sagen, aber dann unterließ er es. „Wahrscheinlich mehr, als du ahnst.“

„Das … das höre ich gern.“ Cody hätte gern mehr gesagt. Er wollte fragen, warum Bailey, wenn sie ihn so gernhatte, mit Tim zusammen war. Aber diese Frage konnte er unmöglich ihrem Vater stellen. Cody wollte auf keinen Fall, dass ihre Beziehung negativ belastet wurde. Deshalb wechselte er wieder das Thema. „Würdest du bitte für meine Mutter beten? Sie benimmt sich sonderbar. Ich mache mir Sorgen um sie.“

Jim schaute ihn besorgt an. „Ist sie noch clean?“

„Das weiß ich nicht genau. Der Freund, den sie jetzt hat, gefällt mir nicht. Und sie wirkt die ganze Zeit so nervös. Ich fürchte, sie steht kurz davor, wieder rückfällig zu werden.“ Cody schaute ein paar Sekunden auf den Boden. „Ich kann sie nicht daran hindern, aber ich würde es gern versuchen.“

Jim nickte verständnisvoll. „Ich werde es Jenny sagen. Wir beten für sie.“ Er legte den Arm um Codys Schultern. „Lass es uns wissen, wenn wir sonst etwas tun können.“

„Ja.“ Codys Kehle schnürte sich zusammen. Es tat gut, dass Jim ihn wie einen Sohn behandelte, aber er spürte auch, dass seine Mutter bald in die nächste Krise schlittern würde. Er war Jim sehr dankbar, dass er sich jetzt Zeit für ihn nahm. Als sie beim Haus ankamen, umarmte Cody Jim herzlich. „Danke, dass du mir zugehört hast.“

„Bleib doch zum Essen.“ Jim nahm den Football und öffnete die Hintertür. „Ich rufe Ryan Taylor an und frage ihn, ob er im Sommer noch einen Assistenten brauchen kann.“

Cody konnte das kaum glauben. „Das ist nicht nötig.“

„Ich will es aber machen. Du bist den ganzen Sommer hier, nicht wahr?“ Sein Lächeln war freundlich und mitfühlend.

„Ja.“

„Okay. Dann kannst du den Sommer auch auf einem Footballfeld verbringen.“

Cody grinste und war ihm erneut sehr dankbar. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Jim so schnell aktiv werden würde. Ryan Taylor war Assistenztrainer an der Clear Creek High gewesen, als Cody dort gespielt hatte und Jim noch Cheftrainer gewesen war. Diese Stelle hatte er übernommen, nachdem er sich aus der NFL zurückgezogen hatte. Aber als die Colts Jim engagierten, hatte Ryan seinen Platz an der Highschool eingenommen. Cody folgte Jim ins Haus.

Im Haus herrschte ein fröhliches Chaos, wie immer bei den Flanigans. Bailey und Jenny packten die Einkaufstaschen aus, während die Jungen die Sachen ins Haus schleppten. Jenny entdeckte ihn zuerst. „Cody! Die Jungen haben schon gesagt, dass du da bist!“ Sie blies sich eine Haarsträhne aus den Augen. „Man könnte meinen, wir hätten für einen ganzen Monat eingekauft.“

Dann schaute Bailey ihn an. Sie sagte stumm Hallo, während ihre Augen im Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel, funkelten. „An der Kasse sieht man uns immer komisch an.“ Sie holte fünf überdimensionale Eierkartons aus einer Tüte. „‚Sie haben bestimmt eine Kindertagesstätte‘, bekommen wir zu hören, oder manchmal: ‚Was in aller Welt machen Sie mit so vielen Eiern?‘“ Bailey legte ihrer Mutter kichernd eine Hand auf die Schulter. „Wie viele Eier haben wir für eine Woche ausgerechnet?“

„Hundertacht Eier jede Woche.“ Jenny lachte. „Es sei denn, wir haben am Wochenende Besuch. Dann können es auch mehr sein.“

„Als ich hier wohnte, waren es eindeutig mehr.“ Cody trat in die Küche und begann, eine der Tüten auszuleeren, die auf der Arbeitsplatte standen. Sie halfen alle zusammen, während Jenny die verführerisch duftende Enchiladapfanne zusammenmischte und in den Ofen stellte. Als alles ausgepackt war und das Chaos aus zwei Dutzend Plastiktüten weggeräumt war, als das Toilettenpapier in die vielen Badezimmer der Flanigans verteilt war und die Putzmittel ebenfalls in alle Räume gebracht worden waren, bedeutete Cody Bailey, ihm ins Klavierzimmer zu folgen.

Sie kam seiner Bitte nach. Als sie dort waren, stellte er ihr ohne Umschweife seine Frage. „Ich hätte vorher fragen sollen.“ Er schaute sie prüfend an, um zu sehen, ob es sie vielleicht störte, dass er hier war. „Kommt Tim heute Abend? Immerhin ist heute Freitag.“

„Nein. Heute Abend nicht.“ Sie konnte ihm ins Herz sehen. „Er ist immer noch nicht ganz gesund.“

„M-hm.“ Cody nickte, zeigte aber nicht, wie glücklich ihn das machte. „Also … kann ich hierbleiben?“

„Natürlich.“ Sie umarmte ihn schnell und impulsiv. „Ich freue mich, wenn du da bist. Es ist wie … ich weiß auch nicht.“ Sie trat zurück und schaute ihm fragend in die Augen. „Wie früher.“

Er wollte gern sagen, dass es ihm genauso ging, dass er sich so zu Hause fühlte wie sonst nirgends und dass sie das einzige Mädchen war, mit dem er bis ans Ende seines Lebens jeden Freitagabend verbringen wollte. Aber das sagte er weder jetzt noch später, als sie sich am Esstisch Geschichten erzählten, oder danach, als sie Pictionary spielten. Wie üblich sorgte Bailey dafür, dass sie während des ganzen Spiels lachen mussten.

Das gesuchte Wort war SpuSi, und Bailey zeichnete den Begriff für Cody und Ricky. Sie begann mit etwas, das wie ein Stiefel aussah, dann fügte sie sorgfältig etwas in der Nähe der Ferse hinzu, das wie eine Spitze aussah.

„Was ist denn das?“ Ricky schnippte mit den Fingern und war frustriert, weil ihm das Wort nicht einfiel. Er war bei Brettspielen genauso ehrgeizig wie beim Football.

Ihnen gegenüber saßen Baileys Brüder und ihre Eltern und grinsten. Keiner von ihnen zeichnete. Sie konnten also alle gemütlich zusehen, wie Bailey versuchte, etwas auf das Papier zu bringen. Cody wusste, in welche Richtung Rickys Vermutung ging, und rief schnell, was die Antwort sein musste: „Stiefel. Cowboystiefel.“

Bailey schüttelte den Kopf, bedeutete ihnen aber, dass sie nahe dran seien. Dieses Mal zeichnete sie einen sehr spitzen Pfeil, der direkt auf das sporenähnliche Ding gerichtet war. Sie war damit zehn Sekunden beschäftigt, doch dann war die Zeit abgelaufen. Sie stöhnte laut und warf die Hände in die Luft. „Ich habe es perfekt gezeichnet.“

Das Gelächter von der anderen Tischseite wurde lauter. Alle außer Baileys Team hatten die Karte schon gesehen.

Bailey schaute sie an, als wäre sie beleidigt, dann hielt sie das Bild hoch, damit Cody und Ricky es besser sehen konnten. Sie deutete auf den Gegenstand, der an der Ferse des Stiefels befestigt war. „Da ist es doch. SpuSi. Das sieht doch jeder.“

Cody schaute Jim und Jenny fragend an, die beide die Achseln zuckten. Gleichzeitig warfen sich Justin und BJ auf den Boden und hielten sich vor Lachen den Bauch. „Im Ernst?“ Cody schaute Bailey an. „Das Wort lautet SpuSi?“

„Wow.“ Ricky schlug sich an die Stirn. „Selbst ich weiß, was eine SpuSi ist.“ Sein Lachen klang leicht frustriert. „Ehrlich, Papa? Kann sie nicht in eurer Mannschaft mitspielen?“

„Was ist denn?“ Bailey betrachtete ihre Zeichnung. „Das ist kein SpuSi?“

Jenny hatte schließlich Mitleid mit ihr. „SpuSi ist die Abkürzung für Spurensicherung, Schatz. Nicht etwas, das man an seinem Stiefel befestigt wie einen Sporn.“

„Es sei denn“, lachte Cody, „du bist im Wilden Westen und hast an deinem Stiefel eine Leiche aus der Stadt geschleift. Dann wird sicher auch die SpuSi kommen.“

Bailey schaute das Bild stirnrunzelnd an. „Spurensicherung? Im Ernst?“

„Im Ernst!“ Ricky hatte es aufgegeben, für diese Runde irgendwelche Punkte bekommen zu wollen. Er klopfte seiner Schwester auf den Rücken, als hätte er Mitleid mit ihr. „Schaust du dir denn nie Krimis an? In jeder Sendung hilft die SpuSi bei der Aufklärung der Morde. Und um Stiefel geht es darin nie.“

Selbst Bailey musste jetzt lachen. Es blieb den ganzen Abend ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, doch am Ende gewannen Jenny, BJ und Connor.

„Nur weil Connor aus unserer Familie am besten zeichnen kann.“ Ricky zuckte die Achseln und bemühte sich, sich von der Niederlage nicht unterkriegen zu lassen. „Wenigstens schauen wir uns jetzt den besten Film aller Zeiten an.“

Das taten sie. Sie feierten mit den Titans und wischten sich am Ende Tränen aus den Augen, als einer der Starspieler bei einem Verkehrsunfall starb. Einen solchen Abend hatte Cody viel zu lange nicht mehr erlebt. Er wollte sagen, dass er jeden Freitag kommen würde, aber das war unmöglich. Deshalb genoss er diesen Abend in vollen Zügen, da er nicht sagen konnte, wann er wieder einen solchen Abend erleben würde.

Bevor er ging, trat Jim zu ihm an die Küchenspüle, wo er sein Wasserglas auffüllte. „Ich habe vor dem Film mit Ryan gesprochen. Er sagt, dass er dich gern in seinem Trainerteam hätte. Sie sind am Montag um fünfzehn Uhr auf dem Trainingsplatz und freuen sich auf dich, falls du es schaffen kannst zu kommen.“

Cody dachte daran, dass er gerade erst noch ein Spieler gewesen war, der im Sommertrainingslager trainierte und vom Beginn der Herbstsaison träumte. Jetzt würde er Trainingspläne und Spielstrategien mitentwickeln. Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte er sich ein Grinsen nicht verkneifen können. „Das macht ihm nichts aus?“

„Er freut sich. Er sagte, dass er einen Quarterback-Trainer gut gebrauchen kann.“ Jim schlug Cody auf die Schulter. „Du warst einer der Besten an der Clear Creek High.“

Das Kompliment war der perfekte Abschluss eines perfekten Abends. Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten über Ryans Trainingsstil und dass Cody gut beraten wäre, wenn er am Anfang erst einmal aufmerksam zusehen würde. Danach begleitete Bailey ihn zur Haustür. Er stieß sie mit dem Ellbogen an, als sie durch den Flur gingen. „Ich bin froh, dass du nicht zur Polizei gehen willst.“

„Vielleicht sollte ich das machen.“ Sie grinste ihn an. „Wenigstens weiß ich jetzt, welche Abkürzung die Spurensicherung hat.“

„Und dass sie nichts mit Stiefelsporen zu tun hat.“

„Das ist richtig.“ Sie lachte laut. „Das auch.“

Sie kamen zur Tür. Cody hatte den überwältigenden Wunsch, sie zu küssen. Wäre es so, wenn er mit ihr zusammen wäre? Könnte er dann Abend für Abend bei den Flanigans verbringen? Etwas Schöneres konnte er sich nicht vorstellen. Aber sobald ihm dieser Gedanke kam, wurde er von einer anderen Realität verdrängt. Bailey hatte ihre Wahl getroffen. Wenigstens vorerst. Und die Wahl war nicht auf ihn gefallen.

„Es war heute Abend sehr schön.“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen und trat einen Schritt auf die Tür zu.

„Ja, mir hat es auch gefallen.“ Bailey kam näher. „Du solltest öfter kommen.“

Er wollte sie nach Tim fragen. Was würde ihr Freund dazu sagen, wenn Cody die Freitagabende bei ihrer Familie verbringen würde? Aber das war sinnlos. Nichts an Baileys und Tims Beziehung ergab einen Sinn. Es würde ihn nur noch mehr verwirren, wenn er nach ihm fragte. Deshalb lächelte er nur. „Wir werden sehen.“ Er versuchte, sich zu verabschieden, ohne sie zu umarmen. Ihre Nähe war mehr, als er ertragen konnte. Besonders, nachdem er den ganzen Abend mit ihr zusammen gewesen war.

Aber sie hob den Abstand auf und legte die Arme um seinen Hals. Ihre Umarmung dauerte länger als jede andere, seit sie wieder Freunde waren.

„Komm wieder, Cody“, flüsterte sie in sein Ohr. „Ich brauche dich. Wir alle brauchen dich.“ Sie trat zurück, aber nur so weit, dass sie ihm in die Augen schauen konnte.

Wenn sie so nahe vor ihm stand, konnte er ihren Kuss auf seinen Lippen fast fühlen, konnte er sich vorstellen, wie es wäre, sie in den Armen zu halten. Aber bevor er seine Selbstbeherrschung verlor, biss er die Zähne zusammen und entzog sich ihren Armen. „Ich werde es versuchen.“ Er bemühte sich um eine gleichgültige Miene. „Ich brauche euch auch.“ Er trat auf die Veranda hinaus und winkte noch kurz. „Bis bald, Bailey.“

Sie antwortete ihm nicht. Erst als er schon bei seinem Auto war und die Tür öffnete, hörte er sie sagen: „Du begreifst es nicht, nicht wahr?“

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Was?“

„Nichts.“ Sie verschränkte die Arme vor sich und ging ins Haus zurück. „Mach’s gut, Cody.“

Er winkte wieder, stieg in sein Auto und fuhr langsam auf die Straße. Es war ein herrlicher Abend gewesen. Sein Spiel mit den Jungen und sein Gespräch mit Jim. Dass Ryan Taylor ihn am Montagnachmittag auf dem Trainingsplatz treffen wollte. Das Lachen mit Bailey. Die Wohnung, in der er mit drei anderen Studenten wohnte, würde ihm nach den Stunden bei den Flanigans sehr einsam vorkommen. Der Abend war perfekt gewesen. Er dachte an Tim Reed, der zu Hause war und seine Krankheit auskurierte.

Okay, fast perfekt.

Je näher er seiner Wohnung kam, umso weniger kreisten seine Gedanken um den Abend, sondern immer mehr um Baileys letzte Worte. Was konnte sie damit gemeint haben? Du begreifst es nicht? Falls sie das wirklich gesagt hatte, irrte sie sich. Natürlich begriff er es. Auch wenn es noch so schön war, mit ihr zusammen zu sein, und auch wenn er noch so gut in ihre Familie passte, hatte Bailey einen Freund. Punkt.

Was gab es da noch zu begreifen?