Auf die andere Art

Phoebe Ann Miller

© 2015 Amrûn Verlag
Jürgen Eglseer, Traunstein


Covergestaltung: Claudia Toman

Lektorat: Maria Engels

Korrektorat: Jessica Idczak

Alle Rechte vorbehalten


ISBN – 978-3-95869-082-0


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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar







Für all jene, die sich vor unlösbaren Problemen glauben – es gibt eine Lösung, man muss sie nur sehen.

Kapitel 1

»Charlotte?«

Ich sah von der Arbeit auf. Vor meinem Schreibtisch stand meine Kollegin und beste Freundin Sandra.

»Hi!«, lächelte ich und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, bereit für ein kleines Pläuschchen; die Pause würde mir gut tun.

Allerdings erwiderte sie mein Lächeln auf eine Weise, von der ich wusste, dass sie etwas von mir wollte.

»Könntest du mir helfen, ein paar Ordner aus dem Archiv zu holen?«, fragte sie tatsächlich mit unschuldigem Blick. »Archer meint, ein paar alte Fallakten könnten ihm bei seinem aktuellen Mandanten behilflich sein.«

Ich grinste und nickte. »Klar.«

Sie wirkte erleichtert und gemeinsam begaben wir uns in den Keller und suchten die gewünschten Akten heraus. Währenddessen unterhielten wir uns über die Arbeit, bis Sandra sich erkundigte: »Hast du eigentlich den Nachfolger von Mayer schon gesehen?«

Ich verneinte. »Er hat morgen einen Termin bei Albert, da werde ich ihn wohl kennenlernen.«

Sie blickte mich verschmitzt an. »Dann pass auf, dass du keinen Zuckerschock bekommst – er ist echt süß!«

Das ließ mich mit den Augen rollen. »Sandra, man lässt sich nicht mit Kollegen ein, und mit dem Boss kann es erst recht schwierig werden. Halt deine Libido einmal in Zaum.«

So sehr ich sie auch mochte, ihr Männerverschleiß war für mich unbegreiflich. War ein Mann attraktiv, stand er zu 90% auf ihrer Liste. Zum Glück bot die Kanzlei, in der wir als Assistentinnen arbeiteten, nicht allzu viel für ihren Geschmack – vorwiegend ältere Anwälte oder zu junge Praktikanten. Sonst wäre sie sicher bereits in Teufels Küche gelandet.

Als Antwort bekam ich eine herausgestreckte Zunge. »Er wird dein Boss sein, wenn Mayer geht, nicht meiner.«

Ein strenger Blick meinerseits und sie gab seufzend nach. »Musst du immer Recht haben?« Kurz darauf grinste sie. »Er wird eh keine Zeit für Frauen haben – der Kilmer-Fall wird ihn völlig auslasten. Und nicht nur ihn.«

Ich nickte. Uns standen viele Überstunden bevor, ein Grund, weshalb mein Chef Albert Mayer, der sich bald in den Ruhestand verabschiedete, seinen Nachfolger eher zu uns holte: Er sollte sich einarbeiten, Albert entlasten und uns helfen – wir würden jede Unterstützung benötigen, die wir kriegen konnten.

Als wir die gesuchten Unterlagen hatten, gingen wir langsam, beladen wie Packesel, zu Sandras Schreibtisch. Sie stellte ihre Ordner ab, ich meine darauf – und brachte damit alles zum Einsturz. Verärgert bückte ich mich nach den heruntergefallenen Akten und losen Blättern, die aus manchen herausgefallen waren. Als ich sie auf ihren Platz legte, spürte ich ein Kribbeln im Nacken. Verwundert schaute ich mich um. Erst fand ich keinen Grund, wollte mich schon wieder abwenden, als mir ein unbekannter Mann auffiel, der vor der Personalküche stand. Er sah ernst in unsere Richtung, wie in Gedanken vertieft, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass sich sein Blick in mich bohrte, und ich war mir sicher, dass er uns beobachtet hatte. Neugierig musterte ich ihn: Kurzgeschorene Haare, warme Augen, hochgewachsene, muskulöse Figur. Sein Anzug war schwarz, dazu trug er eine Krawatte, die gut mit der Farbe seiner Augen harmonierte. Als er merkte, dass ich ihn betrachtete, lächelte er mich schief an und wandte sich ab.

Ich schüttelte den Kopf. Sandra bemerkte die Geste, während sie die restlichen Ordner auf ihren Platz stellte – ohne Katastrophe. Sie sah mich fragend an.

Ich winkte ab. »Da hat uns nur so ein Kerl beobachtet.« Ich nickte in die Richtung des Unbekannten.

Sandra folgte der Bewegung und lächelte plötzlich. »Ahaaaaa!«

Mir waren wohl die Fragezeichen über den Kopf anzusehen, denn sie griff nach meinem Handgelenk und zog mich in Richtung des Fremden, der sich gerade mit ihrem Boss, Theo Archer, unterhielt. Der bemerkte uns und unterbrach sein Gespräch. »Ah, wenn man vom Teufel spricht, kommt er gelaufen.« Er lachte und sein Gesprächspartner wandte sich uns zu. Sandra ergriff sogleich das Wort. »Theo, Sie entschuldigen die Unterbrechung? Ich wollte nur die Gelegenheit nutzen und Mr. Webster kurz seine zukünftige Assistentin vorstellen.«

Archer nickte freundlich. »Wir haben gerade von euch beiden gesprochen.« Er stellte uns einander vor. »Dominic, das ist Charlotte Kendrick, die an der Seite von Albert arbeitet. Charlotte, ihr baldiger Chef, Dominic Webster.«

Die Fragezeichen lichteten sich und ich ergriff die mir dargebotene Hand und schüttelte sie.

»Mr. Webster, ich freue mich, Sie kennenzulernen! Wir sind alle sehr gespannt auf Sie.«

»Danke, Ms. Kendrick. Albert hat mir schon viel von Ihnen erzählt und ich hoffe, wir beide werden ein ebenso gutes Team abgeben.«

Ich lächelte geschmeichelt, meine Hand immer noch versunken in seiner. »Wir werden uns sicher bald näher kennenlernen.«

»Darauf freue ich mich.« Er entließ mich aus seinem Griff, was ich gleich dazu nutzte, uns zu verabschieden: »Nun, wir möchten gar nicht länger stören. Ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns!«

Ich nickte Archer zu und schnappte mir diskret Sandra, die schon wieder das Flirten anfangen wollte. »Wenn Sie irgendetwas brauchen–«

»Dann wird er sich an mich wenden«, sagte ich schnell und zog sie hinter mir her. Als wir außer Hörweite waren, fuhr ich sie an: »Herrgott, Sandra, was hatten wir im Keller ausgemacht?«

»Jaaaaa, ich weiß. Aber sieh dir nur mal diesen Mann an!« Sie kaute auf ihrer Lippe, während sie über die Schulter zurücksah. »So muskulös und groß. Er ist bestimmt über 1.90! Und diese Augen!«

Ich verfrachtete meine schmachtende Freundin auf ihren Stuhl. »Aus jetzt! Du hast zu tun.« Ich drehte mich um und registrierte erleichtert, dass sie Webster von ihrem Platz nicht mehr sehen konnte. Ich wandte mich wieder Sandra zu. »Und ich auch. Albert wird sich sicher schon fragen, wo ich bin. Mach deine Arbeit fertig und zuhause nimmst du eine kalte Dusche!«

Mit diesen Worten entfernte ich mich und ließ sie sitzen.

Auf dem Weg nach Hause dachte ich darüber nach, ob Sandra meinen Rat ernstgenommen hatte. Sie war aufgedreht und quirlig, probierte Männer aus wie andere Kleidung, ungeachtet der Konsequenzen. Ich wusste, dass sie auf der Suche nach der großen Liebe war, aber ich hatte so ein Gefühl, dass Webster das nicht sein würde – und meinem Instinkt konnte ich meistens trauen.

Als die Sonne sich dem Horizont näherte, kam ich am Brewer Lake an und genoss die letzten Sonnenstrahlen über dem zugefrorenen See. Es war eiskalt, typisch für Anfang Januar, und so musste ich langsam fahren, doch das störte mich nicht. Es bot mir die Möglichkeit, den Anblick aufzusaugen, der sich mir zwar oft bot, von dem ich aber nie genug bekam. Ich liebte es, hier draußen zu wohnen. Liebte die Ruhe, den See und mein Zuhause, das mir all das bot. Es war mir egal, dass ich täglich zwanzig Minuten bis nach Bangor fahren musste. Nie würde ich das Landleben gegen die Stadt tauschen und selbst wenn ich eine Stunde Fahrt in Kauf nehmen müsste. Unser Heim lag am Ende einer langen Straße, die direkt am Brewer Lake entlangführte, gesäumt von großen Häusern und Wald um sie herum. Nach einer letzten Kurve kam unseres in Sicht. An manchen Tagen wurde man von den hohen Fenstern geblendet, die die Vorderseite säumten. Mein Mann Jason und ich hatten es selbst geplant, so fügte es sich wunderbar in die natürliche Umgebung ein. Es hatte uns viel Arbeit und Nerven gekostet, doch nichts wäre perfekter für mich. Hier fühlte ich mich wohl. Die Einfahrt vor unserem Haus war freigeschaufelt. Ich lächelte, stellte das Auto ab und stapfte durch den Schnee, der den Rasen knöchelhoch bedeckte, zur Veranda. Ich hüpfte die zwei Stufen hinauf und gerade als ich die Tür aufsperren wollte, bemerkte ich eine Bewegung neben mir. »Hey, Babe!«

Ich erschrak und fuhr herum. »Was sitzt du denn im Dunkeln herum?«, fauchte ich Jason an, der auf unserer Hollywoodschaukel saß und mich angrinste.

»Ich hab auf dich gewartet, was sonst?« Er stand auf und nahm mich fest in den Arm. Verflogen war der Ärger und es breitete sich vertraute Wärme in meinem Bauch aus.

»Es ist kalt hier draußen«, flüsterte ich und schmiegte mich an ihn.

»Nicht bei der Vorfreude auf dich.« Seine Lippen glitten über mein Ohr, folgten meinem Hals und küssten mich dort, wo der Wintermantel anfing.

»Komm, Essen wartet.«

Ich zog meine Straßenkleidung im Flur aus, während Jason in die geräumige Wohnküche ging und das Essen aus dem Ofen nahm. Ich beeilte mich, um den Tisch zu decken.

»Wein?«, fragte er und ich nickte.

»Wie war dein Tag?«, erkundigte er sich, nachdem wir uns gesetzt hatten.

»Ganz gut. Ich habe den Neuen kennengelernt.« Ich schob mir eine Gabel Spaghetti in den Mund.

»Was, heute schon?« Jason nahm sein Glas und spülte seinen Bissen herunter.

»Ja, er hatte wohl ein Vorgespräch mit den Anwälten. Sandra hat ihn vor mir entdeckt.«

Er grinste. »Welch Überraschung. Wie ist er so?«

Ich zuckte die Schultern. »Scheint ganz nett zu sein, ich hab ihn nur kurz gesprochen. Morgen hat er einen Termin bei Albert, da werde ich ihn sicher besser kennenlernen.«

»Der erste Eindruck zählt, Baby.«

Der war seltsam gewesen. Wie er mich so angestarrt hatte. Doch das sprach ich nicht aus.

»Wir werden sehen. Wie läuft’s mit dem Manuskript?«

»Gut, sehr gut. Die Wörter fließen nur so.« Er wirkte zufrieden und ich freute mich.

»Das wird Jeffrey sicher gern hören.«

»Ach, Verlegern geht es doch nie schnell genug.«

Ich schmunzelte. »Nicht bei ihren Bestsellerautoren, nein. Zeit für einen Film mit mir?«

»Aber klar!«

Der Abend war entspannt. Ich erholte mich so vom manchmal emotional aufreibenden Job, genoss die Zweisamkeit mit dem Mann, der mich seit 15 Jahren glücklich machte. Ich kuschelte mich in seine Arme, wir unterhielten uns, lachten und kosteten unser Leben aus.

Kapitel 2

Am nächsten Tag lernte ich Dominic Webster tatsächlich etwas näher kennen. Er hatte bereits morgens einen Termin bei meinem Chef und begrüßte mich aufgeweckt und mit strahlenden Augen. »Guten Morgen, Ms. Kendrick! Wie geht es Ihnen heute?«

»Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen guten Morgen«, lächelte ich ihn unverbindlich an. »Und Misses bitte.«

»Wie bitte?«

»Ich bin eine Misses, keine Miss«, erklärte ich und hielt wie zum Beweis meine linke Hand hoch.

»Oh, entschuldigen Sie, Mrs. Kendrick«, erwiderte er konsterniert.

Verwirrt musterte ich ihn, erinnerte mich aber gleich wieder an meine Pflichten. »Mr. Mayer erwartet Sie schon.«

»Dann gehe ich besser hinein. Vielen Dank.« Er nickte mir kurz zu und ging in das Büro hinter meinem Platz.

Was war das denn? Hatte ich etwas Falsches gesagt?

Vielleicht wird er einfach nicht gern korrigiert, dachte ich. Das konnte lustig werden. Da ich sehen würde, was die Zukunft mit ihm bringen würde, zuckte ich nur mit den Schultern und machte mit meiner Arbeit weiter.

»Na?«, unterbrach mich eine Weile später Sandra.

»Weg hier!«, knurrte ich nur, ohne aufzusehen.

Ein unschuldiges »Was denn?« brachte mich dazu, streng nach oben zu sehen. »Sandra, lass es. Ich weiß genau, was du hier willst.« Immerhin lag mein Terminkalender jedermann zugänglich auf dem Tisch; zudem hatte ich ihr gestern selbst mitgeteilt, dass Dominic Webster ein Treffen mit Albert hatte.

»Ich wollte nur fragen, ob es heute bei unserer Verabredung bleibt?«

»Das und zufällig einen Blick auf ihn erhaschen.« Ich setzte nach: »Wenn du jetzt verschwindest, komme ich mit zu Carolina, ansonsten musst du dir wohl jemand anders suchen.«

Mit einer Hand wedelnd wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder den Akten vor mir zu – und es funktionierte. Ich hörte ein beleidigtes Schnauben, aber auch, wie die Stöckelschuhe davonklapperten.

»Charlotte?« Diesmal war es mein Vorgesetzter, Mr. Mayer. »Dominic und ich hätten Sie gern bei unserer Besprechung dabei – hätten Sie Zeit?«

Ich stand sofort auf. »Natürlich!«

Albert trat aus der Tür und bat mich mit einer Handbewegung, einzutreten. Er schloss sie hinter mir und deutete mir, mich zu setzen.

»Mr. Webster«, nickte ich meinem baldigen Chef zu.

Albert nahm ebenfalls wieder Platz. »Dominic und ich halten es für besser, wenn wir alles bezüglich des Falles gemeinsam besprechen würden. Immerhin wird er uns drei eine Zeit lang beschäftigen. Das wird eine gute Gelegenheit für euch sein, euch aufeinander einzuspielen.«

Aus den Augenwinkeln sah ich den Neuen an. Ich war ein sehr umgänglicher Mensch und hatte wenig Zweifel, dass ich mit ihm zurechtkommen würde. Aber er mit mir? Ich musste an sein seltsames Verhalten vorhin denken – war er immer so?

Mein Chef fuhr fort: »Dominic, Sie werden merken, dass Sie in Charlotte keine bessere Assistentin finden können. Sie ist akribisch, loyal, verschwiegen und ich darf sagen, dass ihr selten ein Detail entgeht. Um ganz ehrlich zu sein: Sie ist mir mehr als nur eine große Hilfe. Ich sehe sie fast als Partnerin. Die Frau hätte Jura studieren sollen«, lachte er.

»Albert, bitte.« Ich spürte, wie ich rot wurde; ich stand nicht gerne im Mittelpunkt.

»Nein, nein«, wischte er meinen Einwand beiseite, »Ehre, wem Ehre gebührt.«

Mir wurde warm ums Herz. Albert und ich waren ein perfektes Team. Es würde hart werden, in irgendjemanden adäquaten Ersatz zu sehen.

»Ich habe mir die Wahl meines Nachfolgers nicht leicht gemacht und ehrlich gesagt auch etwas darauf geachtet, wer nicht nur in die Kanzlei, sondern ebenso zu Charlotte passen würde. Ich bilde mir ein klein wenig ein, ein guter Menschenkenner zu sein, und ich denke, Sie beide werden sich mühelos verstehen und ein erstklassiges Team abgeben. Ich möchte, dass sich für Charlotte so wenig wie möglich ändert, wenn ich in den Ruhestand gehe. Sie hat sich ihren Posten und auch ihr Gehalt mehr als verdient.«

Mittlerweile war ich rot wie eine reife Tomate und wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.

»Das glaube ich gern, Albert. An mir soll es nicht scheitern!« Da war wieder das warme Lächeln von heute Morgen.

»Aber vorsichtig, Dominic! Sie mag klein sein und wie ein Engel aussehen, aber unsere Charlotte kann auch ganz anders. Sie kann sehr durchsetzungsfähig sein.«

Damit sah Albert mich verschmitzt an und plötzlich brach das Lachen aus mir heraus. »Ja, da hat er recht. In mir steckt ein Teufel.«

Ich blitzte Dominic Webster frech an, seine Augen begannen zu strahlen und schon lachten wir alle drei.

Wir verbrachten den Tag im Büro, umgeben von Akten und Kaffee. Der Fall war schwierig, denn es gab zwar wenig Beweise, aber einige Indizien gegen unseren Mandanten. Und Katherine Kilmer war noch immer nicht wieder aufgetaucht. Die Neunzehnjährige war im Sommer vor zwei Jahren spurlos verschwunden. Lange Zeit liefen die Ermittlungen ins Leere, bis man herausfand, dass ihr Freund Daniel Palmer in jenem Sommer nicht mit seinen Freunden unterwegs, sondern einen Monat lang ebenfalls verschwunden gewesen war. Palmer hatte sie als Letzter gesehen, doch seine Lüge rückte alles in ein neues Licht. Als die Polizei eine Blutspur von Katherine fand, wurde er verhaftet und trotz Fehlens der Leiche wegen Mordes angeklagt, obwohl er schwor, ihr nichts getan zu haben. Archer, Mayer & Simmons waren bekannt dafür, zu Unrecht Beschuldigte entlasten zu können, und so wandten sich seine Eltern an uns. Albert übernahm den Fall und nun setzten wir alles daran, Daniels Unschuld auch beweisen zu können. Es war ein harter Fall und ein langer Weg.

Ich streckte meine steifen Glieder, als Albert uns am Abend aus seinem Büro entließ.

Webster beobachtete mich dabei. »Langer Tag, hm?«

Ein Gähnen verkneifend antwortete ich: »Solche werden uns noch öfter bevorstehen.«

Er nickte nachdenklich. »Denken Sie, dass der Bursche es war?«

»Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass sie am Abend ihres Verschwindens miteinander gesehen worden sind und er all seine Ersparnisse abgehoben hat. In der ganzen Zeit hat er nicht einmal mit der Kreditkarte gezahlt. Warum, wenn er nichts zu verbergen hat?«

»Sie meinen, dass er sie gefangen gehalten und dann umgebracht hat?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich sage nur, dass ich die Anklage verstehen kann. Und da ist dieser Blutfleck - das größte Problem. So sehr ich Daniel auch mag - es muss alles in Betracht bezogen werden. Ich möchte in diesem Fall kein Jurymitglied sein.«

Er lächelte mich an. »Und sonst schon?«

»Wohl eher nicht. Ich versuche, so wenig wie möglich über Schuld oder Unschuld nachzudenken.«

»Also haben Sie Angst, dass Sie Verbrechern helfen, wieder auf freien Fuß zu gelangen?«

Nachdenklich blickte ich ihm in die Augen. Irgendetwas darin brachte mich dazu, ehrlich zu sein. »Ja. Ich weiß, dass unsere Anwälte nur Fälle annehmen, bei denen sie an die Unschuld des Angeklagten glauben, aber es gibt viele Psychopathen da draußen – warum sollen wir nicht auch auf einen hereinfallen?«

»Gute Frage. Leider gibt es nicht viele Kanzleien wie diese. Es sitzen immer noch zu viele unschuldig im Gefängnis oder gar im Todestrakt – wir müssen es versuchen!«

»Wollen Sie deshalb hier anfangen?«

»Ja. Meiner Meinung nach ist unser Rechtssystem zwar gut, aber die Fehlerquote ist zu hoch. Erst im April ergab eine Studie, dass ca. vier Prozent aller zum Tode Verurteilten unschuldig sind. Eine Fehlerquote von vier Prozent!«, betonte er kopfschüttelnd. »Dabei ist ein einziger zu Unrecht Inhaftierter schon zu viel. Ich will etwas dagegen tun und sei der Beitrag noch so klein.«

»Auch, wenn dafür vielleicht ein Schuldiger auf freien Fuß gerät, der es nicht verdient hat? Ein Mörder, ein Vergewaltiger?«

»Ja, vielleicht selbst dann.«

Sein Blick war feurig, wie seine ganze Meinung dazu: leidenschaftlich. Er sah mich eine Zeitlang still an, bis ich mich verlegen abwandte. »Nun, ich glaube, Sie sind bei uns richtig.«

»Das hoffe ich.«

Kapitel 3

Am nächsten Abend bereitete ich mich darauf vor, Jason zu einer Lesung zu begleiten.

»Ich freue mich, dass du mitkommst, Liebling«, flüsterte er mir ins Ohr, als ich gerade vor dem Spiegel saß, um mich zu schminken.

»Ein Wunder, dass es mal klappt«, lachte ich. »Du liest ja nur noch selten in Bangor.«

»Soll ich lieber wieder ein kleiner, unbedeutender Autor sein?«, neckte er mich.

Ich streckte ihm die Zunge heraus. »Für mich warst du das nie.«

Dann stand ich auf und präsentierte mich ihm. Ich hatte mich schick gemacht, trug ein blaues, knielanges Kleid, das mein Dekolletee betonte, und hochhackige Schuhe.

Jason blieb sichtbar die Luft weg. »Wow! Charlotte, was hast du heute vor?«

Ich lächelte nur geheimnisvoll. Ein Klopfen an der Haustür lenkte Jason ab.

»Wer ist das denn noch?«, wunderte er sich und ging nach unten, um nachzusehen.

Grinsend folgte ich ihm, denn ich wusste, wer vor der Tür stand.

»Sandra! Du, es ist jetzt ganz schlecht, wir sind quasi auf dem Sprung«, hörte ich ihn sagen.

»Ich weiß.«

Sandra betrat gerade das Haus, als ich die Treppe herunterkam. Sie sah noch besser aus als ich, hatte ein schwarzes Minikleid an und eine locker hochgesteckte Frisur, die ein paar Strähnen in ihre Augen fallen ließ.

»Hi Süße!« Ich umarmte sie und lächelte meinen Mann an.

»Kommst du doch nicht mit?« Jason sah verwirrt aus.

Ich schnappte mir meine Handtasche vom Tisch und hakte mich bei ihm ein. »Doch, und Sandra kommt ebenfalls mit.«

»Okay, Mädels – was habt ihr beide vor?« Er sah uns streng an. »Ihr seid viel zu«, er räusperte sich, »sexy für eine banale Lesung. Da wirke ich doch völlig underdressed!«

»Wirst du schon sehen«, grinste ich und zog ihn aus dem Haus. »Komm einfach.«

Gemeinsam fuhren wir nach Bangor. Die Buchhandlung, die Jason eingeladen hatte, lag in der Harlow Street, und als wir ankamen, standen bereits einige Leute vor der Tür. Wir wurden am Hintereingang erwartet und von der Chefin begrüßt.

Jason und sie gingen noch einmal den Ablauf durch und Sandra und ich belegten zwei Plätze in der ersten Reihe.

»Meinst du, ihm gefällt unser Plan für den restlichen Abend?«, fragte meine Freundin, während wir darauf warteten, dass es losging.

»Da bin ich mir ziemlich sicher«, zwinkerte ich ihr zu. »Wir brauchen das mal.«

»Das wird was«, lachte sie und ich knuffte sie in die Seite, spürte jedoch die Vorfreude wachsen. Die Nacht würde lang werden.

Die Türen wurden geöffnet und viele Fans strömten herein – größtenteils Frauen. Es wurde sich um die Plätze in den ersten Reihen gestritten und wir wurden schief angesehen, was wir mit einem Lächeln quittierten.

»Wer sind denn die beiden?«, flüsterte eine hinter uns ihrer Freundin zu, nachdem sie keinen Platz vorne bekommen hatten.

»Keine Ahnung. Ich hab sie nicht in der Schlange gesehen.«

»Ganz schön aufgebrezelt für eine Lesung.«

Ich grinste Sandra an und sie schüttelte nur den Kopf.

Es schien ewig zu dauern, bis alle Stühle besetzt waren und die Buchhändlerin die rund hundert Personen begrüßte.

Sie pries Jason Kendrick als einen der größten Schriftsteller, die Maine jemals hervorgebracht hätte, und platzte beinahe vor Stolz, dass er in ihrem Laden las.

Irgendwann hatte sie ihre Rede beendet und Jason betrat die Bühne. Applaus erscholl und ich hörte einige Frauen seufzen. Ich konnte es nachvollziehen. Jason war mit der dunklen Jeans, dem hellem Hemd und einem anthrazitfarbenen Jackett leger, aber elegant gekleidet und seine Augen strahlten. Sein Dreitagebart stand ihm und ließ ihn verwegen aussehen. Als sein Blick mich streifte, lächelte ich glücklich.

Er begrüßte seine Fans, erzählte, wie er zu Clint Avery kam und wie es weitergehen würde. Dann las er einige Passagen aus seinem aktuellen Buch vor und macht sie neugierig auf das neue Manuskript, indem er Details von der Entstehung preisgab.

Es wurden einige Fragen gestellt, leider wie so oft die langweiligen der Sorte »Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?«, aber Jason nahm sich viel Zeit und beantwortete jede von ihnen ausführlich. Er verstand es, mit den Menschen umzugehen und ihnen ein Gefühl der Wertschätzung entgegenzubringen.

Als sich die Leute zum Signieren anstellten, realisierte ich erst, wie viele Frauen hier waren, um meinen Mann zu treffen. Die Schlange zog sich durch den gesamten Laden.

»Das wird noch eine Weile dauern«, sagte ich zu Sandra.

»Scheint so«, kicherte sie.

Fragend sah ich sie an. »Was ist denn so lustig?«

»Die zwei Weiber da vorne sind total hibbelig, Jason zu treffen. Sie reden die ganze Zeit davon, wie charmant er doch ist und wie süß.«

Das brachte mich zum Lachen. »Tja, Pech gehabt – meiner!«

Eine der Frauen in der Schlange hatte das gehört und fragte: »Sie sind die Frau von Jason Kendrick?«

»Ja«, bestätigte ich und stand schnell auf, um ihr freundlich die Hand zu reichen. »Charlotte Kendrick.«

»Christina Mason«, erwiderte sie und nickte zu Jason. »Sie scheinen großes Glück mit ihrem Mann zu haben.«

»Das habe ich, ja.«

»Wie ist es denn so, mit einem Autor verheiratet zu sein?« Neugierig betrachtete sie mich.

So ernst wie möglich antwortete ich: »Wie mit jedem anderen auch. Für mich ist er einfach mein Mann.«

»Ist es nicht schwierig, zu sehen, wie er angehimmelt wird?«

»Nein, warum? Es würde mich wundern, wenn es anders wäre. Mir ist bewusst, dass er ein attraktiver Mann ist und charmant – immerhin kenne ich seine Vorzüge doch am besten.«

»Sie haben also keine Angst, dass er seine Berühmtheit anderweitig auslebt?«

Verdutzt sah ich die Frau an und antwortete deutlich: »Nein. Ich bin mir sicher, dass ich ihm reiche.«

»Natürlich«, meinte Christina pikiert und ich hörte Sandra unterdrückt prusten.

Die Schlange bewegte sich fort und Christina musste weiter aufrücken.

»Was war das denn jetzt?«, fragte ich verwirrt.

»Ein Groupie, Charlotte.«

»Klang eher nach einer Journalistin«, murmelte ich und sah mich noch einmal nach der Frau um, ehe ich die Schultern zuckte. Bei uns gab es keine Leichen im Keller.

Während Jason weiterhin seine Bücher signierte, unterhielten Sandra und ich uns mit einigen Frauen und der Buchhändlerin. Diese war begeistert von dem Event und bedauerte, dass sie viele Fans hatte abweisen müssen, da der Platz nur begrenzt war. Wie erwartet wurden mir auch viele Fragen zu Jason gestellt, die ich bereitwillig beantwortete, und Sandra steuerte ebenfalls ein paar Anekdoten bei. Wir amüsierten uns gut und lachten viel. Nach und nach leerte sich der Laden, bis Jason zu uns stieß und seinen Rücken streckte. »Das hat heute ganz schön lang gedauert«

»Aber es hat sich gelohnt«, meinte ich und küsste ihn.

»Das hoffe ich doch.« Er legte seinen Arm um mich. »Es waren wirklich eine Menge Leute da, hätte ich gar nicht erwartet.«

»Viele Groupies«, zwinkerte Sandra und ich kicherte.

»Scheint, als müsste ich auf dich aufpassen, Liebling.«

Jason wirkte verwirrt, doch die Buchhändlerin entband ihn einer Antwort, indem sie sich bei ihm für die Lesung bedankte. »Es war uns eine Ehre, Mr. Kendrick.«

»Ich habe zu danken! Es war mir eine Freude und hat wirklich viel Spaß gemacht.«

Ich schüttelte der Frau die Hand. »Uns als Leser auch. Das haben Sie ausgezeichnet organisiert.«

Wir verabschiedeten uns und gingen zum Wagen. »So, jetzt lade ich meine Mädels zum Essen ein, oder?«, fragte uns Jason.

»Habe nichts dagegen«, meinte Sandra.

Ich überlegte. »Zwei Häuser weiter müsste der Italiener sein, oder?«

»Gute Idee! Für Pizza bin ich immer zu haben!«

Jason nickte. »Dann italienisch.«

Die Pizza war wirklich ausgesprochen lecker. Wir tranken Wein und unterhielten uns über Gott und die Welt, doch weder unsere Jobs noch Männer kamen zur Sprache. Gegen zehn Uhr abends wollte Jason aufbrechen, aber statt zum Auto zu gehen, lotsten wir ihn ein Stück die Straße runter zum angesagtesten Nachtclub der Stadt. Vor dem Eingang standen ein paar unserer Freunde und jubelten laut, als sie uns kommen sahen.

»Das hattet ihr also vor«, grinste Jason.

Ich rieb mich verführerisch an ihm. »Bei all der Arbeit sollten wir nicht vergessen, dass wir jung sind – und Spaß haben sollten.«

Sandra und ich packten ihn an jeweils einer Hand und zogen ihn zu der Gruppe.

»Hey, altes Haus, wie war’s heute?« Bryan, Jasons Freund aus Kindertagen, klopfte ihm auf die Schulter und Ned und die anderen umringten ihn ebenfalls.

»Und, war die Lesung erfolgreich?«, fragte Melissa und beobachtete schmunzelnd die Männer.

»War gut was los, ja«, bestätigte ich.

»Das nächste Mal sind wir wieder dabei!«, sagte Andrea und hängte sich bei mir und Sandra ein. »Man, du hast echt einen guten Fang gemacht.« Fast neidisch musterte sie Jason, sodass ich ihr lachend einen Rippenstoß verpasste.

»Finger weg - der gehört mir!«

»Tja, Ladys - dann machen wir uns mal einen schönen Abend, oder was meint ihr?« Die Männer kamen zu uns und gemeinsam gingen wir zum Türsteher, der uns bereits erkannt hatte und reinließ. Der Laden war trotz der Uhrzeit schon gut gefüllt. Sandra und Bryan besorgten uns Drinks, während wir anderen einen Platz für uns suchten und eine leere Couch-Ecke fanden.

»Auf einen geilen Abend«, rief Sandra, als alle mit Getränken versorgt waren, und wir stießen an.

Dann stürmten wir die Tanzfläche und tanzten, als gäbe es kein Morgen.

Nach ein paar Songs verabschiedete sich Jason, um eine Pause zu machen, doch ich wollte weiterfeiern und wirbelte mit Sandra umher.

Die Bude bebte und wir hüpften und lachten und waren ausgelassen.

Ein junger Kerl machte sich an Sandra ran und sie zwinkerte mir zu und widmete sich ihm.

Ich tanzte mit Melissa weiter, allerdings nicht lange, denn kurz darauf sang mir ein Typ »You spin my head right round, right round« ins Ohr. Ich lächelte freundlich, ignorierte die Anmache aber, bewegte mich einfach weiter.

Ich beobachtete, wie Sandra mit ihrer Bekanntschaft auf Tuchfühlung ging, und grinste; wieder war einer in ihr Netz gegangen.

Als mein Lieblingssong »Too Close« kam, vergaß ich alles um mich, schloss die Augen und gab mich der Musik hin. Plötzlich spürte ich Hände an meiner Taille, die sich mit mir wiegten. Erschrocken öffnete ich die Augen und wollte dem aufdringlichen Kerl eine scheuern, aber Jason hatte die Situation bemerkt. Er riss ihn zu sich herum, sah ihn drohend an und sagte etwas, das ich nicht verstand. Verblüfft blieb ich stehen, befürchtete, dass es Ärger gab, doch der andere haute ab und Jason grinste mich an.

Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich. Irgendwann drehte ich mich und ließ meine Hüften an seinen kreisen, drückte mich an ihn und spürte, wie seine Hände an meinem Körper hinabfuhren. Das Lied senkte meine Hemmschwelle und es war, als wären nur Jason und ich auf der Tanzfläche – es gab für mich nichts anderes.

Kapitel 4

Am Montag war ich also bereit für eine weitere Runde in Mayers Büro, doch Albert fing mich ab, bevor ich richtig angekommen war.

»Charlotte, würden Sie Dominic bitte ins County Jail begleiten? Er möchte Daniel Palmer besuchen.«

Verblüfft sah ich ihn an. »Hat sich etwas getan?«

Mayer war selbst erst vor zwei Wochen im Gefängnis gewesen, seitdem hatte sich kein Grund ergeben, unseren Mandanten erneut aufzusuchen.

»Nein«, hörte ich Websters Stimme, »ich möchte ihn nur kennenlernen.«

Ich drehte mich um und fand ihn in der Bürotür stehend vor. »Okay, gerne. Wann wollen Sie los?«

»Ich habe uns vorhin angekündigt, wir können los, sobald Sie bereit sind.«

»Albert, brauchen Sie etwas von mir?«, wandte ich mich an meinen Noch-Chef.

»Nein, nein, gehen Sie nur. Wenn was sein sollte, hat Theo sicher nichts dagegen, wenn Sandra mir mal zur Hand geht.«

Ich nickte und schloss meinen Mantel wieder. »Sie fahren!«

Webster schnappte sich selbst seine Habseligkeiten, verabschiedete sich von Albert und meinte mit verschmitztem Grinsen: »Sicher, dass Sie das wollen?«

Verwirrt runzelte ich die Stirn. »Warum nicht? Sie werden uns schon heil dorthin bringen.«

»Das mit Sicherheit, kann nur dauern – ich kenne mich in der Stadt nicht aus. Ohne mein Navi bin ich verloren!«

Ich lachte. »Wenn das Gerät Sie im Stich lassen sollte, haben Sie dann ja heute mich.« Neugierig hakte ich nach: »Woher kommen Sie denn?«

»Aus New York.«

Das überraschte mich – er kam mir gar nicht wie ein Großstädter vor.

»Sie haben nichts dazu zu sagen?«, fragte er nach einem Moment der Stille, als wir an seinem Wagen, einem neueren Chevrolet, ankamen.

Ich hielt nach dem Öffnen der Tür kurz inne und sah ihn übers Dach hinweg an. »Nein, was sollte ich zu sagen haben? Sie kommen mir ganz und gar nicht wie ein Yuppie vor und selbst wenn: Wir haben auch in Bangor einige davon. Oder halten Sie uns für Hinterwäldler? Um ehrlich zu sein, finde ich, Sie könnten gut hierher passen. Um das genauer zu beurteilen, muss ich Sie allerdings erst näher kennenlernen.« Frech zwinkerte ich ihm zu und stieg ein.

»Soll das eine Drohung sein?«, fragte er grinsend, als er sich anschnallte.

»Wer weiß?« Ich lächelte, dann nannte ich ihm die Adresse, damit er sie in das integrierte Navigationssystem eingeben konnte, aber er fuhr einfach los.

»Ich dachte, Sie vertrauen Ihrem Navi? Warum nutzen Sie es nicht?«

»Ich werde es schon finden«, meinte er und seine Mundwinkel zuckten.

Unsicher lehnte ich mich zurück. »Gut, dann brauchen Sie ja auch keine Hilfe.«

»Nein.« Diesmal konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen.

Ich ignorierte das Machogehabe und fragte: »Was hat Sie denn ins beschauliche Maine verschlagen?«

»Ihre Kanzlei und ebenjene Beschaulichkeit. Ich bin zwar aus New York, aber kein Großstadtmensch. Nach 30 Jahren dort reicht es mir vorerst. Es ist alles zu hektisch, zu laut. Die Menschen sind egoistisch und oberflächlich. Ich hatte schon immer das Gefühl, nicht dorthin zu passen. Als Alberts Einladung kam, musste ich nicht lange überlegen: Ich habe meine Koffer gepackt, mich von meinen Eltern verabschiedet und bin umgezogen.«

»Das klingt so leicht. Lassen Sie keine Freunde und keine Frau zurück?«

»Freunde ja, Frau oder Freundin nein.« Er sah zu mir, während er es sagte, blickte jedoch schnell zurück auf die Straße.

»Freunde, wenn man sie so nennen mag, waren leicht zu verlassen, denn echte habe ich nur ein oder zwei. Der Rest … Naja, ich denke, aus den Augen, aus dem Sinn.«

Ich sah ihn nachdenklich an, wusste aber nicht, was ich dazu sagen sollte.

»Sie brauchen kein Mitleid mit mir zu haben«, lachte Webster, als er mein Schweigen bemerkte. »Ich beginne hier ganz von vorne – und ich freue mich drauf!«

»Dann viel Erfolg! Wenn Sie Hilfe brauchen …«

Wieder ein Blick von der Seite. »Danke.«

»Wie gefällt Ihnen Bangor denn bis jetzt? Ganz so beschaulich haben wir es mit unseren 33.000 Einwohnern auch nicht.«

»Aber immerhin kleiner als New York City«, meinte er. »Es gefällt mir. Vor allem, dass es so grün ist. Aber viel weiß ich gar nicht von Maine. Indian Summer und Stephen King – mehr verbinde ich damit noch nicht.«

Jetzt war es an mir zu lachen. »Jaja, unser Stephen. Wir haben hier oft Fans von ihm.«

Ich schaute auf die Straße und war überrascht. »Haben Sie mich angelogen?«

»Warum?«, kam ganz unschuldig.

»Weil wir da sind.«

»Ich weiß«, meinte er leichthin und bog auf den Parkplatz des Penobscot County Sheriff’s Offices ein.

»Das war nur Ihr guter Einfluss.«

Prustend stieg ich aus. »Dass ich zaubern kann, ist mir neu – also?«

Webster folgte mir und schloss ab. »Ich wohne gegenüber.«

»Lügner!«, tat ich entsetzt.

»Nein«, verteidigte er sich. »Ich kenne mich hier wirklich kaum aus – nur den Weg von meiner Wohnung zur Kanzlei. Und zufällig liegt das Department eben auf der Strecke.« Er grinste mich an. »Ich wollte auch mal punkten.« Dann zwinkerte er mir zu. »Außerdem wusste ich, dass Sie dann fragen würden, woher ich komme – also hätten wir schon mal ein Gesprächsthema.«

Ich sah ihn streng an, konnte mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Männer …

Webster sah ernst zur Tür und verflogen war jeder Spaß. »Dann mal los.«

Gemeinsam gingen wir in das Gebäude, in dem das County Jail untergebracht war, gaben unsere Namen an und unsere Handys ab. Nach dem üblichen Prozedere wurden wir von einem Wärter in einen Besprechungsraum geführt, wo wir auf Daniel Palmer warteten.

»Warum möchten Sie ihn kennenlernen?«, fragte ich Webster, nachdem wir Platz genommen hatten.

»Ich bevorzuge eine persönliche Bindung. Ich möchte mich in meinen Mandanten hineinversetzen können, damit ich ihn verstehen und für ihn agieren kann. Er ist eingesperrt, ich nicht, somit bin ich seine Hand in der Freiheit.«

Die Tür wurde geöffnet und Daniel wurde zu uns gebracht, sodass mir keine Zeit blieb zu antworten. Schnell erhoben wir uns wieder und ich musterte den jungen Angeklagten. Er war blass und hatte abgenommen, war nun fast hager. Ein dünner, verschüchterter Jugendlicher hatte den Platz des selbstbewussten und gut gebauten Quarterbacks eingenommen. Auch seine Haare waren gewachsen, fielen ihm nun in die Stirn.

»Mrs. Kendrick! Schön, Sie wiederzusehen!« Daniel schüttelte meine Hand und lächelte mich erfreut an. Wenigstens das Lächeln war das alte geblieben, charmant und offen.

»Daniel! Wie geht es Ihnen? Kommen Sie halbwegs zurecht?«

Er nickte und ich war erleichtert. Vor ein paar Monaten hatte er massive Probleme mit einem gewalttätigen Mithäftling gehabt, sodass wir eine Verlegung beantragen mussten. Doch nachdem dem anderen auch Straftaten in New York nachgewiesen wurden, wurde er verlegt, nicht Daniel.

Daniel sah neugierig meinen Begleiter an, also übernahm ich die Vorstellung. »Ich würde Ihnen gerne Dominic Webster vorstellen. Er ist neu in unserer Kanzlei und gemeinsam mit Mr. Mayer für Ihren Fall zuständig.«

Die beiden begrüßten sich und wir setzten uns alle.

»Gibt es Neuigkeiten?« Natürlich musste Daniel das denken, da Albert erst vor zwei Wochen zum regulären Besuch da war.

»Nein, tut mir leid, Mr. Palmer. Ich würde Sie nur gerne kennenlernen.«

Daniel wirkte enttäuscht, fing sich aber schnell wieder. »Nennen Sie mich bitte Daniel, Mr. Webster. Ich bin noch jung.« Die letzten Worte endeten in einem Seufzen.

»Zu jung, um hier zu sein. Deshalb bin ich hier: Um Sie hier herauszuholen.«

»Und wie?«

»Diesen Weg werden wir noch finden müssen. Ich hab mich eingehend mit Ihrem Fall beschäftigt, mit den Akten, Fakten und den Gedanken, die die Staatsanwaltschaft wohl hegen wird. Nun möchte ich mich aber mit dem Menschen dahinter beschäftigen. Mit Ihnen, Daniel.«

»Was wollen Sie wissen?«, fragte Daniel überrascht.

»Alles, was es zu wissen gibt.«

»Das Wichtigste ist: Ich war es nicht! Ich habe ihr nichts getan! Ich … ich habe sie nur allein gelassen.«

Webster blieb ruhig. »Erzählen Sie mir von dem Abend. Ich möchte es von Ihnen hören.«

Daniel holte tief Luft. »Katherine und ich waren ein Paar, bereits zwei Jahre lang. Solange ich sie kenne, wollte sie weg aus Bangor, raus in die große, weite Welt. New York, Los Angeles, Las Vegas. All die großen Städte reizten sie, aber sie sehnte sich auch nach Europa. Es wurde schon fast zu einem Wahn. Sie träumte nur noch davon, abzuhauen. Schule war ihr egal, ihre Noten wurden immer schlechter. So kannte ich sie nicht. Ich lernte oft mit ihr, wir wollten beide aufs College. Dachte ich zumindest. Bis sie irgendwann dann ernst machen wollte. ›Komm, wir hauen ab!‹, sagte sie eines Abends. ›Weg aus diesem Kaff und ab nach Las Vegas.‹ Die Sommerferien standen an und ich hab mir gedacht, warum nicht? Vielleicht würde sie dann wieder normal werden. Ich wollte nur einen Kurztrip machen, sie überredete mich aber, einen Monat wegzufahren. Ich liebte sie, also gab ich nach. Ich hab meinen Eltern erzählt, dass ich mit meinen Freunden eine Zeitlang an den Spednic Lake fahren würde und dort schlecht zu erreichen sei. Sie haben mir damals vertraut, also war das kein Problem.« Daniel seufzte bei der Erinnerung an das Vertrauen seiner Eltern. Ob er meinte, sie würden ihm nicht glauben? Er fuhr fort: »Ich dachte, Kat würde mit ihren Eltern ebenso verfahren. Sie lieben sie abgöttisch, können ihr keinen Wunsch abschlagen, daher hab ich ihr geglaubt, als sie gesagt hat, es gäbe keine Probleme. Als wir uns getroffen haben, ging ich zur Bank und hob all mein Erspartes ab. Katherine konnte das nicht, da bei ihr auf ihre Finanzen geachtet wurde – bei mir nicht. Nur auf die Kreditkarte hatte Mom ein Auge. Wir dachten eh, wir würden es vermehren. Wir hatten gefälschte Ausweise und wollten in Vegas zocken. Der Plan klang so gut …«

Er unterbrach sich und nahm einen Schluck Wasser.

Webster nutzte die Gelegenheit, um eine Frage einzuschieben: »Warum hast du deinen Eltern nicht die Wahrheit gesagt, wenn euer Verhältnis so gut war?«

»Siebzehnjährige nach Vegas? Soweit ging die Toleranz meiner Eltern dann auch nicht. Und ich dachte ja, wir würden zurückkommen und keiner würde was merken. Aber als wir dort waren, flippte Kat aus. Sie genoss die Freiheit in vollen Zügen, soff, spielte und nahm sogar Drogen. Ich gab ihr die Zeit, sich auszutoben, auch wenn ich mich zurückhielt. Als der Monat vorbei war und ich zurückwollte, wehrte sie sich. Sie wollte nicht. Ich sagte, sie sei verrückt, wir müssten zurück. Mein Geld war für Wohnung und Essen draufgegangen, alles, was wir bei illegalen Spielen gewonnen hatten - sie hatte so einen dubiosen Typen aufgegabelt, der uns verschiedene Runden vermittelt hat -, hatte sie für Drogen und Alkohol und Partys ausgegeben. Ich war blank und auch fertig mit den Nerven. Ich wollte nach Hause und mein Leben weiterführen. Mit Katherine.« Er schluckte und ich sah Tränen in seinen Augen glitzern. »Dazu war sie nicht mehr bereit. Stattdessen sollte ich alleine fahren. Als ich das nicht tat und sie dazu zwingen wollte, rastete sie aus. Sie war völlig außer sich, schmiss Sachen nach mir, schlug alles klein, was sie in die Finger bekam. Ich habe ihre Hände festgehalten, aber sie entwand sich mir und kratzte mir das Gesicht auf. Da hab ich sie geschlagen. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan, doch ich wusste nicht, was ich da tat. Da hatte ich sie verloren, wenn nicht gar schon eher. Sie hat ihre Tasche genommen und ist davongerannt.«

Dominic unterbrach ihn. »Kam daher das Blut auf dem Teppich?« Daniel nickte. »Sie ist in ihrer Raserei auf den Scherben herumgetrampelt, schien gar nichts zu spüren. Ich hab auch gar nicht darauf geachtet, als ich sie weggeräumt hab.« Er seufzte, nahm dann den Faden wieder auf: »Ich wartete zwei Tage auf sie, durchsuchte die Orte, wo sie öfter war, fand sie jedoch nicht. Also beschloss ich schweren Herzens, zurückzufahren. Ich war eh schon zu spät dran und ich glaubte fest, dass sie mir folgen würde, spätestens in ein paar Wochen. Hier angekommen hab ich niemanden davon erzählt, auch als ich merkte, dass Kat ihren Eltern nichts gesagt hatte. Sie hatten sie als vermisst gemeldet. Die Kratzer erklärte ich mit einer Schlägerei. Ich hab gewartet, dass sie zurückkommt, und gewartet …« Er schloss die Augen. »Und warte immer noch.«

Jedes Mal, wenn ich die Geschichte hörte, wurde mir mulmig zumute. Ich konnte nicht anders, als ihm zu glauben, egal, wie rational ich es sehen musste, egal, was ich Webster am Abend zuvor gesagt hatte. Daniel sagte die Wahrheit. Dominic schien es genauso zu gehen. Er griff über den Tisch und legte seine große Hand auf Daniels Unterarm, eine seltsam intime Geste. »Sie wird zurückkommen.« Seine Stimme war unglaublich sanft und voller Gefühl. Die drei Worte verursachten mir eine Gänsehaut und bestätigten mein Bild: Er glaubte Daniel.

»Wann haben Sie Ihren Eltern die Wahrheit erzählt?«, fragte er weiter.

»Nachdem man mich inhaftiert hatte. Ich hatte die Polizei angelogen, weil ich Angst hatte, wegen unseres Trips Ärger zu bekommen. Die Ausweise, eine Wohnung unter falschem Namen gemietet, Drogen, Alkohol – alles nicht besonders legal. Daher blieb ich bei meiner Lüge, auf die meine Jungs auch eingeschossen waren. Nur kommt eben alles irgendwann einmal raus. Also hab ich den Polizisten die ganze Wahrheit erzählt, hab ihnen die Adresse der Wohnung gegeben, die Namen der Typen, einfach alles, in der Hoffnung, dass sie sie finden. Ich hätte nie gedacht, dass man glauben könnte, ich hätte Kat was getan. Ich könnte das gar nicht. Ich werde schon den Schlag bis an Ende meiner Tage bereuen …«

Nun ließ er seine Tränen laufen – er war fertig mit den Nerven.

»Ich glaube Ihnen! Hören Sie? Ich glaube Ihnen. Wir werden Sie hier rausholen.«

Daniel sah Webster dankbar an. »Wirklich?«

Dominic nickte ernst. »Wirklich.« Er sah kurz zu mir, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder unserem Mandanten schenkte. »Ich glaube, Sie brauchen eine Pause. Ich werde bald wiederkommen, einverstanden? Und dann erzählen Sie mir etwas über sich, das nichts mit Katherine zu tun hat. Wir werden nur über Sie reden.«

»Klingt gut«, murmelte Daniel. Es klang erleichtert.

Als wir wieder auf dem Parkplatz waren, sah ich Webster aufmerksam an. »Das war nicht schlecht. Woher wussten Sie, dass Daniel eine Pause braucht? Sie kennen ihn doch gar nicht.«

»Sagen wir’s so: Menschenkenntnis.«

Ich nickte und merkte, dass ich beeindruckt davon war, wie er mit Daniel umgegangen war. Ernst, aber einfühlsam. Wie ein Anwalt, doch gleichzeitig persönlicher, ohne die Grenze zu überschreiten. Das konnten nicht viele.

Am Auto angelangt stiegen wir ein.

»Und jetzt zu Ihnen«, sprach Webster, als wir uns auf den Rückweg machten.

Ich war verwirrt. »Zu mir?«

»Ja. Auf dem Hinweg war ich dran, da drin Daniel und der Weg in die Kanzlei gehört Ihnen. Nicht nur Sie sind neugierig.« Er zwinkerte mir zu.

»Ok, Detective, ich stelle mich dem Verhör. Was möchten Sie denn wissen?«

»Schlicht und ergreifend alles. Fangen wir leicht an. Sie sind also verheiratet?«

Obwohl ich mich über die Frage, deren Antwort er bereits kannte, wunderte, berichtete ich folgsam: »Ja, bin ich. Mein Mann Jason ist Autor. Sie werden ihn auf Mayers Feier kennenlernen.«

Er nickte. »Eine gute Gelegenheit, allen einmal etwas weniger formell gegenüberzutreten. Wie haben Sie und Jason sich kennengelernt?«

 

»Ja, das würde mich freuen.«

Wir waren wieder auf dem Parkplatz angekommen und stiegen aus.

»Danke, dass Sie mitgekommen sind. Ich denke, das hat es für Daniel um einiges leichter gemacht«, sagte er, als wir die Kanzlei betraten.

»Gerne. Ich mag ihn und hoffe wirklich, Sie können ihm helfen.«

»Wenn, dann wir. Als Team.« Er nickte mir abschließend zu und ging in Mayers Büro, während ich meine Arbeiten aufnahm.

Am Abend erreichte mich eine SMS von Sandra, die den ganzen Tag für Archer unterwegs gewesen war.

2. Tag und ihr wart gemeinsam weg. Wie ist er so???

Ich seufzte, doch antwortete ihr:

Sensibel, neugierig, aus N.Y. – mehr kann ich nicht sagen.

Mir stand das Bild regelrecht vor Augen, wie sie auf diese Antwort reagieren würde: mit einem Augenrollen.

Klingt zu gut.

Lass es sein! Such dir einen, der nicht bei uns arbeitet.

Ja, Mommy.

Genervt legte ich das Handy beiseite. Manchmal kam ich mir wirklich wie ihre Mutter vor. Ich hatte immer Angst, dass sie einmal an den Falschen geriet, dass ihr einer das Herz brechen würde. Obwohl es nicht den Anschein hatte, wusste ich, dass sie sensibel war und deswegen die Männer auf Abstand hielt. Zwar bezweifelte ich, dass Webster ihr wehtun oder Ärger bereiten würde, dennoch sträubte sich etwas in mir, ihre Schwärmerei zuzulassen. Sie kannte ihn doch gar nicht – noch weniger als ich.

Jason kam aus der Küche und brachte Popcorn mit. »Was Süßes für meine Süße.«

Ich lag bereits auf der Couch und ließ mich vom Fernseher berieseln.

»Schleimer«, grummelte ich, schnappte mir aber die Schüssel. Ich hob die Beine, damit Jason sich setzen konnte, und legte sie ihm auf den Schoß.

»Warum grummelst du denn?«, fragte er, während er sich eine Handvoll Popcorn nahm.

»Ich befürchte, Sandra verrennt sich wieder in etwas. Sie hat ein Auge auf den Neuen geworfen.«

»Und?«

Ich stützte mich auf einen Ellbogen und antwortete gereizt: »Und? Sie sollte nichts mit einem Vorgesetzten anfangen. Das wird böse für sie enden. Sie sucht nur ihren Spaß und dafür sollte ein anderer herhalten. Egal, wie nett er sein mag.«

»Du sagst doch immer, dass Sandra die große Liebe sucht - vielleicht ist er es ja?«

»Sie kennt ihn gar nicht.«

Jason zuckte mit den Schultern. »Du auch nicht, wenn man’s genau nimmt. Wie willst du das beurteilen können?«

Ich schoss einen genervten Blick in seine Richtung, woraufhin er abwehrend die Hände hob. »Cool down, Babe!« Unschuldig fuhr er fort: »Er ist also nett, ja? Auch gutaussehend?«

»Objektiv betrachtet sicherlich.«

»Und subjektiv betrachtet?«

Ich warf Jason ein Kissen an den Kopf.

»Was für eine Antwort … Dann sollte ich wohl eifersüchtig sein?«

»Quatschkopf! Aber du hättest ihn heute sehen sollen. Er war so voller Anteilnahme Palmer gegenüber, so gefühlvoll. So etwas habe ich selten erlebt.«

»Ok, jetzt bin ich eindeutig eifersüchtig. Dein Blick wird ja ganz verklärt.«

Ich schnappte mir noch ein Kissen, dem er allerdings geschickt auswich. »Halt die Klappe!«, lachte ich und beugte mich nach vorne, um ihn zu küssen.