Myron Hurna

Einführung
in die Lyrik und Poetik
Paul Celans

ATHENA

Beiträge zur Kulturwissenschaft

Band 24

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1. Auflage 2011

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ISBN (Print) 978-3-89896-462-3
ISBN (ePUB) 978-3-89896-811-9

Der Autor dankt der Ludwig Sievers Stiftung für die finanzielle Unterstützung, ohne die eine Drucklegung dieses Buches nicht möglich gewesen wäre.

Für María Arce Barreiro

I Kurzbiografie

  • 1920: Geburt von Paul (Pessach) Antschel am 23. November 1920 als einziges Kind von Friederike und Leo Antschel in Czernowitz (Bukowina)
  • 1926–30: Deutsche Hebräische Volksschule
  • 1930–38: Rumänisches und Ukrainisches Staatsgymnasium
  • 1937/38: Erste erhaltene Gedichte; Juni 1938 Baccalaureat
  • September 1938–1940: Medizinstudium in Tours, Romanistik-Studium und Russisch-Studium an der Universität Czernowitz
  • Oktober 1941: Errichtung des Czernowitzer Ghettos. Paul Antschel zur Zwangsarbeit eingesetzt
  • Juni 1942: Deportation seiner Eltern; Juli 1942: Zwangsarbeit im Straßenbau
  • Herbst/Winter 1942: Tod des Vaters, bald darauf Ermordung der Mutter im KZ Michailowka
  • 1945: Übersiedlung nach Bukarest; Lektor und Übersetzer
  • Mai 1947: Veröffentlichung der rumänischen Fassung von Todesfuge
  • Dezember 1947: Flucht über Budapest nach Wien und Juli 1948 Übersiedlung nach Paris
  • 1948: Der Sand aus den Urnen
  • 1949: Begegnung mit Yvan und Claire Goll
  • 1951: Begegnung mit Gisèle de Lestrange
  • 1952: Lesung beim Treffen der Gruppe 47
  • 1952: Mohn und Gedächtnis
  • Dezember 1952: Heirat mit Gisèle de Lestrange
  • 1953: Erste Plagiatsvorwürfe
  • Juni 1955: Geburt des Sohnes Claude François Eric
  • 1955: Von Schwelle zu Schwelle und offizielle Einbürgerung
  • 1957: Literaturpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie
  • 1958: Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen
  • 1960: Gespräch im Gebirg
  • Oktober 1960: Georg-Büchner-Preis in Darmstadt. Rede Der Meridian
  • Dezember 1962 bis Januar 1963: Aufenthalt in einer Pariser Psychiatrie
  • 1963: Die Niemandsrose
  • Mai 1965: Erneuter Aufenthalt in einer Pariser Psychiatrie; Dezember 1965 bis Juni 1966 sowie Februar bis Mai 1967 folgen Klinikaufenthalte
  • Juli 1967: Lesung in Freiburg; Treffen mit Martin Heidegger
  • 1967: Atemwende
  • 1968: Fadensonnen
  • November 1968 bis Januar 1969: Weiterer Klinikaufenthalt nach Krise
  • Oktober 1969: Israel-Reise und Ansprache vor dem Hebräischen Schriftstellerverband
  • Ende April 1970: Selbstmord in der Seine. Der Leichnam wird am 1. Mai gefunden
  • 1970: Lichtzwang postum
  • 1971: Schneepart postum
  • 1976: Zeitgehöft postum

II Autor und Werk

Paul Celan gehört zu den bekanntesten und gleichzeitig anspruchsvollsten Lyrikern deutscher Sprache. Als Paul Pessach Antschel am 23. November 1920 in Czernowitz (Bukowina, damals rumänisch) geboren, hatte er mit dem Besuch deutsch-, hebräisch- und rumänischsprachiger Schulen die besten Voraussetzungen für die Entwicklung einer sprachlichen Begabung, die ihn zum Schöpfer von über 950 Gedichten und zahlreichen Übersetzungen u. a. aus dem Russischen, Französischen, Englischen und Hebräischen werden ließ. Mit Todesfuge wurde er einem breiten Publikum der Nachkriegszeit bekannt und mit seiner Rede Der Meridian anlässlich der Büchnerpreisverleihung 1961 zum Exponenten einer modernen Poetologie. Heute beschäftigt sich eine umfangreiche Celan-Forschung mit seinem Œuvre. Nahezu das gesamte Werk und auch die umfangreiche Korrespondenz Celans sind aufgearbeitet, editiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu eingehender Beschäftigung lädt das lyrische Werk vor allem deshalb ein, weil Celan eine eigentümliche Sprache entwickelt, die, von traditionellen Anfängen im Frühwerk ausgehend, in immer voranschreitender Verdichtung und Verknappung komplizierte inhaltliche Strukturen annimmt, entsprechend seiner Auffassung, das Gedicht neige zum Verstummen (TCA/M 1999, 8). Dieses Verstummen der Sprache kann als biografisch begründet angesehen werden: Celan prägte der Überfall der Nationalsozialisten im Juli 1941, seine Rekrutierung als Zwangsarbeiter, die Verschleppung und anschließende Ermordung von über 3000 Juden, darunter die seiner Eltern (Winter 42/43). Leben und Werk sind bei ihm derart eng verklammert, dass zu einem besseren Verständnis seiner Gedichte der biografische Hintergrund stets zu berücksichtigen ist.

Berücksichtigung des biografischen Hintergrunds meint hier allerdings zweierlei: Zum einen erweist sich die Bezugnahme auf Celans Biografie für das Verständnis einer Vielzahl von Gedichten als unabdingbar. So wenig sich die Gedichte auf das Leben ihrer Verfasser reduzieren lassen, genauso wenig dürfen die biografischen Impulse, die in die Dichtung hineinreichen, unterschlagen werden. Zum anderen aber meint biografischer Hintergrund auch die sich in Celans Dichtung und Poetik niederschlagende Auseinandersetzung mit Literatur, Philosophie und Naturwissenschaften und die seinem dichterischen Verfahren zugrunde liegende Aneignung aus dem sprachlichen Vorrat zahlreicher Werke geschätzter oder kritisch gesehener Autoren. Hierzu zählt insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Judentum, mit den dichterischen Werken einiger von Celan zu Seelenverwandten stilisierten Autoren wie Ossip Mandelstamm und Sergej Jessenin sowie seine kritische Rezeption der Philosophie Martin Heideggers. Eine biografische Rückbindung der Dichtung Celans an seinen Lebensweg erlaubt es, die markanten Veränderungen in Celans Texten nachzuvollziehen. Zu diesem Lebensweg gehören die gravierenden Stationen der Deportation seiner Eltern, der Umsiedlung (nach Bukarest im Frühjahr 1945 und der weiteren Flucht über Ungarn und Wien) nach Paris und die seit 1953 sich entfaltenden Plagiatsanschuldigungen, die ab 1960 ihren Höhepunkt erreichten und Celans psychische Erkrankung unheilvoll begünstigten. Bei Berücksichtigung dieser und weiterer ›Biografismen‹ gewinnt das Verständnis seiner Gedichte besondere Tiefe, auch wenn man gegen Celans eindringliche Warnung vorgeht, der Leser möge »das im Gedicht zur Sprache Kommende nicht auf etwas zurückführen, das außerhalb des Gedichtes steht« (PN 194). Bei genügender Konzentration auf die sprachlich-intentionalen Gehalte der Texte ergibt sich für den Leser bald ein adäquates Bild von Celans Anliegen, dichterischem Gedächtnis und poetischer Realisierung.

Würde man Celans wichtigste Publikationen übersichtshalber nach Werkphasen gruppieren, so stünden vor uns:

Frühwerk

Mittleres Werk

Spätwerk

Nachlass

Lyrik

Der Sand aus den Urnen (Wien 1948)

Mohn und Gedächtnis (inkl. Texte aus Der Sand …) (DVA 1953)

Von Schwelle zu Schwelle (DVA 1955)

Sprachgitter (S. Fischer 1959)

Die Niemandsrose (S. Fischer 1963)

Atemwende (Suhrkamp 1967)

Fadensonnen (Suhrkamp 1968)

Zyklus Eingedunkelt (Suhrkamp 1968)

Lichtzwang (Suhrkamp 1970)

Schneepart (Suhrkamp 1971)

Zeitgehöft (Suhrkamp 1976)

Das Frühwerk (Suhrkamp, ed. 1989)

Gedichte aus dem Nachlass (Suhrkamp ed. 1997)

Prosa

Edgar Jené und der Traum vom Traume (Wien 1948)

Bremer Rede (DVA 1958)

Von der Dunkelheit des Dichterischen (1959)

Gespräch im Gebirg (1960)

Der Meridian (S. Fischer 1961)

Rede Tel Aviv (1970)

Die Prosa aus dem Nachlass (Suhrkamp 2005)

Übersetzungen

(Auswahl)

Alexander Block Die Zwölf (S. Fischer 1958)

Arthur Rimbaud Das trunkene Schiff (Insel 1958)

Ossip Mandelstamm Gedichte (S. Fischer 1959)

Sergej Jessenin Gedichte (S. Fischer 1961)

Paul Valéry Die junge Parze (Insel 1964)

Guiseppe Ungaretti: Das verheißene Land. Das Merkbuch des Alten

(Insel 1968)

Jean Cayrol

Nacht und Nebel

(1970)

Der Band Mohn und Gedächtnis, der auch Todesfuge enthält, ist Celans zweite Publikation nach dem zurückgezogenen Band Der Sand aus den Urnen und gilt gemeinhin als Auftakt von Celans literarischer Bekanntheit. Er enthält Gedichte aus der Bukowiner Zeit, jedoch überwiegend die in Bukarest und Wien entstandenen sowie die ersten in Paris geschriebenen Texte. In Mohn und Gedächtnis finden sich schon wesentliche Charakteristika von Celans Werk: Eine komplexe Bildlichkeit, die Nähe zur Traumlogik und zum Dunklen, die Evokation des Schwermütigen, problematische Liebeskonstellationen und Verlust. Unverkennbar ist die Absorption literarischer Tradition (Rilke, Trakl), aber zugleich die Dominanz dessen, was Celans eigenste Erfahrung ist und bleiben wird: der Holocaust und die Verbindung zum Schicksal der europäischen Juden, wobei schon der Titel des Bandes Vergessen vergegenwärtigt und Erinnerung anmahnt. Die zentralen Gedichte sind, neben Todesfuge, sicherlich Espenbaum (KG 3), das die unmögliche Heimkehr der Mutter aus dem ukrainischen Lager thematisiert, Der Reisekamerad (KG 48), das die Gestalt der Mutter als unabdingbaren Begleiter auf den Weg ins Exil setzt, und Zähle die Mandeln (KG 53), das in Erinnerung an das Judentum die Existenz des Dichters hinzuzählt zu den »Krügen« – ein Motiv, das von nun an leitend sein wird.

Der Band Mohn und Gedächtnis prägt Schlüsselbegriffe (Aug, Herz, Haar), die Verwendungsweise der Farbadjektive und das repetitive Sprechen (»es komme die Schuld über uns. / Es komme die Schuld über unser aller warnenden Zeichen, / es komme das gurgelnde Meer«, KG 38).[1] Die für Celans Lyrik zentrale Du-Anrede und vielleicht auch Du-Problematik wird durch verschiedene durchgestaltete Anredesituationen eindringlich vorgeführt. Celan erweist sich als Beherrscher der Lyriktradition, findet aber auch zu einer eigenen Bilderwelt, die in späteren Publikationen sukzessive zu drastischen und verblüffenden Bildkonfigurationen weiterentwickelt wird. Was die Rezeption und die Einordnung der in Mohn und Gedächtnis präsentierten Gedichte erleichtert, das ist der vielen Gedichten zugrunde liegende liedhafte Ton (Rhythmus, Apostrophe etc.), die elaborierten Bilder und natürlich zahlreiche formale Kennzeichen der traditionellen Lyrik, wie Vers- und Strophenbau, Reim und rhetorische Figuren.

So sehr sich Celan aber auch als Dichter von Prominenz ausweist, so sehr quält ihn während der Entstehungszeit dieser Gedichte das Exildasein. Im November 1949, in Paris, schreibt Celan an seine Bekannte Diet Kloos-Barendregt: »Ich bin ein Herumgeworfener[.]« (Kloos-Barendregt 2002, 78) Eine ähnlich existenzielle Not drückt Celan gegenüber Ingeborg Bachmann aus, der er im Sommer 1948 in Wien begegnete und mit der er ein schwieriges Verhältnis einging – eine Beziehung, die lange seine Ehe mit der französischen Grafikerin Gisèle de Lestrange, die Celan im Dezember 1952 heiratet, überschattet.

In die Jahre 1952 bis 1954 fällt sowohl die Arbeit an Von Schwelle zu Schwelle als auch Celans Einbürgerung. Noch stärker als früher erhält das Persönliche und das Dichterische eine Verklammerung: Am 7. Oktober 1953 stirbt François, der erste Sohn des Ehepaars Celan. Während das Gedicht Grabinschrift für François noch explizit auf den Verlust des Sohnes als ein privates Unglück hinweist, kann man in Kenotaph (KG 84) schon eine Vermischung wahrnehmen bzw. eine doppelte Lesemöglichkeit des kollektiven Schicksals mit dem persönlichen Verlust ins Auge fassen: »Der hier liegen sollte, er liegt / nirgends«. Dass das Jüdische in Form eines Memoriam bewahrt wird, davon zeugen unter anderem die Gedichte Vor einer Kerze (KG 73), Andenken (KG 79) und Schibboleth (KG 83). Auffallend ist das in zahlreichen Gedichten auftretende Totengedenken bzw. die Totenfürsorge: Die Sorge für das »Immer« des ungeborenen François, das Umfüllen der Urnen in Assisi (KG 72), das Bereiten der Feigenspeise für den Toten in Andenken und schließlich die sorgfältige Bestattung einer »Leiche«: »Lass uns sie waschen, / lass uns sie kämen, / lass uns ihr Aug / himmelwärts wenden.« (KG 80) Auch das Gedicht In Memoriam Paul Eluard gehört hierzu, in dem Celan dem im November 1952 verstorbenen surrealistischen Dichter ein mahnendes Wort beilegt: »Lege dem Toten die Worte ins Grab, / die er sprach, um zu leben.« (KG 82) Nicht zuletzt ist über Celans dritten veröffentlichten Gedichtsband gesagt worden, dass er das persönliche und dichterische Ankommen thematisiere, während die offizielle Einbürgerung erst 1955 stattfindet. So ist Celan bis dahin nur »der Gast« (KG 70), der mit seiner Seele bei den Toten ist, die ihn heimsuchen und wach halten. Programmatisch werden die Schwelle, über die Celan tritt, ebenso wie der wechselnde Schlüssel, mit dem er das Haus der Erinnerung aufschließt, »darin / der Schnee des Verschwiegenen treibt« (KG 74). Die Ambivalenz dieser immer neu aufschließenden Schlüssel wird deutlich, wenn man sie mit jenen Äxten zusammen liest, mit denen der Dichter nur noch spielen kann nach »sieben Jahre[n] des Wachens« (KG 65). Celan ist noch im Exil ein von den Traumata des Nationalsozialismus Wachgehaltener.

Man kann Von Schwelle zu Schwelle als konventionellen Lyrikband lesen. Auffällig ist, dass alle Gedichte betitelt sind. Dies ist ein nicht unwesentlicher Sachverhalt, orientieren die Titel doch den Leser und erleichtern die Einordnung der Texte als Gedichte. Betitelung, Vers- und Strophengliederung, Reime und Rhythmik kommen abermals der Rezipientenerwartung entgegen. Celan wird dieser Erwartung in den folgenden Jahren mehr und mehr entgegentreten und dennoch darauf bestehen, dass man es bei seinen Texten mit Gedichten zu tun hat. Damit erweitert Celan den Lyrikbegriff und fordert andere Rezeptionsstrategien heraus. Die Wertung des Bandes Von Schwelle zu Schwelle als ›konventionell‹ ist daher kein negatives oder einschränkendes Urteil über die Gedichte, sondern von einem solchen Urteil aus kann man den langen Weg, den Celan mit seiner Lyrik zurücklegen wird, das heißt »die Bahn vom Entsetzen zum Verstummen« (Adorno 2003, 477) besser nachvollziehen. Entsprechend steht Von Schwelle zu Schwelle selbst auf einer Schwelle der poetischen Entwicklung seines Autors.

Schon mit dem Band Sprachgitter, der 1959 publiziert wird, vollzieht sich eine Veränderung in Celans Schreiben. Es ist sein schmalster und bis dahin kargster Band, dessen Zyklen nicht mehr betitelt, sondern durchnummeriert werden, der aber auch zwei zentrale Gedichte – Stimmen (KG 91) und Engführung (KG 113) – enthält. Die Entstehungsdaten der einzelnen Gedichte sind aufgrund der Plagiatsvorwürfe dokumentiert. Obwohl noch nicht in der Hochphase der ›Goll-Affäre‹ angekommen, schwelten doch schon die Vorwürfe, Celan habe den Dichter Ivan Goll Motive gestohlen und in zurückliegenden Gedichten verwendet. Celans Reaktion schlägt sich unmittelbar in Sprachgitter nieder: Als Schweigen bzw. kargeres Sprechen. Der Band ist auffallend akustisch: Wir begegnen »Stimmen« (KG 91, 95, 101, 109), einem »Spätgeräusch« (KG 92) bzw. »Geräusche[n]« (KG 112), einem »Zuviel meiner Rede« (KG 95), einem »vibrierende[n] Mitlaut« (KG 96), einem »Blindenwort« (KG 98), »Gesänge[n]«, »Augenstimmen, im Chor« (KG 101) sowie »Chöre[n]« und »Gespräche[n]« (KG 117), schließlich einem »Zuspruch« (KG 101), aber auch »Schweigen« (KG 95, 100, 112), »Stummheit« (KG 104) und »Stille« (KG 104f.). Mehrmals wird darauf hingewiesen, ob etwas »hörbar« (KG 102, 109, ähnlich auch 92, 106, 114) oder »unhörbar« (KG 110) oder »ungehört« (KG 99) oder »stumm« (KG 93, 96 variiert auch in 94, 95, 104, 106f.) ist. Leitworte sind (neben dem Auge) der Mund bzw. die Münder (KG 92, 97, 100–102, 105f., 109). In der Überkreuzung von Sprache und Gitter (KG 99), Münder und »-gestänge« (KG 101) und der synästhetischen Verschränkung von Hören und Sehen (KG 99: »Meermühle geht, / eishell und ungehört, / in unsern Augen«; 101: »Augenstimmen« und 112: »das / gelächelte Wort«) wird die Bedeutung einer über das Normalmaß hinausgehenden, anderen Wahrnehmung für nicht mehr Gegenwärtiges, für Übersehbares deutlich.

Mit drei maßgeblichen Gedichten zum Holocaust – Stimmen, Engführung und TenebraeOben, geräuschlos