Impressum

Covergestaltung: Mat Seidhold

Bearbeitung: Siria Holm

ISBN: 9783955017736

2015 darkbook.de


andersseitig Verlag
Dresden
www.andersseitig.de

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Hoch-Gebohrne Gräfin /

Gnädige Gräfin und Frau.

Ew. Hochgräflichen Gnaden höchst glückseelige Vermählung mit dem Hochgebohrnen Grafen und Herrn / Herrn Carl von Ahlefeld / wurde eben mit viel tausend Freuden-Bezeugunge celebriret / als meine Feder die warhafftige Geschichte der nunmehro Durchlauchtigsten Adalie beschloß / und begierig war / selbige einer hohen Person in Unterthänigkeit zu überreichen / deren Preißwürdige Vollkommenheiten einen desto schönern Abriß von den Eigenschafften der Liebens-würdigen Adalie machen könnten / wenn ich sagte: daß sie dieser zu vergleichen. Nun wird ein jedweder / der so glückselig ist / Ew. Hochgräfl. Gnaden Vortreflichkeiten in unterthäniger devotion näher zu bewundern / willig bekennen müssen / daß diese Geschichte keinen grössern Zierath als durch Voransetzung des Hohen Nahmens einer so schönen und Tugend-vollkommenen Gräfin gewinnen können: Und daß man nur die darinnen aufgeführte Persohn mit Ew. Hochgräfl. Gnaden Seltenheiten einiger massen vergleichen dürffen / wenn man das gantze Buch mit Anmuth durchlesen soll. Und weil nebst andern hohen Gaben Ew. Hochgräfl. Gnaden die großmüthige Leutseligkeit aus Dero hohen Hause angebohren: So werden sich diese schlechten Blätter eines gnädigen Blickes von Ihnen desto eher zu getrösten haben. Ew. Hochgräfl. Gnaden lege ich demnach als ein unterthäniger Knecht diese wenige Bogen zu Dero Füssen / mit gehorsamster Bitte / sie des unschätzbaren Glückes einer gnädigen Aufnahme zu würdigen /und nebst der oben angeführten Ursache sie als ein Opffer meiner unterthänigen Ergebenheit anzusehen /welche mich angefeuret / denen unzehligen Glückwünschen vor das hohe Wohlergehen Ew. Hochgräfl. Gnaden und Dero vortreflichen Herrn Gemahls auch meine unterthänige Gratulation in tiefster Ehrerbietung mit beyzufügen. Wie denn von dem Himmel nur so viel Vergnügen und Glückseligkeit ausbitte /als es die kostbaren Qualitäten eines so Hohen Paares von sich selber meritiren / und nebst unterthäniger Empfehlung in Dero Gnade in schuldigster submission Lebenslang verharre

Hochgebohrne Gräfin /

Ew. Hochgräfl. Gnaden

Unterthänig-Gehorsamster

Hamburg / d. 24.

Martii 1702.

MENANTES.

Vorrede.

Nach Standes-Gebühr

Geehrtester Leser!

Die gütige Aufnahme der verliebten und galanten Welt solte mich nebst schönster Dancksagung verbinden / demselben meiner Zusage gemäß den andern Theil dieser warhafftigen Geschichte anitzo zu lieffern: Allein die in mir angefeurete Begierde / den geehrtesten Liebhabern meiner schlechten Arbeit durch die itzo noch sammlende artige und traurige Zufälle der Verliebten besser und vollständiger als in denen ersten Bogen zu dienen / und die Liebens-würdige Adalie / versprechen die Entschuldigung dieser Säumniß auf sich zu nehmen. Denn diese schöne / welche durch die schätzbaresten Eigenschafften sich die gröste Ehrerbietung erworben / ist so seltsamen und verwirrten Veränderungen ihres Liebes-Verhängnisses unterworffen gewesen / daß sie mir die Hoffnung machet / manchen in ihren desto merckwürdigern Begebenheiten / weil sie warhafftig / durch Aufmercksamkeit und Lust unterdessen die Zeit zu kürtzen. Und so ja einige / denen diese nach meinen Gutachten eingerichtete Geschichte unbekannt / eine Erfindung draus machen wollen / so werden sie doch diese Gedancken fahren lassen / wenn sie der politen Wissenschafften kundig nach genauer Durchsehung dieser Blätter den Schluß mit bessern Nachsinnen erwegen / als es gemeiniglich am Ende der gleichen Bücher geschiehet. Das verborgene Schicksal spielet offt wunderbarer mit Menschen / als ein kluger Kopff mit Phantasien: und wer die Welt nicht als einen aller Augen geöffneten Platz / sondern als ein geheimes Liebes-Cabinet durchsehen / wird mir leichtlich Beyfall geben. Daß man aber in diesen Schrifften die Personen gleichsam hinter den Fürhang und Verdeckt aufführet / ist nicht eben die Sorge: es werden sich nach Art des verächtlichsten Ungezieffers Gemüther finden / welche aus den reinsten Blumen Gifft wollen saugen; sondern weil es die Mode also mit sich bringet / und man die Maßqven überall zu mehrer Ergetzlichkeit brauchet. Nun glaube ich / daß vielleicht diese Bogen / weil sie von verliebten handeln / eben ein so unvernünfftiges Urtheil von einem heuchlerischen Neide werden leiden müssen / als ich in einer Scarteque über galante Romanen mit Verwunderung gesehen: Allein wie ich ohne Aergerniß dergleichen Leute sich prostituiren lasse / die mit ihren unzeitigen Tadeln bey Gescheuten nicht fortkommen: so verspare mit Fleiß eine völlige Beantwortung / biß ein anderer Tractat nähere Anleitung darzu giebt. Denn dieses würde mir sonsten / was vielen verdrießlich / eine lange Vorrede machen: und wenn hier einige Laster mit vorgestellet werden / so setzet man sie denen Tugenden wie die schwartzen Africaner dene schöne Europäerinne an die Seite / damit sie deren Glantz durch ihre heßliche Gestalt vollkommener machen. Hiermit überreiche dieses Buch dessen gewogenen Händen. und so es so glücklich ist / durch erlangte Gunst auch dem Verfasser eine schätzbares Affection zu erwerben / wird inskünfftige um desto verbundener seyn.

Des nach Standes-Gebühr

Geehrtesten Lesers

Unterthäniger und Dienstergebenster

MENANTES.

 

Das Mordbegierige Schwerd des unruhigen Kriegeß-Gotts blitzete noch überall auf Deutschlandes Gräntzen / und die blutigen Opffer / die Franckreich und dessen mächtige Feinde seiner Wuth zinsen musten /befärbten den Rhein so wohl mit Purpur / als sie in denen Niederlanden viele Tausend entsetzliche Merckmahle seiner gewöhnlichen Grausamkeit sehen liessen. Kein Ort und ebenes Feld durffte von seiner Raserey verschonet bleiben / und das Donnern der Stücke und Musqueten wurde mit der Zeit der angenehmste Klang in der meisten Ohren. Dergestalt meinte der hochmüthige Mars das schönste Theil der Welt unter seine Fahne zubringen / und hatte die erhitzten Gemüther der Frantzosen schon so kriegerisch gewehnt / daß sie mehrentheils nur auf benöthigte Gegenwehr wieder der Deutschen Tapfferkeit / wenig aber auf andere Ergetzlichkeiten dachten.

Allein Amor, der allezeit in diesem Reich / und sonderlich in der Haupt-Stadt Pariß / eine unzehlige Menge Anbeter sich unterthan gemacht / wolte sich auch itzo durch das starcke Geräusche der Waffen nicht abschrecken lassen / seine Siege zu verfolgen /sondern seine Unümschränckte Gewalt desto empfindlicher sehen lassen / je mehr er durch den entzogenen Gehorsam war beleidiget worden. Zu dem Ende rüstete er eine Schönheit aus / welche / wenn das Glücke sich gleich Anfangs mit ihren Tugenden vermählet / schon würdig gewesen wäre / von aller Welt Cron und Scepter anzunehmen.

Dieses ware die unvergleiche Adalie, die einen der ansehnlichsten und berühmtesten Kauffmann / Nahmens Brion in Paris / zum glückseligen Vater hatte /und solche Vollkommenheiten besasse / daß auch der geschickteste zweiffelhafftig bliebe / ob er mehr den durchdringenden Verstand oder die seltene Schönheit an ihr bewundern solte. Mit diesen Meisterstücke schmeichelte sich nun Amor, wie nachdrücklich er denen zum Kriege gewehnten Hertzen seinen Zorn wolte empfinden lassen / und das von der Menge galanter Cavaliers gantz stoltze Paris muste das Ziel seyn / worauf er seine gefährliche Pfeile richtete. Der Ausgang ware so gewünscht / als ihn der schalckhaffte Amor sich eingebildet / und hierdurch erwiese er gnugsam / daß die Liebe denen feurigsten Helden den Harnisch ausziehen / und alles unter ihre süsse Herrschaft zwingen könne / wo es nur ihr Ernst / mit rechter Anmuth / zu Felde zu gehen. Denn es durffte ein Cavallier oder sonst vornehmer Krieges-Bedienter die schöne Adalie nur zu sehen kriegen / so fühlte er schon eine solche Zärtlichkeit / die ihm bißhero in dem rauhen Handwerck der Waffen gantz unbekandt gewesen / und diese Empfindung erweckte ihm nicht allein viel Unruhe / sondern auch solche Hochachtung / daß einer dem andern die Annehmlichkeiten dieses Frauenzimmers / als das galanteste ihrer Zeit erzehleten.

Hiermit breitete sich der Ruhm einer so liebenswürdigen Persohn in gantz Paris aus / und dieser wurde allenthalben so erhöhet / daß sich nicht allein die treflichsten Cavalliers um das Glück ihrer Bekandschafft beworben / sondern viele vornehme Damen rechneten diese vor die angenehmste Bemühung / welche sie zu einer Visite bey ihr anwenden konten. Allein Adalie entzohe sich / so viel als der Wohlstand zulitte / der Conversation der Cavalliere, und wolte lieber in unschuldiger Einsamkeit leben /als durch einen freyen Zutritt den Neidern in geringsten ihre Tugend zu verletzen Anlaß geben. Was aber der Zuspruch der Damen anbelangete / solchen nahme sie mit gröster Ehrerbietung an / und erwiese eine so sitsame Conduite und löbliche Eigenschafft ihres herrlichen Geistes in Discursen, daß man ihr in Gedancken das Zeugnis gab: es fehlet ihr nichts mehr als der Purpur / so hätte sie der Himmel mit aller Menschlichen Glückseligkeit versehen.

Dieses reitzete viele / sie instandigst zu ersuchen /daß sie sich doch an dem bey aller Welt berühmten Hof zu Paris begeben möchte damit sie sich an ihrer steten Gegenwart nach Wunsche letzen / sie aber ihre Vollkommenheit noch mehr an den Tag legen könte; Allein Adalie wuste wol / daß ein artiges Frauen-Zimmer am Hofe dem Neid und gefahrlichen Nachstellungen ihrer Ehre öfters so wenig als die Sonne den Finsternissen entgehen könne / dannenhero wolte sie lieber ihre Vergnügung in sich selber suchen / als bey allzu grosser Erhöhung ihres Ruhms in Sorgen stehen / anch den kleinsten Theil davon zu verlieren.

Nun schiene es dennoch / ob solte ihre Schönheit wieder Willen aller Augen freyer Betrachtung ausgesetzet seyn / weil sich viele ansehnliche und vornehme Persohnen bey ihren Vater den Brion bemüthen /durch sie ein angenehmes Bundniß mit seinem Hause zu stifften. Diese trefliche Partien kamen auch dem Brion so wohl für / daß er selbige auszuschlagen nicht vor rahtsam hielte / dannenhero war nichts mehr übrig / als daß nur Adalie in dieses Verlangen mit einstimmete / und dadurch seine Familie seiner Meinung nach glücklich machte.

Allein Adalie fühlte nicht den geringsten Trieb in ihren Hertzen zu einer Vermählung / und der verspürte Wiederwillen gegen die Liebe schiene ihr gleichsam von einer höhern Macht als einen blossen Eigensinn eingepflantzet zu werden / daß sie gar weder Stand noch Reichthum in Betrachtung nehmen konte /sondern bloß einergeheimen Regung folgete. Sie schützete demnach ihre noch allzugrosse Hochachtung zu der Freyheit vor / und bathe inständig / sie noch in so zarter Jugend zu den Eh-Banden nicht zu zwingen / sondern sie so lange in ihrer Eingebildeten Vergnügung zum ledigen Stande zu lassen / biß die mehrere Jahre auch mehr Beliebung zu einen andern brächten / zumahl sie die Abwesenheit eines so liebreichen Vaters ohne Betrübniß so bald nicht würde ertragen lernen. Wiewohl nun Brion diese Entschuldigung im Anfange nicht wolte vor zulänglich halten /so urtheilte er doch als ein gütiger und verständiger Vater / daß gezwungene Heyrathen selten so viel Glückseligkeit zum Brautschatz haben / als wo die Liebe beyderseits die Hertzen zu einen süssen Ja nöthiget / und wolte dannenhero einer Persohn nicht so strenge Gesetze vorschreiben / die er wegen ihrer wunder würdigen Eigenschafften zugleich lieben und ehren muste / und derenthalben er bereits die jüngste Tochter Barsine in ein Closter versperret / damit Adalien der Reichthum allein zufallen möchte. Adalie brachte demnach ihren Vater durch viele Verpflichtungen / und daß sie sonsten in allen Begebenheiten ihren schuldigen Gehorsam mir Vergnügen bezeigen wolte / auf den geneigten Entschluß / ihr in diesem Stücke ins künfftige allein die Wahl zu lassen: denen gethanen Anwerbungen aber wuste er mit solcher Manier zu begegnen / daß niemand wegen mißlungenen Verlangen sich konte beleidiget halten. Also sahe sich Adalie von dieser Unruhe befreyet / und hinge ihrer Edlen Gemüths-Ergetzung nach / welche in einem süssen Lauten-Spiel / worein sie mit ungemeiner Lieblichkeit sunge / andere schönen Ubungen / und in Lesung der galantesten Bücher bestunde.

Unter vielen Sprachen / welche sie mit sonderbahrer Zierlichkeit redete / hatte sie grosses Belieben zu der Teutschen / und sich in selbiger desto geschickter zu machen / nahm sie nicht allein noch ein Teutsches Mädgen / Nahmens Doris, zu ihrer Auffwartung /sondern verfertigte auch zu ihrer Belustigung in Nahmen ihres Vaters unterschiedliche Brieffe nach Elbipolis in Teutschland an einen vornehmen Kauffmann /Besardo, welcher mit ihren Vater in wichtiger Handlung stunde. Die unvermuthete Schreib-Art / welche sonst allezeit in Frantzösischer Sprache geschehen /und die artige Verfassung derselben / bewegte alsofort den jungen Bosardo, der in Nahmen seines Vaters die Correspondentz hielte / sich genau zu erkundigen /wer doch eine so geschickte Teutsche Feder bey dem Herrn Brion zu führen vermögend sey. Wie nun die Nachricht einlieffe / daß ein galantes Frauenzimmer solches bißhero verrichtet / so war auch der blosse Geist / der aus diesen Zeilen hervor leuchtete / schon fähig / ihn zu einer mehr als gemeinen estim gegen dasselbe zu zwingen / ohne daß der billige Ruhm ihrer wunderschönen Gestalt hierzu etwas beygetragen. Dannenhero ware Bosardo desto geschäfftiger /seine Schreib-Art wohl einzurichten / und die vielen untermischten Verpflichtungen liessen Adalien sattsam sehen / was für ein Bekäntniß er gerne bey ihr abgeleget. Allein ihr Gemüth hinge weit schöneren Betrachtunge als einer Liebe nach / die sie zuvor weit kostbarer ausgeschlagen / und antwortete also zwar höflich / doch mit einer solchen Unachtsamkeit / als ob sie die übrigen Schmeicheleyen nicht gelesen.

Damahls brandte das hefftige Krieges-Feuer zwischen den König in Franckreich und denen Alliirten hohen Potentaten / wie oben erwehnet worden / noch in voller Macht / und die starcken Flammen breiteten sich so gewaltig aus / daß der Schimmer bereits weit über den Rheinstrom Drunge / als die hohen und getreuen Reichs-Fürsten alle Sorgfalt anwendeten / solche gefährliche Glut auf ihren Gräntzen zu dämpfen. Derowegen beordrete auch der Hertzog von Allerona in Teutschland den Kern der tapfersten Soldaten dahin / um dem Vaterlande wieder einen so hochmüthigen Feinde rechtschaffene Dienste zu thun / seinen jungen Printzen Rosantes aber / ob er gleich von feurigen Gemüthe war / wolte er wegen seines noch zarten Alters und der Hoffnung / die sich das gantze Land von seinen treflichen Qualitæten zu machen /einer so frühzeitigen Gefahr nicht aussetzen / sondern suchte ihn in allen Helden-mäßigen Ubungen und Fürstlichen Tugenden erst noch vollkommener zu machen.

Hierzu schiene ihm auch Paris ein schöner Muster-Platz vor so junge Herren zu seyn / und weil der Printz nach einen der galantesten Höfen in der Welt selbst ungemeines Belieben truge / gleichwohl aber zu besorgen war / der blutige Krieg möchte so bald kein Ende gewinnen / daß diese löbliche Begierde noch in blühenden Jahren könne gestillet werden / so war der Durchtige Herr Vater sorgfaltig / ein Mittel zu erfinden / wie er diesen theuren Printzen mit guter Sicherheit in seiner Sehnsucht vergnügen möchte. Endlich fiel ihm ein / wie der alte Bosardo in Elbipolis, welcher seine Hoffstadt mit dem kostbarsten Waaren versahe / auch starcke Handlung nach Paris hätte /und wie dieser seinen Printzen unter den Schein seines eigenen Sohns an einen der ansehnlichsten Kaufleuten daselbsten recommendiren könte / um sich in den Exercitien und Galanterien geschickter zu machen: denn also würde man aus Unwissenheit seines Standes kein so scharffes Auge auf ihn werffen / und irgends zu einer allzutheuren Rantzion in Verwahrung nehmen. Dieser ruhmwürdige Hertzog ließ also den Bosardo zu sich beruffen / und bey dessen Auffwartung eröfnete er ihm seine Meinung / mit dem Anhange / daß er nicht die geringste Schwürigkeit in dieser Sache sähe / woferne nur Bosardo seine Treue hierinnen recht anwenden / und an einen Kaufmann in Paris schreiben wolte / daß er ihm hiermit seinen Sohn bestens empfiehle / so zu Begreiffung aller Cavalieren wohlanständigen Ubungen daselbst anlangete / mit der Versicherung / daß er nicht allein Mittel genug hätte / ihn diesen Rang zu wege zu bringen / sondern auch sonsten auf alle Weise dafür erkentlich seyn würde.

Bosardo schmeichelte sich mit der hohen Ehre dieses gnädig auf ihn gelegten Vertrauens in einer so wichtigen Sache ungemein / dannenhero wuste er nicht Worte genug auszusinnen / wie er dem Hertzog seine unterthänigste Danckbarkeit dafür bezeigen solte / erklärte sich anbey / daß er nach eusersten Vermögen so viel Behutsamkeit hierinnen gebrauchen würde / als Sr. Durchl. gnädiger Befehl und hohe Angelegenheit erforderten / und daß er dero hochgeliebtesten Printzen bey einen Kauffmann bringen wolte /den man an den Hofe zu Paris nicht anders als den reichen Brion hiesse / welcher denn ausser der Ehrerbiethung / die er ihnen aus Unwissenheit schuldig bliebe / so viel zu ihrer Bewirthung anwenden solte /daß sie ein gnädiges Gefallen darüber haben würden.

Wie nun der Hertzog mit sothaner Willfährigkeit ein gnädiges Belieben hatte / so würde alsofort Anstalt gemacht / daß der Printz Rosantes unter der Auffsicht eines qualificirten Hofmeisters nach Elbipolis auffbrechen muste / um daselbst in denen zuwissen nöthigen Dingen dergestalt unterrichtet zu werden / damit er hernach vor die jenige Person recht passiren möchte / die er sich vorzustellen unternommen.

Dieser artige Printz brauchte nicht viel Mühe / das Vornehmste so fertig zu begreiffen / als ob er lange Zeit in der Handlung gestanden / und unter andern wuste er die Hand des jungen Bosardo so wohl nachzumahlen / daß auch der scharffsichtigste keinen Unterscheid zwischen beyden hätte erkennen sollen. Indessen hatte Brion bereits den besten Empfehlungs-Brief vor den jungen Bosardo erhalten / und weil er eine solche Gefälligkeit den alten Bosardo abzuschlagen gar keine Ursache wuste / so schriebe er desto höflicher wiederum zurücke / und versicherte / daß ihm alle Augenblick lang werden würden / ehe er einen so angenehmen Freund zu sprechen bekäme /als welchen sein Hauß und gantzes Vermögen zu Diensten stünde. Adalie aber muthmassete bey erhaltener Nachricht / daß der junge Bosardo nach Paris verlangte / ob er nicht vieleicht wegen offt untermengten Caressen in Briefen / die jenige Persohn mündlich um etwas ersuchen wolte / bey der er in schrifftlichen Bitten unglücklich gewesen / zumal da er so inständig um ein Zimmer in ihren Hause angehalten; doch sie sprach ihm gleich in Vorrath allen Vortheil ab / und hatte in voraus ein Mitleiden mit ihm / wenn er sich umsonst um ihre Gunst bemühen würde: über diß nahme sie sich vor, seiner Gesellschafft möglichst zu eussern / damit niemand den geringsten Anlaß kriegen möchte / ihre bißhero erhaltene Renomeé und den Vorsatz noch nicht zu lieben verändert zu heissen. Allein du schöne Adalie, der du dein Hertze vor den Anfällen der Liebe so genau verwahret / sehe ob du auch bey einen Printzen unempfindlich bleiben kanst / der zwar eine niedrige Person vorstellet / aber so ein Majestätisches Wesen und Menge der Annehmlichkeiten dir entgegen setzet / daß es ein Eigensinn sey / selbige mit gleichgültigen Augen anzusehen.

Dergestalt schiene sie das Verhängniß anzureden /und führete nach vollbrachter glücklicher Reise den Printz Rosantes unter den Nahmen Bosardo in Paris /welcher alsofort dem Brion nebst seinen Hofmeister und einen Diener die Visite gab / und mit aller ersinnlichen Hofligkeit und nicht geringer Verwunderung über seine so wohl gebildete Persohn empfangen wurde. Nach abgelegten gewöhnlichen Ceremonien fragte Brion den vermeinten Bosardo, ob ihm beliebte seinen bißherigen Correspondenten zu sehen / und als der Printz sein Verlangen darnach bezeigte / führte ihn derselbe in ein Zimmer / welches an kostbarer Ausmeublirung einem Fürstlichen nicht ungleich sahe.

Das treflichste aber darinnen ware die unvergleichliche Adalie, welche dem Printzen mit so erstauender Anmuth entgegen gienge / daß er hierüber in eine unvermuthete Verwirrung geriethe; doch er erholte sich bald wieder / und machte ihr die Compliment.

Wie war aber Adalien zu muthe? vermeinte sie wohl in Bosardens Persohn so was Vollkommenes zu finden / den sie sich nach seiner Schreib-Art viel anders abgerissen? und solte sie wohl glauben / daß jemand / der ihr von schlechten Geiste geschienen / eine so propre Taille und vortreffliche Mine könte haben? Ach beydes übertraf ihre zuvor gemachte Abbildung /und der erste Anblick dieses gantz andern Bosardens erregte in ihr eine heimliche Bewegung / davon sie den Nahmen selbst nicht wuste / weil sie solche noch niemahls empfunden.

Sie muste demnach durch einen süssen Zwang ihren vorigen Entschluß ändern / und der Aufstand in ihrem Gemüthe wolte auch noch eine mehrere Röthe über die Rosen der Wangen ziehen; doch sie raffte alle vorige Lebhafftigkeit zusammen / und suchte durch unterschiedliche Discurse zu erforschen / ob in einem so schönen Leibe auch eine gleichmäßige Seele wohnte. Weil nun Printz Rosantes der Frantzösischen Sprache noch nicht vollkommen mächtig / so muste es in Teutscher geschehen / und hierinnen unterhielte ihn Adalie so wohl / daß beyde ihr sonderliches Vergnügen hier innen fanden / und ich nicht sagen kan / welches unter ihnen sich über des andern sinnreichen Verstand am meisten verwunderte.

Beyde hinterliessen demnach im Weggehen einander viel Nachsinnens / und Printz Rosantes machte bey sich den Schluß: wo es lauter solche Engel in Paris gebe / würde es schlecht um seine Freyheit aussehen. Gleichwohl war er von den Regungen der Liebe bißhero verschonet gewesen / und die itzo anflammene Triebe von Lust und Schmertzen wolten seinem der Ruhe ergebenen Gemüthe so gar nicht anstehen / daß er sich fest vornahme / mit Gewalt diese Pasion aus seinem Hertzen beyzeiten zu verbannen /ehe sie tiefere Wurtzel gefasset / und man hernach die Mühe zu deren Ausrottung vergebens anwendete.

In diesem Vorsatze besuchte er täglich den Hof /wo die Raritäten / Merckwürdigkeiten und Galanterien, welche hier den schönsten Sammel-Platz haben /seine Gedancken so tief zu ihrer Betrachtung führeten / daß er fast seinen beliebten Gegenstand des Gemüthes darüber vergessen. Er schmeichelte sich also nicht wenig / daß er ein Meister seiner Affecten sey /und gedachte durch dieses Mittel seine gäntzliche Zufriedenheit zu behaupten / wenn er nur durch galante Studia, Exercitien und artige Conversation von Hause abgehalten würde.

Allein indem er den Netzen der Liebe am vorsichtigsten entgehen wolte / / wuste ihn der listige Amor erst recht zu fangen; denn er stellete ihm an dem Hofe eine grosse Menge annehmlicher Damen vor / und wenn sich seine Augen an ihnen zu weiden suchten /keine aber von solcher Schönheit wie seine Adalie erblickten / flössete ihn der schlaue Dieb die Worte ein: Siehest du nicht Rosantes / daß Paris zwar viele Sternen / aber nicht mehr als eine Sonne heget? Warum entziehest du dein Auge ihren edlen Blicken / und warum suchest du anderwerts vergebens / was dir Glück und Liebe zur Seiten gestellet? ist es dein Stand / welcher so viel Eigensinn erwecket / so dencke doch / daß die Liebe in ihrem Reiche keinen Unterscheid gestattet / sondern bereits tausend Exempel auffzuweisen hat / wie der Purpur sich weit glückseliger mit Tugenden als blosser Menschlicher Hoheit vermählet: zu dem so sind die jenigen nicht nach ihrer Geburth zu schätzen / welche der Himmel durch unvergleichliche Eigenschafften weit über andere erhöhet. Ergib dich also Printz Rosantes einer so süssen Herrschafft / welche dir desto unbeschreiblichere Vergnügung wird zu schencken wissen / je edler sie ist /und erwege / daß Adalie ebenfals viel zärtliches vor dich heget / ehe sie weiß / daß du ein Printz bist / und doch deinen itzt angenommenen Stande nach viel bessere Parten ausgeschlagen.

Indessen daß Amor dem Printzen einen heimlichen Beyfall abnöthigte / hatte er bey Adelien auch vollkommen zu thun. Sie war mit einem tieffen Nachsinnen an des vermeinten Bosardo bißherige Auffführung schafftet / und wie selbige jederzeit gantz indifferent geschienen / und sie ihn weder in Frantzösischer noch in Teutscher Sprache ein verpflichtetes Compliment hatte machen hören / kame sie auf die Gedancken / dieses sey eine Verachtung ihrer Persohn / was Rosantes aus Gewohnheit eines ungebundenen Hertzens und Unwissenheit der Würckungen der Liebe gethan. Auch die vornehmsten Cavalliers hatten nicht einen Zutrit bey ihr erhalten können / und Bosardo, der sie von gleicher Ankunfft mit sich hielte und noch darzu in Schreiben seine Liebe verrathen /wäre so kaltsinnig / daß er sich um die Gelegenheit mit ihr zu sprechen / wenig bekümmerte / ob sie ihm selbige gleich öffters darzu sehen liesse.

Diese ungleiche Meinung von Printz Rosantes erweckte ihr einen heimlichen Gemüths-Kummer / und selbigen zu verbergen / schlosse sie sich öffters in ihr Zimmer / und beseufzete mit Verwunderung die Unempfindlichkeit des Bosardo / und daß ihre Gestalt gar nicht die jenige Vollkommnheit müste besitzen /welche man ihr beygeleget / sonsten ja derselbe noch etwas Liebens-würdiges an ihr finden würde. Bald aber verwiese sie sich selber / daß ihr Hertz so viel Hochachtung von einem unerkenntlichen machte / und warum sie ihm nicht gleichfals mit einer blossen Höfligkeit bebegnete / da es ihm ja gar nicht schwer fiele / eine andere Empfindung zu verbannen.

Sie faste demnach vor sich selber mit aller Gewalt den Entschluß / ihm keine geneigtere Blicke als andern zu geben / um dadurch zu erweisen / daß sie denjenigen großmühtig vergessen lernete / der ihrer nicht sonderlich achtete. Allein von wie langer Dauer war dieses Unternehmen? von nicht längeren / als biß sie ihn wieder zu Gesichte bekam: denn das blosse Anschauen von Rosantes risse alle Festigkeit ein / welche man wieder die Liebe hatte bauen wollen / und Adalie muste sie allezeit desto sieghaffter bey sich einziehen lassen.

Endlich gertethe sie auff den seltzamen Zweiffel /ob man denn in Teutschland einem so schönen Triebe der Natur nicht so wol nachhinge als in Franckreich? die Gewißheit davon gedachte sie von ihrem Madgen Doris / welches wie oben erwehnet / aus Teutschland kommen / am besten zu erfahren / dannenhero fragte sie selbige einsmal gleichsam zur Schertz / von was vor humeur ihre Lands Leute waren / und ob sie auch wohl von Liebes lntriguen sonderlich Wesen machten? Doris / welche in Liedenfeld fast von Jugend auf gewesen / konnte nicht anders versichern / als daß sich die Galanterien daselbst in so vollkommener Ubung wie in Paris befänden / und daß man öffters die artigsten Geschichte hievon erführe.

Diese Nachricht beunruhigte sie eben noch mehr /als Printz Rosantes von Hofe kam / und weil er Adaliens Zimmer im Vorbeygehen offen fande / machte er ein Compliment darinnen. Sie verfärbte sich anfangs über seinen Zuspruch zu der Zeit / da sie eben tausenderley Gedancken von ihm hegte / doch schiene es ihr nicht gar zuwider / daß er diese Gelegenheit zu ihrem eigenen Vortheil ergriffen.

Sie bewillkommete ihn also gantz höflich / und fragte unter andern / wie ihm denn dieser Hof gefiele /und ob er noch keine Liebes-Galanterien unter den Damen und Cavalieren an denselben wahrgenommen? Solte dieses / antwortete Rosantes, an einen der schönsten Höfe was seltzames seyn / und könnte man wohl ohne Vergnügung daselbst weggehen? Mir ist es lieb / sagte sie / wenn ihr euere Zufriedenheit daran findet / und sonderlich / wenn eine Dame dieselbe befördert. O nein / erwiederte er / die Damen des Frantzösischen Hofes haben sich bißhero keine Mühe meinetwegen genommen / und mein Hertze kan sich auch von ihrer Entzündung gantz frey sprechen. Mein Mädgen aber / gab sie hierauf / hat die gute Meynung von eurer Nation / daß sie sonderlich die Liebes-galanterien hoch hielten. Ich muß es bekennen / daß sie nicht uneben geredet / sagte er / und ist nur Schade / daß die schöne Adalie nicht gleichfals so gütige Gedancken heget. Ich würde euch aber hierdurch keinen Gefallen thun / antwortete sie / weil euer Hertz die Anfälle der Damen wenig achtet? Nur am Hofe / artige Adalie / erklärte er sich. Und vielleicht in gantz Paris / versetzte sie. Dieses wäre einer so unvergleichlichen Stadt zu nahe geredet / sagte Rosantes / wenn sich nicht eine Schönheit darinnen finden solte / die mich zu binden vermögend sey; Aber wegen der besorgenden Marter / die die Liebe zum Gefehrten hat /muß man sich einer solchen Regung mit aller Macht entschlagen / als durch freye Bekäntniß derselben die Unruhe vermehren. So habet ihr schon aus der Erfahrung gelernet / sagte Adalie lächelnd / daß die Liebe viel Marter verursachet / und darum suchet ihr selbige nunmehro zu fliehen? Dieses wohl nicht / antwortete er / weil ich niemahls geliebet / aber an verliebten wohl war genommen / mit was für Schmertzen ihre Gemüther allezeit beunruhiget gewesen.

Sie würden von dieser beliebten Materie so bald nicht abgebrochen haben / wenn sie die Dazwischenkunfft des Hofmeisters nicht darinnen gestöret / und sie beyderseits zur Tafel genöthiget. Sie hatten also beyde einen heimlichen Unwillen über die Zeit / daß dieselbe itzo so geschwinde / sonsten aber so langsam vorbey striche; doch war ihr Trost / daß ihnen die Gelegenheit zu weiterer Unterredung nicht so gäntzlich benommen.

Den Abend darauf / als die dunckelen Schatten den Tag schon eine gute Zeit verstecket / und die Glieder zu der Ruhe fordern wolten / schliche sich Rosantes unvermerckt nach Adaliens Zimmer / um sich wie gewöhnlich an einem süssen Lauten-Spiel zu ergetzen. Adalie aber / die durch ihre Doris bereits erfahren /was für einen andächtigen Zuhörer sie alle Abend an dem vermeynten Bosardo hätte / war vorhero bedacht gewesen / was sie ihm diesen Abend spielen wolte /dannenhero muste ihr Mädgen ingeheim auf der Wache stehen / und des Printzens Ankunfft ihr durch ein Zeichen zu verstehen geben. So bald als sich nun Doris durch ein Merckmahl hören liesse / sang sie diese Aria mit ungemeiner Anmuth in die Laute:

 

So die Liebe ja betrübet /

Ist die Schuld nur dem / der liebet.

Wer sein Leiden stets verschweigt /

Und mit tausend Seufzern klaget /

Dem ist Amor nicht geneigt /

Weil er nicht nach Hülffe fraget.

Gönt die Brust.

Sich die Lust /

So muß sie auf selbe dencken /

Wo man sie ihr weiß zu schencken.

 

Frage die / so dich besieget /

Selbe weiß auch was vergnüget /

Stets bey sich verliebt zu seyn /

Heist in Schatten Sonne suchen /

Und die machen offt die Pein /

Die auf ihr Verhängniß fluchen /

Einen Brand

Mehrt die Hand /

Die noch Quaal wie heisse Kohlen

Zu der Liebes-Glut will holen.

 

Wer den Zucker nicht will speisen /

Kan ihn auch nicht süsse heissen.

Auch der Muscateller Most

Muß vor Liebe bitter werden /

Ja es kömmt der Götter Kost

Durch die Liebe nur auf Erden.

Glaube diß

Bleibt gewiß:

So die Liebe ja betrübet /

Ist die Schuld nur dem / der liebet.

 

Rosantes hatte mit gröster Aufmerck samkeit zugehöret / und weil er den Inhalt aus ihren obigen Discoursen auf sich ziehen konnte / muthmassete er / es müsse Adalie ohnfehlbahr Nachricht haben / daß er üm die gewöhnliche Zeit an ihrer Ergetzung mit Theil nehme. Es gefiele ihm also ungemein wohl / daß ein so unvergleichliches Frauen-Zimmer von seiner blossen Person so viel Hochachtung machte / ehe sie von seiner höhern Geburth Wissenschafft hätte / welches Glücke sich doch kein Cavallier bißhero rühmen können.

Diese Zufriedenheit hierüber ware der Uhrsprung weit vortheilhaffterer Gedancken / welche ihm die gantze Nacht in einer angenehmen Unruhe schlaffloß hielten / und genugsam zu erkennen gaben / daß sie mit der Liebe die genaueste Verwandschafft hätten. Nun wolte ihm zwar ihre vermerckte Gunst und stete Gegenwart eingeben / daß weil sein Stand dem ihrigen weit übergienge / könnte seine Sehnsucht dennoch durch eine kluge Verstellung und viele verpflichtete Caressen so lange gestillet werden / als er in Paris verbliebe; allein die Betrachtung ihres Geistes /der gar von keiner gemeinen Art war / und fein eigen Edles Gemüth rissen in dem Augenblick diese unanständige Meynung übernhauffen / und brachten ihn her gegen zu einer rechten Ehrerbietung gegen sie.

Die Morgenröthe drunge bereits mit ihren güldnen Strahlen in sein Zimmer / als er erstlich seine beschäfftigten Sinnen wolte ruhen lassen / dannenhero hielte er von Unrecht / dem beliebten Gegenstand seinem Hertzen am Tage zu rauben / den ihm die finstere Nacht nicht hätte benehmen können / und machte sich demnach gleich aus den Federn.

Er gedachte sich diesen Tag recht propre zu kleiden / und weil er öffters an Adalien eine rothe garnitur-Band gesehen / so vermeynte er sich bey ihr beliebt zu machen / wenn er eine gleiche trüge; Uber diß legte er viele kostbare Diamanten an sich / und wiewohl ihn der Hoffmeister einer Behutsamkeit hierinnen errinnerte / hielte er es doch vor unnöthige Einwürffe / und stutzete mehr als eine Person / vor welche er sich ausgab.

Wie er nun durch seinen Diener erfuhre / daß Adalie sich gleichfals angekleidet / liesse er ihr das Compliment machen; daß es ihm sehr vergnügen würde / wenn sie diese Nacht wohlgeruhet / und so er mit ihrer Erlaubniß davon mündliche Nachricht einziehen könnte / würde er es vor eine sonderbahre Gefälligkeit rechnen, Adalien schiene dieses ein angenehmer Vorbothe zu seyn / des wegen liesse sie ihm wiederum entbieten / daß sie gleichfals Verlangen trüge / zu vernehmen / wie er diese Nacht geschlaffen / weil er schon bey so früher Zeit aufgewesen / erwartete sie also die Ehre seines Zuspruchs.

Sie hatte itzo eben die rothe Garnitur-Band wiederumb angelegte / weil sie selbiges sehr wohl kleidete / und vermeynte am wenigsten / daß sie ein gleiches an Bosarden sehen solte; denn es in Franckreich vor ein Kennzeichen eines Liebes-Verständniß ausgeleget wird / wenn eine Dame und Cavallier einerley couleur Band tragen. Sie stutzete aber bey dem Eintritt des Printzen Rosantes, da sie solches an ihm gewahr wurde / und über dem sahe / wie er sich so treflich geputzet. Hätte sie gewust / daß er von der Manier in Franckreich unterrichtet wäre / solte ihr diese Freyheit nicht entgegen gewesen seyn / so aber blieb sie in einem unangenehmen Zweiffel.

Rosantes hingegen hatte an Adalien nicht weniger zu verwundern: Ihre gantze Kleidung bestunde in einem mit Golde reichlich durchwirckten weissen Damast / und aller Zierath ware so wohl ausgesuchet /daß er ihre von Natur wunderwürdige Schönheit noch erstaunender machte. Dieser trefliche Glantz stärckte seinen Vorsatz / ihr mehr als vor diesen die Hochachtung ihrer Person zu verstehen zu geben / und in diesem Absehen bathe er um Vergebung / wo er sie zu früh in ihrer galanten Verrichtung stöhrete / sich entschuldigend / daß er sich ihrer gehabten Ruhe erkundigen wollen / indem er auch von der kleinesten Vergnügung die angenehmste Zeitung könnte einziehen /wenn sie selbige nur betraffe. Adalie erwiederte / daß solches seiner jederzeit bekannten Höflichkeit zu zuschreiben / was aber ihre Ruhe anbelangete / so könte er selber schliessen / daß die ihrige vieleicht besser als die Seinige gewesen / weil er bey so gar früher Zeit vor sie aufgestanden / davon sie doch die Ursache gerne wissen möchte. Wie habe ich dem Schlaffe sonderlich nachhengen können / antwortete Rosantes, da ihr mir durch die artige Aria den Abend zuvor so viel zu überlegen gegeben. So hat meine schlechte Music / sagte sie / wider mein Vermuthen einen so galanten Zuhörer gehabt. Wie soll ich aber zu dem Versehen kommen / daß eine ungeschickte Aria euch an der Ruhe gehindert / gewiß dieses solte mir sehr leid seyn. Ich habe aber diese Unruhe / antwortete er /sehr gerne über mich genommen / und die geschickte Aria hat mir so wohl gefallen / daß ich nun ihren klugen Lehren bey euch nachzuleben gedencke. Und was für Lehren hat euch denn dieselbige gegeben? fragte sie. Solten sie euch schon entfallen seyn / sagte er / so schweben sie mir doch noch in frischen Gedächtniß /und heissen mich nicht Ursache an meinen eigenen Schmertzen seyn / sondern die Mittel dafür bey derjenigen suchen / so mir selbige durch ihre Güte geben kan. Dieses war aber nur auf die Verliebten gerichtet / versetzte sie. Und eben deßwegen wird mich die schöne Adalie nicht straffen können / antwortete er / wenn ich den Reguln genau nachkomme. Ich spüre wohl / sagte sie lächelnd / daß ihr heute zum Schertz einen Verliebten vorstellen wollet / weil ihr die Frantzösische Manier hierinnen beobachtet / und eben eine solche Garnitur-Band als die Meinige aus gesehen. Hieraus könnet ihr aber schliessen / erwiederte er / daß wo ich ja kein mündliches Bekäntnis gewaget / dennoch ein merckwürdiger Zufall meine innerliche Regung verrathen / weil mir von dieser Galanterie vorher nichts bekannt gewesen; Daß ich aber selbige ins künfftige in dieser Qualität desto vergnügter beobachten möge / darzu werde ich von euch gütige Erlaubnis ausbitten. Man kan solches keinen nicht ehe verstatten: sagte sie / biß man versichert ist / daß die Persohn es von Hertzen fordert.

Daß mein Hertze sich nach einen so schätzbahren Glücke sehnet / versicherte Rosantes, hat die schöne Adalie so wenig Ursach zu zweiffeln / als an der Macht ihrer unzehligen Annehmlichkeiten / welche einen jeden auch bey den ersten Anblicke ein so süsses Verlangen erwecken können. Ich kenne meine wenige Gestalt / sagte Adalie, und die allzugrosse Gefälligkeit des artigen Bosardo allzuwohl / und davon wird auch diese Flatterie ihren ohnfehlbaren Uhrsprung haben. Ihr beleidiget eure Schönheit / antwortete Rosantes, wo ihr selbige nicht von dem Vermögen schätzet / einen die Wahrheit reden zu lernen; und gesetzt / daß selbige nicht die Vollkommenheit besässe / welche auch der Neid an ihr admiriren muß / so sind doch die Tugenden und Eigenschafften eures herrlichen Geistes von solcher Fürtrefflichkeit / daß einem edlen Gemüthe nichts schwerers fällt / als so angenehmen Banden zu entgehen. Ihr wollet durch diesen überflüßigen Ruhm meiner schlechten Qualitæten erweisen / erwiederte Adalie, von was geschickter Beredsamkeit ihr seyd / weil ihr auch geringen Sachen einen grossen Wehrt beylegen könnet / und dannenhero kan ich solches vor keine warhaffte Verpflichtungen auslegen. Handelt nicht so unbillig / unvergleichliche Adalie, bathe er / mein treues Bekäntnis durch eine erdichtete Geringschätzigkeit euerer Persohn abzulehnen / und erweget / daß eure bezaubernde Anmuth so wohl als euer eigener Befehl in der gestrigen Aria Schuld daran seyn / daß ich euch meiner Seuffzer entdecke / welche ich sonsten zu meiner Unruhe, noch eine Zeitlang vieleicht verschwiegen hätte.

Es gieng Adalien schwer / sich lange gegen eine so liebenswürdige Persohn zu verstellen / doch gleichwol schiene es ihr ein heimliches Ergetzen zu seyn / je mehr und mehr Verpflichtungen von ihm zu bekommen / und dadurch recht versichert zu werden / daß er sie liebete. Endlich aber konte sich ihre zärtliche Regung nicht behutsam genug im Hertzen verbergen /sondern befärbte die Wangen mit einer angenehmen Röthe / und rüstete die Pech-schwartzen Augen mit noch weit mehren Feuer als zuvor aus. Weil nun der Verräther schon im Gesichte stunde / wolten auch die schönen Lippen nicht länger schweigen / sondern fragten Rosantes mit einer besondern Anmuth: Was verlanget ihr denn? Rosardo, Eure Gewogenheit /Englische Adalie / antwortete er / Besitzet ihr deñ selbige nicht? fragte sie weiter. Dieses kan mich eure Gütigkeit versichern / antwortete er / und zugleich unendlich verbinden / wenn ich ein höchstschätzbares Kennzeichen davon fordern darff. Hiermit nahte er sich ihren Purpurlippen / und ob sie ihm selbige gleich durch eine kleine Weigerung entziehen wolte /stunde doch Amor dem enttzündeten Rosantes so wohl bey / daß er mit unassprechlicher Zufriedenheit die ersten Rosen brache / und Adalien ebenfals so viel Süßigkeit schenckte / als er von ihr genossen.

Nach dieser beliebten Verrichtung schossen die feurigsten Blicke gegen einander / gleichsam aus dieser Augen Sprache zu erforschen / wiewohl ihnen beyderseits diese Speise bekommen: und wie dadurch des Printz Rosantes Verlangen noch erhitzter würde /wolte er seine Flammen durch neue Küssen kühlen; Allein Adalie schluge solches mit einer wohlanständigen Weigerung ab / und sagte mit einer liebreitzenden Art zu ihn: daß er ohne diß zu viel von ihr genossen /ehe sie seiner Hochachtung gäntzlich versichert wäre /eine weitere Freyheit aber möchte die Zeit und seine Treue auswürcken / und damit zohe sie sich eben in einem gewünschten Augenblicke aus seinen Armen /als Brion nebst den Hofmeister in das Zimmer trate.

Ihr Anbringen war / ob sie nicht beliebten bey so schönen Frühlings-Wetter eine Spatzier-Fahrt in einem ohnweit gelegenen Garten zu thun / um daselbst die raren Gewächse und andere Seltenheiten /die Rosantes noch nie gesehen / in Augenschein zu nehme. Sie stimten beyde desto williger ein / weil diese Gelegenheit ihre Zusammenkunfft noch mehr befördern wolte / als sie sonsten ohne einigen Verdacht thun können; der Hofmeister aber hatte bey dem ersten Eintrit genau auf des Printzen Gesicht Achtung gegeben / und weil er ihm die Farbe unterschiedlich mahl verändern sahe / kam er mit seiner Muthmassung gar nahe auf deren Ursache. Wenn er nun dessen feuriges Gemüthe zu Adaliens wunder würdiger Schönheit hielte / urtheilte er bey langerer Unterhaltung ihrer Liebe nicht das beste / sondern daß es einen seinem hohen Stande sehr nachtheiligen Ausgang gewinnen möchte: Er nahm sich demnach in Betrachtung der daraus entstehenden Gefahr vor den Printzen und seiner eigenen hohen Verantwortung bey dessen Durchläuchtigsten Herrn Vater gäntzlich vor / den Printzen bey ersehener Gelegenheit eine bescheidene Erinnerung zu geben.

Sie fuhren also ungesäumt im Garten hinaus / und besahen die wunder schöne Arbeit / welche der bunte Frühling mit mancherley Blumen und Kräuter gemacht / mit sonderbahrer Gemüths-Ergetzung / worzu die raren Gewächse / treffliche Alleén und die an unterschiedenen Orten hervorspringenden Fontainen noch mehr beytrugen. Ja diesen irrdischen Paradiese schiene aber dem Printz Rosantes nichts anmuthiger als der Engel / welcher ihn in Adaliens Persohn begleitete / und sein Vergnügen daran wehrete so lange /biß selbiges durch einen unvermutheten Zuspruch gestöhret wurde.

Denn es hatte ein Cavallier / indem er vor Brions seinen Garten vorbey fahren wolte / an einen Diener wahrgenommen / daß entweder der Herr selber / oder welches er doch lieber wünschete / Adalie darinnen seyn müste; weil er nun von dem ersten wegen seines guten Ansehens bey Hofe und erstaunenden Reichthum / von der andern Persohn aber wegen der Annehmlichkeit viel hielte / so liesse er sich durch seinen Laqueyen erkundigen / wer darinnen wäre / und ob er die Gesellschafft vermehren dürffte. Brion, der einer der höflichsten war / und von diesen reichen Cavallier nicht wenig estim machte / gieng ihm alsofort entgegen / und führete denselben unter einer verbindlichen Dancksagung vor die Ehre / die er seinem Garten geben wollen / zu denen übrigen.

Adalie stutzete zwar bey ersehung dieses unangenehmen Gastes in etwas / weil er eine Hindernis ihrer vorgehabten Unterredung mit ihren vermeinten Bosardo schiene / doch sie fassete sich nach ihrer klugen Conduite alsofort / und empfinge ihn mit verstellter Freundlichkeit. Rosantes nun / ob er gleich in Hertzen viel ein anders dachte / machte ihm dennoch in Erwegung seines angenommenen Standes ein gar artiges Compliment, und führete sich so wohl und indifferent auf / daß Adalie an seiner Geschicklichkeit selber bey ihren heimlichen Verdruß ein Vergnügen hatte.

Nur der Hofmeister allein war ohne Verstellung gantz erfreueten Gemüths hierüber / wenn er sahe /wie sehr es der frembde Cavallier sich angelegen seyn liesse / Adalien verbündlich zu bedienen / weil vieleicht auf diese Art der Printz von ihr könne abgezogen werden. Zu desto mehrerer Bewerckstelligung ersahe er die Gelegenheit / Rosantes von denen andern ab und mit sich in eine Alleé allein zu bringen /worinnen er die Discourse mit Fleiß auf Adalien und den Cavallier drehete / und hernach also anfing: Ich sehe / daß sich ihrer viele bißher die Mühe genommen / Adalien zu gefallen: Nun muß ich zwar ihre Tugenden und Gestalt aller Hochachtung würdig schätzen; allein dieses solte ich mir doch nicht einbilden / daß Cavalliers / wie bißhero geschehen / ohne Vergeringerung ihres Adels eine würckliche Heyrath suchen könten. Rosantes, welcher das Absehen seines Hofmeisters nicht gleich erriethe antwortete / daß ein Cavallier freylich besser thäte / wo er sich mit einem Fräulein seines gleichen vermählte / die eben solche Vollkomenheiten besässe / als er sie wünschete: doch wo er etwas gezwungen eingehen solte / und den Gegenstand nicht in allen nach seiner humeur befände /sehe er nicht / warum er sich nicht einen bessern auch ausser seinen Stande aussuchen könte / denn ja der Adel mehr im Gemüthe als blosser Geburth beruhete. Je höher die Persohn / sagte der Hofmeister / je erläuchter muß auch der Geist seyn / und dieser darf nicht nach gemeiner Art eine blinde Liebe über eine großmüthige Vernunfft herschen lassen / sondern auch die geringste Kleinigkeit mit eusersten Vermögen meiden / welche den Stand und Ruhm in etwas verduncklen. Wie kan aber die Vernunfft besser zu Rache gezogen werden / wendete der Printz ein / als wenn selbige uns zu dem führet / was vor andern wegen ungemeiner Fürtrefflichkeit einen Vorzug hat /und zu einer edlen Lebens-Art den Grund leget / welche in Gegentheil öfters gar wiedrig ausschläget /wenn man in einer Vermählung nicht auf Tugend und Liebe gezielet? Zu dem so erwiesen hohe Persohnen /daß sie Sclavischer als die geringsten Leute gebohren wären / weiln sie nach ihres Hertzens Wahl keiner honneten Vergnügung könten theilhafft werden / da es doch jenen erlaubet. Dieses ist eine Freyheit nur niedriger Sinnen / nach eingebildeter Wollust wehlen / erwiederte der Hofmeister / aber hohe Seelen sind deswegen keine Sclaven zu nennen / wenn sie das jenige / was den Augen gefället / löblich verachten lernen; sondern sie erweisen hierdurch / daß sie die seltene Herrschafft über ihre Affecten gewinnen / und den Ruhm eines der vortreflichsten Siege biß zum Sternen erheben. Wer ehret aber nicht billig die Unsterblichkeit vieler Durchläuchtigsten Häuser / behauptete der Printz ferner / welche mehr auf die Ubereinstimmung der Gemüther und edle Eigenschafften /als den blossen Purpur gesehen / wohlwissend / daß diese Glückseligkeit nur in der Einbildung / jene aber in den rechten genieß bestünde / und die Geschichten wissen dessen ohngeacht ihren Ruhm so wenig gnugsam zu erheben / als wir noch lebende Exempel sattsam admiriren können. Dieses sind Sonnen / versetzte der Hofmeister / deren herrliche Strahlen ihrer lobwürdigsten Verrichtungen von der Nachwelt nothwendig müssen ehrerbiethigst betrachtet werden / und die Historien-Schreiber befördern ihr eigen Lob / wenn sie selbe recht abschildern: aber zu ihren gehabten Flecken finden sie keine so schöne Farben / und man ist statt deren Betrachtung dem euserlichen Ansehen nach gemeiniglich blind.

Hier merckte der Printz durch die hitzige Verfechtung seiner Meinung / worauf der Hofmeister zielete /und ob er ihm wohl durch stärckere Vernunffts-Gründe das Gegentheil hätte beweisen können / hielte er doch vor rathsam / durch eine kluge Vestellung ihm Beyfall zu geben / damit ihm der Verdacht von der so grossen estim gegen Adalien einiger massen benommen würde / und er ins künfftige keinen verdrießlichen und scharffen Auffseher an ihn hätte. Er billigte demnach seine geschickte Raison in allen desto lieber / je begieriger er war / nach geendigter beschwerlicher Auffhaltung dieses Discurses, Adaliens Aufführung gegen den Frembden zu beobachten / und ob er sich wohl einiger Vortheile zu rühmen.

Er kam Adalien eben recht gewünscht zu Gesichte /da sie nach seiner Gegenwart am meisten velangte; denn so bald er sich zuvor nebst dem Hofmeister entfernet / und ihr Vater aus gewöhnlicher Höfligkeit /und mit Fleiß sie bey dem Cavallier allein gelassen /fing er mit den verpflichtesten Worten an / ihr seine Ergebenheit zu bezeugen / und ob sie wohl durch allerhand sinnreiche Entschuldigungen seiner grossen Verdienste und ihrer schlechten Qualitæten solch Bekäntnis abzulehnen / und es vor einen galantAdalieBosardencharmantesRosantesMaterie