I L K K A
REMES

EWIGE NACHT

Thriller

Aus dem Finnischen
von Stefan Moster

Deutscher Taschenbuch Verlag

Prolog

Noora sah die Waffe direkt auf sich gerichtet und ging unbeirrt weiter.

»Giù«, rief der italienische Bereitschaftspolizist über den Lärm hinweg.

In der Hitze hörte man ein rhythmisches, dumpfes Dröhnen. Demonstranten schlugen gegen die leeren Container, die zum Schutz der Staatsmänner herangeschafft worden waren. Um Anschläge vom Meer zu verhindern, hatte man Fährschiffe, die normalerweise zwischen Genua und Korsika, Tunesien oder Sardinien verkehrten, als Hafensperren vor Anker gehen lassen.

»Die Erde ist nicht zu verkaufen! Die Erde ist nicht zu verkaufen! Die Erde ist nicht zu verkaufen …«

Noora wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Die Aknenarben waren unter der Bräune fast unsichtbar geworden. Oft kam sich Noora wegen ihrer Größe schwerfällig vor, jetzt aber sah sie nur die Vorteile ihrer Länge. Der Anblick der wogenden, bunten Menschenmenge verstärkte ihren Kampfeswillen. Sie sah all die Arbeiter, Studenten und Anarchisten, die gewaltlosen katholischen Gruppierungen, Aktivisten aus sozialistischen Parteien, Gewerkschaftsleute und ganz normale Bürger, über deren Leben die supranationalen Ausbeuter nicht mehr lange bestimmen würden. Auf Schildern und Transparenten leuchteten die bekannten Zeichen: Drop the Debt, World Wildlife Fund, ATTAC. Rote Fahnen, Prozentsymbole, Che-Guevara-T-Shirts, rote Stirnbänder.

Sie waren Tausende, Zehntausende, niemand konnte eine solche Macht übersehen, heute in Genua, morgen in ganz Europa, übermorgen weltweit. Sie waren Sieger, und die Feiglinge, die sich hinter Zäunen verbarrikadiert hatten, würden ihnen schon bald zuhören.

Noch aber war die italienische Regierung nicht bereit, mit ihnen zu verhandeln, die Demonstration war illegal. Die Polizei hatte die historische Innenstadt mit Zäunen und leeren Containern abgesperrt. In diese von 9 000 Polizisten bewachte Rote Zone kam man nur an den Kontrollstellen und mit Passierschein hinein. Genua befand sich nahezu im Kriegszustand: Flughafen und Bahnhöfe waren geschlossen, alle Krankenhäuser in Alarmbereitschaft, die Schaufenster mit Brettern vernagelt.

Noora richtete den Blick wieder auf die Reihen der Bereitschaftspolizisten. Ein paar Anarchisten waren auf die Container geklettert und schwenkten ihre schwarzen Fahnen. Mit ihren Parolen zerschnitten sie die schwüle, stehende Luft.

»Geld und Polizei – dieselbe Schweinerei! Geld und Polizei – dieselbe Schweinerei …« – »One Solution: Revolution! One …«

Etwas weiter weg erscholl ›Bandiera Rossa‹, das alte Lied der italienischen Kommunisten, das aber schon bald im Lärm der Polizeihubschrauber unterging.

Carlo gab ein Handzeichen, und Noora schob sich mit den anderen weiter voran. Wie üblich hatten sie sich in Gruppen von zehn Leuten aufgeteilt, in denen sich alle dem Namen nach oder zumindest vom Sehen her kannten. Die Organisation in Gruppen war wichtig, denn dadurch wusste jeder, wo er bei Gefahr Zuflucht finden konnte. Am Abend zuvor hatten sie alle sich auf der stillen Piazza Ancona in die Augen geschaut, sich umarmt und auf die Aufgabe vorbereitet.

In Prag hatten sie Erfolg gehabt: Weltbank und IMF hatten den dritten Versammlungstag absagen müssen, weil sich die Banker nicht getraut hatten, ihre Hotels zu verlassen.

Heute sah es nicht so gut aus. Die Atmosphäre war gespannter, als Noora es je erlebt hatte. Gerüchten zufolge bewegten sich im Schatten der etablierten Protestgruppen auch gewaltbereite professionelle Hooligans. Außerdem waren im Vorfeld bereits vier Briefbomben gefunden worden. Die italienische Regierung hatte eine unmissverständliche Warnung ausgesprochen: Gewalt würde mit Gewalt beantwortet werden.

Carlo hob die Hand, und zu Nooras Enttäuschung blieb die Gruppe stehen. Noora wäre gern ihre Anführerin gewesen. Dieser Carlo aus Bologna sah schon aus wie ein Muttersöhnchen. Er taugte nichts. Die Anführer hatten sich im Vorfeld über die Nachrichtenwege und ihre Taktik verständigt. Wenn sie befahlen, vorwärts zu gehen, wurde vorwärts gegangen; wenn sie zum Anhalten aufforderten, wurde angehalten. Die Anführer standen über Funkgeräte oder Handys in Verbindung. Dadurch behielten sie ständig den Überblick. Die anderen mussten strikt gehorchen, denn mitten im Chaos war es unmöglich, sich ein Gesamtbild der Situation zu verschaffen. Das Wichtigste war, in der eigenen Gruppe zu bleiben, egal was passierte. In Göteborg und Nizza waren nur jene verletzt worden, die aus irgendeinem Grund plötzlich isoliert worden waren.

Noora drängte sich in die vorderste Reihe: »Was ist los?«, rief sie.

Niemand antwortete. Die Stimmung war gespannt, keine Lieder oder Parolen waren mehr zu hören. Die Luft stand, es kam nicht einmal etwas Wind vom Meer – von jenem Meer, über das schon vor vielen hundert Jahren Handelsschiffe aus Indien, Amerika und Arabien nach Genua gekommen waren. Genua gehörte zu den Hauptstädten der frühen Globalisierung, insofern eignete sie sich gut als Gastgeberin des G8-Gipfeltreffens und noch besser als Bühne, auf der die Massenbewegung der Globalisierungsgegner ihre Macht demonstrieren konnte.

Ein gepanzertes Fahrzeug näherte sich der Absperrung, die Wasserkanone auf dem Dach auf die Demonstranten gerichtet. Oder war es eine Tränengaskanone? Jemand schrie.

»Das ist nur Wasser«, rief Noora und drängte sich an Carlo vorbei nach vorn, bis sie gegen den Plexiglasschild eines Bereitschaftspolizisten gedrückt wurde.

Unter dessen Helm ragten dunkle, verschwitzte Locken hervor. Noora blickte dem Mann direkt in die Augen. An irgendeinem anderen Ort, in einem anderen Moment hätte er der blonden finnischen Frau vielleicht hinterhergepfiffen. Jetzt waren sie Gegner, beide hatten Angst, beide waren aufgepeitscht vom Adrenalin.

»Auf den Boden!«, brüllte der Polizist.

Noora spuckte gegen das Plexiglas. Hinter diesen Schildern standen Experten der Gewalt. Mit Waffen, Gas, Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen, mit Disziplin und Erfahrung. In deren Schutz hockten acht Staatsoberhäupter im Palazzo Ducale und beschlossen mit ihren Entscheidungen die Zerstörung der Erde. Mit welchem Recht verfügten diese wenigen Reichen über Dinge, die die Massen von Armen angingen? Mit welchem Recht entschieden acht Männer für sechseinhalb Milliarden Menschen?

In einiger Entfernung krachte es dumpf.

»Gas!«, schrie jemand.

Noora griff nach dem zusammengerollten roten Tuch mit der gelben Faust, das sie sich um den Kopf gebunden hatte. »Nicht die Augen berühren!«, rief sie.

Die Menschen um sie herum wurden unruhig, auch Carlo, der per Telefon versuchte, Kontakt mit jemandem aufzunehmen.

»An Tränengas ist noch keiner gestorben«, rief Noora und band sich das Tuch um Mund und Nase, dass nur noch die Augen sichtbar blieben. Aus der Tasche zog sie eine in Folie eingewickelte halbe Zitrone und rieb den Saft auf das Tuch, damit er das Gas neutralisierte. Essig funktionierte auch, aber Noora konnte den Geruch nicht ausstehen.

Ein Teil der Menschen um sie herum tat es ihr nach, aber kaum jemand hatte Tücher oder Zitronen dabei. So wichen sie zurück; mit ihnen auch Carlo, der an seinem Telefon herumfummelte.

»Bleibt auf eurem Platz!«, rief Noora. Am Himmel erschienen unterdessen immer mehr Helikopter. »Das wollen sie doch nur, dass wir auseinander laufen!«

Da ertönte ein Schuss.

Noora fuhr zusammen, genau wie der Polizist vor ihr. Beide blickten auf einen orangefarbenen Container, vor dem die Menschenmenge in heftige Bewegung geraten war.

»Enzo!«, schrie jemand hysterisch.

»Chiamate un’ ambulanza!«, rief ein lockenköpfiger Vertreter einer sozialistischen Kulturorganisation.

Noora hielt nach Mitgliedern ihrer Gruppe Ausschau, aber vergebens. Auch von den Leuten aus Helsinki war niemand zu sehen. Die gehörten zu einer anderen Gruppe, und sie hatte keine Zeit damit vergeudet, sich mit Finnen abzugeben, schon gar nicht, nachdem sie Ralf kennen gelernt hatte. Ralf war viel gebildeter und erfahrener als die jungen finnischen Aktivisten.

»Via, via«, schallte es metallisch aus einem Megaphon. Das Heulen eines Krankenwagens drang immer lauter in das Durcheinander. Noora rannte ein paar Schritte, um zu sehen, was passiert war. Eine blonde junge Frau kam ihr weinend entgegen. Noora kannte sie, es war die neue Schwedin aus ihrer Gruppe, und Noora legte ihr den Arm um die Schulter.

»Da liegt einer auf der Straße«, schluchzte das Mädchen aus Stockholm auf Englisch, »er blutet und blutet!«

»Diese Schweine«, keuchte Noora. »Sind Fotografen da? Wir müssen einen Fotografen und einen Journalisten finden …«

»Da sind welche. Aber ich will hier weg!«

»Nimm dich zusammen! Was ist los mit dir?«

Noora ließ die Schwedin stehen und drängte sich zu dem Krankenwagen durch, der mitten in der Menschenmenge stand. Sie hatte das Gefühl, sich unter Kontrolle zu haben, und genoss ihre Gelassenheit.

Am Rande des Platzes stießen Bereitschaftspolizisten heftig mit den weiß gekleideten Profis von Ya Basta zusammen. Diese radikale Linksgruppierung gehörte zu den Autonomen, den Tutti Bianchi, wie sie von den Leuten hier genannt wurden. Eine Woche zuvor hatte Berlusconi beschlossen, Genua für Demonstranten zu sperren, aber Ya Basta hatte dem Gipfeltreffen den Krieg erklärt.

Schon in Prag hatte Noora die Entschlossenheit von Ya Basta bewundert. Ihre Mitglieder trugen Schulterpolster wie amerikanische Footballspieler, ihre Knie und Ellbogen waren geschützt wie die von Eishockeyspielern, und sie trugen Helme. Weiße Overalls, wie sie bei der Arbeit mit Asbest verwendet wurden, vollendeten ihr Outfit, und jedem hing eine Gasmaske vor der Brust. So waren sie einigermaßen gegen Schlagstöcke und Tränengas geschützt. Ihr größter Vorsprung aber waren Erfahrung und Disziplin. Sie kannten die Taktik der Gegenseite: Die Polizei war nicht in der Lage, eine große Menschenmenge aufzuhalten, das hätte zu viele ihrer Männer gebunden.

»Mörder! Mörder!«, hallte es in der Hitze wider. Das Jaulen der Sirenen mischte sich mit dem Knattern der Hubschrauber. Der Schuss hatte die Gemüter erregt, viele weinten. Noora verachtete diese Leute. Sie sah sich ruhig nach einem Fotografen um. Die Situation musste genutzt werden.

»Siamo tutti clandestini«, rief eine Gruppe im Chor, wir sind alle illegale Einwanderer, Freiwild, missbraucht von den Kapitalisten.

Ein starkes Gefühl von Solidarität durchfuhr Noora. Sie war keine illegale Migrantin, aber sie fühlte sich ihnen plötzlich ganz nah – als sei sie eine von ihnen, eine von den Unglücklichen, die mit allen Mitteln versuchten, übers Mittelmeer in die Festung Europa hineinzukommen.

Nooras Telefon piepte. Rasch öffnete sie die Mitteilung. Was sie da las, brachte sie vollkommen durcheinander.

HOL DEINE SACHEN UND VERSCHWINDE AUS GENUA. SOFORT. IN DIESER SEKUNDE. RUF MICH JETZT NICHT AN. R.

Sie schob das Handy in die Tasche. War Ralf verrückt geworden? Obwohl sie zögerte, trugen ihre Beine sie bereits zielstrebig zur Piazza Corvetto. Sie wurde hier gebraucht, diese heulenden Jammerlappen hatten eine Anführerin nötig, aber Ralf schickte ihr eine solche SMS nicht zum Scherz.

Instinktiv beschleunigte sie ihre Schritte und bog rechts in die Via Sibari ab. Sie lief Richtung Autobahn Antonio Gramsci, die – auf Pfeilern gebaut – den Hafen von der Altstadt trennte. Im Laufen nahm Noora das Halstuch ab und stopfte es in ihren kleinen Rucksack.

Der Einsatz bewaffneter Polizei war erbärmlich. Noora hasste Berlusconi, der mit falschen Karten spielte. Er hatte erklärt, neun Vertreter der Dritten Welt einzuladen, als Vermittler zwischen den Protestgruppen und der G8, darunter Nelson Mandela, den Präsidenten von Nigeria und den Premierminister Südafrikas.

Doch diese Männer hatten den Mund erst gar nicht aufgemacht! Am liebsten wäre Noora der G8 selbst entgegengetreten.

Die Straßen wurden jetzt zu schmalen Gassen, die Häuser schäbiger. Noora dachte an Ralfs Nachricht. Seltsam – was hatte das zu bedeuten? Seine Nachricht war so geheimnisvoll wie er selbst. Trotz der Situation durchströmte Noora eine Welle warmen Gefühls. Sie war berauscht von diesem Mann, von der Hitze und von Genua, von den steilen Erhebungen, den alten Treppen, den engen Gassen, von den Häusern mit den schiefen Fensterläden, von denen die Farbe abblätterte.

Sie ließ das Chaos hinter sich zurück. Das Sonnenlicht reichte nicht bis auf die Straße, brachte aber die Wäsche zwischen den oberen Fensterreihen zum Leuchten. Aus den Wohnungen drang das Klappern von Geschirr, man hörte Wortwechsel und den gepressten Gesang von Shakira.

Ende Juli war Ferienzeit in Genua, und viele Einwohner hatten die Stadt verlassen. Nur die Armen waren geblieben. Sie hatten Angst, dass die Demonstranten ihnen die Fenster einwarfen und ihre kleinen verbeulten Fiats ansteckten, ohne zu verstehen, dass es bei den Protesten gerade um sie ging. Die Grenze verlief hier nicht zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden, sondern zwischen denen, die ausbeuteten, und denen, die ausgebeutet wurden.

Von den jungen, schönen afrikanischen Prostituierten in ihren bunten Tops war keine zu sehen, auch von den Bettlern keine Spur – die Polizei hatte sie für drei Tage entfernt. Zumindest die meisten. An der Ecke zur Via Saluzzo saß wieder der Mann ohne Beine, dem Noora immer ein paar Münzen gab. Jetzt war sie zu aufgeregt, um ihn zu beachten. Schüsse auf Demonstranten – das würde gute Schlagzeilen bringen, aber ob die Heulsusen am Tatort wussten, wie man mit Journalisten umging?

»Come stai?«, fragte der Mann und lächelte sein zahnloses Lächeln.

»Benissimo«, entgegnete Noora, ohne sich ihrerseits zu einem Lächeln zwingen zu können.

Der Mann wurde ernst. »Was macht dich so unfreundlich?«

»Die Ungerechtigkeit«, sagte Noora in ihrem holprigen Italienisch. »Und die Bosheit.«

»Du willst Bosheit gesehen haben?«, fragte der Mann so undeutlich, dass Noora ihn nur mit Mühe verstand. Sie setzte ihren Weg durch die Viale Giustiniana fort, wo es aus einem Müllsack stank, den die Katzen aufgerissen hatten. Warum drängte Ralf in seiner SMS so auf Eile?

Obwohl sie den Lärm hinter sich gelassen hatte, lag noch immer eine unerklärliche Bedrohung in der Luft. Gewalt deprimierte Noora, aber wenn es nötig war, wusste sie, wie man sie einzusetzen hatte.

Die schwere Haustür knarrte in den Scharnieren, als Noora in das kühle Halbdunkel trat. Die Treppenstufen waren abgetreten, und auf der Jungfrau Maria in der Mauernische lag eine graue Staubschicht. Normalerweise genoss Noora die Atmosphäre dieses Treppenhauses, aber jetzt achtete sie nicht darauf, sondern eilte mit großen Schritten nach oben. Ihre bösen Vorahnungen verdichteten sich.

Das rhythmische, scharfe Klopfen gegen die alte Tür wurde nicht beantwortet. Noora versuchte es noch einmal und drückte das Ohr gegen das Holz. Drinnen war nichts zu hören.

Diese Stille war beklemmend. Ralf hatte versprochen, den ganzen Tag in der Wohnung zu bleiben, und er hatte Noora trotz ihrer Bitten keinen Schlüssel gegeben.

Noora wollte schon gehen, da öffnete sich die Tür, und ein unbekannter Mann flüsterte ihr auf Deutsch zu: »Lies das und zerreiß es anschließend! Verschwinde! Schnell!« Während er sprach, hielt er ihr einen Zettel hin, dann zog er die Tür wieder zu.

Irritiert stand Noora auf dem Treppenabsatz.

»Und meine Tasche?«, fragte sie verdutzt, aber nicht laut genug, als dass es durch die Tür zu hören gewesen wäre.

Die Stille verdichtete sich. In dem hellen Lichtstrahl, der durch das schmale Oberfenster fiel, tanzten die Staubpartikel.

Noora blickte auf den Zettel: nichts als eine Telefonnummer. Die Anbietervorwahl war die gleiche, wie sie Ralf zurzeit hatte. Er kaufte stets Prepaid-Karten und wechselte alle paar Tage die Nummer.

Noora ging auf die Straße hinunter, durch die in diesem Moment eine Vespa knatterte. Sie nahm ihr Handy und tippte die Nummer vom Zettel ein.

Das Geräusch eines stärkeren Motors ließ sie zusammenfahren. Sie blickte sich um. Mit hohem Tempo kam ein dunkelblauer Lieferwagen die Gasse entlang und hielt mit einer Vollbremsung. Am anderen Ende bog eine große Fiat-Limousine in die Gasse ein. Im selben Moment flogen die Hecktüren des Lieferwagens auf, und paarweise sprangen schwer bewaffnete Männer in schwarzen Overalls mit maskierten Gesichtern auf die Straße. Zwei, vier, sechs …

Instinktiv trat Noora ein paar Schritte zurück. Die Männer liefen zu der Tür hinein, aus der Noora gerade gekommen war.

Zielstrebig entfernte sie sich, ohne sich umzudrehen. Aber würde nicht gerade das Aufmerksamkeit erregen? Sie blieb kurz stehen und blickte zurück, wie es jeder neugierige Passant getan hätte. Jetzt bog ein Mannschaftswagen der Carabinieri in die Gasse ein.

Noora versuchte weiterzugehen, aber sie konnte nicht. Das Blut pulsierte in ihren Schläfen, sie drückte sich in einen Hauseingang, da zersplitterte oben ein Fenster, es regnete Glasscherben, und der hübsche alte Küchenstuhl mit dem Rosenmuster auf der Sitzfläche fiel auf die Straße.

Wenige Stunden zuvor hatte Noora noch auf diesem Stuhl gesessen und gefrühstückt.

Sie blickte nach oben und sah einen Mann auf der Fensterbank im dritten Stock stehen. Es war der Mann, der ihr den Zettel gegeben hatte.

Noora zerknüllte den Zettel in der Faust und starrte dem Mann ins Gesicht, sie sah es scharf und klar wie durch ein Fernglas, ein Gesicht, in dem eine faszinierende Mischung aus Fanatismus, Bedingungslosigkeit und tiefem Frieden lag.

Dann stieß er sich ab und sprang kopfüber in die Tiefe.

Wie unter Hypnose verfolgte Noora den Fall, sie schloss nicht einmal die Augen, als der Körper mit dem Kopf voran auf der Straße aufschlug.

Ein Polizist erschien in der Fensteröffnung. Nooras Beine setzten sich in Bewegung, zuerst langsam, dann immer schneller.

Der Bettler an der Via Saluzzo lächelte ihr zu. »Ciao. Du schon wieder …«

Noora antwortete nicht, sie lief zielstrebig weiter. Auf der belebten Via Rodin blieb sie vor einem Tabaccaio-Laden stehen und wählte erneut die Nummer auf dem Zettel.

»Ihr gewünschter Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar …«, erklärte eine überdeutliche Frauenstimme.

Noora überlegte, welche Sachen sie in der Wohnung zurückgelassen hatte. Hauptsächlich Kleider – nichts, worüber man ihre Identität oder ihren Aufenthaltsort hätte ausfindig machen können.

Der Gedanke erschreckte sie. Warum sollte man sie suchen? Sie hatte nichts zu verheimlichen. Andere jedoch schienen ein Geheimnis zu haben – ein Geheimnis von solcher Tragweite, dass sie lieber den Tod wählten, als festgenommen zu werden.

Von dieser Vorstellung bekam sie eine Gänsehaut, und sie sah das beinahe heitere Gesicht des fallenden Mannes vor sich. Er war sich seiner Sache sicher gewesen. War sie es auch?

Was waren das für Dinge, in die Ralf verstrickt war? Noora war ihm erst eine Woche zuvor zum ersten Mal begegnet, und obwohl sie so gut wie nichts über ihn wusste, kam es ihr vor, als würden sie sich schon ihr ganzes Leben lang kennen.

Ralf Denk nahm die Felder neben der Autobahn und die Berge dahinter in den Blick. Man sah ihm die in der Sonne und im Freien verbrachten Jahre an. Für seine 42 Jahre hatte er schon relativ viele kleine Furchen im Gesicht, und die Bräune war auch im Nacken und auf dem Kopf durchgehend tief.

Die nördlichen Vororte von Genua waren längst hinter dem verbeulten Peugeot zurückgeblieben, allmählich ließ die Panik nach. Bis zur französischen Grenze war es nicht mehr weit. Sie waren noch einmal davongekommen – wenn auch nur knapp.

Wie hatte ihnen die Polizei nur auf die Spur kommen können? An welchem Punkt hatten sie einen Fehler gemacht?

Bittere Enttäuschung schnürte Ralf die Kehle zu. Zwei Jahre Arbeit waren umsonst gewesen, sämtliche Vorbereitungen, der Einsatz von elf Leuten und mehr als 320 000 Euro.

Auf dem Rücksitz neben ihm lagen die Taschen, die nicht mehr in den Kofferraum gepasst hatten. Ralf trommelte mit den Fingern auf den Knien. Die weiche und gepflegte Haut dieser Finger stand in völligem Widerspruch zu der übrigen Erscheinung eines Mannes, der sich viel im Freien aufhält. Ganz in Gedanken schob er seine Hand in Nooras Tasche und befühlte die Jeans, das T-Shirt, die Unterwäsche.

Ralf spürte, dass Sakombi vorn am Steuer durch den Rückspiegel einen Blick auf ihn warf.

»Vergiss die Frau!«, sagte Sakombi.

Ralf schaute aus dem Fenster.

»Sie ist nicht stark genug«, fügte Sakombi hinzu.

»Sie ist stärker als du.«

Sakombi Ladawas schmale Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Die Hautfarbe des 58-jährigen Mannes war weder schwarz noch weiß, sondern irgendetwas dazwischen. Er hatte graues, gelocktes Haar, das sich von der Stirn und vom Scheitel schon weit zurückgezogen hatte, eine aristokratische Nase und einen scharfen Blick.

»Wir brauchen sie«, fuhr Ralf fort. »Was kann weniger Aufmerksamkeit erregen als eine junge Finnin?«

Während er sprach, schaltete er sein Handy ein. Er überlegte, was er sagen sollte, wenn Noora anrief. Was konnte er in einer solchen Situation schon sagen? Nichts kam ihm glaubwürdig vor, am wenigsten die Wahrheit.

Kaum war das Telefon eingeschaltet, klingelte es.

»Wo bist du?« Nooras Stimme war heiser und kraftlos. »Was ist passiert?«

Ralf drückte das Telefon ans Ohr und wich Sakombis Blick im Rückspiegel aus.

»Das erkläre ich dir später. Steig in den Zug und kauf dir eine Fahrkarte nach Nizza.Und steig gleich nach der Grenze in Menton wieder aus. Wir treffen uns dort um sechs im Bahnhofslokal.«

Ralf legte auf, felsenfest davon überzeugt, dass Noora kommen würde. Noora, die nicht die geringste Ahnung hatte, worum es ging und was man noch von ihr verlangen würde.

Dieses Mal waren sie gescheitert, aber sie würden es wieder versuchen – mit noch mehr Nachdruck, mit mehr Erfahrung und noch entschlossener als zuvor.

Diesmal waren sie von acht Staatsoberhäuptern, acht Männern, die die Zukunft des Planeten bedrohten, bezwungen worden. Diesmal waren sie an deren perfiden Maschinerien gescheitert.

Acht hatten wieder einmal über sechseinhalb Milliarden gesiegt.

Die Macht des Bösen, die Macht des alles durchsetzenden Geldes war ihnen auf die Spur gekommen und hatte die Erfüllung ihres Plans verhindert. Aber sie würden zurückschlagen, auf eine Art, die sich kein Mensch vorstellen konnte. Sie würden retten, was zu retten war. Die Natur würde den Egoismus der Menschen besiegen. Das Gute das Böse überwinden. Ein für allemal.

ERSTER TEIL

ZWEI JAHRE SPÄTER

1

Der Mitarbeiter der Sicherheitsfirma trug einen Geldbehälter, der aussah wie ein schwarzer, flacher Plastikkanister. Mit seinem Kollegen kam er aus dem Personaleingang des Kaufhofs in der Bremer Innenstadt. Eine spätsommerliche, tief stehende Morgensonne warf die langen Schatten der Männer auf den schmutzigen Asphalt.

Sie gingen auf den Mercedes-Geldtransporter zu, der zehn Meter entfernt mit dem Fahrer am Steuer wartete. Die Männer trugen blaue Kleidung und Helme mit hochgeklappten Visieren. Die Geldkassette war mit einer kunststoffüberzogenen Kette am Handgelenk des einen Mannes befestigt.

Als die beiden Mitarbeiter der Sicherheitsfirma an dem kastenförmigen Renault Kangoo am Straßenrand vorbeigingen, wurden in einer abrupten Bewegung die Türen aufgerissen. Zwei Männer sprangen heraus, sprühten dem Träger der Geldkassette und seinem Kollegen Gas ins Gesicht, und im Bruchteil einer Sekunde sanken diese zu Boden.

Fünf Meter weiter begannen an dem Geldtransporter die Lichter zu blinken.

Die Sirene sprang an, auch im Führerhaus war Bewegung zu erkennen, aber dem Fahrer war es nicht erlaubt, bei einem Überfall seinen Platz zu verlassen.

Einer der Angreifer trug eine Zange, beugte sich über den Geldträger und trennte die Kette am Handgelenk auf. Die Sirene des Mercedes jaulte. Gleichzeitig griff der andere Mann nach dem Transportbehälter und stellte ihn in den Renault. Dann stiegen die beiden ein und rasten davon. Das Ganze hatte keine zehn Sekunden gedauert.

In Panik entfernte der Fahrer des Geldtransports sich nun doch von seinem Fahrzeug, während noch immer die Sirene heulte. Gleichzeitig war bei der Polizei und bei der Ambulanz Alarm ausgelöst worden.

Der Fahrer tastete nach dem Puls seiner Kollegen. Er spürte nichts.

Die Männer mit den ernsten Gesichtern gingen die Räumlichkeiten systematisch durch. Sie hatten Messapparate bei sich, ihre Aufgabe war es, sicherzustellen, dass weder im Mobiliar noch in Wänden, Decken und Fußboden Abhörgeräte oder Sender versteckt waren. In unregelmäßigen Abständen nahm die Gruppe Kontrollen bei sämtlichen TERA-Mitarbeitern vor.

Timo Nortamo gefiel die Wichtigtuerei der Männer nicht, aber er versuchte, darüber hinwegzusehen. Er pfiff vor sich hin, während er das finnische Kaffeepulver in den Filter schaufelte. In Brüssel gab es keinen Kaffee, der ihm schmeckte, darum brachte er ihn regelmäßig aus Finnland mit. Nortamo war eine eindrucksvolle Erscheinung. Dank des Funkelns in seinen Augen, des kräftigen Kinns und des muskulösen Körpers hatten sich noch vor fünf Jahren die Frauen nach ihm umgedreht. Seither hatte der Alltag ihm zusehends den Stempel aufgedrückt …

Mit einem Auge beobachtete er die Arbeit der dreiköpfigen Gruppe.

»Hey, nicht verrücken!«, rief er auf Englisch und so scharf, dass die drei sofort innehielten.

Der unangenehme Franzose mit den Flaschenbodengläsern in der Brille nahm die Finger von der empfindlichen Kommode aus der Zarenzeit, die er gerade von der Wand rücken wollte.

Timo Nortamo deutete auf den Riss, der jetzt am Fuß der Kommode klaffte. »Merde«, fluchte er, ohne sich die Mühe zu machen, das »r« richtig auszusprechen, er ließ es auf finnische Art kräftig rollen. Die Kommode hatte er in Sankt Petersburg gekauft und unter großen Mühen aus dem Land geschafft. Der russische Zoll hatte durchaus ein Auge auf Antiquitäten. Bei Schmuggelversuchen war mit ihm nicht zu spaßen.

Der Franzose warf dem Finnen einen unfreundlichen Blick ohne das geringste Anzeichen des Bedauerns zu.

»Vorsichtig«, sagte Timo wieder auf Englisch. »Oder ich schicke eurem Boss die Rechnung.«

Die Wohnung nahm den gesamten ersten Stock des kurz vor der Jahrhundertwende erbauten Stadthauses in dem Brüsseler Stadtteil Ixelle ein. Sie war komplett mit alten Möbeln und zahllosen antiken Gegenständen gefüllt. Der größte Teil war alles andere als echt antik, denn für Timo war das einzige Kriterium bei der Auswahl eines Einrichtungsstücks, dass es ihm gefiel.

Das galt auch für die Poster an den Wänden. Warum echte, aber höchstens mittelmäßige Ölbilder aufhängen, wenn man in Museumsshops Plakate von Meisterwerken bekam? Am liebsten mochte Timo die Bilder von Bruegel und van Eyck.

Hätte man von der Wohnung ein Schwarzweißfoto mit Sepiatönung gemacht, wäre nur schwer zu entscheiden gewesen, ob die Aufnahme 1903 oder hundert Jahre später entstanden war. Die Wahrheit offenbarten die wenigen Haushaltsgeräte, der tragbare Fernseher und die Reihen mit VHS-Kassetten in dem Bücherregal, das eine ganze Wand einnahm. Auf dem Videorecorder lag ›Blondinen bevorzugt‹, den sich der Hausherr am Wochenende ungefähr zum dreißigsten Mal angesehen hatte – nicht wegen Marilyn Monroe, sondern wegen Jane Russell.

Der Franzose mit der dicken Brille spähte in das winzige Zimmer, das als Kleiderkammer diente. Dort hing eine Kletterausrüstung an der Wand: Karabinerhaken, Gurte, Seile, Helm, Eispickel. Instinktiv blickte der Mann zu Timo, der für seinen Geschmack besser auf das Sofa als an eine Kletterwand passte.

Ein anderer aus der Gruppe sah sich verwundert den Computer an, der in das Gehäuse eines uralten Röhrenradios eingebaut war. Timo hatte die Apparatur im Frühling von seinem Sohn zum 38. Geburtstag bekommen. Auf der Rückseite war ein moderner Anschluss angebracht, von dem die Kabel zum Bildschirm und zur Tastatur ausgingen.

»Regardez ça!«, rief der Belgier mit der Lederjacke und dem Vokuhila-Schnitt seinen Kollegen zu. »Jetzt ist die Kacke am Dampfen.«

Timo verstand den schnell gesprochenen Satz nicht, sah aber gleich, was los war. Der Belgier nahm Einweghandschuhe aus seinem Hartschalenkoffer, zog sie sich mit wichtiger Miene an und beugte sich über den Computer. Seine Kollegen traten zu ihm und warfen Timo misstrauische Blicke zu.

Der Typ mit dem Vokuhila-Schnitt zog das Kabel für die Tastatur aus der Rückwand und richtete sich auf. Er hielt das Ende des Kabels zwischen den Fingern wie eine Sprengladung, die jeden Moment hochgehen konnte.

Demonstrativ hielt er Timo den Stecker vor die Nase: »Wissen Sie, was das ist, Monsieur Nortamo?«

Timo wusste es.

Lieber hätte er es nicht gewusst, aber ihm war klar, worum es sich bei dem steckerähnlichen Teil, etwas dicker als das Kabel, handelte: Es registrierte die Anschläge auf der Tastatur in Form von Zeichenketten, denen man entnehmen konnte, was auf dem Computer geschrieben wurde, Passwörter inklusive.

Der Vokuhila-Kollege hielt eine Plastikhülle auf, und die anderen beiden schoben gemeinsam das Kabel hinein, als handelte es sich um einen kostbaren Schatz.

Timo ging ans Telefon, aber einer der Männer hob wichtigtuerisch die Hand. »Keine Telefongespräche mehr aus dieser Wohnung. Gehen wir.«

»Macht keine Witze. Ich muss telefonieren.«

Timo spürte einen brennenden Schmerz, als man ihm den Arm auf den Rücken drehte.

»Was soll das?«, schnauzte er den Chef der Gruppe an, versuchte sich dann aber zu beherrschen. Leicht fiel ihm das nicht.

»Begreifen Sie denn nicht, Monsieur Nortamo?«, zischte der Mann mit der dicken Brille so dicht vor Timos Gesicht, dass Timo den Speichelspritzern ausweichen musste.

»Das ist nicht das, wonach es aussieht …«

»Nein. Bestimmt nicht«, fauchte der mit der Brille.

Im selben Augenblick wurde Timo auf den schmalen Gang hinausgestoßen. Er stolperte und fiel zu Boden.

Das war der Tropfen, der für ihn das Fass zum Überlaufen brachte.

Scheinbar ruhig stand er auf, und Vokuhila streckte die Hand aus. Als Timo sie ergriff, riss er den Mann mit einem plötzlichen, kräftigen Ruck zu Boden.

»Oh, verzeihen Sie«, murmelte er.

»Jetzt tun Sie doch nicht so«, brüllte der Belgier wütend und schimpfte noch, als sie schon die Treppe mit dem abgetretenen Teppichboden hinuntergingen. Timo atmete tief durch. Er war sauer, dass er sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Selbstbeherrschung war für ihn alles – er wollte auf keinen Fall so ein Hitzkopf wie sein Vater sein. Leider wusste er, dass er genau das war, und irgendwie deprimierte ihn das.

Der mit der Brille ging hinter ihm die Treppe hinunter, er nuschelte leise etwas in sein Telefon, was sich Unheil verkündend anhörte.

Zwanzig Minuten später stieg Timo im Hof des Hauptquartiers in der Avenue Adolphe Buy aus dem Wagen. Er pfiff leise vor sich hin. ›Put the Blame on Mame‹ folgte nicht ganz den Noten, beruhigte ihn aber. Er schrieb eine SMS an Aaro zu Ende. Das hatten sie ihm immerhin nicht verboten. Auf der Mailbox hatte er bereits zwei Nachrichten hinterlassen.

Der bleigraue Himmel über den nichts sagenden Bürogebäuden verhieß Regen. Die Gebäude unterschieden sich kein bisschen voneinander. Auch Nummer 327 machte keine Ausnahme. Durch dessen Hintertür trat Timo hinter dem Franzosen ein. Erdgeschoss und vier Stockwerke, Beton, der in den 70er Jahren als »modern« galt, rote Klinker zur Verzierung. Nichts an der Fassade gab einen Hinweis auf die Bewohner dieses Hauses.

Nach dem 11. September hatten die Mitgliedsstaaten der EU den Kampf gegen den Terrorismus durch die Gründung einer operativen Ermittlungseinheit gegen Terrorismus, organisiertes Verbrechen und radikale Organisationen intensiviert. So war TERA entstanden, die Agence pour la lutte contre le Terrorisme, Extremisme et Radicalisme.

Als Einheit war TERA so stark wie ihr Name. Kilo, mega, giga, tera … Europol war als Organisation der Megaklasse vorgesehen, deren Zuständigkeit aber nur bis zur Koordination der Ermittlungen reichte. Die als Einheit der Gigaklasse geplante, halb geheime Trevi hatte die selbst gesteckten Ziele nie erreicht.

Als dann TERA geschaffen wurde, vermied man die Fehler von früher. TERA war auf der Grundlage von Regierungsverträgen gegründet worden, wodurch sie unabhängig von den anderen Institutionen der EU fungierte – geheim, flexibel, den jeweiligen Aufgaben gemäß. Diese Einheit konnte es sich nicht leisten, die langsamen Kompromisse der Mitgliedsstaaten abzuwarten, denn ihr standen die dreistesten und fanatischsten Männer der Welt gegenüber. Für die Gründung von TERA hatte man deshalb ausschließlich Profis der höchsten Kategorie ausgesucht: Alain Lefebvre vom französischen Geheimdienst DGSE, Helmut Körpen vom deutschen Verfassungsschutz und Tony Wilson vom britischen Geheimdienst MI5.

»Ich werde jetzt mit meiner Vorgesetzten reden«, sagte Timo in der Eingangshalle und zog sich die Hosen hoch. »Allein.«

Der mit dem Vokuhila-Schnitt nickte säuerlich. Er ging auf die Glaskabine zu, in der ein Wachmann saß, und läutete. Der Wächter öffnete für Timo das elektronische Schloss am Aufzug. Schon hier in der Eingangshalle erkannte man die Einstellung und Prinzipien der alten Hasen, die TERA zusammengestellt hatten: keine Fingerabdruck-, Augenhintergrund- oder Iriserkennung, auch keine Chipkarten, sondern ein Mensch, der jeden einzelnen Mitarbeiter der kleinen Einheit kannte.

Leute, die gegen die IRA und Baader-Meinhof, gegen die Roten Brigaden und die ETA gekämpft hatten, brauchten kein elektronisches Spielzeug. Ihnen genügte es, dass ihnen Spitzentechnologie und junge Computerfreaks dann zur Verfügung standen, wenn es nötig war. Für die Zerstörung von Organisationen wie al-Qaida waren sie unerlässlich. TERA hatte relativ wenige Mitarbeiter, aber alle standen in direktem Kontakt mit der Führung ihrer jeweiligen nationalen Organisationen. Jeder Mitgliedsstaat war in der Einheit vertreten, und aus der EU-Kommission war ein hoher Beamter der Kategorie A1 dabei.

Finnland verfügte über keine speziellen Erfahrungen mit der Terrorismusabwehr, dafür umso mehr im Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit. Der entsprechende Ruf gründete sich auf die Funkaufklärung während des Krieges, als das kleine Land mit seinen geringen Ressourcen legendäre Erfolge erzielt hatte. Das Ansehen als Russland-Expertin, das sich die finnische Sicherheitspolizei in den Jahren des Kalten Krieges erworben hatte, stand außerhalb jeder Diskussion. Außerdem hatte sie in den 90er Jahren zusammen mit der Nationalen Kriminalpolizei KRP sehr früh Tuchfühlung mit der Ostmafia aufgenommen.

Als Repräsentant dieser Kompetenz war Timo bei TERA. Die kriminellen Organisationen Russlands hatten sich nach Westeuropa ausgebreitet, und zwar mit einer in der Geschichte der Kriminalität einzigartigen Geschwindigkeit und Massivität. Timo war bei Einsätzen der Miliz in Sankt Petersburg und Moskau dabei gewesen und wusste, wozu Banden wie die Tambover, Malusever, Kasaner oder Permer imstande waren.

Im zweiten Stock begrüßte Timos Vorgesetzte Sophia Halberthal ihn mit einem knappen Nicken. Vor der runden Frau mit mütterlicher Ausstrahlung lag inmitten des überfüllten Schreibtischs die Plastikhülle mit dem Tastaturkabel von Timos Computer, einschließlich des Key Stroke Recorders.

»Du hast deinen Computer doch nicht etwa für etwas benutzt, aus dem man …«

»Natürlich nicht.«

»Unterbrich mich nicht!«

Timo schaute der knapp 50-jährigen Frau direkt in die Augen. Vom Aussehen her hätte man sie für eine Spitzenklöpplerin halten können, tatsächlich hatte die Halberthal zehn Jahre lang als Abteilungsleiterin des spanischen Geheimdienstes CESID an der Zerschlagung der Baskischen Befreiungsarmee ETA mitgewirkt. Zu ihren Erfolgen bei TERA zählte das Aufspüren des als Finanzexperte von Bin Laden bekannten Ahmed Brahim im April 2002 in Barcelona.

»Du weißt, was das im schlimmsten Fall bedeuten kann.« Halberthals Miene war so ernst wie ihre Stimme. Dass Telefone der EU-Kommission abgehört worden waren, hatte niemanden überrascht. Wenn nun aber bekannt würde, dass es gelungen war, den PC eines TERA-Mitarbeiters auf so primitive Weise anzuzapfen, würde das die Glaubwürdigkeit der gesamten Institution zumindest in Fachkreisen auf eine schwere Probe stellen.

»Keine Panik«, sagte Timo. »Ich weiß, wer das Ding installiert hat.«

Sophia Halberthal sah ihn überrascht an.

2

Der 14-jährige, schmächtige Junge hörte sich die telefonische Nachricht seines Vaters übers Internet an. Zwar hätte Aaro Nortamo auch direkt die Mailbox seines Telefons abhören können, aber er wollte die kostenlose Software testen, die er sich heruntergeladen hatte.

»Ruf mich an, Aaro!«

Die Stimme seines Vaters klang zornig. Die zweite Nachricht war noch unmissverständlicher: »Aaro, ruf mich sofort an!«

Im Hintergrund waren Verkehrsgeräusche zu hören. Aaro tippte mit seinen dünnen Fingern etwas ein und schloss das Programm. Es lief auf einem Computer, der aus drei alten Desktops zusammengebastelt und in ein supermodernes, Star-Wars-artiges Kunststoffgehäuse eingebaut worden war.

Die moderne Linie setzte sich in der Zimmereinrichtung fort: reduzierte Formen von Ikea, technische Apparate, an der Wand ein Poster mit einem Kohlenstoffatom, das Aaro von seiner Mutter bekommen hatte. Im Regal standen ein paar Romane, vor allem aber liebte er knallharte Fakten: ein FrontPage-Leitfaden, die vier letzten Jahrgänge vom ›Guinnessbuch der Rekorde‹, das ›Intelligence Yearbook‹, ›CIA – der Staat im Staat‹, wissenschaftliche Zeitschriften, ›Das große Buch der Fledermäuse‹ sowie jede Menge Bücher über das Weltall. Auf den Buchreihen lagen ältere Werke, ein bisschen kindisch vielleicht, aber noch füllten sie das Regal: ›Handbuch für Spione‹, ›Der Detektiv von heute‹.

Schon vor Jahren hatte Aaro beschlossen, als Erwachsener Privatdetektiv oder Beamter der CIA zu werden, und je mehr er sich mit zunehmendem Alter mit den einschlägigen Dingen beschäftigt hatte, umso sicherer war er sich seiner Berufung geworden. Sein Vater unterstützte ihn dabei nicht gerade, aber das schien ihn nicht zu stören.

Im mittleren Regalfach befanden sich das Schachspiel, das seiner Mutter als Kind gehört hatte, eine chemische Experimentierreihe und ein Detektivset, das ihm seine Großmutter zwei Jahre zuvor – garantiert gegen den Widerstand seines Vaters – zum Geburtstag geschenkt hatte. Es enthielt echtes Fingerabdruckpulver, Schemata zur Gesichtsidentifikation und natürlich eine Lupe und ein Morsegerät, Dinge, die in alle Kindersets gepackt wurden, um die Kästen zu füllen. Im untersten Regalfach wurden die Brettspiele aufbewahrt, die er geschenkt bekommen hatte und von denen der Großteil nur einmal gespielt worden war, nämlich an dem Tag, an dem er das Geschenk bekommen hatte. Mit wem hätte er sie auch spielen sollen? Niko lachte nur über solche Antiquitäten. Der sah sich lieber Filme an und machte sich nicht einmal etwas aus Videospielen.

Das moderne Mobiliar passte nicht so recht zur ursprünglichen Atmosphäre des Raums: In der Ecke stand ein Kachelofen, der Dielenboden war über hundert Jahre alt, und die Tapeten stammten aus den 70er Jahren, aus der Zeit, in der Aaros Vater so alt war wie Aaro jetzt und in diesem Zimmer hauste. Zwischen den gelben Blättern der Ahornbäume vor dem Sprossenfenster blitzte der Porvoonjoki auf, der durch die mittelalterliche Kleinstadt Porvoo, östlich von Helsinki, floss.

Aaro rief seinen Vater vom Flur aus an. Das Haus war leer, seine Großmutter war noch in ihrem Laden.

»Hallo«, meldete sich sein Vater in Brüssel.

»Hi. Du hast angerufen«, sagte Aaro in munterem Tonfall, in dem er selbst die künstliche Nuance wahrnahm.

»Es geht um das kleine Gerät am Tastaturkabel.«

Stille.

»Hast du gehört?«

»Welches kleine Gerät?«, fragte Aaro so unschuldig, wie er nur konnte.

»Lass den Unsinn!«

In der Stimme seines Vaters lag ein Unterton, der klarmachte, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für Scherze war.

Timo telefonierte auf dem Flur im zweiten Stock, vor dem Büro seiner Chefin. Aaro kannte den wahren Charakter seiner Arbeit nicht, auch sonst wusste so gut wie niemand darüber Bescheid.

»Wann hast du das Ding installiert?«

»Wieso regst du dich wegen diesem KeyKatch so auf …«

»Begreifst du nicht, was du da getan hast? Du kannst doch nicht einfach die Computer anderer Leute anzapfen, und schon gar nicht meinen. Wann hast du das Ding installiert?«

Am anderen Ende war ein ungeduldiger Seufzer zu hören. »Als ich zuletzt bei dir war. Anfang Juli. Am sechsten, um vierzehn Uhr fünfunddreißig. Musst du es noch genauer wissen?«

»Wo hast du es her?«

»Bestellt.«

»Wo?«

»In England.«

»Hast du die Quittung noch?«

»Na klar. Da ist ein Jahr Garantie drauf. Das heißt, Moment mal … Ich hab sie wahrscheinlich doch nicht mehr.«

»Fax mir die Quittung hierher.«

»Hä?«

»Geh zu Oma in den Laden und fax sie mir an die Nummer, die ich dir jetzt gebe …«

»Ich habe doch gerade gesagt, dass ich sie wahrscheinlich nicht mehr habe.«

Timo hörte, dass sein Sohn log. »Hast du was zu schreiben?«

»Ich kann sie dir nicht faxen. Oma hat was zu erledigen, der Laden ist zu. Was für Informationen von der Quittung brauchst du denn? Die kann ich dir so geben, geht auch ohne Fax …«

»Du machst jetzt genau, was ich dir sage.«

Aaro kroch unters Bett, hob ein Stück vom Dielenboden an und schob die Hand in den Spalt. Er nahm ein Briefkuvert aus dem Versteck und zog die Quittung heraus. Dann schlüpfte er in seine Schuhe, zog sich das Kapuzen-Sweatshirt über und verließ das Haus. Am Himmel versuchte die Sonne, hinter den Wolken hervorzukommen. Der Ahorn im Hof war zu früh gelb geworden, und seine Großmutter fürchtete schon, dass man ihn womöglich würde fällen müssen. Unter dem Baum stand das in Belgien zugelassene Auto seines Vaters, ein großer alter Benz der S-Klasse, mit dem sie nächste Woche gemeinsam nach Brüssel zurückfahren würden. Der Gedanke an den Schulanfang deprimierte Aaro.

Jemand hatte vor dem Tor eine leere Coladose stehen lassen. Die kickte Aaro nun vor sich her. Dabei betastete er die Quittung in seiner Hosentasche. Warum regte sich sein Vater eigentlich so auf?

Und vor allem: Wie sehr würde er sich erst aufregen, wenn er auf der Quittung sah, dass Aaro den KeyKatch mit Omas Visa-Karte im Internet gekauft hatte?

Aaro blieb stehen und sah sich die Quittung an. Er könnte die Angaben des Bestellers abdecken und eine Kopie machen, aber das würde nichts helfen. Seinem Vater fielen solche Dinge auf. Aaro seufzte und ging weiter.

Der Laden seiner Oma befand sich in einem senfgelben Holzhaus in der Jokikatu, nur wenige Meter vom Rathausplatz entfernt. Es war die erste Woche im September, und für Aaros finnische Freunde hatte die Schule schon zwei Wochen zuvor begonnen. Die finnischen Touristen waren aus Porvoo verschwunden, aber auf dem Rathausplatz stiegen braun gebrannte amerikanische Touristen in weißen Kleidern und mit Kameras um den Hals aus einem Luxusreisebus. Hinter dessen Windschutzscheibe steckten ein Nummernschild und ein Zettel mit der Aufschrift: »Sea Princess«. Die Pensionäre waren von einem Luxusliner, der in Helsinki festgemacht hatte, hierher gebracht worden. Sie blickten sich staunend um und verschwanden in den verschiedenen Souvenirläden.

Aaro hoffte, einige von ihnen würden sich auch in den Laden seiner Oma verirren, aber das war eine vergebliche Hoffnung. Sie trauten sich nicht in dieses heruntergekommene Gebäude hinein, das innen schlecht beleuchtet war und in dem es nach Zigaretten roch. Spätestens der Anblick seiner Oma brächte sie dazu, kehrtzumachen und einen halogenbeleuchteten Design-Shop aufzusuchen.

Die Türglocke klingelte vertraut. »Geschäft« war Aaros Meinung nach ein leicht übertriebenes Wort, um das Etablissement zu beschreiben. »Lager« hätte besser gepasst. Oder noch besser »Schrottlager«, denn nach Schrott sah das Zeug in Aaros Augen aus: eine Kiste mit der verschnörkelten Aufschrift »1832«, ein Röhrenradio, eine Nähmaschine mit Fußbetrieb, Kupferpfannen, ein Sofa aus gustavianischer Zeit, das darauf wartete, neu bezogen zu werden, eine Bauernkommode, eine Fronthelferinnen-Tracht, ein ausgestopfter Adler.

Seine Oma trug einen ausgeleierten Strickpullover mit Rentiermuster und abgewetzte Jeans. Sie las die Lokalzeitung, die sie auf der Singer-Nähmaschine ausgebreitet hatte.

»Hi. Ich müsste Papa mal ein Fax schicken.«

»Was?«

Aaro marschierte ins Hinterzimmer. »Bloß ein Blatt.«

Aaro legte die Quittung ein und tippte die Nummer, die ihm sein Vater gegeben hatte. »Donnerwetter, hier ist es ja ganz schön schmutzig … Ich könnte vielleicht mal staubsaugen, wenn ich das hier weggeschickt habe«, sagte er.

Die Großmutter trat zu ihm, und Aaro stellte sich als Sichtblende vor das Faxgerät.

»Staubsaugen?« Die Stimme seiner Großmutter war vom Rauchen ganz tief und heiser. Wie Marlene Dietrich, sagte sie selbst, wenn sie deren Platten auf dem Grammofon im Laden spielte. »Was hast du denn ausgefressen, dass du so dein Gewissen beruhigen musst?«

Fünfzig Kilometer entfernt, in der Satulakuja, einer kleinen Straße in Vantaas Stadtteil Hakunila, herrschte die übliche Donnerstagnachmittagsruhe. Auf dem geschützten Innenhof zwischen vier flachen Mietshäusern spielten drei Kinder am Grillhäuschen und im Sandkasten. Eine Mutter mit Kinderwagen kam hinzu.

Niemand nahm Notiz von dem Mann, der ohne Eile die Zufahrt entlangschlenderte, die hinter einer Kiefernreihe zum Parkplatz führte.

Nachdem die Frau kurz mit den Kindern geplaudert hatte, ging sie mit dem Kinderwagen weiter. Sie schlug denselben Weg zum Parkplatz ein. In dem Wagen schlief ihr sechs Monate altes Baby.

Als die Mutter auf der Höhe eines alten Mitsubishi-Vans angelangt war, öffneten sich die Türen. Die Frau kam nicht einmal mehr dazu, um Hilfe zu rufen, als sie in das Auto gestoßen wurde. Ein Mann reichte das Baby hinein, warf die Tür zu und verstaute den Kinderwagen im Kofferraum.

Dann setzte sich das Fahrzeug gemächlich in Bewegung. Auf der Höhe des Supermarkts fuhr es über die Kreuzung und bog dann zum Autobahnring ab.

3

Noora blickte besorgt auf die strumpfartige Kommandomütze und die Gasmaske.

»Niemand kommt zu Schaden«, sagte Ralf leicht gereizt.

Sie standen an einem Feuer in einem feuchten Nadelwald östlich von Loviisa, einen Kilometer von der Fernstraße Helsinki – Sankt Petersburg entfernt, in einem Gelände, das jeden Pilzsammler in Begeisterung versetzt hätte. Sakombi strich sich nachdenklich über die kurzen, grauen Locken. In dem finnischen Wald sah er aus, als hätte er sich in die falsche Gegend verirrt.

Ralf legte die Gasmaske in eine Tasche, aus der er Unterlagen entnahm, die er in die Flammen warf. In dem faustgroßen Kurzwellenradio, das sie auf einem bemoosten Baumstumpf aufgestellt hatten, wurde Deutsch gesprochen.

Noora stopfte sich eine halbrohe Banane in den Mund und starrte auf ein Foto, das sie einige Wochen zuvor selbst gemacht hatte und das jetzt im Feuer verbrannte. Es zeigte ein Fahrzeug mit VW-Chassis, das auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Lieferwagen aussah. Erst bei näherer Betrachtung erkannte man mehr: die breiteren Reifen, den anderen Kühlergrill, die getönten Scheiben. Es war ein Panzerwagen. Ein Geld- und Werttransporter.

In Finnland wurden Werttransporte traditionell unauffällig mit Lieferwagen durchgeführt, erst im Zusammenhang mit der Einführung des Euro hatte sich der Staat auch zum Kauf von schwererem Gerät entschlossen. Allerdings sahen selbst die massivsten Modelle nicht gepanzert aus, anders als diejenigen, die nach Großbritannien, Frankreich und Italien verkauft wurden. In diesen Ländern wollte man, dass das Aussehen der Werttransporter bereits auf ihre Fracht verwies.

Noora warf die Bananenschale ins Feuer, wo feuchte Zweige knisterten. Plötzlich kam im Radio eine Meldung aus Bremen, die sie zusammenfahren ließ.

»Laut Mitteilung der Polizei starb der mit Gas betäubte Wachmann im Krankenhaus an den Folgen des Überfalls …«

Nooras Herz setzte einen Schlag aus. Sie blickte auf Ralf, der beruhigend den Arm um sie legte.

»Niemand wird hier zu Schaden kommen«, versicherte er noch einmal, diesmal mit ruhigerer Stimme.

Sakombi sah weg. Noora glaubte Ralf, denn sie wollte ihm glauben. Während der letzten zwei Jahre war sie ihm treu gefolgt, hatte gelernt, ihm zu vertrauen und selbst seines Vertrauens würdig zu sein. Mit der Zeit hatte sie auch akzeptiert, dass Ralf ihr nicht alles erzählen konnte.