Gunter Pirntke

Der Kapitalismus und seine soziale Ungleichheit

Ein Lehrbuch der politischen Ökonomie

 

„Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“

John Maynard Keynes

Impressum

Covergestaltung:      Johannes Krüger

Bearbeitung:             Johannes Krüger

Digitalisierung:      Gunter Pirntke

Herausgeber:      BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke & Partner

ISBN:                   9783955017071

© 2015 andersseitig.de


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01097 Dresden


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„Wie lange wird der Kapitalismus noch funktionieren? Die Gier zerstört alles!“

Mario Adorf

Einleitung

Der Untergang des Sowjetreiches war auch das Ende des Kommunismus. Das einzig funktionierende Wirtschaftssystem sei der Kapitalismus – dachten viele. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 scheint diese These mehr als fraglich. In diesem Buch reflektieren mehr als acht prominente Mitwirkende aus dem Bereich Wirtschaftstheorie die Entwicklung seit der Urgemeinschaft und hinterfragen die wirtschaftspolitischen Thesen aus der Geschichte des Kapitalismus.

So vertreten die meisten Volkswirte und einige Historiker die Meinung, dass die freie Marktwirtschaft nach heutigem Muster erstmals von Adam Smith in seinem Buch „Wohlstand der Nationen“ geschildert wurde und sich in der Zeit der industriellen Revolution herausbildete.

Das Buch wirft diese konventionelle Sichtweise über Bord und lädt ein zu einer Weltreise durch eine Geschichte voller Überraschungen. Die Recherchen führen bis über den Atlantik zu den Goldminen der Neuen Welt. Hier liegen die tatsächlichen Ursprünge unseres heutigen Wirtschaftssystems: Die Entdeckung Amerikas brachte eine tief greifende globale Veränderung und grundlegende Verwerfungen des sozialen Gefüges mit sich.

Woher kommt der Kapitalismus? Ist er durch eine natürliche gesellschaftliche Entwicklung entstanden? Die Recherche entlarvt neue Ikonen und stürzt schonungslos alte. In neun Kapiteln wird das gängige Bild von der Wirtschaft auf den Kopf gestellt.

Thema ist weniger die aktuelle Wirtschaftspolitik. Stattdessen geht es um Geschichte und Theorien – ein umfassender Ansatz. Das Buch lässt auf eine Art kritischen Grundkurs schließen und stellt am Schluss die Frage, ob der Kapitalismus sozial und überlebensfähig ist.

Unterstützt durch Historiker, Ökonomen, Anthropologen und Soziologen wird die These vertreten, der Kapitalismus sei eine Folge der Entdeckung Amerikas. Die Jagd nach Edelmetallen ließ den Handel explodieren. Von Europa aus trieben private Gesellschaften einen schwunghaften Handel mit Rohstoffen und Sklaven. In England wurden Kleinbauern enteignet, damit Großgrundbesitzer sich wegen der Nachfrage nach Wolle der Schafzucht widmen konnten. „Die Entdeckung von Gold und Silber hat die Gesellschaft aus den Angeln gehoben“, kommentiert der Autor. Dieser blutige Gründungsmythos des Kapitalismus irritiert nur insofern, als dass es keine Gegenmeinung gibt. Was in wissenschaftlichen Kreisen unwahrscheinlich ist. Gibt es keine Adam-Smith-Fans mehr?

Der schottische Philosoph, der als Gründer der Nationalökonomie gilt, hatte im 18. Jahrhundert als Erster den Segen des freien Marktes beschrieben. Ihm wird zweierlei vorgeworfen. Er „entschied sich, vor der Sklaverei die Augen zu verschließen“. Dass Menschen seit jeher gehandelt und getauscht hätten, zweifelt das Buch an. Vielmehr hätten sich Gemeinschaften durch Geben und Nehmen organisiert.

Der Kapitalismus scheitert eben nicht an menschlichen Unzulänglichkeiten, weil er die Menschen so nimmt wie sie sind. Denn seine egoistischen Ziele, nach mehr eigenem Wohlstand und besserem Leben, kann jemand in der freien Marktwirtschaft nur erreichen, wenn er etwas für andere tut, was diesen anderen entsprechend Wertvoll ist.

„Alle Mittel, welche die Menschen zur Erreichung ihres physischen, intellektuellen und moralischen Wohls anwenden, gedeihen besser als mit Zumischung des Staats ... Also war bei ihm wie bei mir die höchste Rücksicht immer Wohl des Menschen, ... ungestörte Freiheit aller Handlungen“ (Wilhelm von Humboldt, Tagebuch, 24. Juli 1789)

Ein freier (ungeregelter) Markt kann nicht versagen, dafür sorgt die "unsichtbare Hand". Grundlage ist das Recht auf Selbsteigentum, draus ergibt sich das Recht an dem, was man als erster sich nutzbar gemacht hat und was man an Gütern geschaffen hat. Was Mein und Dein ist, versteht schon ein kleines Kind. Auf einem freien Markt im Kapitalismus, gibt es immer genügend Anbieter von Sicherheit, die das Eigentum der Menschen schützen, wenn sich der Staat nicht darum kümmert und den Menschen unter Androhung von Gewalt die Mittel nehmen würde, die sie für ihren Schutz bei privaten Anbietern benötigen. Private Anbieter sind sehr viel besser und preiswerter als es der Staat je sein kann. In einer freien Gesellschaft würde Vertragsrecht gelten. Bei Vertragsabschluss könnte man bereits vereinbaren, welches private Schiedsgericht eingeschaltet wird, wenn sich eine Partei nicht an den Vertrag hält. Niemand würde dann ein schlechtes Schiedsgericht wählen, welches vielleicht erst in einem Jahr ein Urteil fällt oder parteiisch ist. Recht wäre auch sehr viel einfacher zu sprechen, denn es gilt nur der Vertrag und es muss nicht auf hunderte Gesetze Rücksicht genommen werden, die es heute geschickten Winkeladvokaten ermöglichen irgendwelche Paragraphen zu finden, die aus einem Schuldigen einen unschuldigen werden lassen oder die eindeutig gegen die Interessen des Geschädigten sind.

Es würde in einer freien Gesellschaft auch sehr viel weniger Armut geben, denn die Menschen würden nicht gezwungen mit Steuern und Abgaben, einen überbordenden öffentlichen Verwaltungsapparat zu finanzieren. Auch gäbe es keine Geldentwertung, da niemand Geld akzeptieren würde, welches aus dem Nichts geschöpft würde und niemand würde Banken akzeptieren, die Teilreservehaltung betreiben. Ohne Geldentwertung würden alle Bürger von der jährlichen Steigerung der Produktivität profitieren, indem er mehr Güter für die gleiche Menge Geld bekäme, sein Wohlstand würde also automatisch steigen. Es gäbe Marktgeld. Wir haben inzwischen leider verlernt, dass Geld ursprünglich ein Produkt des Marktes war. Die wenigen Armen, die es natürlich noch geben würde, könnten von privaten Hilfsorganisationen bestens versorgt werden. Das würde auch geschehen, denn der Mensch ist ein soziales Wesen und hilft anderen Menschen. Das kann man schon bei kleinen Kindern beobachten, die helfen nämlich anderen Kindern, wenn sie in Schwierigkeiten sind.

Schädliche Monopole können sich nicht bilden, weil sofort Wettbewerber kommen, die bessere Angebote unterbreiten. Standard Oil ist ein Paradebeispiel für ein Monopol, das auf einem freien Markt zustande kam. Zu den Spitzenzeiten erreichte das Unternehmen trotz seiner marktbeherrschenden Stellung nie mehr als 90% Marktanteil bei Erdölprodukten. 1869 – also vor Standard Oil – lag der Preis für raffiniertes Erdöl bei 30 Cent pro Gallone. Bis 1897 war der Preis dank Standard Oil auf 5,9 Cent pro Gallone gefallen. Es hat also den Konsumenten nicht geschadet.

Adam Smith Bestseller „Wohlstand der Nationen“ erschien im Jahr 1776 und wird regelmäßig neu aufgelegt. Für viele gilt er als Bibel eines neuen Wirtschaftssystems. In der aktuellen Folge wird anhand konkreter Beispiele dargelegt, wie Schlüsselpassagen des Buches aus ihrem Kontext gerissen und für politische Zwecke benutzt werden. In dem Bestreben, das Werk zum ökonomischen Testament zu erheben, wurden die sozialpolitischen Überlegungen von Adam Smith einfach außer Acht gelassen.

David Ricardo und Thomas Malthus sind vielen nicht ganz so geläufig wie Adam Smith. Sie spielten jedoch eine entscheidende Rolle in der Herausbildung der britischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. David Ricardo ist die Theorie der komparativen Kostenvorteile zu verdanken, die als Marktlogik der letzten 40 Jahre zu einer immer arbeitsteiligen globalen Wirtschaft geführt hat. Die dadurch ausgelösten tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen werden als der Preis betrachtet, der für den steigenden Wohlstand aller zu bezahlen sei.

Doch von welcher Vision hatte sich David Ricardo leiten lassen, und vor welchem Hintergrund ist seine Theorie entstanden? Gründen die Entwicklungen der letzten 40 Jahre tatsächlich auf den Theorien des frühen 19. Jahrhunderts oder lassen sie sich vielmehr durch politische und wirtschaftliche Interessen unserer Zeit erklären?

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Fall der Berliner Mauer landete der Kommunismus im Orkus der Geschichte – und Karl Marx gleich mit. Doch seit der Krise 2008 ist die Frage wieder erlaubt, ob Marx eigentlich richtig verstanden wurde. Wurde mit Marx und der Verteufelung eines heute verpönten Systems nicht auch eine einzigartig prägnante Analyse des damaligen Kapitalismus eingemottet? Ist Marx‘ Kapitalismusanalyse nicht weiterhin eine der scharfsinnigsten Auseinandersetzungen mit der modernen Welt überhaupt?

Der Wettstreit der Ideen zwischen dem österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Friedrich von Hayek und seinem britischen Kollegen John Maynard Keynes hat das volkswirtschaftliche Grundkonzept ein ganzes Jahrhundert lang geprägt.

Beide Gelehrte wollten dem Kapitalismus nach der Depression der 30er Jahre - der bislang schwersten - zu neuem Schwung verhelfen. Die Dokumentation beleuchtet, warum und wie dieser Wettstreit in den 30er Jahren entschieden wurde und warum er seither immer wieder aufflammt, insbesondere seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008.

Obwohl immer wieder scharf kritisiert, hat der Kapitalismus als herrschendes Wirtschaftssystem auch die jüngste Wirtschafts- und Bankenkrise überlebt und diktiert unsere Lebensbedingungen. Zeit, sich wieder einmal näher mit den Grundsätzen dieser Wirtschaftsordnung auseinanderzusetzen.

Der ungarische Wirtschaftshistoriker und -wissenschaftler Karl Polanyi, der nach dem Ersten Weltkrieg an der Universität Wien und später in London und schließlich an der Universität New York lehrte, war seiner Zeit wahrscheinlich weit voraus: Seine Warnung davor, dass die Gesellschaft der Wirtschaft dienen werde, statt umgekehrt, findet im 21. Jahrhundert mehr Gehör als zu seinen Lebzeiten.

Polanyis Untersuchungen über die antiken Gesellschaften der Sumerer und Babylonier können aufschlussreiche Erkenntnisse über die Welt nach 2008 liefern, in der sich verschuldete Staaten totsparen müssen und demokratisch gewählte Volksvertreter den anonymen Entscheidungen der Finanzmärkte machtlos ausgeliefert sind.

Kapitalismus bezeichnet eine Wirtschaftsform, in der das Privateigentum und die Vergrößerung des Eigenkapitals an erster Stelle stehen. Um Privateigentum erwerben zu können, wird die eigene Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt „angeboten“. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass die Arbeiter/innen zwar selber entscheiden können was sie erlernen wollen, jedoch fast immer von anderen abhängig sind, um ihre Arbeit auszuführen. Das heißt, die Arbeitnehmer/innen sind auf Firmen angewiesen, die sie anstellen und ihnen so Zugang zu den nötigen Produktionsmitteln (Geld, Maschinen, Kundenaufträge etc.) geben.

Kapitalismus in unserem Alltag Die Privatisierung, sprich der private Besitz, führt dazu, dass die Märkte wachsenden Einfluss ausüben, oftmals größeren als die Politik. Der Markt, der nach dem Prinzip des Angebots und der Nachfrage funktioniert, hat somit die „Macht“ das Leben jedes/ jeder Einzelnen zu beeinflussen. Es unterliegen jedoch nicht nur Güter und Dienstleitungen den Prinzipien des Marktes, sondern auch Soziales wie bspw. Kultur- und Bildungsangebote. Dadurch werden Solidarität, Eigeninitiative und Hilfe verdrängt, denn sie sind unrentabel und werfen keinen Gewinn ab.

Unser Leben funktioniert vermehrt nach dem Prinzip des Nutzens und der Rentabilität, wer den Anforderungen des Marktes entspricht, kann sich gut „verkaufen“, wer den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht entspricht, fällt zwischen die Maschen. Der permanente Druck der Verbesserung, unter dem Mensch und Maschine stehen, um sich weiterhin auf dem Markt behaupten zu können, führt zur Entwicklung immer neuer Techniken. Nebst dem positiven Aspekt, dass Geld in die Forschung investiert wird, gibt es jedoch auch viele Verfahren, deren Gefahren die Nutzen um vieles überwiegen, so bspw. bei der Kernkraft, der Gentechnologie und der Automatisierung (Übernahme gewisser Arbeiten durch Maschinen).

Genau durch diese Automatisierung der Produktion können große Unternehmen billiger produzieren und verdrängen so vermehrt die kleinen vom Markt. Auch durch die Möglichkeiten der Werbung haben große, kapitelkräftigere Firmen gute Chance eine dominierende Position auf dem Markt zu erkämpfen. Dieser Hang zu Monopolen führt zwangsläufig zu überhöhten Preisen und einer Unterversorgung des Marktes (weniger Güter führen zu höheren Preisen), wie dies bspw. in der Pharmaindustrie zu beobachten ist.

Die ungleiche Verteilung führt zu einer Konzentration des Kapitals bei einigen Wenigen, dadurch bekommen diese die Macht über die Arbeitnehmer/innen zu bestimmen. Diese Machtkonzentration ist der Boden für Ausbeutung der Menschen in Billiglohnländern sowie für einen Anstieg des Leistungsdrucks. Deshalb fordern wir eine Klassen- und Staatenlose Gesellschaft, in der alle gleichwertig sind, die Menschen nicht willenlose Organe des Produktionsprozesses sind und die Produktionsmittel nicht in den Händen einiger weniger konzentriert sind, sondern von Gewerkschaften verwaltet werden!

 

„Zwischen Kapitalismus und Demokratie besteht ein unauflösliches Spannungsverhältnis; mit beiden konkurrieren nämlich zwei entgegengesetzte Prinzipien der gesellschaftlichen Integration um den Vorrang.“

Jürgen Habermas

Die vorkapitalistischen Produktionsweisen

In ihrer bisherigen Entwicklung hat die Menschheit – keineswegs geradlinig und vollständig – vier ökonomische Gesellschaftsformationen durchschritten: die Urgesellschaft, die Sklavenhaltergesellschaft, die Feudalgesellschaft und die kapitalistische Gesellschaft.

A Die Produktionsverhältnisse der Urgesellschaft

Die Produktionsverhältnisse werden durch den Charakter, durch den Stand der Produktivkräfte bestimmt.

In der Urgemeinschaft ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln. Das Gemeineigentum entspricht in dieser Periode dem Charakter der Produktivkräfte. Die Arbeitswerkzeuge waren in der Urgesellschaft so primitiv, dass sie für die Menschen der Urgemeinschaft die Möglichkeit ausschlossen, einzeln gegen die Naturkräfte und die Raubtiere zu kämpfen. „Dieser primitive Typus der genossenschaftlichen oder kollektiven Produktion“, schrieb Marx, „war wohlbemerkt das Ergebnis der Schwäche des einzelnen isolierten Individuums und nicht der Vergesellschaftung der Produktionsmittel.“

Hieraus ergab sich die Notwendigkeit der kollektiven Arbeit, des Gemeineigentums am Grund und Boden und an den anderen Produktionsmitteln sowie an den Arbeitsprodukten. Die Menschen der Urgemeinschaft hatten keinen Begriff vom Privateigentum an den Produktionsmitteln. In ihrem persönlichen Eigentum befanden sich nur einige Produktionsinstrumente, die ihnen zugleich als Waffen zum Schutz gegen Raubtiere dienten.

Die Arbeit des Menschen der Urgemeinschaft schuf keinerlei Überschuss über das zum Leben notwendige Maß, das heißt kein Mehrprodukt. Unter diesen Umständen konnte es in der Urgemeinschaft keine Klassen und keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen geben. Das gesellschaftliche Eigentum erstreckte sich nur auf kleine Gemeinwesen, die mehr oder weniger isoliert voneinander bestanden. Der gesellschaftliche Charakter der Produktion umfasste hier, wie es Lenin kennzeichnete, nur die Mitglieder eines Gemeinwesens.

Die Arbeitstätigkeit der Menschen der Urgesellschaft beruhte auf der einfachen Zusammenarbeit (der einfachen Kooperation). Die einfache Kooperation ist die gleichzeitige Anwendung einer mehr oder minder bedeutenden Anzahl von Arbeitskräften zur Ausführung gleichartiger Arbeiten. Schon die einfache Zusammenarbeit bot den Menschen der Urgemeinschaft die Möglichkeit, solche Aufgaben zu lösen, die zu lösen für einen einzelnen Menschen undenkbar gewesen wäre (zum Beispiel Bau von Behausungen und Transportschlitten oder Jagd auf große Tiere).

Bei dem damaligen äußerst niedrigen Entwicklungsniveau der Produktivkräfte war eine gleichmäßige Verteilung der Produkte der gemeinsamen Arbeit unumgänglich. Eine andere Teilung war auch nicht möglich, da die Produkte der Arbeit kaum zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse hinreichten.

Gesellschaftliche Produktion, gesellschaftliche Verteilung und gesellschaftliche Konsumtion auf Basis des Gemeineigentums an Produktionsmitteln kennzeichnen den in der Urgesellschaft herrschenden Grundtyp der Produktionsverhältnisse. Davon ausgehend, kann man das ökonomische Grundgesetz der Urgemeinschaft folgendermaßen formulieren: Sicherung der äußerst dürftigen Existenzbedingungen der Menschen mit Hilfe primitiver Produktionsinstrumente durch gemeinschaftliche Arbeit im Rahmen eines Gemeinwesens und durch gleichmäßige Verteilung der Produkte.

Mit der Entwicklung der Produktionsinstrumente entsteht die Teilung der Arbeit. Ihre einfachste Form war die naturwüchsige Arbeitsteilung, das heißt die Teilung der Arbeit nach Geschlecht und Alter: zwischen Männern und Frauen, zwischen Erwachsenen, Kindern und Greisen.

In dem Maße, wie sich die Produktivkräfte entwickelten, setzte sich allmählich die naturwüchsige Arbeitsteilung durch und festigte sich. Die Spezialisierung der Männer auf die Jagd und der Frauen auf das Sammeln von Pflanzennahrung und auf die Hauswirtschaft führte zu einer gewissen Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Die Gentilverfassung1

Solange der Prozess der Aussonderung des Menschen aus der Tierwelt dauerte, lebten die Menschen in Horden, in Rudeln, wie ihre unmittelbaren Vorfahren. Doch in der Folgezeit bildete sich in Zusammenhang mit der Entstehung der Wirtschaft der Urgemeinschaft und dem Anwachsen der Bevölkerung die Gentilverfassung der Gesellschaft heraus.

Die primitiven Produktionsinstrumente beschränkten die Möglichkeiten der kollektiven Arbeit auf den engen Rahmen der Gruppe von Menschen, die durch Verwandtschaft und gemeinschaftliches Leben miteinander verbunden waren. Der Mensch der Urgemeinschaft stand gewöhnlich jedem feindlich gegenüber, der mit ihm nicht durch Verwandtschaft und gemeinschaftliches Leben verbunden war. Die Gens stellte eine Gruppe dar, die in der ersten Zeit nur aus einigen Dutzend Menschen bestand und durch die Bande der Blutsverwandtschaft zusammengehalten wurde. Eine jede dieser Gruppen lebte für sich, abgesondert von den anderen, ihr ähnlichen Gruppen. Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Angehörigen der Gens und erreichte oft einige Hundert Menschen.

Morgan2, der das Leben der Menschen der Urgemeinschaft erforschte, hat eine Gentilverfassung beschrieben, die sich noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts bei den Irokesen erhalten hatte. Die Hauptbeschäftigung der Irokesen war die Jagd, der Fischfang, das Sammeln von Früchten und der Ackerbau. Die Arbeit war zwischen Männern und Frauen geteilt. Die Jagd und der Fischfang, die Anfertigung von Waffen und Arbeitswerkzeugen, die Rodung des Bodens, der Bau von Hütten und Befestigungen oblag den Männern. Die Frauen leisteten die Hauptarbeiten auf den Feldern, sie brachten die Ernte ein und bargen sie in Vorratsspeichern, sie kochten das Essen, fertigten Kleidungsstücke und Tongefäße an und sammelten wilde Früchte, Beeren, Nüsse und Knollen. Der Boden war Gemeineigentum der Gens. Größere Arbeiten wie Rodung des Waldes, Ausroden des Bodens zwecks Verwendung als Ackerland, große Jagdzüge wurden gemeinsam ausgeführt. Die Irokesen lebten in sogenannten „Langhäusern“, in denen zwanzig und mehr Familien Platz hatten. Eine solche Gruppe besaß gemeinsame Vorratsspeicher, in denen die Vorräte aufbewahrt wurden. An der Spitze der Gruppe stand eine Frau, die die Nahrungsmittel auf die einzelnen Familien verteilte. Bei Kriegshandlungen wählte die Gens einen Kriegsanführer, der aber keinerlei materielle Vorteile genoss; mit Beendigung der Kriegshandlungen hörte seine Macht auf.

Auf der ersten Stufe der Gentilverfassung hatte die Frau die dominierende Stellung inne, was sich aus den damaligen Bedingungen des materiellen Lebens der Menschen ergab. Die Jagd mit Hilfe primitiver Waffen, die Sache der Männer war, vermochte die Existenz der Menschen nicht völlig zu sichern: ihre Ergebnisse waren mehr oder weniger vom Zufall abhängig. Unter diesen Bedingungen hatten selbst die Keimformen des Ackerbaus und der Viehzucht (Zähmung von Tieren) große wirtschaftliche Bedeutung. Die Beschäftigung mit ihnen war eine zuverlässigere und beständigere Quelle von Existenzmitteln als die Jagd. Der Ackerbau und die Viehzucht aber waren, solange sie auf primitive Weise betrieben wurden, vornehmlich eine Beschäftigung der Frauen, die am häuslichen Herd blieben, während die Männer auf die Jagd gingen. Die Frau spielte eine lange Periode hindurch die führende Rolle in der Gentilgemeinschaft. Die Verwandtschaft wurde nach der mütterlichen Linie gerechnet. Der Rahmen der Gentilgemeinschaft war eng, ihr gehörten nur die Nachkommen einer Frau an. Dies war die mutterrechtliche oder matriarchalische Gens (Matriarchat).

Im Laufe der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte, als die nomadenhafte Viehzucht (Hirtenviehzucht) und der entwickeltere Ackerbau (Getreideanbau), beides Sache der Männer, die entscheidende Rolle im Leben der Urgemeinschaft zu spielen begannen, wurde die matriarchalische Gens durch die vaterrechtliche oder patriarchalische Gens (Patriarchat) abgelöst. Die führende Rolle ging an den Mann über. Er trat an die Spitze der Gentilgemeinschaft. Die Verwandtschaft wurde von nun an nach der väterlichen Linie gerechnet. Der Rahmen der Gemeinschaft erweiterte sich merklich gegenüber der mutterrechtlichen Gens. Die patriarchalische Gens bestand in der letzten Periode der Urgemeinschaft.

„In der Urgesellschaft ... sind noch keine Anzeichen für das Bestehen des Staates sichtbar. Wir sehen die Herrschaft der Sitten, wir sehen die Autorität, Achtung, Macht, die die Ältesten der Geschlechtsverbände genießen, wir sehen, dass diese Macht mitunter Frauen zuerkannt wird – die damalige Lage der Frau war nicht ihrer heutigen rechtlosen, unterdrückten Lage ähnlich –, nirgends aber sehen wir eine besondere Kategorie von Menschen, die herausgehoben werden, um andere zu regieren und um im Interesse und zum Zweck des Regierens planmäßig und ständig über einen bestimmten Zwangsapparat, einen Gewaltapparat verfügen...“

Mit dem Übergang zur Viehzucht und zum Ackerbau entstand die gesellschaftliche Arbeitsteilung, d.h. eine solche Teilung der Arbeit, bei der zunächst verschiedene Gemeinwesen, dann aber auch einzelne Mitglieder der Gemeinwesen sich mit verschiedenen Arten der Produktionstätigkeit zu beschäftigen begannen. Die Aussonderung der Hirtenstämme war die erste große gesellschaftliche Arbeitsteilung.

In der Viehzucht erzielten die Hirtenstämme wesentliche Erfolge. Sie lernten, das Vieh so zu pflegen, dass sie mehr Fleisch, Wolle und Milch erhielten. Schon diese erste große gesellschaftliche Arbeitsteilung führte zu einer für die damalige Zeit bedeutsamen Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Lange Zeit hindurch gab es in der Urgemeinschaft keine Grundlage für den Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern eines Gemeinwesens: alle Produkte wurden gemeinsam gewonnen und konsumiert. Der Austausch entstand und entwickelte sich zunächst zwischen den Gentilgemeinschaften und trug lange Zeit zufälligen Charakter.

Mit der ersten großen gesellschaftlichen Arbeitsteilung änderte sich die Lage. Die Hirtenstämme erzielten einen gewissen Überschuss an Vieh, Milchprodukten, Fleisch, Fellen und Wolle. Gleichzeitig hatten sie Bedarf an anderen landwirtschaftlichen Produkten. Die ackerbautreibenden Stämme ihrerseits erzielten im Laufe der Zeit gewisse Erfolge in der Erzeugung von Ackerbauprodukten. Die Ackerbauer und Viehzüchter benötigten Dinge, die sie an ihrem Wohnplatz nicht erlangen konnten. All dies führte zur Entwicklung des Austausches.

Neben Ackerbau und Viehzucht entwickelten sich auch andere Arten der Produktionstätigkeit. Bereits in der Epoche der Steinwerkzeuge lernten die Menschen, Gefäße aus Ton herzustellen. Später kam die Handweberei auf. Schließlich wurde mit der Entdeckung des Schmelzens von Eisen die Herstellung metallener Arbeitswerkzeuge (Hakenpflug mit eiserner Schar, eiserne Axt) und metallener Waffen (Eisenschwerter) möglich. Es wurde immer schwieriger, diese Arbeiten mit dem Ackerbau oder mit der Hirtenarbeit zu vereinbaren. In den Gemeinwesen sonderten sich allmählich Menschen aus, die sich mit Handwerk beschäftigten. Die Erzeugnisse der Handwerker – der Schmiede, Waffenschmiede, Töpfer usw. – gelangten immer häufiger in den Austausch. Die Sphäre des Austausches erweiterte sich bedeutend.

Die Entstehung des Privateigentums und der Klassen und der Zerfall der Urgemeinschaft.

Die Urgemeinschaft erlebte ihre Blüte im Matriarchat. Die patriarchalische Gens barg schon die Keime des Zerfalls der Urgemeinschaft in sich.

Die Produktionsverhältnisse der Urgemeinschaft stimmten bis zu einem gewissen Zeitpunkt mit dem Entwicklungsniveau der Produktivkräfte überein. Auf der letzten Stufe des Patriarchats, als neue, vollkommenere Produktionsinstrumente aufkamen (Eisenzeit), hörten die Produktionsverhältnisse der Urgesellschaft auf, den neuen Produktivkräften zu entsprechen. Der enge Rahmen des Gemeineigentums und die gleichmäßige Verteilung der Arbeitsprodukte begannen die Entwicklung der neuen Produktivkräfte zu hemmen.

Früher konnte das Feld nur durch die gemeinsame Arbeit einiger Dutzend Menschen bearbeitet werden. Unter diesen Verhältnissen war die gemeinsame Arbeit eine Notwendigkeit. Mit der weiteren Entwicklung der Produktionsinstrumente und dem Wachstum der Arbeitsproduktivität wurde bereits eine Familie allein in den Stand gesetzt, ein Bodenstück zu bearbeiten und sich die notwendigen Existenzmittel zu verschaffen. Die Notwendigkeit der gemeinsamen Arbeit, der Gemeinwirtschaft entfiel immer mehr.

Die Entstehung des Privateigentums ist unlösbar verbunden mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und mit der Entwicklung des Austausches. In der ersten Zeit wurde der Austausch von den Vorstehern der Gentilgemeinschaften, von den Ältesten, den Patriarchen, vorgenommen. Sie traten bei den Tauschvereinbarungen als Vertreter der Gemeinschaften auf. Das, was sie austauschten, war Gemeingut. Doch die weitere Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und die Erweiterung des Austausches untergruben immer mehr das Gemeineigentum. Unter diesen Bedingungen begannen die Vorsteher der Gentilgemeinschaften allmählich, das Gemeingut als ihr Privateigentum zu behandeln.

Zunächst war der Hauptgegenstand des Austausches das Vieh. Die Hirtengemeinschaften besaßen große Herden von Schafen, Ziegen und Rindern. Die Ältesten und Patriarchen, die in der Gesellschaft schon große Macht hatten, gewöhnten sich daran, über diese Herden zu verfügen, als ob es ihre eigenen wären. Das faktische Recht, über die Herden zu verfügen, wurde ihnen auch von den übrigen Gemeinschaftsmitgliedern zuerkannt. So wurde zuerst das Vieh zum Privateigentum, sodann allmählich alle Produktionsinstrumente. Am längsten erhielt sich das Gemeineigentum am Grund und Boden.

Das Aufkommen des Privateigentums führte zum Zerfall der Gens. Die Gens zerfiel in große patriarchalische Familien. Mit dem Wachstum des Privateigentums lockerten sich die Gentilbande. An die Stelle der Gentilgemeinschaft begann die Dorfgemeinschaft zu treten. Die Dorfgemeinschaft oder Markgenossenschaft bestand zum Unterschied von der Gens aus Menschen, die nicht unbedingt miteinander durch verwandtschaftliche Bande verbunden waren. Das Haus, die Hauswirtschaft, das Vieh – all das war Privateigentum einzelner Familien. Dagegen bildeten die Waldungen, die Wiesen, die Gewässer und verschiedene andere nutzbare Ländereien und eine bestimmte Zeit lang auch das Ackerland Gemeineigentum. Ursprünglich wurde das Ackerland periodisch unter die Mitglieder der Gemeinschaft neu aufgeteilt, später ging es in Privateigentum über.

Erst allmählich gewann der Mensch der Urgemeinschaft sehr beschränkte und primitive Vorstellungen von sich und von den Bedingungen seiner Umwelt. Von irgendwelchen religiösen Anschauungen, die angeblich, wie die Verfechter der Religion behaupten, von Anfang an dem menschlichen Bewusstsein innewohnen, konnte gar keine Rede sein. Erst in der Folgezeit begann der Mensch der Urgemeinschaft in seinen Vorstellungen die Umwelt mit übernatürlichen Wesen, mit Geistern und Zauberkräften zu bevölkern. Er beseelte die Naturkräfte. Das war der sogenannte Animismus (vom lateinischen Wort „anima“ – Seele). Diesen dunklen Vorstellungen der Menschen von ihrer eigenen und der äußeren Natur entsprangen die urzeitlichen Mythen und die urzeitliche Naturreligion. In ihnen spiegelte sich die primitive Gleichheit der Gesellschaftsordnung wider. Da der Mensch der Urgemeinschaft im realen Leben keine Klassenspaltung und keine Vermögensungleichheit kannte, übertrug er auch keine Ungleichheit auf die in seiner Vorstellung lebende Welt der Geister. Er unterteilte die Geister in heimische und in fremde, in befreundete und in feindliche. Die Unterteilung der Geister in höhere und niedere kam erst in der Periode des Zerfalls der Urgemeinschaft auf.

Der Mensch der Urgemeinschaft fühlte sich als untrennbarer Bestandteil der Gentilgemeinschaft, er dachte sich nicht außerhalb der Gens. Eine Widerspiegelung dessen in der Ideologie war der Kult der Stammväter. Es ist bezeichnend, dass im Laufe der Entwicklung der Sprache die Wörter „ich“ und „mein“ erst viel später als die anderen Wörter aufkamen. Die Macht der Gentilgemeinschaft über den einzelnen Menschen war außerordentlich groß. Mit dem Zerfall der Urgemeinschaft entstanden und verbreiteten sich Vorstellungen, die auf dem Privateigentum beruhten. Das fand in den Mythen und religiösen Vorstellungen eine klare Widerspiegelung. Als sich die Verhältnisse des Privateigentums herausbildeten und die Vermögensungleichheit entstand, kam bei vielen Stämmen die Sitte auf, das Gut, das sich die Führer oder reichen Familien angeeignet hatten, mit einem religiösen Verbot zu belegen, es für „tabu" zu erklären. Mit dem Zerfall der Urgemeinschaft und dem Aufkommen des Privateigentums begann man die Macht des religiösen Verbots dazu auszunutzen, die entstandenen ökonomischen Verhältnisse und die Vermögensungleichheit zu festigen.

B Die auf Sklaverei beruhende Produktionsweise

Die Sklaverei ist die erste und zugleich die gröbste Form der Ausbeutung in der Geschichte. Sie hat in der Vergangenheit bei fast allen Völkern bestanden.

In der ersten Zeit trug die Sklaverei patriarchalischen, häuslichen Charakter. Es gab verhältnismäßig wenig Sklaven. Die Sklavenarbeit war noch nicht die Grundlage der Produktion, sondern spielte in der Wirtschaft eine untergeordnete Rolle. Das Ziel der Wirtschaft blieb die Befriedigung der Bedürfnisse der großen patriarchalischen Familie, die fast keinen Austausch tätigte. Die Macht des Herrn über seine Sklaven war schon damals unbeschränkt, doch blieb der Anwendungsbereich der Sklavenarbeit begrenzt.

Dem Übergang der Gesellschaft zur Sklavenhalterordnung lag das weitere Wachstum der Produktivkräfte, die Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des Austausches zugrunde.

In der Landwirtschaft, die der Hauptzweig der Produktion blieb, verbesserten sich die Methoden des Ackerbaus und der Viehzucht. Es entstanden neue Zweige der Landwirtschaft: der Weinbau, der Flachsbau, der Anbau von Ölfrüchten usw. Die Herden der reichen Familien vergrößerten sich. Zur Pflege des Viehs bedurfte es einer immer größeren Zahl von Arbeitskräften. Die Weberei, die Metallbearbeitung, die Töpferei und andere Handwerke vervollkommneten sich allmählich. Früher war das Handwerk eine Nebenbeschäftigung des Ackerbauers und des Viehzüchters. Jetzt wurde es für viele Menschen zu einer selbstständigen Beschäftigung. Die Sonderung des Handwerks vom Ackerbau war die zweite große gesellschaftliche Teilung der Arbeit.

Mit der Teilung der Produktion in zwei große Hauptzweige – den Ackerbau und das Handwerk – entsteht die Produktion unmittelbar für den Austausch, allerdings in noch unentwickelter Form. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität führte zu einer Vergrößerung der Masse des Mehrprodukts, was bei Bestehen des Privateigentums an den Produktionsmitteln die Möglichkeit mit sich brachte, dass eine ausbeutende Minderheit der Gesellschaft die Reichtümer anhäufte und sich die werktätige Mehrheit unterwarf, die werktätigen Menschen zu Sklaven machte.

Unter den Bedingungen der Sklaverei war die Wirtschaft in ihrer Grundlage Naturalwirtschaft, bei der die Produkte der Arbeit in der gleichen Wirtschaft konsumiert wurden, in der sie produziert wurden. Doch gleichzeitig entwickelte sich der Austausch. Die Ware entstand.

Die Ware ist ein Produkt, das nicht für den unmittelbaren Verbrauch, sondern für den Austausch, für den Verkauf auf dem Markt hergestellt wird. Die Erzeugung von Produkten für den Austausch ist das charakteristische Merkmal der Warenwirtschaft. Somit bedeutete die Scheidung des Handwerks vom Ackerbau, das Aufkommen des Handwerks als selbstständiges Gewerbe, die Entstehung der Warenproduktion.

Solange der Austausch zufälligen Charakter trug, wurde ein Arbeitsprodukt unmittelbar gegen ein anderes ausgetauscht. In dem Maße, wie sich der Austausch erweiterte und zu einer regelmäßigen Erscheinung wurde, sonderte sich allmählich eine Ware aus, für die man gern jede beliebige andere Ware hergab. So entstand das Geld. Das Geld ist die allgemeine Ware, mit deren Hilfe der Wert aller anderen Waren ausgedrückt wird und die den Austausch vermittelt.

Die Entwicklung des Handwerks und des Austauschs führte zur Bildung der Städte. Die Städte entstanden im grauen Altertum, in der Frühzeit der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise. Anfangs unterschieden sich die Städte wenig vom Dorf. Doch allmählich konzentrierte sich in den Städten das Handwerk und der Handel. Der Art der Beschäftigung der Bewohner und ihrer Lebensweise nach sonderten sich die Städte immer mehr vom Dorf. Damit begann die Scheidung von Stadt und Land, und mit ihr entstand der Gegensatz zwischen ihnen.

In dem Maße, wie sich die Masse der ausgetauschten Waren vermehrte, erweiterte sich auch der territoriale Rahmen des Austausches. Die Kaufleute sonderten sich aus, die auf der Jagd nach Gewinn die Waren bei den Produzenten aufkauften, die Waren zu den mitunter weit von den Produktionsstätten entfernten Absatzmärkten beförderten und sie dort an die Konsumenten verkauften. Die Aussonderung der Klasse der Kaufleute, die sich nicht mit der Produktion, sondern nur mit dem Austausch der Produkte befassten, war die dritte große gesellschaftliche Teilung der Arbeit.

Die Erweiterung der Produktion und des Austauschs vertiefte die Vermögensungleichheit bedeutend. In den Händen der Reichen häuften sich das Geld, das Arbeitsvieh, die Produktionsinstrumente, das Saatgut an. Die Armen waren immer häufiger gezwungen, die Reichen um Darlehen anzugehen, größtenteils in Naturalform, manchmal aber auch in Geldform. Die Reichen liehen Produktionsinstrumente, Saatgut und Geld und knechteten dabei ihre Schuldner. Wenn diese ihre Schulden nicht bezahlen konnten, wurden sie zu Sklaven gemacht, wurde ihnen der Boden weggenommen. So entstand der Wucher. Er brachte den einen noch größeren Reichtum und den anderen die Schuldknechtschaft.

Auch der Boden wurde zu Privateigentum gemacht. Man begann ihn zu verkaufen und zu verpfänden. Wenn ein Schuldner dem Wucherer seine Schulden nicht bezahlen konnte, musste er seinen Grund und Boden verlassen und sich und seine Kinder in die Sklaverei verkaufen. Mitunter nahmen die reichen Grundbesitzer den bäuerlichen Dorfgemeinschaften unter irgendeinem Vorwand einen Teil der Wiesen und Weiden weg und rissen ihn an sich.

So konzentrierten sich der Grundbesitz, der Geldreichtum und die Masse der Sklaven in den Händen der reichen Sklavenbesitzer. Die kleine Bauernwirtschaft verfiel immer mehr dem Ruin, während die Sklavenhalterwirtschaft erstarkte, sich ausbreitete und sich bald auf alle Zweige der Produktion erstreckte.

„Die fortwährende Steigerung der Produktion und mit ihr der Produktivität der Arbeit erhöhte den Wert der menschlichen Arbeitskraft; die Sklaverei, auf der vorigen Stufe noch entstehend und sporadisch, wird jetzt wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftssystems; die Sklaven hören auf, einfache Gehülfen zu sein, sie werden dutzendweise zur Arbeit getrieben auf dem Feld und in der Werkstatt.“ Die Sklavenarbeit wurde die Existenzgrundlage der Gesellschaft. Die Gesellschaft spaltete sich in zwei einander entgegengesetzte Hauptklassen – in Sklaven und Sklavenhalter. So bildete sich die auf Sklaverei beruhende Produktionsweise heraus.

In der Sklavenhalterordnung schied sich die Bevölkerung in Freie und Sklaven. Die Freien genossen alle Bürgerrechte, alle Besitzrechte und alle politischen Rechte (mit Ausnahme der Frauen, die sich im Grunde in der Lage von Sklaven befanden). Die Sklaven waren aller dieser Rechte beraubt und konnten auch nicht in die Schicht der Freien aufgenommen werden. Die Freien ihrerseits waren unterteilt in die Klasse der Großgrundbesitzer, die zugleich reiche Sklavenhalter waren, und in die Klasse der Kleinproduzenten (Bauern und Handwerker), deren wohlhabende Schichten ebenfalls Sklavenarbeit verwandten und Sklavenhalter waren. Die Priester, die in der Epoche der Sklaverei eine große Rolle spielten, standen ihrer sozialen Lage nach der Klasse der Großgrundbesitzer, der reichen Sklavenhalter, nahe.

Neben dem Klassengegensatz zwischen den Sklaven und den Sklavenhaltern bestand auch noch der Klassengegensatz zwischen den Großgrundbesitzern und den Bauern. Da aber mit der Entwicklung der Sklavenhalterordnung die Sklavenarbeit als billigste Arbeit den größten Teil der Produktionszweige erfasste und zur Grundlage der Produktion wurde, wurde der Gegensatz zwischen den Sklaven und den Sklavenhaltern zum Grundwiderspruch der Gesellschaft.

Die Spaltung der Gesellschaft in Klassen machte den Staat notwendig. Mit dem Anwachsen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der Entwicklung des Austausches kamen die einzelnen Gentes und Stämme einander immer näher und vereinigten sich zu Verbänden. Der Charakter der Gentileinrichtungen veränderte sich. Die Organe der Gentilordnung verloren immer mehr ihren Volkscharakter. Sie wurden zu Organen der Herrschaft über das Volk, zu Organen der Ausplünderung und Unterdrückung der eigenen und der Nachbarstämme. Die Ältesten und Heerführer der Gentes und Stämme wurden zu Fürsten und Königen. Früher genossen sie Autorität als gewählte Personen der Gens oder des Geschlechtsverbandes. Jetzt begannen sie, ihre Macht zur Verteidigung der Interessen der besitzenden Oberschicht, zur Niederhaltung ihrer eigenen verarmten Gentilgenossen, zur Unterdrückung der Sklaven auszunutzen. Diesem Zweck dienten die bewaffneten Mannschaften, die Gerichte, die Straforgane. So entstand die Staatsmacht.

„Erst als die erste Form der Teilung der Gesellschaft in Klassen, als die Sklaverei aufkam, als es einer bestimmten Klasse von Menschen, die sich auf die gröbsten Formen der landwirtschaftlichen Arbeit konzentriert hatte, möglich wurde, einen gewissen Überschuss zu produzieren, als dieser Überschuss für die allerarmseligste Existenz der Sklaven nicht mehr absolut notwendig war und in die Hände des Sklavenhalters fiel, als sich auf diese Weise die Existenz dieser Klasse von Sklavenhaltern festigte und damit sie sich festigte, wurde das Entstehen des Staates zu einer Notwendigkeit.“ Der Staat entstand, um die ausgebeutete Mehrheit im Interesse der ausbeutenden Minderheit im Zaum zu halten.

Der Sklavenhalterstaat spielte bei der Entwicklung und Festigung der Produktionsverhältnisse der auf Sklaverei beruhenden Gesellschaft eine große Rolle. Der Sklavenhalterstaat hielt die Massen der Sklaven in Botmäßigkeit. Er entwickelte sich zu einem weitverzweigten Apparat der Herrschaft und Gewalt gegenüber den Volksmassen. Die Demokratie im alten Griechenland und im alten Rom, die in den bürgerlichen Geschichtslehrbüchern so verherrlicht wird, war dem Wesen nach eine Demokratie der Sklavenhalter.

Die Produktionsverhältnisse der Sklavenhalterordnung und die Lage der Sklaven.

Die Produktionsverhältnisse der auf Sklaverei beruhenden Gesellschaft hatten ihre Grundlage darin, dass nicht nur die Produktionsmittel Eigentum der Sklavenhalter waren, sondern auch die Produzenten selbst, nämlich die Sklaven. Auf diese Weise wurde die Verbindung von Produktionsmitteln und Produzenten hergestellt. Der Sklave galt als eine Sache, sein Besitzer konnte völlig frei und uneingeschränkt über ihn verfügen. Die Sklaven wurden nicht nur ausgebeutet, sie wurden auch wie Vieh verkauft und gekauft und konnten ungestraft getötet werden.

„Der Sklave verkauft seine Arbeitskraft nicht an den Sklavenbesitzer, sowenig wie der Ochse seine Leistungen an den Bauer verkauft. Der Sklave mitsamt seiner Arbeitskraft ist ein für alle Mal an seinen Eigentümer verkauft.“

Die Arbeit der Sklaven trug ausgesprochenen Zwangscharakter. Mittels gröbster physischer Gewaltanwendung zwang man die Sklaven zu arbeiten. Sie wurden mit der Peitsche zur Arbeit getrieben und für das kleinste Vergehen grausam bestraft. Man brandmarkte die Sklaven, um sie bei einer Flucht leichter fangen zu können. Viele von ihnen mussten ständig eiserne Halsbänder tragen, auf denen der Name des Besitzers eingeritzt war.

Der Sklavenhalter eignete sich das gesamte Produkt der Sklavenarbeit an. Er gab dem Sklaven nur die notwendige Menge von Existenzmitteln um ihm am Leben und arbeitsfähig zu halten.

Die Entwicklung der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise brachte eine Steigerung der Nachfrage nach Sklaven mit sich. Die menschliche Arbeit war damals wenig produktiv und lieferte nur ein geringes Mehrprodukt über die Existenzmittel hinaus, die der Mensch unbedingt benötigt. Infolgedessen konnte die auf Sklaverei beruhende Wirtschaft nur unter der Bedingung einträglich sein, dass Sklavenarbeit in Massen ausgebeutet wurde und die Sklaven billig waren. Eine wichtige Quelle zum Erwerb neuer Sklaven war der Krieg. Die Sklavenhalterstaaten des alten Orients führten ständig Kriege, um andere Völker zu unterjochen. Die Geschichte des alten Griechenlands ist voll von Kriegen zwischen den einzelnen Stadtstaaten, zwischen den Metropolen und den Kolonien, zwischen den griechischen und den orientalischen Staaten. Rom führte ununterbrochen Kriege; in seiner Blütezeit unterwarf es einen großen Teil der damals bekannten Länder. Nicht nur die Soldaten, die in Gefangenschaft geraten waren, wurden zu Sklaven gemacht, sondern auch ein bedeutender Teil der Bevölkerung der eroberten Länder.

Eine andere Quelle, die Zahl der Sklaven zu vermehren, waren die Provinzen und die Kolonien. Sie lieferten den Sklavenhaltern neben allen möglichen anderen Waren auch „lebende Ware“. Der Sklavenhandel war einer der einträglichsten und blühendsten Zweige der wirtschaftlichen Tätigkeit. Es bildeten sich besondere Zentren des Sklavenhandels heraus.

Die Konzentration einer großen Zahl von Sklaven in den Händen des Sklavenhalterstaates und einzelner Sklavenhalter ermöglichte die Anwendung der einfachen Kooperation in großem Maßstab. Davon zeugen die erhalten gebliebenen gigantischen Anlagen, die im Altertum von den Völkern Asiens, von den Ägyptern und den Etruskern errichtet wurden: Bewässerungssysteme, Straßen, Brücken, Befestigungen, Kulturdenkmäler.

Die gesellschaftliche Arbeitsteilung entwickelte sich weiter. Sie fand in der Spezialisierung der landwirtschaftlichen und der handwerklichen Produktion ihren Ausdruck, wodurch die Bedingungen für die Steigerung der Arbeitsproduktivität geschaffen wurden.

In Griechenland wurde die Sklavenarbeit in breitem Umfang in der handwerklichen Produktion angewandt. Es entstanden große Werkstätten, in denen oft einige Dutzend Sklaven arbeiteten. Sklavenarbeit wurde auch im Bauwesen und bei der Gewinnung von Eisenerz, Silber und Gold angewandt. In Rom war die Sklavenarbeit in der Landwirtschaft weit verbreitet. Der römische Adel besaß riesige Güter, in denen Hunderte und Tausende von Sklaven arbeiteten. Diese Latifundien entstanden dadurch, dass der Adel die Ländereien der Bauern sowie freie staatliche Ländereien an sich riss.

Die Sklavenhalterlatifundien vermochten, da die Sklavenarbeit billig war und da sie bis zu einem gewissen Grade die Vorteile der einfachen Kooperation ausnutzten, Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte mit geringerem Kostenaufwand zu produzieren als die kleinen Wirtschaften der freien Bauern. Die Kleinbauernschaft wurde verdrängt, geriet in Sklaverei oder füllte die Bettlerschichten der Stadtbevölkerung, das Lumpenproletariat, auf.

Auf der Grundlage der Sklavenarbeit erreichte die Alte Welt eine bedeutende wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Doch die Sklavenhalterordnung konnte nicht die Bedingungen für einen weiteren, irgendwie bedeutsamen technischen Fortschritt schaffen. Der Sklave war überhaupt nicht an den Ergebnissen seiner Arbeit interessiert. Die Sklaven hassten das Arbeitsjoch. Häufig brachten sie ihren Protest und ihre Empörung dadurch zum Ausdruck, dass sie die Arbeitswerkzeuge unbrauchbar machten. Daher gab man den Sklaven nur die gröbsten Werkzeuge, die man schwer unbrauchbar machen konnte.

Die Technik der auf Sklaverei begründeten Produktion blieb auf einem überaus niedrigen Stand. Trotz einer bestimmten Entwicklung der Naturwissenschaften und der mathematischen Wissenschaften fanden diese fast keine Anwendung in der Produktion. Einige technische Erfindungen wurden nur im Kriegswesen und im Bauwesen ausgenutzt. Während der Jahrhunderte ihrer Herrschaft gelangte die auf Sklaverei beruhende Produktionsweise nicht weiter als bis zur Anwendung von Handwerkszeugen, die von dem kleinen Ackerbauer und Handwerker übernommen worden waren, gelangte sie nicht weiter als bis zur einfachen Kooperation der Arbeit. Die Haupttriebkraft blieb die physische Kraft der Menschen und des Viehs.

Die Ausbeutung der Sklaven durch die Sklavenhalter ist das Hauptmerkmal der Produktionsverhältnisse der Sklavenhaltergesellschaft. Zugleich aber wies die auf Sklaverei beruhende Produktionsweise in den verschiedenen Ländern ihre Besonderheiten auf.

In den Sklavenhalterländern des alten Orients waren die Form des Gemeindeeigentums und die Form des staatlichen Eigentums an Grund und Boden weit verbreitet. Das Bestehen dieser Eigentumsformen hing zusammen mit einem System der Landwirtschaft, dessen Grundlage die Bewässerung war. Die Bewässerung der Landwirtschaft in den Flusstälern des Orients erforderte einen gewaltigen Aufwand an Arbeit zur Anlage von Dämmen, Kanälen und Staubecken sowie für die Trockenlegung von Sümpfen. All dies rief die Notwendigkeit hervor, den Bau und die Nutzung der Bewässerungssysteme im Maßstab großer Territorien zu zentralisieren. „Die künstliche Bewässerung ist hier erste Bedingung des Ackerbaus, und diese ist Sache entweder der Kommunen, Provinzen oder der Zentralregierung.“ Mit der Entwicklung der Sklaverei wurden die Gemeindeländereien in der Hand des Staates konzentriert. Oberster Eigentümer des Bodens wurde der König, der über unbeschränkte Macht verfügte.

Indem der Staat der Sklavenhalter das Eigentum am Grund und Boden in seiner Hand konzentrierte, belegte er die Bauern mit gewaltigen Steuern, zwang sie zu Dienstleistungen verschiedener Art und brachte damit die Bauern in die abhängige Lage von Sklaven. Die Bauern blieben Mitglieder der Dorfgemeinschaft. Da aber der Boden in der Hand des Sklavenhalterstaates konzentriert war, war die Dorfgemeinschaft die feste Grundlage des orientalischen Despotismus, das heißt der uneingeschränkten, selbstherrlichen Macht des Monarchen und Despoten. Eine gewaltige Rolle in den Ländern des Orients, in denen Sklaverei existierte, spielte die Priesteraristokratie. Die riesigen Wirtschaften, die zu den Tempeln gehörten, wurden mit Sklavenarbeit betrieben.