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Über dieses Buch:

Kai ist glücklich liiert. Mit seinem Freund läuft alles super. Das letzte, was Kai sucht, ist ein Seitensprung. Und doch ist da dieser Fremde im Bus. Ein Blick von ihm, und Kais Knie werden weich. Ein Wort von ihm, und er will nur noch ihm gehören.

 

FUCK BUDDIES: Starke Kerle, schwuler Sex und jede Menge prickelnde Überraschungen!

 

Über den Autor:

Kai Lindberg, Jahrgang 1970, studierte nach einer kurzen Karriere als Go-go-Tänzer Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaften. Heute lebt er als Autor und Herausgeber in München.

 

Kai Lindberg veröffentlichte bei venusbooks bereits die Romane:

FUCK BUDDIES: Unterwegs mit den Jungs

 

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eBook-Neuausgabe Februar 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Der Fremde im Bus erschien bereits 2004 unter dem Titel Der Bus fährt weiter in der Anthologie Hiebe und Triebe 3, Erstens, Zweitens, Drittens erschien bereits 2006 in der Anthologie Hiebe und Triebe 4, beide veröffentlicht im Querverlag Berlin, www.querverlag.de

Copyright © der eBook-Ausgabe 2012 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2015 venusbooks GmbH, München

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Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © olly – Fotolia.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

 

ISBN 978-3-95885-041-5

 

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Kai Lindberg

FUCK BUDDIES:

Fremde und andere Liebhaber

Erotische Phantasien



venusbooks

Inhalt

 

Der Fremde im Bus

Erstens, Zweitens, Drittens

Lesetipps

 

Der Fremde im Bus

 

1

 

Bis vor kurzem habe ich den Nachrichten geglaubt. Nicht denen auf RTL2, zugegeben, aber wenn in der ARD um kurz nach acht abends verkündet wird, dass die Überalterung eins der drängenden Probleme Deutschlands ist, dann neige ich dazu, das zu glauben. Doch jetzt ist halb acht morgens – und mein Problem ist nicht die Überalterung. Sondern das, was nachkommt.

So sieht das also aus, wenn Heterosexuelle sich zusammentun, um den Staat zu retten, denke ich. Schon landet eins der kleinen Monster auf meinem Schoß, rammt mir seinen Schulranzen in den Magen und quietscht etwas, das sich wie „Yo, man, sorry“ anhört. Ob dies auf eine bilinguale Erziehung Rückschlüsse zulässt …? Trotzdem: In einem Schulkinder-überfüllten Bus zu sitzen ist im Moment mein geringstes Problem.

„Sind die jeden Morgen so furchtbar?“, frage ich mein Gegenüber, eine resolute Mittfünfzigerin. Sie ist mir vor wenigen Augenblicken ans Herz gewachsen, als sie einem der schreienden Kinder heimtückisch ihren Schirm in die Seite pikte.

„Sie machen sich keine Vorstellungen“, seufzt sie. „Früher hätte es das nicht gegeben.“ Obwohl dies der Satz ist, der sonst meine stärkste Abwehrreaktion provoziert, nicke ich zustimmend. „Schlimmer geht’s nicht, als zur selben Zeit wie die Schulkinder zu fahren“, klärt mich mein Gegenüber auf. „Normalerweise fahre ich früher, aber heute ging’s nicht.“ Sie sieht mich prüfend an. „Auch nicht aus dem Bett gekommen?“

„Fast im falschen gelandet“, gebe ich zurück, was mir einen irritierten Blick einbringt. „Es ist so“, starte ich einen Erklärungsversuch, „ich liebe meinen Mann, wirklich.“ Der Blick wird durch eine gerunzelte Stirn ergänzt. „Natürlich ist Steffen nicht wirklich mein Mann. Wir sind fest zusammen, aber nicht verheiratet, oder verpartnert, wie man das nennt.“ Die Dame nestelt an ihrem Halstuch. „Egal. Jedenfalls lieben wir uns. Wissen Sie, das ist nicht nur so ein fröhliches Verliebtsein, sondern Liebe. Ganz tiefe Gefühle. Aber wissen Sie, wie das ist, wenn man wirklich liebt?“ Die Dame greift nach ihrer Handtasche. „Alles ist wunderbar. Und dann merkt man irgendwann, dass man sich zu sehr aneinander gewöhnt hat. Man nimmt den anderen als selbstverständlich hin. Ich habe immer gedacht, mir passiert das nicht, aber dann wache ich plötzlich eines Morgens auf und merke, dass mein Mann und ich seit einem Monat nicht mehr miteinander geschlafen haben und dass es zwar alles warm und weich und kuschelig ist mit uns beiden, aber dass da eben nur noch Liebe ist und keine Verliebtheit. Verstehen Sie, was ich meine?“ Mein Gegenüber springt mit erstaunlicher Agilität auf und bahnt sich ihren Weg durch die lärmenden Kinder. Es sieht fast so aus, als würde sie flüchten. Wahrscheinlich vor dieser frühpubertierenden Meute. Wer kann es ihr verdenken! Ich möchte auch fliehen – aus dem Bus und aus der Situation, in die ich mich manövriert habe. Nur dass es im Leben keinen praktischen Knopf gibt, auf den man drückt, wenn man aussteigen will. Und auch keinen nachfolgenden Bus, in den man wieder einsteigen kann, wenn man weiß, dass es weitergehen soll.

Manchmal wünsche ich mir, mein Leben wäre ein Film. Dann wäre dies der Moment, in dem die Kamera zurückzieht. Der charismatische Hauptdarsteller verliert sich in der metropolen Straßenflucht, alles verschwimmt, und dann erklärt eine humorvolle Stimme: „Es begann vor einer Woche. Und damit, dass mir der Bus vor der Nase wegzufahren drohte.“

Natürlich war es an einem Montag. Der Bus fuhr vorbei, als ich gerade aus dem Hauseingang trat. In solchen unsonnigen Momenten hat man zwei Möglichkeiten: sich mit dem Schicksal abfinden – oder kämpfen.

 

Kameraeinstellung (auf mein Gesicht): Ich mit erschrockenem, dann aber zu allem entschlossenem Ausdruck.

Kameraeinstellung (auf die Füße): Die Schritte werden schneller.

Kameraeinstellung (Totale): Mein athletischer Körper zerschneidet die frühlingsfrische Morgenluft.

 

Bei letzterer Einstellung agiert ein geschickt gewähltes Körperdouble. Denn mir tat bereits nach den ersten Laufschritten mein Rücken weh. Wenig später meine Gelenke. Etwa zeitgleich begann mein Körper, auch temperaturtechnisch auf die unerwartete Anstrengung zu reagieren. Achseln, Rücken, Stirn: nass! Dazu pochte das Blut in meinen Schläfen. Aber ich war nicht bereit, mich geschlagen zu geben. Ich nehme schließlich immer diesen Bus! Und tatsächlich: Wie ein versprengter Olympionike erreichte ich rechtzeitig die Tür neben dem Fahrer und hinein. Sieg! Triumph!

Scheiße … Ich schwitzte. Waren das Dampfwolken, die fröhlich aus meinem Hemd hervordunsten? Ich versuchte angestrengt, meine Atmung und mein flatterndes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen, während ich durch den Bus nach hinten zu meiner bevorzugten Sitzreihe schwankte. Lindberg, schimpfte ich mit mir selbst, es wird Zeit fürs Laufband! Schwer atmend ließ ich mich auf einen Sitz fallen, sah hoch – und in zwei Augen unter dichten Brauen. Augen, in die man sieht, um alles zu vergessen. Strahlende Augen.

Mein Gegenüber senkte den Blick und las weiter in seinem Buch. Das hätte mir Gelegenheit geben sollen, mich auf meine Kurzatmigkeit zu konzentrieren. Stattdessen musterte ich ihn so unaufmerksam wie möglich. Oha!

Die Augen gehörten einem Mann. Und nicht nur irgendeinem: dem Mann. Dem, der seit einigen Wochen morgens immer im Bus saß, wenn ich einstieg. Und zu dem ich immer einen Sicherheitsabstand von zwei Sitzreihen einhielt. Er war ziemlich groß. Dunkle, kurze Haare. Breite Schultern, volle Lippen. Genau das, was man morgens braucht, einen sexy „Trägt-Anzug-ist-aber-ein-echter-Kerl“-Kerl, dessen Anblick man genießt wie einen Espresso: schnell – und ohne später einen Gedanken daran zu verschwenden.

Nun aber saß ich zum ersten Mal Knie an Knie mit der kernigsten Versuchung, seit es erotische Tagträume gibt. Wenn mein Leben ein Film wäre, dann hätte er jetzt sein Buch zur Seite legen und sich vorbeugen müssen; aus dem Nichts wäre ein gekühltes Leintuch erschienen, mit dem er mir zärtlich das Transpirat von der Stirn getupft hätte, während er mir etwas Bewunderndes sagt, etwas Zärtliches, etwas wie …

„Is was?“

Das würde er in meinem Film wohl kaum sagen. Dafür tat er es genau in diesem Moment. Und ich merkte erschrocken, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. Schwer atmend. Mit offenem Mund. Schuldig im Sinne der Anklage.

Sein Blick war nicht so Lachfalten-umspielt, wie ich es mir gewünscht hätte – aber er schaute mich auch nicht an, als fühlte er sich belästigt. Los, Lindberg. Kontakt! Verwandle die Vorlage. Sag etwas Witziges!

„Nö.“

Na super. Mein Gegenüber runzelte kurz die Stirn. Dann vertiefte er sich wieder in seinem Buch.

Nö. Nö? Wie kann man sich so dämlich anstellen?

2

 

Wie war das, als ich Steffen kennenlernte? Hatte ich damals den richtigen Spruch parat? War ich spontaner, schlauer oder einfach nur … das böse, böse Wort … jünger? Manchmal fällt es mir schwer, mich zu erinnern. Natürlich kenne ich noch die Fakten, den Tag, die Situation, aber es fällt mir schwer, mich auch an die Worte zu erinnern, die ich benutzt habe. Und die Gefühle, die mich bewegten.

Ich war nie gut in der Schule. Französische unregelmäßige Verben konnte ich mir nicht merken – vielleicht, weil ich es gar nicht wollte. Und selbst einfache mathematische Zusammenhänge stellten mich vor eine unlösbare Aufgabe. Sollte es aber so etwas wie die Schule des Lebens geben, die Vorbereitung auf das, was später einmal passieren könnte – in diesem Fach wäre ich Klassenbester gewesen. Für fast alles, was mir jemals widerfahren kann, habe ich damals komplette Verhaltensmuster entwickelt, feingeschliffen und mit schillernden Farben ausgestaltet: Ich in der Rolle des dramatisch Trauernden am Grab meines Vaters. Ich als erfolgreicher Überflieger, der trotz des Ruhmes bescheiden geblieben ist. Ich bei der Oscar-Verleihung. Neben Königin Silvia am Tag meiner Nobelpreis-Auszeichnung. Und immer wieder ich in der Rolle des Liebenden – mal sexy, schweißglänzend an einer breiten Brust ruhend. Mal voller Gefühl und Hingabe oder voll elegisch erduldetem Schmerz. Vielleicht tut jedes Kind so etwas? Löwen trainieren ihre Jagdinstinkte auch spielerisch, wenn sie Kleintiere sind. Ich verbrachte auch als Erwachsener viele Stunden damit. Ohne genau zu wissen, ob ich all diese feinziselierten Sätze jemals aussprechen würde, hoffte ich doch: Irgendwann ist es so weit. Someday my prince will come. Und der Rest auch.

Kam Steffen in den Genuss einer solchen Galavorstellung? Wahrscheinlich habe ich sie eingesetzt, diese bedeutungsvollen Sätze, mit wohldosierter Aufrichtigkeit im von mir selbst ergriffenen Blick. Aber beschwören könnte ich es nicht. Weil diese wohlgehüteten Worte, die jahrelang meine treuen Begleiter waren, für mich jede Bedeutung verloren, als Steffen auftauchte. Es kam mir nicht mehr darauf an, sie wirklich zu sagen – es hatte nur noch Bedeutung, ob er sie hören wollte.

Auf Regen folgt Sonnenschein.Gewohnheiten sind schön, weil man schön darin wohnt.

Aufblende: Ich im Bus. 18 Minuten nach meinem „Nö“ nahte die Haltestelle, an der ich wie jeden Tag aussteigen musste. Den Knopf für das Haltesignal konnte ich bequem von meinem Sitz aus erreichen. Der Bus hielt. Ich stand auf. Und sprach, bevor ich darüber nachdenken konnte. „Schönen Tag noch für dich.“

Hatte ich das wirklich gerade gesagt? Himmel, mir wurde schon wieder heiß im Gesicht!

Er sah zu mir hoch. Und dann kam es, das Lächeln mit den vielen kleinen Falten. „Für dich auch“, sagte er. „Bis morgen.“

Ich schwebte aus dem Bus.