9783897169913.jpg

Krimi-Logo_sr.jpg 

 

JAN BEINSSEN · HANNES HENN

 

GESALZEN

UND

GEPFEFFERT

 

Paul Flemmings pikanteste Fälle

Krimikochbuch

 

 

 

 

 

ars vivendi

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (1. Auflage Januar 2010)

 

© 2010 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

 

Lektorat: Lena Thiem, Dr. Hanna Stegbauer

Umschlaggestaltung: Anna Ponton unter Verwendung einer Fotografie von istockphoto

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

 

eISBN 978-3-86913-442-0

 

Kochen ist eine Kunst,

und keineswegs die unbedeutendste.

Luciano Pavarotti

 

Mord à la Carte

»Wie passt das zusammen?«, fragte Paul Flemming seinen alten Freund und Nachbarn Jan-Patrick. »Du verwöhnst mich mit der leckersten Karpfenvariation, die ich seit langem gegessen habe, und machst dabei ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter.«

Während Paul noch das einzigartig säuerlich-würzige Aroma seines Fisches – Karpfen blau nach Jan-Patricks Spezialrezept – genoss, sah er seinen Freund mitleidig an. Der Küchenchef des Nürnberger Altstadtlokals Goldener Ritter wirkte unter seiner weißen Kochmütze eingefallen und unglücklich. Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns war unter seiner ausgeprägten Nase zu erkennen. »Was ist denn bloß los?«, wollte Paul wissen.

»Du hast doch sicher von Adrian Probst gehört«, sagte Jan-Patrick niedergeschlagen und ließ sich neben Paul auf einen Stuhl in der gemütlichen Erkernische des Restaurants fallen. »Sie haben den Armen gestern aus der Pegnitz gefischt. Mause­tot.«

»Ja«, bestätigte Paul, »aber soweit ich weiß, ist er nicht ertrunken, sondern wurde vorher erschlagen.«

»Grauenhaft!« Jan-Patrick schüttelte ungläubig den Kopf. »Mein armer Kollege. Was für ein schlimmer Tod.«

»Aber«, bemühte sich Paul um einen verständnisvollen Ton, »ich dachte immer, dass du Probst nicht besonders gut leiden konntest.«

Jan-Patrick warf ihm einen pikierten Blick zu. »Erstens habe ich ihn als Kollegen und Mitbewerber respektiert. Und zweitens redet man nicht schlecht über Tote.«

Paul horchte auf. »Was könnte man Probst denn Schlechtes nachsagen, wenn man wollte?«

Der Koch schaute sich in seinem Lokal um. Die anderen Gäste saßen weit genug entfernt, also holte er in gedämpftem Ton aus: »Adrian Probst hatte sich in den letzten Wochen ziemlich damit gebrüstet, dass er demnächst ganz groß rauskommen würde.«

»Ausgerechnet Probst? Wie wollte er das denn bewerkstelligen?«, fragte Paul zweifelnd, denn er hatte über dessen Küche bisher nicht viel Gutes gehört.

»Psst! Nicht so laut!«, ermahnte ihn Jan-Patrick und erklärte: »Ich habe auch keine genaue Vorstellung von dem, was er vorhatte. Aber nach dem, was man in der Szene so hört, war Heribert Fork neuerdings sehr angetan von Probsts Kochkünsten.«

»Fork? Der bekannte Restaurantprüfer von der Gourmet-Zeitung?«, fragte Paul beeindruckt.

»Ja, Fork höchstpersönlich – eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Zumindest wollte er Probsts Restaurant gleich nach seiner Genesung besuchen«, bestätigte Jan-Patrick.

»Genesung? War Fork krank?«, fragte Paul.

»Er hatte einen Unfall, aber inzwischen soll er wieder ganz der Alte sein – mit seinem untrüglichen Sinn für exzellente Kost.«

Paul sah seinem Freund an, wie sehr er dem verstorbenen Probst diese besondere Ehre geneidet hätte. Deshalb ließ er von dem Thema ab und kam noch einmal auf die näheren Umstände von Probsts Tod zu sprechen. »Probst ist laut Obduktionsbericht mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden. Wahrscheinlich war es einfach nur ein brutaler Raubüberfall mit tödlichem Ausgang.«

»Weißt du das von deinem Zeitungsfreund Blohfeld?«, fragte Jan-Patrick süffisant.

»Er ist nicht mein Freund«, gab Paul ein wenig barsch zurück, bestätigte dann aber die Vermutung des Küchenmeis­ters: »Ja, aber er darf es noch nicht veröffentlichen, weil die Polizei erst einmal eine Nachrichtensperre verhängt hat.« Dann zögerte er einen Moment, bevor er weitersprach. »Übrigens, noch etwas: Blohfeld meinte, dass Probst kurz vor ­seinem Ableben einen letzten Gast bewirtet hätte. Die Polizei fand den Tisch noch gedeckt vor. Vom Hauptgang – Champagner-Bratwürste an einer Terrine von Herbstgemüse aus dem Nürnberger Knoblauchsland – waren zwar nur Reste in der Küche zu finden, aber der Nachtisch stand noch auf dem Tisch.«

»Lass mich raten«, sagte Jan-Patrick und strich sich über die große Nase. »Lebkuchen-Parfait.«

Paul schüttelte den Kopf. »Nein, ausnahmsweise mal nichts typisch Nürnbergerisches. Probst hat seinem unbekannten Gast nichts weiter als schlichte Crêpes serviert.«

»Crêpes?«, fragte Jan-Patrick und kräuselte die Stirn. »Etwas einfallslos für einen angeblichen Meisterkoch.«

Paul sah ihn aufmerksam an. »Ja, das finde ich auch. Aber das Beste kommt noch: Die Crêpes waren versalzen.«

Der Koch war für einen Moment sprachlos, bevor er nachdenklich sagte: »Salz an den Crêpes – das ist mehr als ungewöhnlich. Entweder es passiert im Getümmel einer Großküche, dass Salz und Zucker verwechselt werden, und dann ist meistens ein Lehrjunge schuld – oder der Koch macht es absichtlich.«

»Absichtlich?«, fragte Paul grüblerisch. Da kam ihm ein neuer Gedanke, und er erkundigte sich: »Was genau kann sich Adrian Probst eigentlich von der Gunst eines Heribert Fork erhofft haben?«

»Im günstigsten Fall einen Stern«, mutmaßte Jan-Patrick mit deutlichem Widerwillen in der Stimme.

»Probst – ein Sternekoch?«, fragte Paul verblüfft. »Wäre das nicht doch ein wenig hoch gegriffen?«

»Absolut«, bestätigte Jan-Patrick spontan und hielt sich gleich danach die Hand vor den Mund. »Nein, wie schon gesagt: Man soll nicht schlecht über Tote reden.«

Darüber ging Paul hinweg. »Warum sollte ein Star der Szene, wie es Heribert Fork unbestritten ist, einem zweit-, wenn nicht drittklassigen Koch eine so hohe Auszeichnung verleihen?«

Jan-Patrick zuckte die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber frag ihn doch selbst.«

»Wen?«

»Na, Heribert Fork! Er soll angeblich in der Stadt sein – wahrscheinlich hat er die Urkunde bereits dabei«, sagte Jan-Patrick, abermals mit einem Fünkchen Neid in den Augen.

Die letzten Happen seines Karpfens kostete Paul genüsslich aus und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Er schob den Teller beiseite und wollte sich bei Jan-Patrick gerade nach dessen Empfehlung für das Dessert erkundigen, als ihm eine Idee kam. Ein hintergründiges Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

Prompt sprach ihn Jan-Patrick auf seine seltsame Mimik an. »Was ist los? War mein Fisch etwa auch versalzen?«

»Nein«, sagte Paul erheitert. »Aber möglicherweise habe ich das Geheimnis der versalzenen Crêpes gelöst.«

Der Küchenmeister blickte Paul interessiert an. »Ich kenne ja deine kriminalistische Ader, aber ich weiß nicht, worauf du hinaus willst.«

Paul lehnte sich zurück und zählte auf. »Punkt eins: Der mittelmäßige Gastronom Adrian Probst träumt vom Aufstieg in den Gourmethimmel und möchte unter allen Umständen einen Stern. Punkt zwei: Der überall anerkannte Küchenpapst Heribert Fork erleidet einen schweren Unfall und besucht nach seiner Genesung Nürnberg. Punkt drei: Adrian Probst serviert einem Gast versalzene Crêpes und treibt kurz darauf tot in der Pegnitz.«

»Ja, und?«, fragte Jan-Patrick verständnislos.

Pauls Augen leuchteten, als er verkündete: »Ich sage dir, Jan-Patrick, alle drei Punkte hängen miteinander zusammen.«

»Dann bin ich aber gespannt, wie dieser Zusammenhang aussehen soll«, sagte Jan-Patrick skeptisch.

»Wenn es stimmt, was die Leute sagen«, erklärte Paul, »hätte es bei Adrian Probst niemals für einen Stern ausge­reicht. Wenn ihn ausgerechnet ein Heribert Fork dennoch mit einem Stern beehren wollte, muss das andere Gründe gehabt haben. Ich würde ja sagen, Probst hat Fork erpresst.«

»Erpresst? Womit denn?«, fragte Jan-Patrick verblüfft.

»Mit dem Wissen darüber, dass Fork durch den Unfall seinen Geschmackssinn verloren hatte«, offenbarte Paul seinen Verdacht.

»Wie kommst du darauf?«, wollte der Koch wissen.

»Ich glaube, dass Probst absichtlich versalzene Crêpes serviert hat, und zwar keinem Geringeren als Heribert Fork. Damit wollte er sich letzte Gewissheit verschaffen.«

»Damit hat Kollege Probst die Rechnung wohl ohne den Kritiker gemacht, wie man so schön sagt«, resümierte Jan-Patrick.

»Ja«, sagte Paul. »Fork fiel auf den Trick mit den versalzenen Crêpes herein, worauf Probst ihn endgültig in seiner Hand glaubte. Doch dann verlor Fork die Beherrschung. Er entledigte sich seines unliebsamen Mitwissers auf brutale Art und Weise.« Paul nahm eine Serviette zur Hand und tupfte sich erneut über die Mundwinkel. »Nun – ebenso wahrscheinlich bleibt natürlich die naheliegende Variante, dass das Ganze doch bloß ein Raubüberfall mit tödlichem Ausgang war. Aber ich finde, dass ich meine schöne Theorie zumindest mal Ka­tinka erzählen sollte.«

»Unbedingt«, nickte Jan-Patrick und erkundigte sich im gleichen Atemzug: »Was hältst du von einer Nachspeise? Weineis mit kandierten Veilchen – das ist deine Geschichte allemal wert.«

 

Karpfen blau im Wurzelsud

Fränkische Fischspezialität (September bis April)

Dazu passt: Silvaner, Müller-Thurgau

Für 4 Personen

Schwierigkeitsgrad: mittel

Zubereitungszeit: 60 Minuten

 

2 ganze frische Karpfen (à 1-1,5 kg)

500 g Kartoffeln

1 l Wasser

1 TL Salz

100 g geriebener Meerrettich

1 Zitrone, geviertelt

 

Für den Sud:

2 l Wasser

1 Stange Lauch, grob geschnitten

1/2 Zwiebel, grob zerteilt

1 Karotte

1 Lorbeerblatt

1 EL Wacholderbeeren

1/2 TL Senfkörner

1 Zweiglein Rosmarin

1/2 TL zerdrückte Pfefferkörner

Salz, Zucker, Thymian, Majoran, Estragon, Dillspitzen

150 ml Weinessig

150 ml Weißwein

 

 

Frische Karpfen ausnehmen. Dazu den Kopf spalten, von hinten nach vorne den Bauch aufschneiden. Die Innereien herausnehmen und unter fließendem Wasser nur innen ­auswaschen. Karpfen nicht außen waschen, da die ­Schleimhaut zur ­Blaufärbung erhalten bleiben muss. Den Fisch an der Innenseite entlang der Rückengräte von vorne nach hinten teilen.

 

Für den Sud in einem großen, flachen Topf das Wasser mit Lauch, Zwiebel, Karotte, Gewürzen, Essig und Wein aufkochen.

 

Die Karpfenhälften in den kochenden Sud legen und zugedeckt bei schwacher Hitze 30–40 Minuten köcheln lassen.

 

Inzwischen die Kartoffeln waschen, schälen und vierteln. Mit Wasser und Salz aufkochen und bissfest garen. Die Karpfen mit Meerrettich, Zitronenschnitzen und den Salzkartoffeln servieren.

 

Weineis mit kandierten Veilchen

Nachspeise

Für 4 Personen

Schwierigkeitsgrad: leicht

Zubereitungszeit: 60 Minuten

 

Für das Eis:

100 g Puderzucker

150 ml trockener Silvaner

250 ml Milch

1 Ei

250 g Mascarpone

 

Für die Veilchen:

10–15 frische Veilchen (aus dem Garten oder der Natur)

1–2 Eiweiß

100 g Puderzucker

 

 

Puderzucker und Wein in einer Edelstahlschüssel verrühren. Milch, Ei und Mascarpone hinzugeben und alles zu einer homogenen Masse aufschlagen.

 

Die Masse in der Schüssel kalt stellen. In die Eismaschine füllen und halbfest frieren lassen. Alternativ die Masse ins Gefrierfach stellen und ungefähr alle 30 Minuten vom Rand zur Mitte durchrühren, bis eine zähe, halbfeste Masse entsteht.

 

Die Veilchenblüten kurz unter fließendem Wasser abspülen und trocknen lassen. Eiweiß schaumig, aber nicht steif schlagen. Mit einem weichen Pinsel die Blüten von allen Seiten mit Eiweiß bestreichen und mit Puderzucker bestäuben. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen.

Die Blüten im vorgeheizten Backofen bei ca. 80 °C trocknen. Alternativ 2–3 Tage lufttrocknen lassen.

 

Die halbgefrorene Eismasse in Sektgläser verteilen und mit den kandierten Veilchen dekorieren.

 

Alter Schwede

Hinter ihnen war die Tür dumpf ins Schloss gefallen. Hier unten war es kühl und klamm und die Stimmung gedrückt. Wortlos begleiteten Paul und Jan-Patrick ihren Gastgeber Chris­toph Hartenstein, den Bruder und einzigen Erben des Verstorbenen, durch das feuchte Gemäuer.

»Mein Beileid«, sagte Paul Flemming, als er an der Seite seines Freundes dem Hausherrn langsam die ausgetretenen Stufen in den Weinkeller hinunter folgte.

Ja, sie hatten wahrlich einen traurigen Anlass für ihren Besuch im schönen Städtchen Volkach an der Mainschleife: Gustav Hartenstein, ein Kollege und alter Bekannter von Jan-Patrick, ebenfalls Gastwirt und Besitzer eines kleinen Weinguts, war plötzlich und völlig unerwartet verstorben. Herzschlag. Paul hatte sich spontan bereit erklärt, Jan-Patrick zur Beerdigung zu begleiten. Doch vor der Trauerfeier wollten sie nun einen Kondolenzbesuch beim Bruder damit verbinden, einen Blick in den Weinkeller zu werfen. Denn aus diesem Keller stammte ein guter Teil des Weins, den Jan-Patrick seit Jahren seinen Gästen im Goldenen Ritter kredenzte.

»Erst letzte Woche haben wir noch miteinander telefoniert«, sagte Jan-Patrick geknickt. »Putzmunter hat sich Gustav angehört. Er hat mir von einem neuen Rezept für Mostsuppe vorgeschwärmt, das ich ausprobieren sollte. Außerdem wollte er mir unbedingt etwas zeigen, wenn ich ihn mal wieder besuchen würde. Klang sehr rätselhaft. Sagte nur, dass der Alte Schwede seine wahre Freude an der Entdeckung gehabt hätte. Was auch immer er mit diesen Andeutungen gemeint haben mochte – er hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen.«

Hartenstein ging nicht weiter darauf ein, sondern erklärte: »Wie Sie sehen, handelt es sich um einen – für unterfränkische Verhältnisse – bescheidenen Weinkeller. Das Gasthaus und der Weinberg werfen schon lange nicht mehr genug ab. Mein Bruder war finanziell nicht auf Rosen gebettet. Ich werde es schwer haben, einen Käufer für das Anwesen zu finden.«

Der schlaksige Endvierziger mit Ansatz zur Glatze und dem Habitus eines Oberlehrers nahm sich neben dem kleinen und quirligen Jan-Patrick wie ein Riese aus. Paul musste bei diesem Anblick unwillkürlich schmunzeln. »Sie wollen den Betrieb Ihres Bruders also nicht weiterführen?«, fragte er.

»Nein«, Hartenstein schüttelte entschieden den Kopf. »Ich bin in der Pharmaindustrie beschäftigt. Zwar kein besonders gut bezahlter Posten, aber man kann davon leben, und ich habe viel zu tun. Da kann ich nebenbei unmöglich ein Weingut betreiben.«

»Schade, sehr schade«, sagte Jan-Patrick, und Paul ahnte, wie ihm das Herz blutete bei dem Gedanken, dass der Betrieb seines alten Bekannten aufgelöst wurde. »Wollen Sie denn nicht wenigstens einen guten Tropfen aus dem Kabinett des Weinkellers hinüberretten und im Gedenken an Ihren Bruder verkosten?«, fragte Jan-Patrick Hartenstein.

Doch der verneinte abermals. »In diesem Keller lagern nur Durchschnittsweine, die nicht viel wert sind. Der Weinhandel gibt nichts mehr her – Sie waren einer seiner letzten großen Kunden. Und das Kabinett: Schauen Sie selbst.«

Nach wenigen Schritten hatten sie einen abgetrennten Bereich des Weinkellers erreicht: Zwischen den Sandsteinmauern war ein kleines schmiedeeisernes Tor eingebaut worden, dessen Flügel offen standen. Hartenstein nahm eine der dort lagernden Flaschen heraus und hielt sie ins trübe Licht der spärlichen Deckenbeleuchtung, so dass man das Etikett lesen konnte. »Sehen Sie? Auch hier nur Mittelmaß. Echte Raritäten konnte mein Bruder schon lange nicht mehr produzieren.«

Er reichte Paul die Flasche – und der stutzte.

Misstrauisch taxierte Paul seine Umgebung, nun mit dem geschulten Blick des Fotografen. Vorsichtig erkundigte er sich: »In welcher Branche, sagten Sie, sind Sie tätig, Herr Hartenstein?«

»Pharma«, antwortete dieser knapp.

Paul wagte einen Vorstoß: »Sie forschen nicht zufällig in Richtung Kardiologie?«

»Herzpräparate, doch, auch …«, druckste Hartenstein herum.

Paul wandte sich ihm zu und stemmte provokativ die Arme in die Hüften. »Herr Hartenstein – ich glaube, dass Ihr Erbe bei weitem nicht so bescheiden ausgefallen ist, wie Sie uns glauben machen wollen!« Hartenstein sah ihn verdattert an, doch Paul ließ ihm keine Zeit, etwas zu sagen, sondern wandte sich an seinen Freund. »Was, sagtest du noch, hat Gustav Hartenstein dir kurz vor seinem Tod über seine Entdeckung erzählt? ›Der Alte Schwede hätte seine Freude daran gehabt.‹ Gab es da nicht irgendwas mit einem alten Fass im Staatlichen Hofkeller der Würzburger Residenz?«

»Richtig«, bestätigte Jan-Patrick und begann zu dozieren, während Hartenstein, wie Paul beobachtete, immer nervöser zwischen den beiden hin und her schaute. »Der Name ›Schwedenfass‹ stammt daher, dass die Würzburger Bürger 1631 beim Anrücken schwedischer Truppen unter König Gustav Adolf ihr kostbarstes Weinfass im Wald vergruben.«

Paul wartete auf eine Reaktion Hartensteins, doch dieser wirkte wie versteinert und hörte nur stumm zu.