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Tessa Korber (Hrsg.)

Auf leisen Pfoten kommt der Tod

 

 

12 Katzenkrimis

 

 

 

 

 

 

 

ars vivendi

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (1. Auflage Oktober 2013)

 

© 2013 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

 

Lektorat: Stephan Naguschewski

Umschlaggestaltung: Caroline Orth, München, unter Verwendung eines Bildes von © Ingólfur Bjargmundsson / getty images

 

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

 

eISBN 978-3-86913-299-0

 

Schneekatzen

 

Augenlider mit Frost bedeckt

durchnässt das samtweiche Fell

Pfoten, so geschmeidig und lieblich

eingetaucht in kühlen, eisigen Winterpelz

Augen suchen angestrengt und eilig

nach dem sichersten Weg in den heimischen Garten.

 

Miriam Hännesgen

 

Inhalt

Vorwort

 

Jean Bagnol – Der Heiratsschwindler oder Darf’s ein bisschen mehr sein?

 

Nicola Förg – Die drei Musketiere

 

Uwe Gardein – Kater Kaspar und die Fliegen

 

Fredrika Gers – Stubenkrieger

 

Thomas Kastura – Doug, der Gerechte

 

Christian Klier – Paristocats

 

Elke Pistor – Hildegards Schatten

 

Barbara Saladin – Um ein Haar

 

Andrea Schacht – Die Katze, die im Christbaum saß

 

Alexa Stein – Django unchained

 

Uwe Voehl und Malte S. Sembten – Pluto

 

Günther Zäuner – IT-CAT, Unruhe in der Cyberwelt

 

Statt eines Nachworts

 

Ingrid Noll – Alles für die Katz

 

Die Autorinnen und Autoren

 

Vorwort

Ach ja, da liegen sie, meine beiden Schätze. Der kleine Tiger wuselt um meinen Fuß herum, um abwechselnd meinen großen Zeh abzuschlecken und herzlich hineinzubeißen. Das eine ist ihm so recht wie das andere. Alles ist Spiel. Paul, sechs Jahre, sechs Kilo, ruht hingegen ganz in sich selbst. Nachtschwarz und die Augen so grün wie der Farn, in dem er es sich bequem gemacht hat, beobachtet er alles ohne eine Regung.

Der Farn geht übrigens gerade ein. Nicht jedem bekommt es, von einer Fellkugel in Kleinkindgröße platt gedrückt zu werden. Ich genieße dieses Privileg zwar jede Nacht, bislang ohne gravierende Nebenwirkungen, auch wenn mein Arzt sagt, ich muss mehr für mein Iliosakralgelenk als für Paul tun. Aber ich bin hier ja auch nur die Autorin. Grünpflanzen sind nicht so hart im Nehmen; im Grunde alles Mimosen.

Wie auch immer, da liegen sie. Müssen keine Vorwörter schreiben, leben den puren Zen und blicken drein, dass man immer meint: Die wissen doch was.

Irgendetwas sehen sie, diese Katzenviecher, Fussel­vliese, Teppichtiger, Dachhasen und Dosenöffnerdompteure, das uns Menschen zu begreifen verwehrt ist. Wer ihnen in die rätselhaften Augen schaut, traut ihnen alles zu: Gedankenlesen, Seelenwandern, Traumfangen. Sie existierten schon vor den Pyramiden. Nur einen Napf sauber ausfressen, das können sie nicht.

Natürlich haftet ihnen auch etwas Anrüchiges an, und ich meine jetzt nicht die Katzentoilette. Nicht umsonst haben sie auf den Scheiterhaufen mitgebrannt. Keine Hexe kann ohne, auch Bond-Bösewichter profitieren von ihrer Aura; was ein aufrechter Psychopath sein will, krault am besten mit abgründigem Kichern eine Katze.

Und egal, ob so eine schwarze Katze von rechts nach links oder von links nach rechts geht, etwas Gutes kommt nie dabei heraus, vor allem, weil sie einem dabei immer direkt vor die Füße gerät. Bis man drauftritt und das Geschrei groß ist. Und dabei heißt es immer, so ein Tier habe Instinkte. Ich möchte ja niemanden desavouieren. Aber: Wenn Artjom mal wieder rückwärts vom Sofa fällt, schließe ich gnädig die Augen.

Manchmal sind sie ja auch genau so, wie die Dichter sie beschreiben: schön und elegant, ätherisch und seelenvoll, rätselhaft wie die Sphinx und immer ein wenig gefährlich. Genauso, wie auch gute Kriminalgeschichten sein sollten.

In denen Katzen nicht umsonst sehr häufig eine Rolle spielen. Es gibt kein Tier, das so oft dichterisch verarbeitet wird. Wäre es eine olympische Disziplin, sich in schriftstellerischen Werken herumzutreiben, Katzen wären Anwärter auf Gold in den Sparten Lyrik und Epik.

Darüber hinaus gibt es kein Tier, das geeigneter wäre, sich literarisch dem Verbrechen beizugesellen. Das wusste Agatha Christie so gut wie Alfred Hitchcock. Und wenn Raymond Chandler seinen einzelgängerischen Detektiven auch keine Katze an die Seite stellte: Es wäre allemal besser gewesen, er hätte es getan und die Herren hätten ihre Angorakatze gekrault anstatt immer wieder auf die katzenhaften Schönheiten hereinzufallen, die irgendwann unabwendbar in ihre einsamen Detektivbüros traten und schnurrten.

Sicher, der Hund ist Angestellter bei der Polizei. Und es gibt Schweine, die Rauschgift aufspüren. Aber haben sie die Tiefe, den Scharfsinn, den Facettenreichtum einer Katze? Schleichen sie so elegant durch unsere Ängste und Ahnungen? Sind sie geschmeidige Jäger im Dunkeln? Schöne Mörder und Schoßtier in Personalunion? Nimmermehr.

Und darum ist es die Katz und nicht der Schäferhund, der Papagei oder das Zwergnilpferd, das sich im Krimi tummelt.

Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen.

 

Tessa Korber

Nürnberg, im Herbst 2013

 

Jean Bagnol – Der Heiratsschwindler oder Darf’s ein bisschen mehr sein?

Als Joseph »Joschi« Krüger das im altfränkischen Stil erbaute Herrenhaus zwischen Rotbuchen und Hibiskusbüschen auftauchen sah, wusste er sich seinem Ziel so nahe wie nie zuvor.

Das war Stil, das hatte Klasse! Er ließ sich im Taxi die Toreinfahrt hinauffahren, über den geschwungenen Kiesweg bis vor den Eingang des Hauses. Der Chauffeur war so beeindruckt wie Joschi selbst und verkündete den Fahrpreis – vierzehn Euro sechzig – mit einem anbiedernden Lächeln. Das verschwand allerdings rasch, als er das Wechselgeld bis auf den letzten Cent herausgeben musste.

Die Vorbereitungen für dieses Rendezvous – Friseur, Maniküre, Pediküre, Zahnpflege sowie die Renovierung seiner Garderobe – hatten Joschi Krügers Reserven aufgezehrt. Was er jetzt noch besaß, würde für das völlig überteuerte Abendessen draufgehen, zu dem er die junge Frau, die in dieser Villa lebte, eingeladen hatte.

Anna Müller.

Während der Taxifahrer mit einem zornigen Anfahren den geharkten Kies aufspritzen ließ, rückte Joschi Jackett und Krawatte zurecht und rief sich noch einmal alle Informationen ins Gedächtnis, die ihm Jimmy, ebenfalls im Heiratsschwindlergewerbe tätig, hatte geben können. Annas Vater, Anton, ein einfacher Metzgermeister, hatte es geschafft, eine deutschlandweite Fleischereikette aufzubauen. Seine Spezialität war die »Müllerwurst«, die es in jeden Imbiss schaffte. Geschickt investierte Anton Müller in Restaurants, Immobilien und Tierfutter, bis er, kurz bevor er die erste Milliarde erreichte, in seinem 500 SL bei Tempo hundertachtzig einen Herzinfarkt bekam. Seine Frau, die auf dem Beifahrersitz saß, zog mit ihm in den Metzgerhimmel ein. Seither bewohnte Anna allein die große, abgeschieden liegende Villa im Taunus, zusammen mit drei Katzen.

»Katzen?«, hatte Joschi seinen Kollegen Jimmy indigniert gefragt.

»Ich nehme an, sie haben Anna über den tragischen Verlust hinweggetröstet«, hatte Jimmy gemutmaßt.

Joschi entschied, dass diese haarenden Eckenpisser kein Hindernis darstellen sollten. Eine andere Frage interessierte ihn viel mehr.

»Also, diese Anna«, bohrte er bei Jimmy nach, »die ist jung, schön, reich und unbemannt. Warum hast du sie dir nicht längst gegriffen?«

Jimmy wand sich ein wenig, bevor er mit der Sprache rausrückte.

»Irgendetwas stimmt mit ihr nicht«, meinte er in vertraulichem Flüstern. »Es heißt, sie hätte so Vorlieben.«

Joschi war kein Mann für Andeutungen. »Was für Vorlieben?«

»Naja, so was mit Ketten und Peitschen. Du weißt schon, Shades of Grey und so.«

Nee, wusste Joschi nicht, er hatte es nicht so mit dem Lesen. War aber auch egal. »Peitscht sie oder will sie gepeitscht werden?« Das war für ihn die entscheidende Frage.

Aber das wusste der Jimmy auch nicht so genau. Es gebe Gerüchte. Was für Gerüchte? Von Galanen, die es bei Anna versucht hätten und dabei so verschreckt worden waren, dass man sie nie wieder gesehen habe. Das würde einem ja schon zu denken geben, hatte Jimmy gemeint.

Von wegen, hatte Joschi daraufhin geschlussfolgert, du hast sie nicht rumgekriegt. Das ist alles. Vermutlich hatte Anna diese Gerüchte selbst ein wenig angeheizt, um sich die Schmarotzer vom Leib zu halten. Als schöne, junge Millionärin konnte man gar nicht vorsichtig genug sein. Und dann hatte er sich selbst an Anna Müller rangemacht, während einer Tierschutzdemo mit dem geistreichen Titel »Alles für die Katz«. Mit dem Ergebnis, dass er Anna heute Abend zu einem schweineteuren Diner ins Belle Époque ausführen durfte, dem feinsten Restaurant von Wiesbaden. Und anschließend würde er sie flachlegen. Wenn er ihr dafür vorher den Hintern versohlen musste, sollte ihm das recht sein. Wäre natürlich nicht so schön, wenn Anna es umgekehrt haben wollte, aber verdammt, er war pleite. Und für ein paar Hundert Millionen würde er noch ganz andere Sachen mit sich machen lassen. Sobald die Heiratsurkunde unterschrieben wäre, hätte dieser Unsinn sowieso ein Ende.

Joschi packte den Blumenstrauß aus, den er für vierzehnfünfundneunzig am Bahnhof gekauft hatte, und drückte auf den Knopf der modernen Gegensprechanlage neben der alten Eichentür. Ein fernes, melodisches Glockenspiel erklang aus dem Haus, dann spürte er, dass die Kamera aktiviert wurde.

»Joseph! Sie sind es schon?«, ertönte Annas liebliche Stimme durch die Gegensprechanlage.

»Ich habe mich so sehr auf unseren Abend gefreut«, schnurrte Joschi zurück.

Er war natürlich mit voller Absicht eine halbe Stunde zu früh aufgekreuzt. Ein alter Trick. Auf diese Weise erwischte er die Frauen dabei, wie sie sich gerade zurechtmachten. Das verriet ihm meist schon, wie sie sich den Verlauf des Abends vorstellten. Bei Anna war es nicht anders.

Als sie die Tür öffnete, trug sie einen grün-seidenen Kimono, den sie mit der einen Hand zusammenhielt, und schwarze Seidenstrümpfe, sicherlich halterlos. Joschi war auf der Gewinnerstraße.

»Was für schöne Blumen«, rief sie und steckte ihre bezaubernde Nase in den Fünfzehneurostrauß.

Anna! Langes, volles, blondes Haar, ein Teint wie Sahne, Augen wie dunkler Waldhonig – und erst die rosigen, vollen Lippen. Unwillkürlich durchzuckte Joschi das Bild, wie sich diese wundervollen Lippen …

Als er ihr durch die Eingangshalle folgte und dabei ungeniert ihren Hintern unter dem dünnen Seidenstoff bewunderte, fragte er sich, ob er sie nicht vielleicht jetzt schon zu einem kleinen Geschmuse überreden sollte. Aber dann entschied er sich dagegen. Es war besser, kein Risiko einzugehen.

Vor der Treppe, die ins Obergeschoss führte, wandte sie sich zu ihm um.

»Geh doch in den Salon und nimm dir einen Aperitif«, sagte sie und wies zu der Doppeltür. Erfreut regis­trierte er, dass sie zum Du übergewechselt war. »Meine drei Lieblinge werden dir Gesellschaft leisten.«

Dann kam Anna ganz dicht an ihn heran und legte ihm die Hand auf die Brust, eine Geste, die unruhige Erregung in ihm weckte.

»Sie heißen Toffee, Mafalda und Arnie«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Sei nett zu ihnen, und sie sind nett zu dir.«

Sie schenkte Joschi ein verschwörerisches Lächeln und stieg die Treppe empor. Es waren tatsächlich Halterlose. Oh, diese Nacht würde ihn zu einem reichen Mann machen, wenn er sich bewährte. Aber das würde er: Darauf konnte er sich verlassen. Immer. Wenn er eine Frau einmal im Bett hatte, tat sie hinterher alles für ihn. Schon dass er ausgesprochen gut bestückt war, rief jedes Mal helles Entzücken hervor. Und außerdem kannte er auch den Unterschied zwischen Cunnilingus und Cumulus. Und er nahm sich Zeit, etwa so lange wie ein Mann braucht, um von 999 rückwärtszuzählen. Das reichte immer, bei 450, 420 hatte er sie meist so weit.

Dann entdeckte er die Viecher.

Die weiße Angora thronte auf einem Sessel, die Kaffeebraune hatte sich auf dem Teppich ausgestreckt, und die große Schwarze mit der weißen Schnauze hockte auf einem Sekretär. Ihr Schwanz zuckte leicht. Alle drei blickten ihm aufmerksam entgegen.

Joschi ging zur Bar, goss sich einen doppelten Whisky ein und setzte sich dann den Katzen gegenüber auf das Sofa. Während er trank, musterte er sie, so wie sie ihn beobachteten.

»Sobald ich hier eingezogen bin«, teilte er ihnen leise mit, »werdet ihr kleinen Stinker zu Hundefutter verarbeitet.«

 

Die weiße Mafalda gähnte herzhaft.

»Habt ihr das auch gehört?«, fragte sie dann.

»Mhm«, machte der braune Toffee vom Perserteppich her. »Der denkt wirklich, er könnte sich hier einnisten.«

»Wo sie diese Typen aber auch immer findet?«, sinnierte Mafalda.

»Jedenfalls nicht in der Frischeabteilung vom Supermarkt«, meldete sich Arnie sarkastisch vom Sekretär.

»Das stimmt«, gluckste Mafalda. »Bei dem hier ist das Verfallsdatum fast erreicht.«

»Erreicht?«, fragte Arnie herablassend. »Längst überschritten, würde ich sagen.«

Alle drei kicherten auf Katzenart, was sich wie ein helles, kehliges Girren anhörte.

»Wollt ihr mich anschleimen, ihr kleinen Scheißer?«, fragte der Mann.

»Seine Haare sind gefärbt«, konstatierte Toffee. »Und wenn mich nicht alles täuscht, ist da am Hinterkopf ein Haarteil eingesetzt.«

»Du kannst um die Ecke gucken?«, wunderte sich Mafalda.

»Nö, aber der da ist der Typ für frühe, runde, kahle Stellen am Hinterkopf.«

»Sieht echt unsexy aus.«

»Deswegen das Haarteil.«

»Das erinnert mich an Udo«, sagte Mafalda.

»Udo? Welcher war das?«, fragte Toffee.

»Dieser Dicke. Sah man aber nicht, weil er ein Korsett trug.«

»Wow, ja! Jetzt erinnere ich mich«, feixte Toffee. »War ne Supershow, als er die Hosen runterließ. Sah aus wie ne haarige Presswurst.«

»Und als Anna ihm dann sagte, dass er das doch nicht brauche. Weil sie ein kleines Bäuchlein so süß finde.« Selbst der zynische, schwarz-weiße Arnie musste grinsen.

»Und er dann das Ding aufmachte und der Wanst rausploppte!«

Wieder kicherten sie ausgelassen.

»Udo hat es ihr aber geglaubt.«

»Sie glauben Anna immer.«

»Bekloppte Viecher, haltet doch mal die Fresse.«

»Hey, schnuppert mal«, rief Arnie jetzt.

»Igitt, der raucht ja«, fiel es Mafalda auch auf.

»Der schwitzt Rauch aus«, merkte Toffee an. »Der hat keine Lunge, sondern einen Teerklumpen in der Brust.«

»Aber er hat sich mächtig Mühe gegeben, das zu verbergen: Nikotinflecken von den Fingern geschrubbt, Klamotten gelüftet und den Rachen ausgesprüht. Ist klar, was das heißt?«

»Er will nicht, dass Anna es me-heeerkt«, bestätigte Toffee. »Er weiß, dass sie das nicht ma-haaag.«

»Und das heißt«, schloss Mafalda, »dass er sie verarschen will.«

»Eieieiei«, machten alle drei und seufzten synchron.

»Das mögen wir aber gar nicht«, meinte Arnie.

»Was glotzt ihr mich so an, ihr Scheißer?«

»Und überhaupt, dieses Benehmen.« Die weiße Angora Mafalda erhob sich grazil von ihrem Sessel und sprang auf die Lehne.

»Der zieht den guten Whisky auch schön schnell weg«, konstatierte Toffee.

»Jetzt schenkt er sich noch einen nach. Bescheiden ist der nicht.«

»Ist ein Säufer«, stellte Arnie fest. »Schaut euch mal die Augen an.«

»Wahrscheinlich Leberzirrhose«, mutmaßte Toffee.

»Na, einen Organspenderausweis braucht der aber nicht mehr«, warf Arnie ein. Wieder kicherten sie alle drei.

»Blödes Gemaunze.«

»Aber guckt euch mal sein Gesicht an«, ließ Arnie sich jetzt vernehmen. »Diese kleinen geplatzten Äderchen unter der Haut. Der hat den Schinken aber auch immer mit Fettrand gegessen.«

»Das Herz?«, fragte Toffee.

»Hm«, machte Arnie. »Angina Pectoris. Verkalkung der Herzkranzgefäße. Zum Teil Veranlagung, hauptsächlich aber der ungesunde Lebenswandel.«

»Hach je«, seufzte Mafalda. »Meinst du, er wird die Aufregung überhaupt überstehen?«

»Na ja«, grinste Arnie so breit, wie ein Muskel-Kater nur grinsen konnte. »Irgendwie schon.«

Sie warfen sich alle drei auf den Rücken und rollten sich, weil sie sich vor Lachen nicht mehr halten konnten.

»Ich werde euch höchstpersönlich das Fell abziehen.«

»Achtung, da kommt Anna!«

»Nichts anmerken lassen. Benehmt euch wie richtige Katzen!«

»Sieht sie nicht wieder scharf aus?«, maunzte Toffee.

»Ist das ihr grünes Kleid?« Mafalda war leider völlig farbenblind und tippte wahllos eine Farbe.

»Ganz genau«, bestätigte ihr Arnie. Der zwar auch ziemlich farbenblind war, das aber nicht zugeben wollte. Also behauptete er immer irgendwas, und da Toffee nie widersprach, war davon auszugehen, dass es bei ihm nicht besser aussah.

»Los, wir schnurren ihr um die Beine.«

»Dem Stinker etwa auch?«

»Logisch, er soll doch nichts merken. Hopp, Mafalda, mach du das.«

»Auf keinen Fall! Das ist Polyester, ich ruinier mir nicht mein Fell!«

»Dann du, Toffee.«

»Vergiss es, ich werd dem Raucherbein doch nicht die Poren schlecken.«

»Na toll, muss ich also wieder ran. Beim Sokatzes! Das kostet euch nen Thunfisch, ich sag’s euch.«

»Ach ihr Süßen«, rief Anna. »Ihr seid ja ganz aus dem Häuschen. Sind sie nicht reizend, Joseph?«

»Ich liebe sie alle drei jetzt schon.«

»Nun passt schön auf das Haus auf. Wir sind bald wieder da.«

»Is klar«, maunzte Arnie.

»Anna, du siehst traumhaft aus.«

»Ach Joseph, ich freue mich so, dass wir uns kennengelernt haben.«

Dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Toffee.

»Rumhängen, schlafen, lecken?«, schlug Arnie vor.

»Ich hab Hunger«, quengelte Mafalda.

 

Das Essen lag Joschi schwer im Magen. Blöder Franzosenfraß, dachte er, als er im Taxi mit Anna zurück zu ihr nach Hause fuhr. Portionen so groß wie Mäuseköttel auf einem Designerteller, der drei Schnitzel fassen würde. Da wurde ein Kerl nicht satt von! Also hatte er sich reichlich am Brot bedient und es in Olivenöl getunkt. Schließlich hatte er heute noch einiges zu leisten, und leider war die Ernährung bei ihm in der letzten Zeit ein wenig zu kurz gekommen. Irgendwann waren die Mäuseköttel in ihrer ganzen Anzahl zusammen mit dem olivenölgetränkten Brot doch noch zu einer richtigen Mahlzeit geworden, sodass er den letzten Gang kaum noch schaffte. Aber verdammt, er würde für diese Schweinerei sein letztes Geld hinlegen. Also stopfte er sich voll, so gut es ging. Und jetzt drückte der Gürtel. Da hatte selbst der Cognac zum Schluss nichts dran ändern können. Und als dann die Rechnung kam …

Jetzt war Joschi wirklich pleite. Doch es hatte sich gelohnt. Anna war dahingeschmolzen an diesem Abend. Und als könnte sie seine Gedanken lesen, schmiegte sie sich jetzt im Taxi an ihn, legte ihren Kopf an seine Schulter und seufzte wohlig. Sie hatte ihm alles erzählt. Von der Armut ihrer Kindheit und wie sie früh von der Schule ging, um eine Lehre im väterlichen Betrieb zu machen, und mit ihren eigenen Händen Bratwürste füllte, Schweinefüße bürstete oder Rippchen hackte. Die Arbeit im eiskalten Kühlhaus, hinter dem Tresen oder die Buchhaltung bis spät in die Nacht.

»Ich bin wirklich nicht zwischen seidenen Kissen aufgewachsen«, hatte sie erklärt. »Ich weiß, wie Armut schmeckt. Und darum möchte ich, dass es meinen Liebsten immer gut geht.«

Ihren Liebsten! Joschi hätte sie küssen können für diese Worte. Aber er hatte nicht seine letzten Euros dafür hingelegt, dass sie hier einen auf keusches Gutmenschentum machten. Nie das Ziel aus den Augen verlieren, dachte er, als er Anna Kompliment über Kompliment verabreichte. Ihren Charme bewunderte, ihren Willen und – ja klar – ihre Intelligenz. Was man halt alles so redete. Ihre Einzigartigkeit, ihre Schönheit, ihr … er wusste es selbst nicht mehr. In solchen Situationen funktionierte er wie ein Vollautomat. Brühen, zuckern, nachschenken. Obwohl er manches Mal den Eindruck hatte, dass das gar nicht nötig war. Alle Signale, die Anna ihm gab – die Berührung mit den Händen, die glutvollen Blicke, oder wenn sie sich mit den Fingern über den Hals strich –, deuteten darauf hin, dass sie längst bereit war, ihm ihre weichen, warmen, neureichen Schenkel zu öffnen. Das Einzige, was ihm ein wenig Sorgen bereitete, war das, was Jimmy »ihre Vorlieben« genannt hatte.

Er hatte sich vorsichtig an dieses Thema herangetastet. Ob sie spezielle Neigungen oder Hobbys habe? Vielleicht Pferde?

»Ach, eigentlich nur meine Katzen. Wieso?«

Ja ja, aber sie müsse doch auch Bedürfnisse haben.

»Sind wir denn nicht deswegen heute Abend hier?«, hatte sie mit einem Unterton geantwortet, der ihm direkt die Familienglocken zum Klingeln gebracht hatte. So hatte er bei dem affektierten Kellner rasch die horrende Rechnung beglichen. Mit einem Trinkgeld, das so gering war, dass der Blödmann wahrscheinlich noch seinen Enkeln davon erzählen würde. Aber nun saßen sie im Taxi. Anna warm und vor Lust duftend an ihn geschmiegt. Und er wusste immer noch nicht, was ihre verdammten »Vorlieben« waren.

»Kommst du mit rein?«, fragte sie mit kussfeuchtem Mund, als das Taxi in ihre Straße einbog.

»Und ob«, raunte Joschi an ihre weiche, glatte Wange.

Er gab dem Taxifahrer seinen letzten Zwanziger und verlangte nicht einmal mehr das Wechselgeld. Darauf kam es jetzt nicht mehr an.

Als sie die Tür aufschloss, drückte er sich von hinten an sie.

Sie kicherte und flüsterte: »Ich habe eine Überraschung für dich.«

»Wie schön«, gab er lächelnd zurück.

Und dachte dabei: Glaub bloß nicht, dass ich mir von dir irgendwelchen Blödsinn gefallen lasse. Ich mach hier nicht den Dressurwallach, den du mit der Gerte auf Trab bringst.

Aber im Grunde war Joschi sich sicher, dass sie nicht die aktive, sondern die passive Rolle spielen wollte. Kein Problem, das würde er hinkriegen. Wenn er nur erst mal den Gürtel los war, der drückte doch wirklich sehr. Vielleicht könnte er sie ja damit verhauen, dann hätten sie dieses Shades-of-Dingsda auch hinter sich.

Und dann Halleluja, dachte er, als er ihr ins Haus folgte.

 

»Da sind sie«, stellte Toffee fest.

»Wurde auch Zeit«, meinte Arnie.

Sie hatten ihre Posten im Salon bezogen und beobachteten nun durch die Doppeltür, wie Joschi sich in der Eingangshalle an Anna ranmachte. Die entzog sich seinen stürmischen Umarmungen mit einem gurrenden Lachen.

»Langsam, Geliebter«, sagte sie, »ich möchte es wirklich genießen.«

»Ja, das will ich auch«, erwiderte Joschi mit einem geilen Knurren in der Stimme.

»Donnerwetter«, konstatierte Mafalda, »der ist aber reif.«

»Ja, aber sie macht das nicht schlecht«, kommentierte Toffee. »Erst heiß machen, dann ausweichen, bis er nachkommt. Dieses ganze herrliche Hin und Her. Hey Süße, so haben wir es doch früher auch gemacht. War doch eine tolle Zeit, oder?«

»Ja, eine Superzeit«, erwiderte Mafalda lakonisch, »erst hast du dich von hinten auf mich draufgeworfen, ohne zu fragen, und dann durfte ich die Blagen austragen. Da hatte Monsieur seine Beteiligung an meinem dicken Bauch natürlich längst vergessen und leckte immer nur die Teller leer. Und als die Kleinen auf der Welt waren, hast du mir da auch nur einmal zur Seite gestanden?«

»Boah ey, das muss ja nun nicht sein. Bin ich echt nich begabt für.«

»Von wegen, ich hätte ein kleines bisschen Hilfe gut gebr…«

»Nun hört schon auf«, unterbrach Arnie sie. »Wenn Gottkater gewollt hätte, dass Kater Vaterzeit nehmen, dann hätte er es ja wohl gesagt. Schaut mal: Es geht in den nächsten Akt.«

Anna hatte Joschi die Hand an die Wange gelegt. »Mein Liebster, ich werde mir etwas Bequemes anziehen. Mach du doch schon mal alle Kerzen an und das Licht aus. Ich liebe Kerzenlicht.«

»Du sollst dein Kerzenlicht bekommen, du wunderbare Frau. Und alles, was du sonst noch willst.«

»Ich nehme dich beim Wort«, lachte Anna und eilte die Treppe empor. Joschi sah ihr nach und schnalzte mit der Zunge. Dann ging er fröhlich pfeifend und händereibend durch die Halle und entzündete die Kerzen in den schweren Leuchtern. Als er in den Salon kam und dort die Katzen erblickte, runzelte er die Stirn.

»Ihr Drecksviecher wollt uns doch wohl nicht etwa zuschauen?«, fragte er gehässig.

»Na, und ob«, meinte Toffee. »Von vorne, von hinten, ganz genau.«

»Was glaubt der denn, weswegen wir hier noch rumhängen?«, meinte Arnie. »Um uns sein Toupet anzuschauen?«

»Hey, ihr Paschas«, sagte Mafalda und witterte in Joschis Richtung. »Riecht ihr das? Da ist etwas Säuerliches in seinem Schweiß.«

»Das ist der Magen«, vermutete der gewöhnlich ungewöhnlich gut gebildete Arnie. »Kein Wunder bei den Schweinereien, die er in sich hineinstopft.«

»Der Magen ist also auch noch hinüber«, beschwerte Toffee sich. »Mann, funktioniert bei dem überhaupt noch irgendetwas?«

»Naja«, gab Mafalda zu bedenken, »diese Murmeln, die ihr nicht mehr habt, scheinen bei ihm noch gut in Schuss zu sein.«

»Pfff«, machte Toffee verächtlich.

»Werden völlig überschätzt«, urteilte Arnie.

»Stimmt. Und ich brauche nicht mehr mit dickem Bauch rumzulaufen und zwei absolut integrationsunwilligen, bumsfidelen …«

»Achtung!«, rief Toffee. »Aufmarsch der Walküre.«

»Yeah«, meinte Arnie bewundernd. »Sie trägt ihren Kampfanzug.«

Unbemerkt von Joschi, der sich an der Bar zu schaffen machte, war Anna zurückgekommen und lehnte mit erhobenem Arm in lasziver Haltung am Türrahmen. Sie trug jetzt extrahohe High Heels zu den schwarzen Halterlosen. Ein rotschwarzes Korsett ließ ihren Unterleib frei und hob ihre bloßen Brüste wie zwei liebende Hände. Schwarze, ellenbogenlange Handschuhe mit offenen Fingern vervollständigten ihren »Kampfanzug«.

»Hi Joseph«, sagte sie mit einem weichen Raunen in der Stimme. »Kommst du mit spielen?«

Joschi traten fast die Augen aus den Höhlen, der Mund stand offen.

»Ich …«, stotterte er, »ich …«

»Ja, du«, sagte Anna verführerisch und winkte ihn mit einer Geste ihres Zeigefingers zu sich.

Joschi tappte auf sie zu, streckte die Arme aus, fast hatte er sie erreicht, da stoppte sie ihn mit der Hand auf seiner Brust.

»Zieh dich erst aus, mein Geliebter«, flüsterte sie, ließ ihre Hand langsam tiefer gleiten, griff in seinen Schritt und …

»Hallo«, sagte sie erstaunt, »das ist aber mal ein Prachtkerl«, und begann ihn zu kraulen.

»Oooohh?«, machte Joschi.

»Oh Mann«, sagte Toffee. »Sie ist so gut.«

»Ich schätze«, ließ Mafalda sich vernehmen, »die Aktivität seines Großhirns ist mittlerweile auf fast null herabgesunken.«

»Mhm«, assistierte ihr Arnie, »akute Blutleere im Kopf. Wird alles da benötigt, wo sie ihn bearbeitet.«

»Nach dem zu urteilen, was Anna in der Hand hat, bleibt tatsächlich kein Blut fürs Gehirn mehr übrig«, gniggerte Mafalda.

»Das kannst du von hier sehen?«, zweifelte Toffee.

»Gleich könnt ihr euch selbst davon überzeugen.«

»Zieh dich aus«, wiederholte Anna, »und dann zeige ich dir, wie du mich beglücken kannst.«

Joschi begann, hastig sein Hemd aufzuknöpfen.

»Okay«, meinte Arnie, »ich glaube, es wird Zeit, dass wir unsere Plätze einnehmen.«

Während Joschi unter Annas begehrlichen Blicken Schuhe und Strümpfe auszog, huschten die drei Katzen zu einer unscheinbaren Tür auf der anderen Seite des Salons, in die eine diskrete Katzenklappe eingelassen war. Von dort gelangten sie in einen langen, dunklen Flur, dem sie um die Ecke herum folgten, bis sie an eine andere Tür und eine weitere Katzenklappe kamen. Nacheinander betraten sie nun das Heiligtum des Hauses und setzten sich nebeneinander an ihre gewohnten Plätze.

»Ich bin ja so aufgeregt«, sagte Mafalda.

»Ja, ja«, sinnierte Arnie, »der letzte Moment, bevor es losgeht und der Vorhang sich hebt. Bevor das Drama, das dem verehrten Publikum bisher gezeigt ward, seinem Höhepunkt entgegenstrebt und …«

»Pscht! Da sind sie.«

Die Tür von der Haupthalle öffnete sich. Die Katzen sahen Anna rückwärts eintreten, dicht gefolgt von dem nackten Joschi, dessen Hände ihren blanken Hintern kneteten, während sie die Hand immer noch in seinem Schritt hatte und ihn wie an einer Leine mit sich zog. Die andere Hand hatte Anna ihm auf die Augen gelegt, sodass Joschi blind, nur geleitet von ihrem Hintern und ihrer aufreizend fordernden Hand, den weiten, hell erleuchteten Raum betrat. Er schien es nicht zu merken, dass seine nackten Füße auf glatten Fliesen liefen und dass die Temperatur in dem Raum deutlich niedriger war als im Rest des Hauses.

»Na, was habe ich gesagt?«, meinte Mafalda zufrieden.

»Das ist wirklich eine pralle Wurst«, bestätigte Arnie. »Erinnert mich an die Cadolzburger Thunfisch-Rinder-Wurst, die Annas Vater mal entwickelte. Ach, das war die Wurst meiner Jugend …«

Anna führte Joschi mit süßem Flüstern zu einem merkwürdig geformten Tisch. Dann befahl sie: »Mach erst die Augen auf, wenn ich es dir sage«, und trat von ihm fort.

»Auch immer wieder eine schöne Szene«, schwärmte Arnie.

»Ja«, stimmte Mafalda ihm zu. »Der Moment, da der unschuldige Held im Begriff ist, die Wahrheit zu erkennen.«

»Das hat Tiefe, das hat Tragik«, dozierte Arnie weiter. »Dieser eine Augenblick öffnet eine Perspektive auf das Leben an sich, auf die Frage, wo in diesem Universum gleichzeitig Mozart und Miauzart in einem Parallelsein aus Kunst und …«

»Ist ja gut, Mann«, unterbrach Toffee leicht genervt.

»Banause«, murmelte Arnie.

»So mein Geliebter«, rief Anna nun, »jetzt kannst du die Augen aufmachen.«

Joschi hatte ein freudig-debiles Grinsen im Gesicht, als er die Augen öffnete. Das verlief sich allerdings, als er seine Umgebung erfasste: die blanken weißen Fliesen, der Edelstahltisch, die großen Ketten, die von der Decke herabhingen.

»Äh, was soll’n das?«, fragte er.

Dann fiel sein Blick auf die drei Katzen.

»Und was machen die hier?«

Er wandte sich zu Anna um, die hinter ihm stand. Dann weiteten sich seine Augen.

»Was …?«, fragte er grenzenlos verblüfft, »was hast du denn da?«

Anna schenkte ihm ihr allerschönstes Lächeln, als sie das Gerät auf seine Stirn richtete und mit zuckersüßer Stimme sagte:

»Das? Ach. Das ist ein Bolzenschussgerät!«

PLOPP!

»Plopp«, wiederholte Toffee hingerissen. »Ich liebe diesen Moment.«

Joschis Körper landete mit einem dumpfen Flatsch auf dem Boden.

»Hmrrrhmmm«, schnurrte Arnie, »ist echt der Höhepunkt.«

»Nur so schnell vorbei. Grad wenn’s anfängt, Spaß zu machen.«

»Tja, ihr Paschas, ich könnte euch da auch was erzählen …«

Anna summte vergnügt Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei vor sich hin, als sie die schwarzen, fingerfreien Handschuhe abstreifte und die Stilettos von sich kickte. Das Korsett behielt sie an, als sie einen weißen Schutzanzug aus dem Regal nahm und hineinstieg. Sie zog den Reißverschluss zu, stieg in die bereitstehenden Gummistiefel unterm Tisch und krempelte die raschelnden Plastikärmel hoch.

»An die Arbeit, an die Arbeit tralalalala, jawoll, mein Schatz, es ist vorbei«, sang sie leise, als sie die Ketten auf ihren Schienen heranzog, bis sie über Joschis Fußgelenken hingen.

»Wisst ihr noch, beim ersten Mal?«, fragte Toffee selig.

»Ja, da hatte sie die Sache noch nicht richtig durchgeplant«, antwortete Arnie. »Da musste sie ihn noch selber ausziehen. War furchtbar anstrengend.«

»So ist es natürlich viel einfacher, wenn die das selber machen«, stimmte Mafalda zu.

»Sie ist schon eine verdammt coole Braut, unsere Anna«, seufzte Toffee.

Anna hatte die Kette an Joschis Fußgelenken befestigt und begann nun, den Körper mittels eines Flaschenzuges nach oben zu ziehen.

»Und kräftig ist sie geworden«, konstatierte Toffee.

»Das muss sie auch sein«, bestätigte Mafalda, »als Metzgerin.«

»… doch du musst nicht traurig sein, du bist ja nicht lang allein …«, sang Anna munter und schob mit dem Fuß eine Metallwanne unter den sanft vor sich hin baumelnden Joschi. Dann griff sie zu einem sichtlich oft benutzten Ausbeinmesser und öffnete mit zwei schnellen Schnitten die Halsschlagadern. Während das Blut in die Wanne plätscherte, legte sie sich ihr weiteres Werkzeug zurecht.

»Ach, ich mag es, wenn sie so fröhlich ist«, sagte Toffee.

»Unsere Anna braucht halt eine Aufgabe«, erklärte Mafalda. »Sie will sich nützlich machen.«

»Ja, das kann ich so gut verstehen«, meinte Toffee.

»Ach ja?«, fragten Mafalda und Arnie unisono.

Dann gniggerten sie wieder alle drei.

»Schön, schön«, sagte Arnie schließlich, »das war’s. Der Teil, der jetzt kommt, ist ziemlich langweilig. Lasst uns ins Warme gehen.«

»… nur die Wurst hat zwei …«

Während die elektrische Trennsäge aufkreischte, machten sich die drei Katzen auf den Weg in ihren gemütlichen Salon.

»Also, auf seine Lunge verzichte ich jedenfalls«, erklärte Arnie.

»Und die Leber können wir auch vergessen«, stimmte Toffee zu.

»Die Haut sollte ebenfalls weg«, meinte Mafalda und verzog ihr Näschen. »Ist ja ekelig, so ne alte Räucherpappe.«

»Schade«, seufzte Arnie, »ist diesmal nicht so ergiebig wie sonst. Darf ein bisschen mehr sein, das nächste Mal.«

»Ach«, beschwichtigte Toffee, »aus dem Rest kann sie uns ein schönes Ragout machen. Das hält ein paar Monate.«

»Wir könnten es mit Katzenminze würzen«, schlug Mafalda vor.

»Und mit Malzpaste, mmmm.« Toffee schleckte sich über das Mäulchen.

»Also ich hätte da noch ein schönes Rezept«, erklärte Mafalda, als sie nacheinander durch die Klappe in den Salon schlüpften.

»Ich wusste es«, stöhnte Arnie.

»Diese Feminatzin nu wieder«, beschwerte Toffee sich.

Mafalda richtete sich trotzig auf und rief: »Aber ich mag doch so gerne Kuttelnpastete!«

 

Nicola Förg – Die drei Musketiere

Flori, Fonsi und Fritzi saßen auf der Mauer. Sie blickten hinüber zu jenen Menschen, die alle einem Mann zuhörten, der ein Kleid trug. Sie betrachteten den Mann, der nun mit einer Klobürste wedelte. Nach und nach kamen andere Menschen und wedelten ebenfalls mit der Klobürste über einer großen braunen Kiste. Es gab viele Blumen auf der Kiste und rundherum, und manche der Anwesenden warfen auch mit Blumen und wedelten dann mit der Klobürste hinterher.

 

Flori, Fonsi und Fritzi saßen nachdenklich auf der Friedhofsmauer. Nicht, dass sie das zum ersten Mal gesehen hätten, aber dieses Mal war es so nah. So nah, dass eine Frau sogar zu ihnen »huschkuschkusch« hinaufgezischt hatte und dass sie abhauen mögen. Pietätlos sei das, hatte sie gezischt. Speziell Flori verstand das nun gar nicht. Er war schwarz gewandet und hatte einen weißen Kragen. Das hatte der Mann mit dem Kleid auch. Fonsi hatte graue Streifen an, so einen Mantel trug die Dame ganz links ebenfalls, und Fonsi hatte eindeutig eine bessere Figur. Und Fritzi, nun ja, Rot war vielleicht zur Stunde etwas unpassend, aber Fritzi hatte sein Outfit extra den ganzen Morgen gewaschen. Intensiv. Was er sonst selten tat.