Über das Buch:
Der Prozess um die Stalkerin führt Katy Hart und Dayne Matthews erneut zusammen. Doch Katy ist fest entschlossen, dass dies ihre letzte Begegnung sein soll. Sie ist sich sicher: Ihre Liebe kann keine Zukunft haben. Dayne ist hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu Katy und seinem Leben in Hollywood. Sein neu gefundener Glaube lässt ihn erkennen, wie leer und verlogen die Glitzerwelt ist. Wie soll es nun mit seiner Karriere weitergehen? Kann er wirklich ohne Katy weiterleben? Und was ist mit seiner Familie, den Baxters?
Schließlich gibt ihm sein Freund Bob einen klugen Ratschlag: In einer Zeit der Stille soll Dayne sein Leben vor Gott bringen. Dayne befolgt seinen Rat – und erkennt: Nur in Bloomington können die entscheidenden Fragen seines Lebens geklärt werden …

Über die Autorin:
Karen Kingsbury war Journalistin bei der Los Angeles Times. Seit einiger Zeit widmet sie sich ganz dem Schreiben christlicher Romane. Sie lebt mit ihrem Mann, 3 eigenen und 3 adoptierten Kindern in Washington.

Kapitel 8

Der Abend war einfach wunderbar gewesen. Nach den entsetzlichen Ereignissen dieses Tages hätte sich Katy niemals träumen lassen, dass sie noch an diesem Abend allein mit Dayne auf einer Dachterrasse sitzen und den Blick auf die Hollywood Hills genießen würde. Als sie aus dem Aufzug trat, dankte sie Gott dafür, dass er ihnen diese kostbaren Stunden geschenkt hatte, diese Gelegenheit, sich wieder näher zu kommen, wenn auch nur für einen Abend.

Sie steckte ihren Schlüssel ins Schloss und betrat ihr Zimmer. Aber das Wunderbarste und Unglaublichste von allem war: Dayne Matthews hatte sich tatsächlich verändert. Das hatte sie schon bei ihren Telefongesprächen gemerkt und vermutet, dass sein Besuch bei seinem Freund Bob Asher in Mexiko ihn verändert hatte. Aber erst nachdem sie die letzten Stunden mit ihm verbracht hatte, war sie sich wirklich sicher.

Katy trat ans Fenster und blickte hinaus. Als er ihre Hände ergriffen und mit ihr gebetet hatte, hatte sie befürchtet, dass sie vor Schreck gleich in Ohnmacht fallen würde. Sie hatte sich sehr anstrengen müssen, um sich auf das zu konzentrieren, was er sagte, und nicht auf die unglaubliche Tatsache, dass Dayne Matthews wirklich mit ihr betete!

Der Blick aus ihrem Fenster war der gleiche, den sie vom Dach aus gehabt hatten. Jetzt empfand sie den Verkehr und die Hektik nicht mehr als überwältigend. Er kam ihr wie ein Meer vor, das man überbrücken, ein Ozean, den man überqueren konnte. Ja, Dayne führte zwei völlig verschiedene Leben. Aber wenigstens das eine war genauso wie ihres: erfüllt von einer Leidenschaft für Gott und dem sehnlichen Wunsch, einen Weg zu finden, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken. Sie hatten Gott ihre Zukunft übergeben, und jetzt lag es bei ihm, sie zu führen.

Ein Lächeln spielte um Katys Lippen, als sie daran dachte, dass Dayne beschlossen hatte, sie nicht zu küssen, um ihr dadurch zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Etwas in ihr hatte die Initiative ergreifen und ihn zuerst küssen wollen, bevor er widersprechen konnte. Aber fast im selben Augenblick war ihr bewusst geworden, was er tat. Die Entscheidung, sie nicht zu küssen, war Daynes Versuch, in seiner Beziehung zu Katy Gottes Willen zu gehorchen. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben.

Bei der Erinnerung wurde Katy ganz warm ums Herz. Sie fühlte sich wunderbar, sie fühlte sich sicher und beschützt und so sehr geliebt, dass sie es nicht beschreiben konnte. Sie zog die Vorhänge zu, drehte sich um und schaute das Telefon auf dem Tisch zwischen den zwei Betten an. Jenny, Ashley und Rhonda platzten wahrscheinlich fast vor Neugier, wie ihr erster Tag in LA gelaufen war. An jedem anderen Tag hätte sie ihre Freundinnen angerufen, aber nicht heute Abend. Katy gähnte und ging ins Badezimmer. Sie würden es am nächsten Morgen zusammen mit dem Rest des Landes aus der Zeitung erfahren.

Jetzt wollte sie nur noch ins Bett gehen und ihre schönen Erinnerungen an diesen Abend genießen. Sie weigerte sich, an Margie Madden oder ihren Ausbruch im Gerichtssaal oder an die Fotos und die Pressekonferenz zu denken, die in den Redaktionen der Zeitungen wahrscheinlich in dieser Stunde zu einer Titelstory verarbeitet wurden. Alles, was für sie zählte, waren Daynes Worte und sein Gebet.

Eine Viertelstunde später schlüpfte sie unter die kühlen Laken ihres Betts und schloss die Augen. Aber in Gedanken war sie wieder in Daynes Armen auf der Dachterrasse und glaubte fest, dass Gott sie in eine Zukunft führen würde, die im Moment keiner von ihnen richtig sehen konnte. Egal, was morgen in der Zeitung stand.

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Sonnenstrahlen drangen durch den Spalt zwischen den dicken Vorhängen, und Katy fuhr aus dem Schlaf hoch. Mit verschlafenen Augen schaute sie auf die Digitalanzeige des Weckers auf dem Tisch neben ihrem Bett. Sechs Uhr fünfzehn. Die Zeitung lag zweifellos schon vor ihrer Tür und damit die Antworten auf die Fragen, die sie gestern Abend nicht hatte stellen wollen.

Aber jetzt im Tageslicht konnte sie vor der Realität nicht länger davonlaufen. Sie würde heute mit Dayne und dem Team aus Anwälten und Staatsanwälten im Gericht erscheinen, und das, was heute in der Zeitung stand, wäre jedem im Gerichtssaal bekannt. Jedem Zeitungsleser im Land.

Gott … geh mit mir. Hilf mir, nie zu vergessen, dass mein Leben allein in deiner Hand liegt, egal, was in der Zeitung steht.

„Ich bin bei dir, geliebte Tochter. Ich gebe dir Frieden.“

Die Worte legten sich wie Balsam über ihre Seele; sie konnte sie in der Stille des Hotelzimmers fast hören. Sie lächelte, als sie den bekannten himmlischen Frieden fühlte, den nur Gott ihr schenken konnte. Egal, was heute geschah, nichts konnte ihr die Sicherheit und Gewissheit rauben, die sie in sich trug.

Als Katy ihre Füße über die Bettkante schwang, tauchte Daynes Gesicht vor ihr auf, und seine zärtliche Stimme, sein Gebet von gestern Abend war wieder da.

Herr, hilf Dayne, das, worum er dich gestern Abend gebeten hat, nicht zu vergessen. Lass ihn wissen, dass du für uns beide einen Weg findest. Bitte, Gott.

Dieses Mal bekam sie keine Antwort, aber Katy lächelte trotzdem. Sie schaute ihre Hoteltür an und atmete tief durch. Es war an der Zeit, sich der Welt da draußen zu stellen. Dayne hatte ihr gesagt, dass das, was heute in den Tageszeitungen stand, harmlos wäre im Vergleich zu den Artikeln, die Anfang nächster Woche in den Boulevardblättern erscheinen würden.

Sie stand auf, öffnete die Tür und hob das Exemplar der Los Angeles Times auf, das direkt vor ihrer Tür lag. Trotz allem, was sie erwartet hatte, trotz Daynes Warnung und des Gebets, das sie gerade gesprochen hatte, hatte nichts sie auf das Bild auf der Titelseite vorbereiten können.

Die Schlagzeile nahm die gesamte Seitenbreite ein: „Geisteskranke Stalkerin beschimpft ihr Opfer.“ Darunter stand in einer kleineren Überschrift: „Identität von Dayne Matthews’ geheimnisvoller Begleiterin am Strand am ersten dramatischen Prozesstag enthüllt.“ Drei Fotos begleiteten den Artikel. Die ersten beiden Bilder hatte Katy erwartet: eine Großaufnahme von Dayne neben einer Nahaufnahme von Katy, wie sie während des Prozesses im Gerichtssaal saß.

Aber beim dritten Foto lehnte sie sich zitternd in den Türrahmen. Irgendwie hatte die Times das Foto, das an ihrem ersten Abend in Los Angeles aufgenommen worden war, in die Hände bekommen. Das Bild zeigte sie und Dayne, wie sie sich am Strand umarmten, und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wer sie waren.

Katys Hände zitterten, als sie benommen in ihr Zimmer zurück und zur Bettkante taumelte. Wie hatte das passieren können? Die Fotografen mussten das Foto jedem verkauft haben, der bereit war, den geforderten Preis zu zahlen. Und die Times war offensichtlich bereit gewesen, diesen Preis zu zahlen. Unter dem Foto verkündete die Bildunterschrift: „Dayne Matthews umarmt Katy Hart am Sonntagabend in der Nähe seines Hauses in Malibu.“

Katy ließ die Zeitung auf ihren Schoß sinken. Das ganze Land las beim Frühstück, dass zwischen ihr und Dayne etwas lief. Eine Liebesgeschichte? Eine heimliche Affäre? Nur eine weitere wilde Nacht des Playboys Dayne Matthews? Wie sollte sie den Familien vom christlichen Kindertheater je wieder unter die Augen treten? Sie legte die Arme um sich und versuchte, die Schmerzen aus ihrem Magen zu vertreiben.

Sie musste den Artikel lesen, aber sie war nicht sicher, ob sie das konnte. Gott, wo bist du? Wo ist der Frieden, den ich noch vor wenigen Minuten erlebt habe?

Katy hörte keine Worte, kein beruhigendes Flüstern. Aber der Trost, den sie vor Kurzem noch gespürt hatte, kehrte zurück. Gott war bei ihr; sie wusste, dass sein Frieden ihre Seele erfüllte. Sie nahm die Zeitung und versuchte, ihre Hände so weit zu beruhigen, dass sie die Worte lesen konnte.

Der Artikel war recht sachlich gehalten. Er begann mit einer Zusammenfassung des Verhandlungstages. Katy überflog die Seite und hielt den Atem an. Nichts, kein Wort über das christliche Kindertheater. Sie fühlte, wie ihre Lunge wieder anfing zu arbeiten. Wenigstens war dieses Detail im Moment noch geheim.

Sie kehrte zum Anfang des Artikels zurück und las sorgfältig jedes Wort. Nachdem die Fakten zu dem Fall klargestellt waren, einschließlich Margie Maddens Morddrohung während des Prozesses und der Information, dass die Anwälte beider Seiten sich einig waren, den Prozess mit denselben Geschworenen fortzusetzen, ließ sich der Artikel ausführlich zum Hintergrund dieses Falles aus.

Monatelang wurde in den Boulevardblättern über die Identität der jungen Frau spekuliert, die sich an jenem Abend mit Dayne Matthews am Strand in der Paradise Cove befand und dort Opfer des Überfalls wurde. Nachdem der Prozess am Montag vertagt wurde, hielt Dayne Matthews’ Anwalt, Joe Morris, auf den Stufen des Gerichtsgebäudes eine Pressekonferenz ab und bestätigte, dass es sich bei der Frau um Katy Hart, eine Schauspielerin und Theaterregisseurin aus Bloomington, Indiana, handelt.

Katys Magen zog sich mit jedem Satz mehr zusammen. Im nächsten Absatz wurde darauf eingegangen, dass Katy damals in Los Angeles gewesen war, um für die weibliche Hauptrolle in dem Dayne-Matthews-Film Dream On vorzusprechen.

Die Rolle wurde später mit Kelly Parker besetzt, die zum damaligen Zeitpunkt und in den darauf folgenden Monaten eine Liebesbeziehung zu Matthews hatte.

Danach folgte der Teil, vor dem Katy am meisten graute.

Anwalt Morris erklärte, dass Hart zum Zeitpunkt des Überfalls in der Paradise Cove keine Liebesbeziehung zu Matthews unterhalten habe. Jedoch gibt es Fotos, die zeigen, wie Matthews nur wenige Minuten vor dem Überfall eine Frau küsst, die Hart sehr ähnlich sieht.

Herr, was soll ich jetzt nur tun?

„Hört auf und erkennt, dass ich Gott bin.“

Sie schloss die Augen und klammerte sich an diese Aussage. Es war ein Vers, den sie am Abend vor ihrem Flug nach Los Angeles gelesen hatte. Egal, wie sehr alles außer Kontrolle geriet, sie durfte nicht vergessen, dass Gott die Kontrolle hatte. Er hatte alles im Griff. Auch jetzt. Sie schaffte es, einzuatmen, und las weiter.

Morris bestritt außerdem, dass Hart der Grund gewesen sei, warum Matthews die Außenaufnahmen zu Dream On in Bloomington, Indiana, drehte. Darüber hinaus sagte er, dass die beiden trotz eines Fotos, das am Sonntagabend am Malibu Beach von Hart und Matthews aufgenommen wurde, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Liebesbeziehung hätten.
„Mein Mandant und Katy Hart sind gute Freunde“, sagte Morris. „Ihre Beziehung sollte als solche respektiert werden.“ Er lehnte es ab, das Foto von Sonntag oder Spekulationen zu einem Foto, das von dem Paar am Abend des Überfalls gemacht wurde, zu kommentieren. Matthews lebte zu der Zeit, als die Außenaufnahmen in Bloomington, Indiana, gedreht wurden, mit seiner Kollegin Kelly Parker zusammen.

An dieser Stelle endete der Artikel gnädigerweise.

Der Reporter sagte nicht, dass Katy und Dayne eine Beziehung gehabt hatten, als er in Bloomington gedreht hatte. Das war auch nicht nötig. Die Punkte waren genauso leicht miteinander zu verbinden wie ein Kinderrätsel. Es gab ein Foto, auf dem sie sich am Abend des Überfalls küssten. Dayne war während seiner Dreharbeiten in Katys Heimatstadt gewesen, und es gab ein zweites Foto, auf dem die beiden sich vor wenigen Tagen umarmt hatten.

Die Schlussfolgerungen lagen für jeden, der den Artikel las, klar auf der Hand: Natürlich hatten sie eine Beziehung. Da aus Katys Identität ein Geheimnis gemacht worden war, schloss daraus jeder, dass sie und Dayne nicht nur während des Überfalls, sondern während der ganzen Zeit ein Paar gewesen waren. Und die Schlussfolgerung, die die meisten daraus ziehen würden, war, dass Katy sich auch in der Zeit, in der Dayne mit Kelly Parker zusammengelebt hatte, heimlich mit ihm getroffen hatte.

Sie faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben sich aufs Bett. Wenn sie sich mit einem Knopfdruck nach Bloomington zurückversetzen könnte, würde sie das sofort tun. Aber noch bevor sie sich überlegen konnte, was sie als Nächstes tun sollte, begann ihr Handy zu klingeln. Sie nahm es in die Hand und warf einen Blick auf den Namen des Anrufers: Dayne. Sie öffnete es. Erst jetzt merkte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte. „Hallo?“

„Katy, hast du es gesehen?“ Dayne klang atemlos und so besorgt, wie sie ihn noch nie gehört hatte.

Sie schloss die Augen und atmete langsam ein. „Ja. Ich habe jedes Wort gelesen.“

„Hör zu, gerate bitte nicht in Panik.“ Er stöhnte und murmelte leise etwas. „Ich kann nicht glauben, dass sie das Foto vom Strand gekauft haben. Bei der ganzen Sache geht es viel mehr um mich als um dich, Katy. Das musst du mir glauben.“

„Aber sie stellen mich als ein Flittchen dar.“ In ihrer Stimme waren ihre Tränen zu hören, und sie biss die Zähne zusammen. Sie durfte nicht zusammenbrechen. Nicht jetzt. Sie hatten einen langen, anstrengenden Prozesstag im Gericht vor sich. „Jeder wird glauben, dass wir die ganze Zeit zusammen waren.“

„Katy … hör damit auf.“ Seine Stimme wurde ruhiger. „Erinnerst du dich an mein Gebet von gestern Abend?“

„Ja, natürlich.“ Sie konnte ihre Rippen nicht dazu bringen, sich so weit auszudehnen, dass sie einen vollen Atemzug zustande brachte. Stattdessen umklammerte sie das Telefon und starrte den Lichtschlitz an, der durch die geschlossenen Vorhänge ins Zimmer drang. „Ich erinnere mich daran.“

„Du musst dich auf Folgendes konzentrieren.“ Er schwieg einen Moment. „Es spielt keine Rolle, was die LA Times sagt. Es spielt keine Rolle, wenn jeder auf der Welt glaubt, du und ich hätten die ganze Zeit eine Beziehung gehabt. Alles, was zählt, ist Gott; sonst nichts. Er kennt die Wahrheit, und wir kennen die Wahrheit. Und jeder, der uns kennt, wird irgendwann auch die Wahrheit wissen.“ Seine Worte waren klar und beherrscht, ohne die Angst, die noch vor einem Moment so deutlich aus seiner Stimme gesprochen hatte. „Kannst du das glauben?“

Ihr Herz pochte so laut, dass sie Mühe hatte, ihn zu hören. Aber seine Worte beruhigten die Stürme in ihrem Kopf. Dayne hatte recht. Was machte es schon aus, wenn die Welt etwas Falsches von ihr annahm? Diese Leute kannten sie nicht. Und eines Tages, wenn sich der Staub gelegt hatte, der durch den Prozess aufgewirbelt wurde, könnte sie den Leuten, die sie kannten, die Situation erklären. Ihr Körper hörte auf zu zittern. „Ich denke schon.“

„Okay, du gehst also heute mit hoch erhobenem Haupt ins Gericht. Wir beide halten uns voneinander fern, und Joe Morris übernimmt die Medien. Er wird bei dieser Version bleiben. Du und ich sind Freunde. Gerüchte, wir hätten eine Liebesbeziehung, sind falsch. Wir schaffen das, Katy. Ganz bestimmt. Vergiss nicht: Die Medien interessieren sich nur meinetwegen für dich.“

Katys Herz pochte immer noch laut, aber nicht mehr so schnell wie vorher. „Okay.“ Sie fuhr mit der Zunge über ihre rissigen Lippen. Ihr Mund war so trocken, dass sie kaum schlucken konnte. „Ich muss mich fertig machen.“

„Gerate nicht in Panik. Bitte, Katy. Alles wird gut.“

Sie dachte daran, wie er sie am Vorabend in den Armen gehalten hatte. „Ja, gut.“ Der Frieden, den sie vorher gefühlt hatte, kehrte allmählich wieder in ihr Herz ein. „Versprochen.“

Katy ging unter die Dusche und machte sich, so schnell sie konnte, fertig. Vielleicht stand die Geschichte nur in Los Angeles in den Zeitungen, und ihre Welt in Bloomington war möglicherweise immer noch intakt. Vielleicht lasen die Flanigans und Rhonda und die Koordinatorin des christlichen Kindertheaters, Bethany Allen, heute Morgen nicht die gleiche Geschichte in der Zeitung, die in Los Angeles verbreitet wurde.

Zehn Minuten blieben Katy noch, bis Luke Baxter sie an der Hintertür des Hotels abholen würde. Sie klappte ihr Handy auf und rief Jenny an. In Bloomington war es einige Stunden später als in Kalifornien. Jenny war wahrscheinlich einkaufen, oder sie arbeitete wie so oft ehrenamtlich in Baileys Schule. Katy wartete angespannt.

Das Telefon klingelte zweimal, dreimal, dann schaltete sich die Mailbox ein. Sie legte auf, bevor die Ansage zu Ende war. Sie würde bis später warten müssen, um herauszufinden, was die Zeitungen in Bloomington an diesem Morgen schrieben. Sie nahm ihre Handtasche, schaute noch einmal in den Spiegel und bat Gott, mit ihr zu gehen.

Katy fuhr in die Hotellobby hinab und eilte zur Hintertür. Sechs Fotografen standen neben der Tür. Luke bahnte sich einen Weg zu ihr. Er würde sie vor den Journalisten abschirmen, bis sie in seinem Mietwagen saß. Sie dachte daran, davonzulaufen oder ihr Gesicht zu verbergen, aber was würde das helfen? Sie kannten ihren Namen und wussten, welche Rolle sie bei dem Prozess spielte, und sie wussten, dass sie mit Dayne in Beziehung stand.

Ignoriere sie. Das war jetzt die einzige logische Vorgehensweise. Sie könnten ihr nichts antun, und die Bilder wären nutzlos. Katy Hart, wie sie unter dem Schutz eines Mitarbeiters der Anwaltkanzlei ihr Hotel verlässt? Wirklich interessant. Hoch erhobenen Hauptes, wie Dayne gesagt hatte, gesellte sie sich zu Luke, und sie traten gemeinsam ins Tageslicht hinaus.

Die Kameras richteten sich sofort auf sie. Die Fotografen begannen, schnell hintereinander auf den Auslöser zu drücken, und machten in nur wenigen Sekunden zig Fotos. Sollten sie ruhig. Katy weigerte sich, sie anzuschauen. Nur auf die Fragen, die auf sie einprasselten, war sie nicht vorbereitet.

„Wie lang sind Sie und Dayne schon ein Liebespaar?“ Einer der Kameraleute blieb einen halben Meter vor ihr stehen und versperrte ihr so den Weg. „Sagen Sie es uns, Katy. Seit wann?“

Luke streckte den Arm aus. „Treten Sie zur Seite, bitte.“

Katy fühlte, wie ihr Gesicht zu glühen begann. Sie erinnerte sich an eine Geschichte in einem Boulevardblatt von einem berühmten Popstar, der einem Fotografen ein volles Glas Limonade ins Gesicht gekippt hatte. Und an eine andere Geschichte, als ein bekannter, normalerweise ruhiger Filmstar einen Paparazzo zu Boden geschlagen hatte. Kein Wunder. Ihr Blick blieb auf Lukes Auto gerichtet, und sie ließ sich von ihm um den Fotografen herumführen.

„Haben Sie mit Dayne geschlafen, während er mit Kelly Parker zusammengelebt hat?“

„Wo haben Sie und Dayne sich während der Außendreharbeiten für Dream On in Bloomington getroffen?“

Die Fragen verschwammen zu einem lauten Chor und ihr wurde übel. Kämpfe, Katy … geh weiter, sagte sie zu sich selbst. Noch drei Sekunden, zwei … sie erreichte die Beifahrertür von Lukes Auto. Er hielt sie ihr sofort auf, sie stieg ein, und sobald Luke die Tür hinter ihr zugemacht hatte, verriegelte sie das Schloss. Die Paparazzi umringten ihre Seite des Autos und machten unaufhörlich Bilder, auch als Luke schon anfuhr.

Er stieß ein frustriertes Seufzen aus. „Geier.“

Katy bekam nicht genug Luft, um ihm eine Antwort zu geben. Alles, was sie sich vorher in ihrem Hotelzimmer klargemacht hatte, jedes vernünftige Wort, das Dayne zu ihr gesagt hatte, war wie weggeblasen.

„Alles in Ordnung?“ Luke blieb erstaunlich ruhig. Er bog auf die Hauptstraße, ohne auf die aufheulenden Motoren und quietschenden Reifen hinter sich zu achten.

„Ich … ich weiß nicht.“ Sie sackte auf ihrem Sitz zusammen. Wie kam sie überhaupt hierher? Sie wollte dieses Leben nicht, oder? War das nicht der Grund gewesen, warum sie die Rolle in Dream On abgelehnt hatte? War das nicht der Lebensstil, der ihren ersten Freund, Tad Thompson, dazu gebracht hatte, Drogen zu nehmen? Vielleicht hatte er sie genommen, weil er keinen anderen Ausweg gesehen hatte. Dieser Gedanke jagte ihr Kälteschauer über den Rücken.

Tränen brannten in ihren Augen, und sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Sechs Autos verfolgten sie. Sie war die Story des Tages. Die Fotografen würden nicht von ihr ablassen. Wenigstens nicht so bald. Das brachte sie auf einen anderen Gedanken. Was war, wenn Dayne sich irrte? Was war, wenn das Interesse der Paparazzi auch nach dem Prozess nicht nachließ und sie ihr bis nach Bloomington folgten? Und wie sollten sie und Dayne ohne Gottes Eingreifen je wieder wie gestern Abend einen Moment zu zweit allein haben können?

„Katy … das ist bald wieder vorbei.“ Luke blieb vor einer roten Ampel stehen und schaute sie an. „Dayne hat uns gewarnt, dass es so sein würde, aber es wird vergehen, sobald sie etwas anderes finden, worauf sie sich stürzen können.“

Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen. Sie nickte und richtete ihren Blick für den Rest der Fahrt nach vorne. Auf dem ganzen Weg rief sie sich ins Gedächtnis, dass Dayne und Luke recht hatten: Die Neugier und die Kameras konnten der Person, die sie in Wirklichkeit war, nichts anhaben. Aber ihr war während der ganzen Fahrt übel, und es wurde noch schlimmer, als Luke sie durch die Hintertür des Gerichtsgebäudes führte.

Die Paparazzi waren auf die Idee gekommen, dass es auch einen Hintereingang geben könnte. Dutzende Kameraleute säumten den Gehweg.

Katy und Luke waren schon halb durch die Tür und wichen den Fragen und Kameras aus, als etwas Sonderbares passierte. Einer der Fotografen, der weiter hinten stand, schrie: „Dayne, sag uns, wie lange du und Katy schon ein Paar seid.“

Luke blieb einen Moment verwirrt stehen. „Mein Name ist Luke Baxter. Ich arbeite für Dayne Matthews’ Anwalt.“ Er hielt sich die Hand als Schild über die Augen und rief seine Worte in die Richtung, aus der die Frage gekommen war. „Wir geben im Moment keinen Kommentar ab.“

Er legte den Arm um Katys Schulter und führte sie ins Innere des Gebäudes. Als die Türen hinter ihnen ins Schloss gefallen waren, schüttelte er den Kopf. „Die Leute in unserer Kanzlei sagen auch, dass ich Dayne ähnlich sehe.“

In diesem Moment waren die Paparazzi vergessen. „Ja.“ Katy hielt die Luft an und betrachtete ihn. „Gestern … Ihre Stimme, die Art, wie Sie sich bewegen. Alles an Ihnen hat mich an Dayne erinnert.“

Luke zuckte die Achseln, und ein bekanntes Lächeln, Daynes Lächeln, spielte sich um seine Lippen. „Es heißt, jeder hätte irgendwo auf der Welt einen Doppelgänger.“

Sie kniff die Augen zusammen und staunte über die Ähnlichkeit. „Anscheinend.“

„Meine Frau sagt aber, dass ich besser aussehe.“ Luke lachte. „Ich glaube, sie ist ein bisschen voreingenommen.“ Er ging ein paar Schritte. „Kommen Sie, gehen wir in den Gerichtssaal.“

Die Presseleute waren wieder vollständig erschienen und fotografierten Katy, während sie mit Luke in den Gerichtssaal trat. Wenigstens konnten sie ihr hier keine Fragen zurufen. Sie wechselte einen Blick mit Dayne, um sich kurz zu vergewissern, dass er zuversichtlich und ruhig war.

Katy sah hinüber zum Tisch der Verteidigung. Margie Madden saß neben dem grauhaarigen Anwalt. Sie trug Handschellen und sah entspannter aus als gestern. Vielleicht hatte man ihr Medikamente gegeben, um sie ruhigzustellen.

Trotzdem zog sich Katys Magen zusammen, und sie hatte weiche Knie. Sie war nicht sicher, was als Nächstes passieren würde. Luke setzte sich neben sie. Hin und wieder tätschelte er ihren Arm, trotzdem entspannte sich ihr Magen nicht, und sie atmete flach und hastig.

Der Prozesstag begann, und Dayne wurde wieder in den Zeugenstand gerufen. Erst jetzt hatte Katy wirklich das Gefühl, dass sie diesen Tag überleben könnte. Nicht wegen irgendetwas, das irgendjemand gesagt hatte, oder wegen der Atmosphäre im Gerichtssaal. Sondern weil sie zum ersten Mal einen Grund hatte, Dayne anzuschauen und in seinen Augen zu versinken. Was sie dort sah, verriet ihr, dass er Frieden hatte, und vor allem, dass er betete.

Es war wirklich unglaublich, dass er mehr Reife in seinem Glauben zeigte als sie, obwohl sie schon so lange Christin war. Aber er war mit demselben Glauben aufgewachsen. Alle Wahrheiten der Bibel waren seit seiner Kindheit ein Teil seines Lebens gewesen. Jetzt, da er diesen Glauben bewusst angenommen hatte, war er stärker, als Katy erwartet hätte. Er war so stark, dass er ihr Geborgenheit und Schutz gab.

Als kleines Mädchen hatte sie gelernt, dass die Augen das Fenster zur Seele sind. Ein Blick auf Dayne verriet ihr, dass seine Seele nicht von Angst erfüllt war, so wie ihre vor ein paar Minuten. Sie war von Gott erfüllt.

Und Gott würde sie beide durch das tragen, was als Nächstes auf sie zukommen würde.

Kapitel 9

Dayne sehnte sich so sehr danach, mit Katy allein zu sein, sie in die Arme zu nehmen und ihr tröstende Worte zuzuflüstern, wie er es am Vorabend getan hatte. Er wollte ihr versichern, dass alles gut werden würde, egal, wie es sich in diesem Moment anfühlte. Aber er konnte nur kühl und beherrscht im Zeugenstand sitzen.

Das war der Teil des Prozesses, um den Dayne sich die meisten Sorgen machte. Er und Tara Lawson hatten mit seinem Anwalt ausgearbeitet, dass die Fragen in eine andere Richtung gelenkt würden als zu den Ereignissen, die Dayne und Katy am Abend des Überfalls an den Strand geführt hatten. Jetzt konnte er nur mit jedem Atemzug beten, dass die Informationen vage bleiben würden, dass er nicht gezwungen werden würde zuzugeben, dass sie sich geküsst oder über etwas anderes gesprochen hatten als über Katys mögliche Rolle in einem Film.

Katy litt schon jetzt darunter, dass sie so stark im Blitzlichtgewitter stand, aber die Neugier der Presse hatte erst begonnen. Neben den Boulevardblättern würde der Times-Artikel harmlos aussehen. Aber bis dahin wäre wenigstens Zeit, um mit Katy zu sprechen. Er wollte unbedingt verhindern, dass alles noch schlimmer wurde.

Bis jetzt waren Taras Fragen perfekt. Statt dem Thema, warum Dayne am Strand gewesen war, auszuweichen, sprach sie es direkt an und sorgte dafür, dass die Informationen auf einer professionellen Ebene blieben. „Mr Matthews, können Sie den Geschworenen sagen, mit wem Sie am Abend des Überfalls zusammen waren?“

Dayne beugte sich über das Mikrofon. „Ich war mit einer Schauspielerin zusammen. Mit Katy Hart.“

„Warum waren Sie an jenem Abend mit Katy Hart in der Paradise Cove?“

„Wir sprachen darüber, dass sie eine Hauptrolle in einem meiner Filme annehmen könnte.“ Er zuckte die Achseln. „Ich fuhr mit ihr zur Paradise Cove, weil es ein privater Strand ist und man dort von den Paparazzi nicht belästigt wird.“

„Verstehe.“ Tara blieb weiterhin sehr sachlich. „Sie und Miss Hart waren in der Paradise Cove, um geschäftliche Fragen zu besprechen. Können Sie uns schildern, was passierte, als Sie den Strand verließen und zu Ihrem Auto gingen?“

Und schon drehten sich die Fragen um etwas anderes als um die Zeit, die er und Katy allein am Strand gewesen waren. Er widerstand dem Drang, Katy anzugrinsen. Stattdessen schaute er sie nur kurz an, um ihr zu signalisieren, dass es gut lief und dass er nichts im Zeugenstand sagen würde, das ihr schaden könnte.

Während der nächsten Stunde schilderte Dayne ausführlich Margie Maddens Angriff. Zum größten Teil blieb die Angeklagte in dieser Zeit still und in sich gekehrt und richtete den Blick auf den Tisch vor sich. Dayne war sich ziemlich sicher, dass sie mit Valium oder irgendeinem anderen Medikament ruhiggestellt worden war.

Tara trat näher zum Zeugenstand. In ihrem maßgeschneiderten Kostüm und mit ihrer Aktenmappe sah sie bis aufs Haar so aus, wie man sich eine ehrgeizige, selbstsichere Staatsanwältin vorstellte. „Können Sie die Frau identifizieren, die aus den Büschen gesprungen ist und Miss Hart ein Messer an die Kehle gedrückt hat?“

Dayne deutete auf Margie Madden. „Sie sitzt dort, am Tisch der Verteidigung.“

Zum ersten Mal an diesem Vormittag rührte sich Margie. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf Dayne und schaute ihn finster an. „Du bist ein lausiger Ehemann.“ Die Worte waren gesagt, bevor ihr Anwalt eingreifen konnte.

Im hinteren Teil des Gerichtssaals entstand Bewegung. Die Kameras richteten sich schnell auf sie, und die über zwanzig Reporter zückten ihre Notizblöcke, um dieses Zitat festzuhalten.

Dayne konzentrierte seinen Blick wieder auf Tara. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Anwalt streng mit seiner Mandantin sprach.

Die Staatsanwältin tat, als hätte sie Margies Bemerkung nicht gehört. „Mr Matthews, hat die Angeklagte gedroht, Miss Hart zu töten?“

„Ja.“ Dayne konnte die Blicke der Geschworenen auf sich fühlen, er merkte, dass sie sich aufgrund seiner Zeugenaussage ein Urteil bilden wollten.

„Hat die Angeklagte gedroht, auch Sie zu töten, Mr Matthews?“

„Ja, das hat sie.“ Dayne wandte den Blick nicht von Tara ab und benahm sich genauso professionell wie sie.

„Glaubten Sie, Mr Matthews, dass die Angeklagte tatsächlich die Absicht hatte, Miss Hart zu töten?“

„Ja, ich glaube, dass sie die Absicht hatte, Miss Hart zu töten. Eindeutig.“ Wieder gerieten die Medien in Bewegung. Die Geschichte musste für sie unwiderstehlich sein.

Tara schritt zur Geschworenenbank und blätterte in ihren Notizen. Dayne hätte ihr am liebsten begeistert applaudiert. Es war perfekt, wie sie den zwölf Männern und Frauen die Gelegenheit gab, ihren Blick zwischen Dayne und Margie Madden hin und her wandern zu lassen, und ihnen Zeit ließ, das, was an jenem Abend passiert war, zu verarbeiten. Die Angeklagte hatte gedroht, zwei Menschen zu töten, und hatte die feste Absicht gehabt, diese Drohung in die Tat umzusetzen.

Nach einer langen Pause schaute Tara Dayne an. „Glauben Sie, dass die Angeklagte Sie getötet hätte, wenn sie eine Gelegenheit dazu bekommen hätte?“

„Ja.“

„Und warum hat sie Sie nicht getötet?“

„Einspruch.“ Der grauhaarige Anwalt sah resigniert aus. Es schwammen ihm zwar alle seine Argumente davon, aber er war nicht bereit, kampflos unterzugehen. Er sprang auf. „Die Staatsanwältin beeinflusst den Zeugen, Euer Ehren.“

„Einspruch stattgegeben.“ Richter Nguyen nickte Tara zu. „Bleiben Sie sachlich, Frau Staatsanwältin.“

„Ja, Euer Ehren.“ Tara nickte ernst und reumütig. Sie schaute noch einmal auf ihre Notizen und versuchte es dann erneut. „Mr Matthews, was geschah, nachdem die Angeklagte gedroht hatte, Miss Hart zu töten?“

„Ich schlug ihr mit dem Fuß das Messer aus der Hand, packte sie und warf sie zu Boden.“

„Warum haben Sie das getan?“

Daynes Tonfall blieb ernst. „Die Angeklagte hatte Miss Hart das Messer an die Kehle gedrückt. Wenn ich nichts unternommen hätte, hätte sie Miss Hart getötet.“

Die Befragung ging weiter. Tara war kurz vor der Mittagspause fertig, und der Richter ordnete eine Stunde Pause an.

Dayne kehrte sofort zu seinem Platz neben Joe Morris zurück, und die Gruppe verschwand schweigend in dem Besprechungszimmer neben dem Gerichtssaal. Sobald sie in diesem Raum waren, ging Dayne auf Katy zu und nahm sie in die Arme.

„Wie geht es dir?“, flüsterte er ihr ins Ohr. Die anderen im Raum unterhielten sich in kleinen Gruppen und gaben ihnen damit so viel Privatsphäre, wie in dem vollen Raum möglich war.

„Mir geht es gut. Wirklich.“ Sie lächelte, aber er konnte die Angst in ihren Augen sehen. „Du machst dich dort vorne ausgezeichnet.“

„Danke.“

„Ich habe uns Essen bestellt. Es wird heraufgebracht“, verkündete Tara Lawson. „Ich denke, Joe will vorher ein paar Minuten mit Dayne und Katy sprechen.“ Sie deutete zum Flur. „Und ich muss mit meinen Mitarbeitern noch einige Details durchgehen.“

Joe sah zu Dayne und Katy hinüber. „Sie hat recht. Wir müssen über die heutigen Zeitungsartikel sprechen.“

Dayne wollte Katy fragen, ob sie spürte, dass er für sie betete, aber jetzt war dafür nicht der richtige Zeitpunkt. Deshalb drückte er nur kurz ihre Hand und führte sie zum Tisch, an dem Joe saß.

In diesem Moment fühlte er sich völlig ausgelaugt, obwohl er den ganzen Vormittag gebetet hatte. Er hatte in der Beziehung zu Katy immer das Gefühl, sie gingen einen Schritt vor und dann wieder einige Schritte zurück und rutschten in ein immer tieferes Loch. Dabei wollte er nichts anderes, als nach vorne zu gehen und ihr zu sagen, was er wirklich fühlte, und Pläne schmieden, wie sie den Rest ihres Lebens zusammen sein könnten. Hier, in dem stickigen, fensterlosen Raum erschien ihm die Vorstellung, dass sie das je schaffen könnten, völlig unmöglich.

„Mir hat der Artikel heute Morgen überhaupt nicht gefallen.“ Joe hatte ein Exemplar der LA Times bei sich. Er breitete die Zeitung auf dem Tisch aus.

Dayne warf einen Blick auf Katy. Ihr Gesicht sah noch blasser aus als vorher. Er wusste, dass sie die Zeitung schon gelesen hatte. Aber sie noch einmal zu sehen musste eine neue Welle des Entsetzens durch ihren Körper jagen. Er verschränkte die Arme vor sich auf dem Tisch. „Der Artikel hat keinem von uns gefallen.“

„Ich kann nicht glauben, dass sie das Bild vom Strand gebracht haben.“ Katys Stimme war leise, aber wütend.

„Nächste Woche wird es in allen Boulevardblättern zu sehen sein.“ Joe schaute sie mit hochgezogener Braue an. „Darauf sollten Sie sich einstellen.“

Sie nickte und hatte die Lippen fest zusammengepresst.

Bis das Essen kam, sprachen sie über ihre weitere Strategie in Bezug auf die Presse. Sie würden bei der Version bleiben, dass Katy und Dayne kein Liebespaar waren, egal welche Andeutungen oder Spekulationen in den Boulevardblättern verbreitet wurden.

„Vergessen Sie nicht: Sie sitzen nicht auf der Anklagebank. Sie sind der Presse keine Rechenschaft schuldig.“

„Aber was ist, wenn sie Informationen über Katys Beruf ausgraben, über ihre Arbeit im christlichen Kindertheater?“

„Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.“ Joe lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und senkte leicht den Kopf. „Heute werde ich eine weitere Pressekonferenz halten. Ich habe die Medien bereits informiert. Sie sind gierig. Deshalb werden sie alle da sein.“

„Und …?“ Dayne war verwirrt. Er wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte, aber welches Ziel verfolgte er?

Joe deutete auf die Zeitung. „Die Presse hat einen indirekten Angriff auf Katy Harts Charakter gestartet.“ Er lächelte, und sein Selbstvertrauen schien die Atmosphäre im Raum zu entspannen. „Katy ist eine Privatperson. Dass jemand wie Sie mit einer Verleumdungsklage Erfolg hat, Dayne, ist sehr schwer. Sie sind eine öffentliche Person und damit fast Freiwild.“

Dayne stieß ein trauriges Schmunzeln aus. „Wem sagen Sie das?“

„Aber, Katy, bei Ihnen muss die Presse viel vorsichtiger sein. Deshalb werde ich heute bei der Pressekonferenz allen Medienvertretern etwas klarmachen: Wir werden gegen jeden, der etwas gegen Sie veröffentlicht, das wir in irgendeiner Weise als rufschädigend oder als eine Verletzung Ihrer Privatsphäre betrachten, eine Verleumdungsklage führen.“

Dayne lehnte sich zurück und strich sich über das Kinn. „Ich sehe dabei zwei Probleme.“

„Okay.“ Joe schaute ihn aufmerksam an.

Katy saß zwischen ihnen und beobachtete die beiden mit großen Augen.

„Erstens: Wenn die Behauptungen wahr sind, macht das eine Verleumdungsklage zunichte, oder? Ich habe im College ein Seminar darüber belegt, und ich erinnere mich, dass eine Verleumdungsklage keine Aussicht auf Erfolg hat, wenn die Beklagten beweisen können, dass ihre Behauptungen wahr sind.“ Dayne sprach, ohne zu zögern, weiter. „Das zweite Problem ist noch größer. Dadurch, dass Katy in einen Prozess von dieser Größe verwickelt ist, und dadurch, dass sie mit mir in Verbindung steht, wird sie zu einer Person des öffentlichen Interesses. Das heißt, eine Verleumdungsklage ist genauso schwer durchzubringen, wie wenn ich das Opfer wäre.“

„Ich bin beeindruckt.“ Joe lächelte immer noch. Er nickte nachdenklich. „Sie kennen sich im Medienrecht gut aus, aber eines haben Sie vergessen.“

Jetzt schaute Dayne ihn erwartungsvoll an. Er hoffte, dass Joe noch einen Trumpf im Ärmel hatte. Ihm gefiel die Richtung, die Joe einschlagen wollte. Falls er Aussicht auf Erfolg hatte.

„Die Paparazzi kennen sich im Medienrecht vielleicht auch gut aus, aber niemand – nicht einmal billige Klatschblätter – wollen einen Prozess am Hals haben. Selbst wenn sie den Prozess gewinnen, kann sie das viel Zeit, Geld und Ansehen kosten. Solange wir die Presse mit einigen Informationskrümeln füttern, ist es klüger von ihnen, Katy in Ruhe zu lassen. Sie kennen jetzt ihren Namen, und sie werden sicher versuchen, in dieser Woche noch mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Aber sie werden die Finger von ihrer Vergangenheit lassen. Spätestens dann, wenn ich der Presse erkläre, wie ernst es uns ist.“ Joe sah beide eindringlich an. „Sie beide müssen sehr, sehr vorsichtig bei allem sein, was Sie tun, solange Sie zusammen in Los Angeles sind.“

„Das werden wir.“ Dayne wandte sich an Katy. „Das habe ich auch schon überlegt.“

Katy griff nach ihrer Wasserflasche, schraubte den Deckel ab und trank einen Schluck. „Aber was ist, wenn sie dadurch noch neugieriger werden und denken, wir würden vielleicht etwas verstecken oder so?“

„Es kann sein, dass sie nachforschen.“ Joe schlug die Beine entspannt übereinander. Er sah nicht im Geringsten besorgt aus. „Aber was können sie schon finden, Katy? Sie arbeiten in einem christlichen Theater. Das ist nicht so interessant, dass man dafür eine Verleumdungsklage riskiert. Ich schätze, dass sie davon die Finger lassen und eher versuchen, in dieser Woche mehr über Sie und Dayne herauszufinden. Jeder Reporter glaubt, dass Sie beide ein Liebespaar sind. Sie sind wie Bluthunde gierig darauf aus, wer es als Erster beweisen kann.“

Katy nickte. Ihr Gesicht war wieder blass geworden. Sie warf einen Blick auf Dayne, und er konnte ihre Gedanken lesen. Joe hatte recht. Sie mussten vorsichtig sein. Sie durften in keiner zweideutigen Situation miteinander erwischt werden. Eine Umarmung, ein schneller Kuss an ihrem ersten Abend in Los Angeles war eine Sache. Freunde konnten sich umarmen, und in Hollywood konnten sie sich sogar küssen. Aber ein leidenschaftlicherer Kuss oder irgendetwas in der Art würde beweisen, dass die Medien recht hatten. Das würde Katy in die Rolle von Daynes Freundin katapultieren und damit wäre sie eindeutig eine Person des öffentlichen Interesses. Dann könnten alle Reporter über sie sagen, was sie wollten, und bräuchten sich keine Sorgen wegen irgendwelcher Verleumdungsklagen machen.

Dayne legte seine Hand auf ihre. „Mach dir keine Sorgen. Wir passen auf, Katy. Das verspreche ich dir.“

Sie trank noch einen Schluck Wasser. „In meinem Kopf dreht sich alles.“

„Ich glaube, die Pressekonferenz heute wird viel dazu beitragen, den Druck von Ihnen zu nehmen.“ Joe faltete die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Aktentasche. „Ich habe ein gutes Gefühl dabei.“

„Danke, Joe.“ Dayne musste ihm recht geben. Gott kümmerte sich in der Person seines Anwalts um sie. Die Drohung mit einer Verleumdungsklage war eine gute Idee. „Ich wiederhole mich: Gute Arbeit! Wenn Sie mit ihnen gesprochen haben, möchte ich gern wissen, wie sie reagiert haben.“

„Ich halte Sie auf dem Laufenden.“

Bevor Joe mit einem anderen Thema beginnen konnte, kam Luke Baxter vom Gespräch mit dem Staatsanwaltsteam draußen auf dem Gang zurück. Er setzte sich zu ihnen an den Tisch und schaute Dayne an. „Es ist gerade wieder zweimal passiert.“

Dayne war so in sein Gespräch mit Joe vertieft gewesen, er war so mit seiner Zeugenaussage und seiner Sorge um Katy beschäftigt gewesen, dass er keine Zeit gehabt hatte, seinem Bruder ins Gesicht zu schauen. Als er es jetzt tat, stockte ihm der Atem. Luke hatte so viel Ähnlichkeit mit ihm, und in diesem Moment sehnte er sich schmerzlich danach, ihm das zu sagen, ihn zu umarmen und ihm dafür zu danken, dass er sich heute Morgen um Katy gekümmert hatte. Stattdessen nahm er seine Wasserflasche und schraubte den Deckel ab. „Was ist passiert?“

Luke lachte. „Sie glauben, ich wäre Sie.“

„Das ist heute schon einmal passiert.“ Katy wandte sich den beiden zu und musterte sie aufmerksam. „Wir gingen über den Gehweg, und einer der Fotografen stellte Luke eine Frage, als wäre er du.“

Dayne merkte, wie sich in seinem Kopf alles zu drehen begann. Er war müde und erschöpft, er hatte es satt, den Kampf gegen die Presse zu kämpfen, und er sehnte sich verzweifelt nach einem normalen Leben. Er hatte Gott gebeten, ihn zu führen, aber er wusste ganz genau, dass es ein langer Weg sein würde, ein fast unmöglicher Weg. In diesem Moment hätte er gern eine Abkürzung genommen und Katy die Wahrheit gesagt und Luke erklärt, dass es einen Grund dafür gab, warum er mit ihm verwechselt wurde. Natürlich sahen sie sich ähnlich.

Schließlich waren sie Brüder.

Stattdessen hielt er die Luft an und atmete langsam durch zusammengepresste Lippen aus. Er brachte ein ungezwungenes Lachen zustande. „Vielleicht ist das die Lösung. Wir schicken Sie in die eine Richtung, und ich gehe in die andere.“ Er grinste Katy an. „Morgen ist dann ein Foto von Luke in der Zeitung, und uns ist eine Pause vergönnt.“

Luke lachte, aber Katy ließ die Ähnlichkeit der beiden nicht los. In den nächsten Minuten betrachtete sie mehrmals Luke und dann wieder Dayne. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ihr seid sicher, dass ihr nicht miteinander verwandt seid?“

„Wie ich schon sagte …“ Luke zuckte die Achseln. „Jeder hat irgendwo auf der Welt einen Doppelgänger.“

Die Mittagspause verging schnell. Bald saß Dayne wieder im Zeugenstand und wurde jetzt vom Anwalt der Verteidigung befragt. Tara hatte ihn gewarnt, dass der Anwalt ihn nur aus einem einzigen Grund befragen würde: Er wollte genauere Details darüber, was Dayne und Katy am Strand gemacht hatten, um dadurch ihre Fähigkeit, die Fakten in Bezug auf Margie richtig wiederzugeben, in Frage zu stellen.

Mit anderen Worten: Wenn sie eine romantische Stunde am Strand verbracht hatten, könnte der Anwalt an ihrer Zeugenaussage zu den ersten Aspekten des Überfalls rütteln. Joe hatte erklärt, dass Dayne und Katy schon sehr stark hätten abgelenkt sein müssen, um die fraglichen Details durcheinanderzubringen. Dazu hätten sie am Strand liegen müssen, möglicherweise sogar entkleidet. Und etwas in der Art wollte Margie Maddens Anwalt nun aus Dayne herauslocken.

Daynes Magen zog sich bei der Vorstellung zusammen, dass seine eigene Zeugenaussage einen solchen Eindruck von Katy erwecken könnte, die so ehrlich und rein und rechtschaffen war. Sie hatten sich an jenem Abend nur kurz geküsst. Er würde den Zeugenstand erst verlassen, wenn er alle davon überzeugt hatte.

Sobald die Befragung begann, wappnete sich Dayne. Tara hatte recht. Der Verteidiger zielte unübersehbar in diese Richtung. „Mr Matthews, am Strand war es zum Zeitpunkt des Überfalls dunkel; ist das richtig?“

„Ja, das ist richtig.“

„Und Sie waren … mit Katy Hart beschäftigt, bevor Sie irgendjemanden auf sich zukommen sahen; ist das richtig?“

„Wir haben miteinander gesprochen, ja.“ Daynes Magen zog sich zusammen.

Der grauhaarige Mann hielt die Hand hoch und schritt durch den Saal. Er lächelte Dayne über die Schulter an. „Sie waren mit einer schönen, jungen Schauspielerin nach Einbruch der Dunkelheit an einem Privatstrand.“ Er schmunzelte. „Man könnte also sagen, dass Sie mehr taten als nur miteinander sprechen. Ist das nicht richtig, Mr Matthews?“