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Jean-François de Lapérouse

(1741–1788), geb. im südwestfranzösischen La Gua bei Albi, entstammte einer Patrizierfamilie. Bereits mit 15 Jahren ging er zur französischen Marine und segelte, inspiriert von den Fahrten Bougainvilles, von 1772–1776 zur Erweiterung seiner geografischen Kenntnisse zu den französisch beherrschten Kolonien im Indischen Ozean. 1785 wurde er von Ludwig XVI. beauftragt, die Geografie und Handelsmöglichkeiten im Pazifischen Raum zu erforschen. Lapérouse gilt seit 1788 als verschollen.

Der Herausgeber und Übersetzer

Klaus Fischer, geb. in Worms am Rhein, hat in Heidelberg, München und Paris Soziologie und Geschichte studiert und lebt als freier Schriftsteller in Baden-Baden. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, insbesondere zur französischen Literatur.

Zum Buch

»Hat man Nachrichten von Lapérouse? – Nein, Majestät.«

LUDWIG XVI.

Noch am Vorabend seiner Hinrichtung 1793 erkundigt sich König Ludwig XVI. nach dem Schicksal des Weltumseglers Jean-François Lapérouse. Denn der war seit 1788 verschollen …

Lapérouse sticht ursprünglich, begleitet von einer Reihe angesehener Wissenschaftler, am 1. August 1785 in See, um die amerikanische Westküste und die nahezu unbekannte Region zwischen Korea, Japan und Ostsibirien zu erforschen. Die neuen Entdeckungen und Erkenntnisse sollen Frankreichs weltweites Ansehen mehren. Drei Jahre später gelangen durch einen Kurier erste Aufzeichnungen der Weltreise nach Paris, wenig später schickt Lapérouse selbst weitere Berichte in die Heimat. Aber dann verliert sich seine Spur …

Jean-François Lapérouse begeistert sich bereits in jungen Jahren für Expeditionen auf dem Seeweg und meldet sich bei der Marine. Ausgerüstet mit einem Team aus hochkarätigen Forschern soll er schließlich ab 1785 im Auftrag König Ludwigs XVI. den Pazifik auf Geografie und Handelsrouten erforschen. Es soll die prestigeträchtige Weltumseglung Frankreichs werden. Doch nachdem 1787 der zweite Kapitän auf Samoa von Einheimischen getötet wurde, war das Glück der Expedition nicht mehr hold. Nur noch ein Jahr erhält man in Frankreich Nachrichten von Lapérouse. Dann bricht die Verbindung zu den Weltumseglern ab. Vermutlich wurden beide Schiffe in der flachen Lagune von Vanikoro Opfer eines Tropensturms. Suchaktionen nach der Besatzung der verschollenen Schiffe erschweren die napoleonischen Kriege. Erst 1828 findet der Seefahrer Jules Dumont d’Urville in melanesischen Gewässern Überreste der Fregatten seines Vorgängers und entschlüsselt Lapérouses tragisches Ende.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Jean-François de Lapérouse
1741–1788

Jean-François de Lapérouse

Zu den Klippen
von Vanikoro

Weltreise im Auftrag Ludwig XVI.

1785 – 1788

Nach Lapérouses Tagebüchern
aufgezeichnet von M. L.-A. Milet-Mureau,
übersetzt, bearbeitet und herausgegeben
von Klaus Fischer

Mit 30 zeitgenössischen
Abbildungen und 4 Karten

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Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014
Der Text wurde behutsam revidiert
nach der Ausgabe Edition Erdmann Stuttgart und Wien, 1987
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
nach der Gestaltung von Nele Schutz Design, Munchen
Bildnachweis: Gaspard Duche de Vancy, Inselbewohner und Monumente der
Osterinsel (Insulaires et monumens de l’ile de paque),
mauritius images GmbH, Mittenwald
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0420-2

www.marixverlag.de

INHALT

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Nachtrag zur Reise des Kapitäns Lapérouse

Glossar

Karten

Bibliographie

Bildnachweis

ERSTES KAPITEL

Die ehedem verbreitete Entdeckungslust schien ganz erloschen zu sein. Die Reise, die Ellis im Jahr 1747 zur Hudson Bay unternommen hatte, hatte die Erwartungen derer nicht erfüllt, die zu diesem Unternehmen Geld vorgeschossen hatten. Am 1. Januar 1739 glaubte Kapitän Bouvet, unter dem 54. Grad gegen Süden Land wahrgenommen zu haben. Heute vermutet man, dass das, was er als Land ansah, nur eine Eisbank war. Durch diesen Irrtum wurde der Fortschritt in der Geographie merklich gehemmt.

Im Jahr 1764 unternahmen die Engländer unter dem Kommando von Kommodore Byron eine neue Expedition. Die Berichte von dieser Reise, wie die von den Seefahrern Wallis, Carteret und Cook, sind allgemein bekannt.

Im Monat November 1766 stach Herr de Bougainville, von Nantes aus, mit der Fregatte La Boudeuse und dem Fleutschiff L’Étoile in See. Er schlug fast denselben Weg ein wie die vorgenannten englischen Seefahrer, und es gelang ihm, mehrere Inseln zu entdecken. Seine fesselnde Beschreibung dieser Reise trug nicht wenig dazu bei, den Franzosen jenen Geschmack an Entdeckungen beizubringen, der sich in England so energisch äußerte.

Im Jahr 1771 erhielt Herr de Kerguelen den Auftrag zu einer Reise nach dem Südkontinent. Die Existenz eines solchen Kontinents wurde zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr von Geographen bezweifelt. Im Dezember dieses Jahres entdeckte er eine Insel, die er jedoch des schlechten Wetters wegen nicht betreten konnte. Da ihm die Ideen aller europäischen Wissenschaftler in Fleisch und Blut übergegangen waren, nahm er fest an, ein Vorgebirge des Südkontinents vor sich zu sehen. Er hatte es so eilig, diese Neuigkeit zu Hause bekanntzumachen, dass er sogleich umkehrte. In Frankreich wurde er wie ein neuer Christoph Columbus empfangen.

Herr de Kerguelen erhielt den Auftrag, sich abermals einzuschiffen, um den Kontinent, den er angeblich gesehen hatte, zu vermessen. Bekanntlich blieb diese zweite Reise erfolglos. Selbst ein Kapitän Cook, der erfahrenste und geschickteste aller Seefahrer, wäre mit einem Kriegsschiff mit vierundsechzig Kanonen, einer Fregatte mit zweiunddreißig Kanonen und siebenhundert Mann Besatzung bei diesem Unternehmen gescheitert; er hätte entweder das Kommando abgelehnt oder sich für eine vernünftigere Ausrüstung entschieden. Kurz, Herr de Kerguelen kam so ununterrichtet wie das erste Mal nach Frankreich zurück. Von nun an sah man in Frankreich von Entdeckungsreisen ab. Der Krieg von 17781 hatte zur Folge, dass man an ganz andere Dinge dachte. Man vergaß bei uns allerdings nicht, dass der Kriegsgegner die Discovery und die Resolution in See geschickt hatte. Da Kapitän Cook daran arbeitete, im Interesse aller die Kenntnisse der zivilisierten Welt zu vertiefen, betrachteten ihn alle Nationen Europas als ihren Freund.

Die Reisen der verschiedenen englischen Seefahrer trugen unstreitig viel dazu bei, unser geographisches Wissen zu erweitern. Den Entdeckern galt die Bewunderung der ganzen Welt. Allen voran zollte man Kapitän Cook, seinem seltenen Talent und großen Charakter, Anerkennung. Aber auf einem so weitläufigen Feld wie dem der Wissenschaft, von der wir heute wissen, dass sie die Sitten mildert und vielleicht mehr noch als gute Gesetze zum Glück der Menschheit beiträgt, vermag ein Einzelner nicht alles. Noch auf Jahrhunderte hinaus wird es ihr nicht an Aufgaben fehlen; noch sind neue Kenntnisse zu erwerben, Küsten zu vermessen, Pflanzen, Bäume, Fische und Vögel zu beschreiben, Mineralien und Vulkane zu beobachten, fremde Völker zu studieren und deren Glück zu mehren. Eine mehlhaltige Pflanze oder eine neue Obstart sind für die Bewohner der Südseeinseln unschätzbare Wohltaten.

Diese und ähnliche Überlegungen führten dazu, dass man in Frankreich nach dem Frieden von 1783 wieder eine Weltreise ins Auge fasste. Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen sollten an dieser Expedition teilnehmen. Herr Dagelet von der Académie des sciences und Herr Monge, beide Dozenten für Mathematik an der École militaire, wurden als Astronomen verpflichtet; Herr Dagelet ging an Bord der Boussole, Herr Monge an Bord der Astrolabe. Herr de Lamanon, Mitglied der Akademie von Turin und Korrespondent der Pariser Académie des sciences, erhielt den Auftrag, den Teil der Naturgeschichte zu bearbeiten, der von der Beschaffenheit der Erde und der Atmosphäre handelt, also die sogenannte Geologie. Abbé Mongès, Stiftsherr der Sainte-Géneviève-Kirche in Paris und Herausgeber des »Journal de physique«, sollte die Mineralien analysieren und auf diese Weise zum Fortschritt der Physik beitragen. Herr de La Martinière von der medizinischen Fakultät der Universität Montpellier begleitete uns als Botaniker. Ihm wurde ein Gärtner der Königlichen Gärten beigegeben, der sich um die Pflanzen und Samen kümmern sollte, die wir nach Europa mitbringen wollten; die Wahl fiel auf Herrn Collignon. Die Herren Prévost, Onkel und Neffe, gingen als naturwissenschaftliche Zeichner an Bord. Der bedeutende Naturforscher Herr Dufresne, der so geschickt Pflanzen und Tiere zu klassifizieren versteht, wurde uns gleichfalls als Reisegefährte zugesellt. Endlich erhielt auch noch Herr Duché de Vancy die Order, sich mit uns einzuschiffen, um mit dem Pinsel alles das einzufangen, was sich nicht anschaulich beschreiben lässt, wie etwa Trachten oder Landschaften.

Die Académie des sciences und die Société de médecine übermittelten Marineminister Marschall de Castries jeweils eine Denkschrift über die wichtigsten Beobachtungen, die wir auf unserer Reise anstellen sollten. Abbé Tessier von der Académie des sciences schlug ein Mittel vor, um das an Bord befindliche Trinkwasser vor Fäulnis zu bewahren. Herr Le Dru bat uns, Forschungen über den Erdmagnetismus in verschiedenen Gegenden des Globus anzustellen und übergab uns einen von ihm gebauten Inklinationskompass. Wir sollten seine Ergebnisse mit denen der beiden Inklinationskompasse vergleichen, die uns die Kommissare des Büros für Längenmessungen in London geliehen hatten. Hier ist der Ort, Ritter Banks2 meinen Dank abzustatten. Als er hörte, dass sich Herr de Monneron in London vergebens nach einem Inklinationskompass umgeschaut hatte, war er sogleich bereit, uns die beiden zur Verfügung zu stellen, die einst Kapitän Cook benutzt hatte. Mit wahrer Ehrfurcht nahm ich die Instrumente entgegen.

Herr de Monneron, Hauptmann im Pionierkorps, hatte mich ehedem auf meiner Fahrt zur Hudson Bay begleitet. Er nahm als Chefingenieur an unserer Fahrt teil; um diese Stelle bewarb er sich gleichermaßen aus Freundschaft für mich und aus Reiselust. Seine Aufgabe war, Karten anzufertigen und unsere Position zu bestimmen. Als sein Stellvertreter ging der Geometer Herr Bernizet an Bord. Herr de Fleurieu, der Direktor aller französischen Häfen und Arsenale, ließ es sich nicht nehmen, mit eigener Hand die Karten zu zeichnen, denen wir auf unserer Reise folgten, und er lieh mir einen Band mit gelehrten Anmerkungen über die Reiserouten berühmter Seefahrer von Christoph Columbus bis heute. Ich möchte ihm hier meine Erkenntlichkeit bezeigen, sowohl wegen der Einsichten, die ich ihm verdanke, als auch der Freundschaft, für die er mir so viele Beweise gegeben hat.

Marineminister Marschall de Castries, auf dessen Empfehlung hin König Ludwig XVI. mir das Kommando über die Expedition anvertraute, hatte bereits allen Häfen die strenge Anweisung erteilt, uns mit allem zu unterstützen, was wir für unsere Reise benötigten.

Bei der Auswahl der Offiziere hatte ich freie Hand. Ich ernannte Kapitän de Langle zum Kommandanten der Astrolabe. Herr de Langle hatte auf meiner Fahrt zur Hudson Bay die Astrée befehligt und mir bei dieser Gelegenheit die überzeugendsten Beweise seines Könnens und seines Charakters gegeben. Ich selbst übernahm das Kommando über die Boussole. Hundert Marineoffiziere bewarben sich bei Herrn de Langle und mir um die Teilnahme an der Expedition.

Am 1. Juli 1785 fuhr ich nach Brest ab, wo ich am 4. eintraf. Die Ausrüstung der beiden Fregatten war schon sehr weit gediehen. Wir hatten an Bord der Boussole ein zerlegtes Boot von ungefähr 20 Tonnen, zwei sogenannte Biskaya-Schaluppen, einen großen Mast, ein Ersatzsteuerruder und ein Schiffsspill; die Fregatte war total überladen. Mein zweiter Offizier, Herr de Clonard, hatte alle diese Gegenstände mit dem Diensteifer und Scharfsinn, die ihm schon so oft meine Anerkennung eingetragen hatten, verstaut und vertäut.

Am 11. Juli waren die beiden Schiffe zur Ausfahrt bereit, am 12. Juli hielten wir Musterung. An diesem Tag kamen auch die astronomischen Uhren an Bord, mit denen wir bei Landgängen den Gang unserer Schiffsuhren überprüfen wollten. Die Herren Dagelet und Monge sowie die anderen Wissenschaftler und Künstler waren schon vor mir in Brest eingetroffen.

Ein Westwind hielt uns bis zum 1. August im Hafen zurück. Während dieser Zeit hatten wir häufig Nebel und Regen. Ich befürchtete negative Auswirkungen der anhaltenden Feuchtigkeit auf die Besatzung, doch ging in diesen neunzehn Tagen nur ein einziger Mann mit Fieber von Bord. Dafür stellte sich heraus, dass sechs Matrosen und ein Marinesoldat an Geschlechtskrankheiten litten. Sie hatten Mittel und Wege gefunden, sich der ärztlichen Kontrolle zu entziehen.

Am 1. August gingen wir von Brest aus unter Segel. Auf der Fahrt nach Madeira fiel nichts Besonderes vor. Am 13. warfen wir dort Anker. Die ganze Zeit über hatten wir günstigen Wind, ein Umstand, der uns sehr zustattenkam, da die beiden Fregatten vorn zu stark beladen und daher schwer zu steuern waren. Wir genossen die klaren Nächte. Sie boten Herrn de Lamanon Gelegenheit, die leuchtenden Punkte im Meer zu studieren, die meiner Meinung nach daher rühren, dass sich im Wasser bestimmte Substanzen auflösen. Wären diese leuchtenden Punkte, wie einige Naturforscher behaupten, das Werk von Insekten, dann würde man sie wohl nicht überall zwischen Pol und Äquator gleich häufig antreffen, sondern nur in einigen von ihnen bevorzugten Klimazonen.

Unsere Fahrt von Madeira nach Teneriffa dauerte nur drei Tage; wir warfen dort am 19. August nachmittags um drei Uhr Anker. Sofort nach unserer Ankunft machte ich einen Platz für ein Observatorium ausfindig. Am 22. August ließ ich dort unsere Instrumente aufstellen und den Gang unserer astronomischen Uhren nach dem Stand der Sonne und der Gestirne bestimmen. Danach korrigierten wir den Gang der auf den beiden Fregatten befindlichen Schiffsuhren.

Am 30. August verließen wir den Hafen von Santa Cruz. Wir hatten für beide Schiffe jeweils sechzig Pipen Wein eingekauft; um die leeren Fässer an Deck hieven zu können, war es nötig, die halbe Ladung im Schiffsraum umzuräumen. Mit dieser Arbeit brachten wir volle zehn Tage zu. Um die Wahrheit zu sagen: Schuld an dieser Verzögerung war vor allem die Saumseligkeit unserer Lieferanten. Der Wein wurde von Orotava herbeigeschafft, einem Städtchen auf der anderen Seite der Insel. Erst am 30. August nachmittags um drei Uhr konnten wir unsere Fahrt fortsetzen. Wir waren jetzt noch stärker beladen als bei der Abfahrt in Brest, jedoch beruhigte uns der Gedanke, dass das Gewicht unserer beiden Schiffe von nun an täglich abnehmen würde, hatten wir doch bis zu unserer Ankunft in der Südsee nur noch Wasser und Holz an Bord zu nehmen. Mit beidem wollte ich mich erst auf Trinidad versorgen. Ich hatte mir vorgenommen, nicht an den Kapverdischen Inseln anzulegen, deren Klima im Sommer äußerst ungesund ist, weil ich vor allen Dingen darauf achten musste, die Mannschaft vor Krankheiten zu bewahren. In der Absicht, sie bei guter Gesundheit zu halten, ließ ich die Verdecke häufig räuchern, auch gab ich Weisung, die Hängematten täglich von acht Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang zu lüften. Damit jedermann hinlänglich Schlaf fand, teilte ich das gesamte Schiffsvolk in drei Schichten ein, dergestalt, dass alle nach vier Stunden Dienst Anspruch auf acht Stunden Erholung hatten. Da ich nur die strikt notwendige Zahl von Matrosen an Bord hatte, konnte ich diese Einteilung nur so lange aufrechterhalten, als wir ruhige Gewässer durchschifften; sobald wir in stürmischere Zonen kamen, griffen wir auf die herkömmliche Regelung zurück.

Am 29. September schnitten wir den Äquator bei 18 Grad westlicher Länge. Meiner Instruktion zufolge hätte ich ihn sehr viel weiter westlich passieren müssen, aber glücklicherweise trieb uns der Wind stets gegen Osten. Wäre dies nicht so gewesen, so hätte ich die Insel Trinidad wohl kaum zu Gesicht bekommen. Ich behielt immer dieselbe Richtung bei und kam so zu der Untiefe, auf die das Schiff Le Prince im Jahr 1747 beinahe aufgelaufen wäre. Noch immer bemerkten wir kein Anzeichen von Land, nur einige Fregattvögel, die uns vom 8. Grad nördlicher bis zum 3. Grad südlicher Breite begleiteten. Während dieser ganzen Zeit kreiste eine Menge Thunfische um die Schiffe. Wir konnten nur wenige von ihnen fangen, weil sie so schwer waren, dass sie unsere Angelschnüre zerrissen. Keinen zogen wir an Bord, der nicht wenigstens volle sechzig Pfund wog.

Wenige Tage nach unserer Abfahrt von Teneriffa verlor der Himmel jenes herrliche Aussehen, das man nur in subtropischen Breiten findet. Stattdessen war er beständig mit einer matten Blässe überzogen, die weder ganz Nebel noch Gewölk war. Die Sichtweite betrug keine drei Meilen. Gleich nach Sonnenuntergang lösten sich die Dünste auf, und die Nächte waren durchweg heiter und freundlich.

Am 11. Oktober stellten wir eine große Zahl von Beobachtungen über den Abstand des Mondes von der Sonne an, um danach die Länge zu bestimmen und unsere Schiffsuhren zu richten. Nachdem wir mithilfe von Zirkel und Sextant zehn verschiedene Beobachtungen gemacht und die Mittelwerte errechnet hatten, stellten wir fest, dass wir uns unter 25 Grad 15 Minuten westlicher Länge befanden. Am 16. Oktober sah ich bei Sonnenuntergang die Insel Trinidad3, die im Westen 8 Grad nördlich vor uns lag. Um zehn Uhr vormittags waren wir von ihrer Südostspitze noch zweieinhalb Meilen entfernt. Im Hintergrund der von dieser Spitze gebildeten Bucht nahm ich die portugiesische Flagge wahr. Sie flatterte auf einem kleinen Fort, das fünf oder sechs Holzhütten umgaben. Der Anblick der Flagge machte mich neugierig; ich schickte ein Boot an Land, um herauszubringen, ob die Engländer das Eiland verlassen oder aufgegeben hatten. Mir schwante bereits, dass ich auf Trinidad weder das Wasser noch das Holz finden würde, das ich benötigte; nur auf den Gipfeln der Hügel waren einige Bäume sichtbar. Die See schlug überall mit solchem Ungestüm an, dass es nicht ratsam war, unsere Schaluppe auszusetzen. Ich entschied mich dafür, den ganzen Tag in Küstennähe zu lavieren, um am nächsten Morgen in aller Frühe entweder vor Anker zu gehen oder wenigstens ein Boot an Land zu schicken. Gegen Abend rief ich dies der Astrolabe durchs Sprachrohr zu. Als die Astrolabe am nächsten Morgen, am 18. Oktober, nur noch eine halbe Meile vom Land war, schickte Herr de Langle sein Langboot ab, das Herr de Vaujuas befehligte. Herr de La Martinière und Pater Receveur, ein unermüdlicher Naturforscher, begleiteten ihn. Sie fuhren zwischen zwei Felsen auf die Bucht zu. Die Brandung war so heftig, dass das Fahrzeug mit seiner Besatzung unweigerlich gekentert wäre, wären ihm die Portugiesen nicht eiligst zu Hilfe gekommen. Sie zogen das Boot an den Strand, um es vor der Wut der Wogen in Sicherheit zu bringen, und retteten alles, was sich auf ihm befand, mit Ausnahme des Bootsankers, der verlorenging. Nach Schätzung von Herrn de Vaujuas war der portugiesische Posten mit etwa zweihundert Mann besetzt, wovon aber nur fünfzehn Uniform trugen. Die anderen gingen im bloßen Hemd einher. Der Kommandant der Niederlassung, der man den Namen Kolonie nicht geben kann, da kein Feldbau betrieben wird, erzählte, der Gouverneur von Rio de Janeiro habe die Insel vor ungefähr einem Jahr in Besitz genommen. Entweder wusste er nicht, dass sie ehedem den Engländern gehörte, oder er stellte sich so, als sei ihm dies unbekannt. Der Kommandant fühlte sich verpflichtet, uns allerlei Märchen zu erzählen. Er behauptete, sein Fort sei mit vierhundert Mann und zwanzig Kanonen bestückt, während doch rings um die Niederlassung nicht eine einzige Batterie zu sehen war. Seine Furcht vor der Wahrheit war so groß, dass er Herrn de La Martinière und Pater Receveur nicht einmal gestattete, das Ufer zu verlassen, um Pflanzen zu sammeln. Nachdem er Herrn de Vaujuas allerlei Beweise seiner anständigen Gesinnung und seines Wohlwollens gegeben hatte, zumindest dem Anschein nach, zwang er ihn, sich wieder einzuschiffen, mit dem Bemerken, er sei leider nicht imstande, uns Wasser oder Proviant abzugeben.

Gleichfalls am frühen Morgen hatte ich ein zweites Boot unter dem Befehl von Schiffsleutnant Boutin an Land geschickt, mit der Weisung, den Strand nicht zu betreten, wenn das Langboot der Astrolabe schon vor ihm angekommen sei; in diesem Fall solle er es dabei bewenden lassen, vor der Reede Sondierungen vorzunehmen und sie in aller Eile abzuzeichnen. Herr Boutin näherte sich infolgedessen der Insel nur bis auf einen Büchsenschuss. Die Prüfung des Ankergrundes ergab, dass er aus mit einigem Sand vermischten Felsen bestand. Herr de Monneron zeichnete das Fort so gut, als habe er sich an Land befunden, und Herr de Lamanon stellte fest, dass die Felsen aus Basalt und geschmolzenem Gestein bestanden, das wohl von einigen ausgebrannten Vulkanen herrührte. Diese Vermutung fand ihre Bestätigung darin, dass Pater Receveur eine Menge Steine an Bord brachte, die durchaus vulkanischen Ursprungs waren und keine weitere Beimischung aufwiesen als Stücke von zertrümmerten Schalentieren und Korallenzinken.

Aus den von Herrn de Vaujuas und Herrn Boutin erstatteten Berichten ersahen wir deutlich genug, dass wir auf der Insel Trinidad weder das benötigte Holz noch Wasser bekommen würden. Ich entschied mich daher, sofort nach der Insel Santa Catarina vor der Küste Brasiliens zu steuern. Santa Catarina ist der Ort, an der sich von alters her die Seefahrer auf dem Weg in die Südsee verproviantieren.

Indem ich nun Kurs auf Santa Catarina nahm, hatte ich zugleich die Absicht, mich von dem Dasein der Insel Ascençaon zu überzeugen, die nach der Angabe des Herrn Daprès hundert Meilen westwärts von Trinidad, und zwar nur 15 Grad weiter nach Süden, liegen soll. Zufolge des von Herrn Poncel de la Haye, eines ehemaligen Kommandanten der Fregatte La Renommée, geführten Tagebuchs war ich allerdings davon überzeugt, dass verschiedene Seefahrer, unter ihnen auch Frézier, dem Irrtum verfallen waren, sie seien auf Ascençaon gelandet, während sie doch in Wahrheit bei Trinidad vor Anker gelegen hatten. Hier schien mir, bei allem Respekt vor Herrn Poncel de la Haye, eine Korrektur der bisherigen Erdbeschreibungen angebracht.

Die zwei Tage, welche wir auf der südlichen Seite der Insel zubrachten, verschafften uns hinlängliche Muße, Messungen vorzunehmen, die Herr de Bernizet dann der von ihm gezeichneten Karte der Insel zugrunde legte. Sie weicht nur geringfügig von der Karte ab, die Dr. Halley angefertigt hat und die mir Herr de Fleurieu in Brest übergab. Die von Herrn Duché de Vancy gezeichnete Ansicht besitzt eine so frappierende Ähnlichkeit, dass sie Seefahrer, die vor der Südhälfte von Trinidad vor Anker gehen, vor jedem Irrtum bewahrt. Die Natur hat diesen Felsen gewiss nicht dazu bestimmt, jemals bewohnt zu werden, da weder Menschen noch Tiere hier ihr Auskommen finden. Da aber die Portugiesen fürchteten, irgendeine europäische Nation könne sich des Eilands bemächtigen, um von dort aus Schleichhandel mit Brasilien zu treiben, beeilten sie sich, es zu besetzen, so sehr es ihnen auch zur Last fällt.

Am 18. Oktober um die Mittagszeit nahm ich Kurs auf die Insel Ascençaon. Wir segelten bis zum 24. abends stets nach Westen und blieben stets in derselben Richtung, bis ich alle weiteren Nachforschungen aufgab. Bis dahin hatte ich gegen Westen eine Strecke von einhundertfünfzehn Meilen zurückgelegt und immer so klares Wetter gehabt, dass ich im Umkreis von zehn Meilen Land sehen konnte. Ich kann also guten Gewissens behaupten, dass die Insel Ascençaon bis ungefähr zum 7. Grad westlicher Länge unter der Meridianhöhe von Trinidad und unter der südlichen Breite bis in die Gegend, die zwischen 20 Grad 10 Minuten und 20 Grad 50 Minuten liegt, nicht vorhanden ist, da ich diese ganze Fläche sehr deutlich übersehen konnte.

Am 25. Oktober wurden wir von einem sehr heftigen Gewitter überfallen. Gegen acht Uhr abends schien der Himmel rings um uns her in Feuer zu stehen; wo wir nur hinsahen, schossen Blitze herab, und auf der Spitze unseres Blitzableiters zeigte sich das Sankt-Elms-Feuer. Diese Naturerscheinung wurde nicht nur uns zuteil; wir bemerkten dieses gleiche Sankt-Elms-Feuer auch auf der Mastspitze der Astrolabe, die über keinen Blitzableiter verfügt. Von diesem Tag an hatten wir beständig schlechtes Wetter bis zu unserer Ankunft auf Santa Catarina. Tag für Tag umgab uns ein dichterer Dunst, als er mitten im Winter die Küste der Bretagne umhüllt. Am 6. November gingen wir zwischen der Insel Santa Catarina und dem Festland vor Anker. Die See war hier sieben Klafter tief, und der Grund bestand aus schlammigem Sand.

Nach sechsundneunzigtätiger Fahrt hatten wir nicht einen einzigen Kranken. Weder der Wechsel des Klimas noch Regen und Nebel hatten die Gesundheit unserer Leute erschüttert, da wir stets Nahrungsmittel von bester Qualität ausgaben. Ich vernachlässigte keine der Vorsichtsmaßregeln, die Erfahrung und Klugheit vorschrieben. So sorgten wir unter anderem dafür, das Schiffsvolk stets bei guter Laune zu halten. Wenn es die Witterung irgend erlaubte, ließ ich die Mannschaft jeden Abend von acht bis zehn Uhr auf dem Deck tanzen.

1Der Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten, der 1783 mit dem Frieden von Versailles zu Ende ging.

2Sir Joseph Banks, der Präsident der Royal Geographic Society in England. Er überließ Lapérouse den von den beiden Engländern Rust und Eyre geschaffenen kardanisch aufgehängten Inklinations- bzw. Azimut-Kompass, der weit genauere Messungen als die anderen Kompasse der Zeit ermöglichte.

3800 km östlich der brasilianischen Provinz Espírito Santo. Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Antilleninsel.

ZWEITES KAPITEL

Die Insel Santa Catarina erstreckt sich von 27 Grad 19 Minuten bis 27 Grad 49 Minuten südlicher Breite; ihr Durchmesser von Osten nach Westen beträgt nur zwei französische Meilen. Vom Festland ist sie an der schmalsten Stelle durch einen Kanal von nur zweihundert Klafter Breite getrennt. Am Eingang dieser Wasserstraße liegt Nostra Senhora del Destero, der Hauptort der Statthalterschaft, in dem auch der Gouverneur residiert; die Stadt zählt höchstens dreitausend Seelen in ungefähr vierhundert Häusern und bietet einen recht hübschen Anblick. Nach dem Bericht Fréziers diente diese Insel im Jahr 1712 vielen Vagabunden, die sich aus allen Teilen Brasiliens hierher geflüchtet hatten, als Aufenthaltsort; sie waren Portugal nur dem Namen nach unterworfen und erkannten überhaupt keine Obrigkeit an. Da der Boden der Insel sehr fruchtbar ist, fanden sie daselbst leicht ihren Unterhalt, waren aber so arm, dass der Generalgouverneur von Brasilien nicht darauf erpicht war, sich mit ihnen anzulegen oder sie gewaltsam unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Alle Schiffe, die Santa Catarina anliefen, gaben ihnen im Austausch gegen Lebensmittel nur Kleidungsstücke und Hemden, denn daran fehlte es ihnen an meisten. Erst gegen 1740 errichtete der Hof in Lissabon auf Santa Catarina eine feste Statthalterschaft, die auch für die benachbarten Gebiete auf dem Kontinent zuständig war. Dieses Kapitanat erstreckte sich sechzig Meilen weit von Norden gegen Süden, und zwar vom São-Francisco-Fluss bis zum Rio Grande. Die Bevölkerung dieses Gebiets beläuft sich auf zwanzigtausend Seelen. Ich sah aber in den meisten Familien eine so große Anzahl von Kindern, dass man eine rasche Zunahme der Einwohnerschaft voraussehen kann. Der Boden ist außerordentlich fruchtbar; Obst, Gemüse und Getreide wachsen fast von selbst. Es gibt hier Wälder, die das ganze Jahr über grün bleiben, aber dergestalt von Dornen und Strauchwerk durchsetzt sind, dass man, um sich hindurchzuarbeiten, ein Beil zur Hand nehmen muss. Überdies begegnet man in diesen Wäldern einer Menge Giftschlangen.

Die Ortschaften, die die Bewohner von Santa Catarina und dem nahen Festland angelegt haben, liegen alle am Meer. Die Wälder würzen die Luft mit den köstlichsten Gerüchen, da sie eine große Zahl von Orangenbäumen und anderen aromatischen Pflanzen enthalten. Ungeachtet dieser Vorzüge ist das Land so arm und so gänzlich von Manufakturwaren entblößt, dass man die dortigen Bauern nur fast nackt oder in Lumpen gehüllt einhergehen sieht. Die Ländereien, die sich am besten für Zuckerplantagen eignen, bleiben unbebaut, weil es den Eigentümern an Sklaven fehlt und sie nicht genug Geld haben, um sich welche zu kaufen. Der Walfang um Santa Catarina ist zwar sehr einträglich, aber ein Vorrecht der Krone, die die Konzession an eine Lissaboner Handelsgesellschaft vergeben hat. Diese Gesellschaft besitzt an der Küste drei große Niederlassungen, in denen jährlich etwa viertausend Wale gefangen und verarbeitet werden. Der ganze Ertrag an Tran und Walsperma geht über Rio de Janeiro nach Lissabon. Die Einwohner von Santa Catarina sind die müßigen Zuschauer dieses Handels, von dem sie nicht profitieren. Wenn die Regierung ihnen nicht unter die Arme greift und ihnen Zollerleichterungen oder Vergünstigungen bewilligt, die dem Handel förderlich sind, wird dieser Landstrich, einer der schönsten auf der Welt, in immerwährender Armut schmachten und dem Mutterland nicht den geringsten Nutzen verschaffen.

Unsere Ankunft verbreitete im Land große Unruhe. Verschiedene Forts gaben Kanonenschüsse ab; ich hielt es daher für ratsam, sogleich vor Anker zu gehen und einen Offizier mit der Erklärung an Land zu senden, dass wir nur friedliche Absichten hegten und uns mit Wasser, Holz und einigen Erfrischungen zu verproviantieren wünschten.

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Santa Catarina

Herr de Pierrevert, dem ich diesen Auftrag erteilt hatte, traf die kleine Garnison der Zitadelle unter Waffen an; sie bestand aus vierzig Soldaten und einem Hauptmann, der einen Eilboten in die Stadt schickte, um den Gouverneur, Infanterie-Brigadier Don Francisco de Baros, zu informieren. Er gab sofort die Anordnung, uns alles, was wir brauchten, zum billigsten Preis zu verkaufen. Jeder der beiden Fregatten wurde ein portugiesischer Offizier zugeteilt, die unseren Proviantmeister zu den Einwohnern begleiteten, um den Einkauf der Lebensmittel zu überwachen.

Don Francisco de Barros, der Gouverneur der Statthalterei, sprach fließend Französisch; seine ausgedehnten Kenntnisse trugen ihm unser Vertrauen ein. Er lud uns Franzosen an seinen Mittagstisch und bestätigte uns während des Essens, dass die Insel Ascençaon nicht existiere. Zum Beweis hierfür erzählte er uns, der Generalgouverneur von Brasilien habe im vergangenen Jahr ein Schiff auslaufen lassen, um die Gegend, in der die Insel liegen solle, genau zu untersuchen. Das Fahrzeug sei unverrichteter Dinge wieder zurückgekommen, und man habe Ascençaon aus den Seekarten ausgestrichen, damit sich der Irrtum nicht ewig fortpflanze. Er setzte hinzu, die Insel Trinidad habe stets den Portugiesen gehört und sei von den Engländern, als die Königin von Portugal dies verlangt habe, sofort geräumt worden.

Am folgenden Tag um elf Uhr kamen die zur Astrolabe und zur Boussole gehörenden Boote wieder an Bord zurück. Man benachrichtigte mich von dem unmittelbar bevorstehenden Besuch von Generalmajor Dom António da Gama; er kam aber erst am 13. und überbrachte mir ein sehr verbindliches Schreiben des ranghöchsten Offiziers der Kolonie.

Da nun die Jahreszeit ziemlich weit fortgeschritten war, hatte ich allen Anlass, unsere Abfahrt zu beschleunigen, dies umso mehr, als unsere Leute so gesund und munter waren, wie man es sich nur wünschen konnte. Bei unserer Ankunft hatte ich mir geschmeichelt, innerhalb von fünf oder sechs Tagen wieder in See stechen zu können, allein die Südwinde waren so stürmisch und die Meeresströmung so stark, dass wir oft nicht an Land gehen konnten, was unsere Abfahrt hinauszögerte.

Am 16. abends, nachdem bereits alles eingeschifft war, ließ ich dem Gouverneur meine Briefschaften zustellen, da er sich auf sehr höfliche Weise erboten hatte, sie nach Lissabon weiterzuleiten. Alle Mannschaftsangehörigen erhielten die Erlaubnis, ihren Verwandten und Freunden zu schreiben. Wir hofften, am nächsten Tag die Segel hissen zu können, doch hielten uns die Nordwinde, die uns auf offener See äußerst günstig gewesen wären, bis zum 19. November in der Bucht zurück. An diesem Tag machten wir uns in aller Frühe segelfertig, da aber plötzlich Windstille eintrat, sah ich mich gezwungen, wieder für einige Stunden vor Anker zu gehen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit konnten wir uns durch die von vielen Inseln gesäumte enge Fahrrinne hindurchwinden.

Wir hatten auf Santa Catarina eine solche Menge Ochsen, Schweine und Federvieh gekauft, dass unsere Mannschaft länger als einen Monat davon zehrte. Auch hatten wie unsere dendrologische Sammlung um Orangen- und Zitronenbäume bereichert. Unser Gärtner legte Vorräte an Orangen- und Zitronenkernen, von Mais, Reis und Samenkörnern der Baumwollstaude an, die wir den Bewohnern der Südseeinseln zu überlassen gedachten, da es ihnen daran, nach den einstimmigen Berichten der Seefahrer, fehlt.

Am Tag unserer Weiterfahrt gab ich Herrn de Langle, dem Kommandanten der Astrolabe, neue und genauere Verhaltensmaßregeln, da wir nunmehr in Gewässer kamen, die immer mit Nebel bedeckt sind und von Stürmen heimgesucht werden. Für den Fall, dass uns ein Unwetter trennen sollte, vereinbarten wir, dass der Hafen Bon Succès an der Le-Maire-Straße zwischen Feuerland und der De-los-Estados-Insel unser erster Treffpunkt sein sollte, vorausgesetzt, wir hätten bis zum 1. Januar nicht diese Breite hinter uns gelassen. Zum zweiten Sammelpunkt bestimmte ich die Venus-Landspitze auf der Insel Tahiti. Ich unterrichtete Herrn de Langle davon, dass ich meine Nachforschungen im Atlantik nicht weiter auszudehnen gedächte als bis zur Insel Grande de la Roche4, weil ich mich wegen der Kürze der Zeit unmöglich darauf einlassen könne, eine Durchfahrt auf der Südseite der Sandwich-Inseln zu suchen. So leid es mir tat, nicht weiter östlich auf Entdeckungen ausgehen zu können, so wenig konnte ich mir doch erlauben, den in Frankreich erhaltenen Weisungen diametral entgegenzuhandeln. Hätte ich es getan, so hätte ich mich ja auch der Gelegenheit beraubt, Briefe in Empfang zu nehmen, die ich vom Minister erwartete und die vielleicht wichtige Befehle enthielten.

Bis zum 28. hatten wir ungemein schönes Wetter, dann aber wurden wir von einer sehr heftigen Windböe überfallen, die aus Osten kam. Es war der erste Zwischenfall dieser Art seit unserer Abreise aus Frankreich. Zu meiner Genugtuung machte ich bei dieser Gelegenheit die Beobachtung, dass unsere Schiffe, obschon sie schlechte Segler waren, sich während des Sturms gut hielten und folglich imstande waren, den ungestümen Fluten, die wir von nun an durchschiffen mussten, Widerstand zu leisten. Am 7. Dezember befand ich mich auf dem angeblichen Parallelkreis der Insel Grande, also aufgrund unserer Distanzberechnungen unter 44 Grad 38 Minuten südlicher Breite und 34 Grad westlicher Länge. Wir sahen eine Menge Seegras vorübertreiben, und schon seit einigen Tagen sammelten sich um unsere Schiffe Seevögel von der Gattung der Albatrosse und Sturmvögel, die sich nur in der Brutzeit dem Land nähern. Bis zum 24. Dezember segelte ich zwischen dem 44. und dem 45. Breitengrad und durchlief diesen Parallelkreis bis auf 15 Grad Länge. Am 27. Dezember gab ich meine Nachforschungen auf, weil ich jetzt davon überzeugt war, dass es die Insel Grande gar nicht gab. Ich hatte gelernt, dass Seegras und Sturmvögel kein Beweis für die Nähe von Land sind. De la Roches Behauptung, er habe auf der Insel, die seinen Namen trägt, hohe Bäume gesehen, hat nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit für sich. Man darf als sicher annehmen, dass auf einer Insel, die unter dem 45. Grad mitten im südlichen Weltmeer liegt, nur die allerdürftigste Vegetation herrscht.

Am 25. Dezember drehte der Wind nach Südwest und hielt nun mehrere Tage denselben Strich. Hierdurch sah ich mich genötigt, meinen Lauf nordwestwärts zu wenden und den Parallelkreis, in dessen Bereich ich zwanzig Tage lang geblieben war, hinter mir zu lassen. Da ich nun die Stelle, an der die Insel Grande der allgemeinen Angabe nach liegen soll, nicht weiter im Auge behielt und geradewegs nach Westen steuerte, kamen mir doch Bedenken, denn es stand zu befürchten, dass wir gerade in der schlimmsten Jahreszeit Kap Hoorn umschiffen müssten. Allein die Witterung war so günstig, dass sie alle unsere Erwartungen übertraf. Im Dezember hatten wir keine Windstöße mehr auszustehen, und der Januar war beinahe so milde, wie es in Europa der Juli ist. Mitunter hatten wir Tage, an denen sich kein Lüftchen regte und die See völlig ruhig war. An solchen Tagen belustigten sich die Offiziere beider Fregatten damit, dass sie sich in Booten herumfahren ließen und Jagd auf die Vögel machten, die unseren Schiffen nachflogen. Diese Jagdpartien waren meist sehr ergiebig und verhalfen unserer Mannschaft zu Frischfleisch. Nicht selten wurden so viele Vögel erlegt, dass jeder eine Portion bekam. Unsere Matrosen fanden an diesen Vögeln weit mehr Geschmack als an dem üblichen Pökelfleisch. Die bei diesen Streifzügen geschossenen Vögel gehörten allesamt zur Gattung der großen und der kleinen Albatrosse und zu vier verschiedenen Spielarten von Sturmvögeln. Wenn man ihnen die Haut abstreifte und sie mit einer säuerlichen Sauce aß, schmeckten sie fast ebenso gut wie die kleinen See-Enten, die man in Europa zu verspeisen pflegt.

Am 14. Januar sahen wir uns endlich imstande, vor der Küste Patagoniens in der südlichen Breite von 47 Grad 50 Minuten und in der westlichen Länge von 64 Grad 37 Minuten Sondierungen vornehmen zu können. Dies ergab sich aus unseren neuesten Distanzberechnungen, dergleichen wir bei jeder Gelegenheit, wenn es die Witterung nur einigermaßen zuließ, zu veranstalten pflegten. Meine Offiziere hatten darin eine solche Fertigkeit erlangt und sie verstanden sich so trefflich darauf, Herrn Dagelet zur Hand zu gehen, dass die größte Abweichung, die uns etwa bei der Bestimmung der Breite unterlief, nicht mehr als einen halben Grad betragen haben dürfte.

Am 21. Januar erblickten wir das Kap Beau Temps (Buen Tiempo) und die Küste nördlich der Mündung des Río Gallegos. Etwa drei Meilen vom Festland entfernt, fanden wir einen einundvierzig Klafter tiefen Ankergrund aus Kiessand und kleinen, tonartigen Steinchen, nicht viel größer als Erbsen. In der Mittagsstunde maßen wir die Länge; sie war von der auf der Karte von Cooks zweiter Reise angegebenen nur insofern verschieden, als wir uns 15 Minuten weiter westlich befanden. Jetzt fuhren wir in einer Entfernung von drei bis fünf Meilen längs der Küste von Patagonien hin.

Da der Wind ziemlich stark aus Norden wehte, sah ich mich dadurch in die Lage gesetzt, wieder nach der Küste von Feuerland zu steuern, an welcher ich in der geringen Entfernung von kaum einer halben Meile entlangfuhr. Als ich bemerkte, dass uns der Wind weiterhin günstig blieb, gab ich meinen früheren Vorsatz auf, in der Bucht von Bon Succès anzulegen, und setzte meinen Weg schnurgerade fort. Meine Absicht war nun, das Kap Hoorn möglichst ohne Zeitverlust zu umsegeln. Als wir durch die Le-Maire-Straße fuhren, zündeten die Wilden, ihrer Gewohnheit nach, große Feuer an, um uns dadurch einzuladen, an ihrer Küste zu ankern. Eins dieser Feuer sahen wir an der Nordspitze der Bucht von Bon Succès, ein anderes an der Nordspitze der Valentinsbucht. Mit Kapitän Cook bin ich der Meinung, dass es ziemlich einerlei ist, ob man in dieser oder jener Bucht Anker wirft, denn man erhält daselbst überall Holz und Wasser, wahrscheinlich aber weniger Jagdbeute als in Weihnachtshafen, wo sich die Wilden einen großen Teil des Jahres aufhalten.

Während wir nun so durch die Meerenge schifften und nicht mehr als eine halbe Meile von Feuerland entfernt waren, tauchten rings um uns mehrere Wale auf. Man merkte wohl, dass ihnen hier noch niemand nach dem Leben trachtete, denn anstatt vor unseren Schiffen zu fliehen, schwammen sie majestätisch einher und näherten sich uns auf Pistolenschussweite. Unfehlbar werden sie in den dortigen Gewässern nur so lange ihre Herrschaft behaupten, bis die Walfänger, wie an der Küste von Grönland und Spitzbergen, Jagd auf sie machen.

Am 22. umsegelten wir das Jungfrauenkap in einer Entfernung von vier Meilen gegen Westen. Es hat eine sehr niedrige Lage und ist ohne Vegetation. Die Abbildung des Kaps in Ansons Reise5 schien mir sehr richtig zu sein; auch fand ich, dass die Lage dieses Vorgebirges auf der Karte von Cooks zweiter Reise genau angegeben ist. Sooft wir sondierten, fanden wir immer, bis an dieses Vorgebirge, dass der Grund entweder aus Sand oder aus kleinen, mit Sand vermischten Kieseln bestand, dergleichen man gewöhnlich an Flussmündungen findet; als wir uns aber der Küste von Feuerland näherten, trafen wir fast überall, und zwar in einer Tiefe von vierundzwanzig bis dreißig Klaftern, einen harten Felsengrund, wiewohl wir uns nicht über drei Meilen vom Land entfernt hielten. Hieraus folgerte ich, dass diese Küste für den Seefahrer bei Weitem weniger sicher als die patagonische ist.

Am 25., um zwei Uhr, umschiffte ich, und zwar eine Meile südwärts, das Vorgebirge San Diego, das die Westspitze der Le-Maire-Straße bildet. In ebendieser Entfernung war ich schon vom frühen Morgen an längs dieses Erdstrichs hingesegelt und hatte dabei immer die Augen auf die Karte des Kapitäns Cook gerichtet, um die Bucht zu finden, in der sich Herr Banks, um Pflanzen zu sammeln, dann an Land setzen ließ, indes die Resolution so lange unter Segel blieb, bis er wieder an Bord kam. Uns war die Witterung so ungemein günstig, dass ich es nicht über das Herz brachte, unseren Naturforschern nicht eine ähnliche Gefälligkeit zu erweisen. Um drei Uhr lief ich in den Meerbusen ein, nachdem ich zuvor bis auf drei Viertelmeilen um Kap San Diego herumgefahren war, wo es mehrere Klippen gibt, die sich aber, wie es mir vorkam, nicht über eine Meile weit erstrecken. Da ich jedoch wahrnahm, dass die Wogen vor mir mit großem Ungestüm in die See schlugen, steuerte ich gegen Südosten, um davon abzukommen. Gleich darauf machte ich die Entdeckung, dass jene Wasserwogen von Flüssen herrühren und dass die Klippen am Kap San Diego schon weit hinter mir lagen.

Die Umschiffung von Kap Hoorn war viel einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte, und ich weiß nun aus Erfahrung, dass die Schifffahrt in den dortigen Gewässern nicht problematischer ist als die unter einem hohen Breitengrad überhaupt. Die Schwierigkeiten, die man daselbst anzutreffen fürchtet, gründen sich auf ein verjährtes Vorurteil, das verschwinden muss. Die Reisebeschreibung von Admiral Anson hat zum unverdient schlechten Ruf von Kap Hoorn nicht wenig beigetragen.

Noch ein zweiter, triftiger Grund hatte mich bewogen, nicht in der Bucht von Bon Succès Anker zu werfen. Ich hatte mir nämlich schon seit geraumer Zeit einen neuen Reiseplan ausgedacht, über den ich aber erst mit mir selbst einig werden konnte, wenn ich Kap Hoorn hinter mir gelassen hatte.

Dieser Plan zielte auf nichts Geringeres ab, als im Lauf des Jahres an der Nordwestküste Amerikas zu landen. Man hatte mir diese Landung nicht ausdrücklich befohlen, weil man annahm, ich würde schwerlich imstande sein, eine so langwierige Strecke in weniger als einem Jahr zurückzulegen. Die Vorteile meines neuen Plans lagen auf der Hand. Erstens konnte ich einen noch unbekannten Weg einschlagen und Parallelkreise durchlaufen, in deren Bereich vielleicht noch unentdeckte Inseln lagen. Zweitens hatte ich, wenn ich je zwei Jahre in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre verbrachte, mehr Zeit, die Inseln, deren Untersuchung mir anbefohlen war, in genauen Augenschein zu nehmen. Da meine Instruktionen die ausdrückliche Weisung enthielten, ich solle die Befehle des Königs so ausführen, dass der Erfolg meiner Reise gewährleistet sei, wartete ich somit nur noch den Zeitpunkt ab, an dem das Südmeer6 vor mir lag, um zur Tat zu schreiten. Am 9. Februar lief ich, nachdem ich bei Kap Deseado die Magellan-Straße gekreuzt hatte, in das Südmeer ein und nahm Kurs auf die Juan-Fernández-Insel. Allem Vermuten nach war ich über die Gegend hinaus, in der das angebliche Drake-Land liegen soll. Ich hatte mich aber wenig darum gekümmert, weil ich schon im Voraus überzeugt war, dass es nicht existiere. Seitdem ich Europa verlassen hatte, war meine ganze Aufmerksamkeit nur auf die Reiserouten der älteren Seefahrer gerichtet. Ihre Tagebücher sind so schlecht abgefasst, dass man ihren Inhalt gleichsam erraten muss. Diejenigen Geographen aber, die selber keine Seeleute sind, legen eine solche Unkenntnis der Hydrographie an den Tag, dass sie dergleichen Tagebücher, die doch so manche Berichtigung nötig haben, keiner vernünftigen Kritik zu unterziehen vermögen. So kommt es, dass sie oft Inseln in die Seekarten einzeichnen, die nirgends vorhanden sind und die sich, wenn man gründlicher nachforscht, wie Phantome in Luft auflösen.

Da der Wind jetzt aus Westsüdwest wehte und mir bei der Fahrt nach Norden ungemein günstig war, hielt ich mich nicht damit auf, die vermeintliche Drake-Insel ausfindig zu machen, die vermutlich mit Feuerland identisch ist, sondern setzte meinen Weg nach Juan Fernández fort. Als ich jedoch den an Bord befindlichen Proviant untersuchte, stellte sich heraus, dass nur noch wenig Mehl und Brot vorhanden waren; sowohl ich als auch Kapitän de Langle hatten beiderseits an hundert Zentner davon in Brest zurücklassen müssen, weil es uns an Raum fehlte, sie unterzubringen. Auch hatten sich die Würmer in unserem Schiffszwieback eingenistet. Dies bewog mich, als nächsten Landungsort anstelle von Juan Fernández La Concepción an der Küste von Chile zu wählen, da ich wusste, dass in diesem Teil der Neuen Welt sehr viel Getreide wächst und billiger zu haben ist als auf jedem Markt in Europa und dass man hier auch alle anderen Lebensmittel findet. Demzufolge richtete ich nunmehr meinen Kurs etwas weiter nach Osten. Am 22. Februar bekam ich die Insel Mocha zu Gesicht, die etwa fünfzig Meilen weit von La Concepción, und zwar gegen Süden, entfernt ist. Da ich befürchten musste, von der Strömung nach Norden getrieben zu werden, so steuerte ich immer in Richtung Land. Hat man Mocha hinter sich gebracht, so kann man getrost längs der Küste hinsegeln, denn von nun an ragen alle Klippen aus dem Meer heraus und sind auch vom Gestade nicht weit entfernt. Jetzt erblickt man die Mamelles de Bío Bío, zwei mäßig hohe Berge, deren Gestalt ihr Name Mamelles (Brüste) charakterisiert. Von hier aus muss man noch ein wenig nordwärts bis zur Landspitze von Dorf Talcahuana steuern. Diese Spitze bildet die westliche Einfahrt in die Bucht von La Concepción, die in westöstlicher Richtung einen Durchmesser von ungefähr drei Meilen hat und sich ebenso weit von Norden nach Süden erstreckt. Die Einfahrt wird jedoch durch die in ihrer Mitte liegende Insel Quiquirine verengt, die man auf zwei Wegen umschiffen kann; der gegen Osten ist der sicherste und der einzige, den die Seefahrer benutzen. Die Wasserstraße zwischen der Insel Quiquirine und der Landspitze von Talcahuana ist kaum eine Viertelmeile breit und so mit Klippen übersät, dass man sie ohne die Hilfe eines guten Lotsen unmöglich befahren kann.