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Michaels Leben ist eine faszinierende Metapher… ein Fremder, der in unser Land kam und eine grundlegende Verwandlung durchlebte. Sein Leben spiegelt die Komplexität der vielen langen Reisen und Kämpfe unseres Volkes wider.

Nelson Mandela

Das Leben von Pater Lapsley ist ein konkretes Zeichen der Hoffnung. Man wagt es aus Respekt vor seinen Leiden, kaum zu sagen: Aber durch seine brutale Verletzung und Verstümmlung in Folge eines Briefbombenanschlags auf ihn, ist er in besonderer Weise hinein genommen worden in die Sehnsucht der Menschheit nach Heilung und Versöhnung.

Dr. Stephan Ackermann, Bischof von Trier, Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax

In seiner Biografie beschreibt Michael Lapsley, dass es Menschen leichter fällt, sich ihm mit ihren Schmerzen, die manches Mal gar nicht sichtbar sind, anzuvertrauen, eben weil seine Verletzungen so sichtbar sind.

Margot Käßmann

Die Botschaft Jesu von der Vergebung hat Michael Lapsley dazu befähigt, den Hass mit Liebe zu überwinden. Er hat – wie Hildegard von Bingen es ausdrückt – seine Wunden in Perlen verwandelt. Gerade als der verwundete Heiler vermag er nun die Verletzungen vieler Menschen zu heilen.

Anselm Grün

Michael Lapsley und seine Mitarbeiter versuchen, die Schmerzen der Folter zu heilen, sogar den Schmerz darüber, beide Hände verloren zu haben. Sie wollen eine kollektive Heilung für Individuen und ganze Gemeinschaften erreichen, die von der Geschichte betrogen wurden. Ihre Arbeit in Südafrika, Neuseeland und an vielen anderen Orten der Welt ist absolut vorbildlich.

Rev. Dr. Makhenkesi Arnold Stofile, Botschafter der Republik Südafrika in Deutschland

… ein inspirierendes und leuchtendes Buch, das überzeugend zum persönlichen Zugehen auf den nächsten Menschen aufruft. Und auch zu Vergebung und Versöhnung. In Europa, in Afrika, überall auf der Welt!

Jean-Claude Juncker, ehem. Premierminister von Luxemburg

Durch die persönliche Begegnung mit diesem charismatischen Mann … werden sicherlich viele Menschen Kraft und Inspiration finden und sich mit der eigenen, sowie der kollektiven Vergangenheit in positiver Weise auseinandersetzen.

Arabella Kiesbauer

[Seine] zutiefst humane, vergebende und versöhnliche Grundhaltung verdankt Südafrika Persönlichkeiten wie Nelson Mandela, Bischof Desmond Tutu oder Pater Michael Lapsley, dem Autor dieser ergreifenden Lebensgeschichte. … Durch [seine] schmerzhafte Erfahrung entwickelte er sich vom Freiheitskämpfer zum Heiler für viele Menschen Südafrikas, die durch die Apartheid traumatisiert worden waren.

Prof. Manfred Nowak, ehem. UN- Sonderberichterstatter über Folter

Eine einzigartig lebendige und wunderbare Erzählung.

Nadine Gordimer

Ich glaube, dieses Buch kann Menschen aus allen Gesellschaftsschichten begeistern, die die Bösartigkeit und Ungerechtigkeit in der Welt besiegen wollen – einzeln oder gemeinsam.

Danny Glover

Ein wunderbares Zeugnis dessen, was der Glaube möglich macht.

Rowan Williams, ehem. Erzbischof von Canterbury

Mit trockener Selbst-Ironie vermittelt Lapsley seinen Lesern die emotionale und packende Geschichte eines Priesters, seiner Prothesen und seines Versprechens, sich (mit den Worten der Heiligen Theresia von Ávila) ganz in Jesus Hände zu geben.

Publishers’ Weekly

Michael Lapsley

mit Stephen Karakashian

Mit den Narben der Apartheid

Vom Kampf für die Freiheit
zum Heilen traumatischer Erinnerungen

Mit einem Vorwort von Desmond Tutu

Übersetzung aus dem Englischen von
Hélène Rybol und Dieter Rybol

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Danksagung

Teil I
Die Briefbombe und ihre Folgen

1 Der Anschlag

2 Genesung

3 Behinderung – Versehrtheit als Realität

Teil II
Freiheitskämpfer

4 Von Haus aus gläubig

5 Gespaltenes Südafrika

6 Glaubenskrise

7 Lesotho – ein Leben im Exil

8 Simbabwe – nur der Kampf zählt

Teil III
Die Wandlung zum Heiler

9 Die Rückkehr nach Südafrika – auf der Suche nach einer neuen Identität

10 Eingriff in die Zwangsläufigkeit der Geschichte

11 Wahrheit, Amnestie und Entschädigung

12 Täuschend einfach

13 Die Gründung des Institute for Healing of Memories

14 Kuba

Teil IV
Eine weltweite Mission

15 Ruanda und der Völkermord

16 Australiens gestohlene Generation

17 Simbabwe – Schrecken ohne Ende

18 Folter

19 Das Heilen der Erinnerungen in den USA

20 Pedro, ein Guerillakämpfer für den Frieden

21 Mit Mut und Hoffnung in die Zukunft

Vorwort

Erzbischof emeritus Desmond Tutu

Ich kenne Pater Michael Lapsley, seit er nach seiner Verbannung aus Südafrika Ende 1976 zum ersten Mal nach Lesotho kam. Es herrschten damals schwere Zeiten, denn wir litten alle unter der brutalen Knute der Apartheid. Obwohl er noch ein junger Priester war, erhob er unerschrocken seine Stimme gegen die Unterdrückung und wurde zur Belohnung dafür des Landes verwiesen. Anstatt nach Hause ins sichere Neuseeland zurückzukehren, ging er nach Lesotho, wo ich damals Bischof war. Dort setzte er den Freiheitskampf entschlossen fort und trat in der ganzen Welt für Freiheit und Gerechtigkeit in Südafrika ein. 1990, als er in Simbabwe lebte, forderte sein Engagement einen hohen Preis: Ihm wurde eine Briefbombe zugeschickt, die ihn schwer verletzte. Nachdem er sich von seinen Verletzungen erholt hatte, kehrte er nach Südafrika zurück, wo ich ihm eine Stelle als Priester in meiner Diözese anbot, der anglikanischen Diözese von Kapstadt. Dieses Amt übt er zu meiner Freude noch heute aus.

Vor etwas mehr als einem Jahr, am zwanzigsten Jahrestag des Briefbombenanschlags, konnte ich zu meiner großen Freude den Dankgottesdienst in der St.-Georgs-Kathedrale in Kapstadt abhalten. Wir dankten dafür, dass Pater Michael überlebt hat, und würdigten seine Arbeit, die er mit dem von ihm gegründeten Institute for Healing of Memories (Institut für das Heilen von Erinnerungen) vollbringt und dessen Förderung mir eine Ehre ist. Ich hatte schon seit geraumer Zeit gehofft, dass er seinen Lebensweg im Dienste des Herrn schriftlich festhalten würde, und bin nun hocherfreut, dass man mich darum gebeten hat, dafür dieses Vorwort zu verfassen.

Seit dem Anschlag betätigt sich Pater Michael als herausragender Fürsprecher für Heilung und Versöhnung, sowohl in Südafrika als auch in anderen zerrissenen Regionen der Welt. Er ist in der Tat ein Weltbürger geworden, und ich habe seine Arbeit mit zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht verfolgt. Obwohl er körperlich gebrochen wurde, ist er der vollkommenste Mensch, den ich kenne, im wahrsten Sinne ein verwundeter Heiler. Seine Erinnerungen werden seine Botschaft vielen Menschen in der ganzen Welt näherbringen und dem Institut neue Tätigkeitsfelder erschließen – ein Segen für alle.

Einleitung

Die Geschichte Südafrikas ist eine Parabel für eine Welt, die sich nach Hoffnung sehnt. Nach langem, erbittertem Kampf brach ein System zusammen, dessen Verfassung Rassismus institutionalisierte. Die Apartheid fand damit ein Ende und wurde durch eine facettenreiche Demokratie ersetzt. Dieser Triumph hatte jedoch seinen Preis, für das Land und für mich. Mein eigener Lebensweg spiegelt die Geschichte meiner Wahlheimat wider. Als junger anglikanischer Priester aus Neuseeland wurde ich auf dem Höhepunkt der rassistischen Unterdrückung in Südafrika von meinem geistlichen Orden dorthin entsandt. Ich schloss mich dem Freiheitskampf an, ging ins Exil und wurde zum Stachel im Fleisch des Apartheidregimes. Eine Briefbombe nahm mir beide Hände und ein Auge, aber nicht mein Leben, ebenso wenig wie die Apartheid dem südafrikanischen Volk seine Ziele und Hoffnungen nehmen konnte. Als ich nach Südafrika zurückkehrte, musste ich erkennen, dass die Zeit der Apartheid bei allen Narben hinterlassen hatte und jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen. So kam ich zu dem Entschluss, ganz Südafrika bei der Heilung zu unterstützen. In dieser Autobiografie schildere ich also meinen Weg vom Freiheitskämpfer für Südafrika zum verwundeten Heiler mit einer globalen Mission.

Das Apartheidregime versuchte oft, die Repression mit einer pervertierten Interpretation der Bibel zu rechtfertigen: eine Entscheidung für den Tod, die im Namen eines lebensbejahenden Evangeliums gefällt wurde. Als Priester im Freiheitskampf zweifelte ich an der religiösen und moralischen Legitimität, die sich das Regime selbst zusprach. Nach einer tiefen Glaubenskrise gab ich den Pazifismus widerstrebend auf und befürwortete den bewaffneten Kampf als Notwendigkeit, um die Menschen Südafrikas zu befreien. Ich wurde von der Apartheidregierung vertrieben und ging ins Exil, zunächst nach Lesotho und anschließend nach Simbabwe. Dort wurde ich durch die Briefbombe schwer verletzt und trug eine dauerhafte Behinderung davon. Meine Genesung verlief zeitlich parallel zu den Verhandlungen, die in das Ende der Apartheid und die Einführung der Demokratie mündeten, so dass ich nach meiner Gesundung nach Südafrika zurückkehren konnte. Dort wurde ich Seelsorger im Trauma Centre for Victims of Violence and Torture (Zentrum für traumatisierte Gewalt- und Folteropfer) und gründete später das Institute for Healing of Memories.

Wo auch immer Gewalt, Armut und Unterdrückung herrschen, inspiriert die Geschichte Südafrikas nach wie vor die Menschen, die körperliche, geistige und seelische Verletzungen erlitten haben und erleiden. In unserer finstersten Stunde erwies sich die Macht des Guten als der des Bösen überlegen – das Apartheidregime stürzte, und die Gerechtigkeit siegte. So macht auch meine eigene Geschichte anderen Menschen Mut. Die Briefbombe ließ mir nicht nur mein Leben, sondern auch meine einzige Waffe gegen die Apartheid: meine Zunge. Durch meine sichtbaren Verletzungen entsteht jedoch eine Verbundenheit mit anderen Menschen, deren Verletzungen häufig weniger sichtbar, aber nicht minder spürbar sind. Und Schmerz bringt Menschen einander näher. Bei meiner Arbeit als Heiler höre ich von vielen, dass sie mir vertrauen können, weil ich selbst Schmerz erfahren habe. Am wichtigsten ist letztendlich unsere Fähigkeit, den Schmerz in eine lebensspendende Kraft umzuwandeln. Doch kann dies eine Reise in vielen kleinen Etappen sein. Unsere Arbeit bei Healing of Memories bietet Menschen die Chance, einen Anfang zu machen.

Diese Autobiografie besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil schildere ich das Schlüsselerlebnis: den Briefbombenanschlag, durch den ich beide Hände und ein Auge verlor. Ich erzähle von der langen Zeit meiner Genesung und der Anpassung an meine Behinderung. In Teil II hören Sie die Geschichte meines Lebens als Freiheitskämpfer. Ich beginne jedoch mit einem Rückblick auf meine Kindheit in Neuseeland und auf die Entwicklung meines Glaubens, der jeden Aspekt meines Lebens geprägt hat und weiterhin prägt. Dann teile ich mit Ihnen, wie sehr mich die Konfrontation mit der Apartheid in Südafrika schockierte und wie mein Glaube dadurch erschüttert wurde, und schließlich meine Verbannung aus Südafrika und meine Jahre als Freiheitskämpfer in Lesotho, später in Simbabwe. In Teil III nehme ich den Briefbombenanschlag als Ausgangspunkt für die Veränderung meines Lebens vom Freiheitskämpfer zum Heiler, die mich letztlich das Institute for Healing of Memories gründen ließ. Im letzten Teil des Buches geht es um die weltweite Arbeit des Instituts, von Südafrika aus in die ganze Welt; überall dorthin, wo Menschen Hilfe und Heilung brauchen: unsere Arbeit mit australischen Aborigines, mit Überlebenden des Völkermords in Ruanda und der anhaltenden Repression in Simbabwe sowie mit Kriegsveteranen in den USA. In diesem Teil der Schilderung tritt mein Leben mehr in den Hintergrund, vor dem die Geschichten anderer bemerkenswerter Menschen erzählt werden, mit denen wir zusammengearbeitet haben.

Ich betone gern, dass nun die Zeit gekommen ist, die Erinnerungen, das Gedächtnis zu heilen. Wir beschäftigen uns mit grundlegenden Fragen, die sich Menschen überall auf der Welt angesichts ihrer eigenen Konflikte stellen. Was bedeutet heilen? Wird das Unrecht, das uns angetan wurde, jemals anerkannt werden? Wie gehen wir mit schrecklichen Erinnerungen um? Welche Rolle spielt der Glaube? Sollten wir vergeben? Kann man Vergebung mit dem Kampf für Gerechtigkeit vereinbaren? Unsere Workshops sprechen Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen an. Sie eröffnen einen großen Raum, den die Teilnehmer mit all dem füllen können, was für sie persönlich oder kulturell bedeutsam ist. Wir arbeiten mit sehr unterschiedlichen Menschen, mit Opfern von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, von Diskriminierung und Ungerechtigkeit, mit Kriegsveteranen, Gefangenen und HIV/AIDS-Infizierten. In einer Welt begrenzter Ressourcen und eines wachsenden Bedarfs an unserer Art von Arbeit weist unser Erfolg den Weg in die Zukunft. Aus praktischen und theoretischen Gründen erkennen Menschenrechtsaktivisten, Traumahelfer und Pflegende im Allgemeinen zunehmend, dass kulturorientierten und gemeinschaftsbasierten Heilmethoden, wie sie Healing of Memories anwendet, die Zukunft gehört.

Abschließend möchte ich mich noch einmal dem Glauben zuwenden, der sich wie ein roter Faden durch meinen Lebensweg zieht. In gewisser Hinsicht stellen diese Memoiren die Geschichte meiner Berufung dar, meinen Glauben als Teil der Befreiung aller Völker Gottes zu leben. Auch wenn nicht alle Menschen religiös sind, sind wir doch alle spirituelle Wesen, indem wir versuchen, unser Leben zu verstehen und in ihm einen Sinn zu erkennen. Für mich, wie für die meisten Menschen, bedeutet dies eine lebenslange und nicht eben einfache Suche. Ich wollte meinen Glauben nicht lauthals verkünden, sondern ihn durch meine Handlungen leben. Meine eigene Glaubensentwicklung reichte vom einfachen Kinderglauben über die frühreife Frömmigkeit des Jugendlichen, eine durch den Konflikt zwischen Pazifismus und bewaffnetem Kampf ausgelöste Krise, lange Jahre des Ausharrens im Freiheitskampf, die Genesung nach dem Briefbombenanschlag, bis hin zu einem reiferen, heilenden Glauben, der zwar tief in der christlichen Tradition wurzelt, jedoch einen enormen Umfang spiritueller Erfahrung beinhaltet. Durch unsere Arbeit bei Healing of Memories haben wir eine sehr wirkungsvolle Methode entwickelt: Wir respektieren die Opfer, die die Menschen gebracht haben, ermutigen sie jedoch zugleich, sich ihrer Last nach und nach zu entledigen und ihren Schmerz als Teil eines neuen Lebens zu begreifen. So muss niemand in der eigenen Vergangenheit gefangen bleiben. Stattdessen werden wir zu Vertretern der Zukunft, indem wir helfen, eine bessere Welt zu schaffen und zu gestalten. Das ist für mich der Sinn von Befreiung. Das ist, glaube ich, Gottes Traum für die Menschheit.

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich zunächst die zentrale Rolle Steve Karakashians hervorheben, der voller Großmut mehr als zwei Jahre seines Lebens der Niederschrift meiner Erinnerungen gewidmet hat.

Ich möchte mich bei der Vorsitzenden der Maryknoll-Schwestern, Schwester Janice McLaughlin, MM, sowie bei den Maryknoll-Patern und -Brüdern bedanken, die uns zwei Monate lang bei sich aufgenommen haben, als wir anfingen, diese Autobiografie zu verfassen. Meinem Freund Madoda Gcwadi danke ich für seine Unterstützung.

Dem African National Congress of South Africa werde ich ewig dankbar dafür sein, meinen Antrag auf Mitgliedschaft angenommen und mir dadurch die einzigartige Gelegenheit geboten zu haben, mich am Befreiungskampf zu beteiligen.

Der Society of the Sacred Mission, der Sally and Dick Roberts Coyote Foundation und dem Weltkirchenrat danke ich für die finanzielle Unterstützung und für ihren Zuspruch.

Wir bedanken uns bei der Rockefeller-Stiftung dafür, dass wir den Erstentwurf dieser Autobiografie inmitten einer idyllischen Landschaft im Rockefeller-Bellagio-Zentrum in Italien fertigstellen durften. Bruder Nkoenyane Maroka, SSM, danke ich für seine Unterstützung.

Herzlichen Dank an Paul und Sally Bermanzohn, Pedro Hinestroza, Immanuel Hlabangana, den verstorbenen Johnny Issel, Marlene Jackamarra, Alistair Little, den verstorbenen Ndukenhle Mtshali, Karin Penno-Burmeister, Deon Snyman, Christo Thesnaar und Michael Worsnip. Ihr habt Euch alle großzügig bereit erklärt, auch Eure Geschichten beizusteuern. Sie sind eine große Bereicherung für dieses Buch.

Danke an Thulani Xaba, Madoda Gcwadi, Ntsikelelo Mateta und Themba Lonzi sowie an Brenda Rhode, Victor Cervati, Nceba Mkwalo und Jonah Sithole, die durch die Welt reisen, um die Heilsbotschaft von Healing of Memories zu verkünden.

Meiner persönlichen Assistentin Eleanor Kuhn bin ich dankbar für ihre immense Unterstützung, ebenso wie Shanti Mather, die vor ihr diese Aufgabe erfüllte.

Mein Leben ist geprägt durch meine 41-jährige Mitgliedschaft in der Society of the Sacred Mission, und ich bin Generationen ihrer Mitglieder dankbar für ihre Liebe und Unterstützung. Vor allem möchte ich den Brüdern der Provinz des südlichen Afrika für die bereitwillige Unterstützung meiner Arbeit danken.

Tiro Motaung, meinem Weggefährten und Freund, möchte ich für mehr als zehn Jahre lebensbejahender Zuneigung und Unterstützung ganz besonders danken.

Bis zu ihrem Tod im letzten Jahr war meine Mutter meine größte Anhängerin; sie beschwerte sich sogar darüber, dass örtliche Fernsehsender mir nicht genügend Sendezeit einräumten. Ich danke allen meinen Geschwistern, vor allem meinen älteren Schwestern Helen und Irene, für ihre Unterstützung, besonders seit dem Briefbombenanschlag.

Für die uneingeschränkte Unterstützung bei der Niederschrift meiner Erinnerungen bin ich dem Vorstand des Institute for Healing of Memories (IHOM) unter der Leitung von Canon Delene Mark und zuvor Glenda Wildschut zu großem Dank verpflichtet. Ebenso begeistert unterstützt wurde ich durch den Vorstand von IHOM – North America unter der Leitung von Rev. Margaret Fell und zuvor Rev. Paul Feuerstein.

Von meinen Kollegen im Institute for Healing of Memories erhielt ich bei der Arbeit an dieser Autobiografie stets Zuspruch, obwohl dadurch ihre eigene Arbeitsbelastung zunahm. Dies gilt vor allem für meinen Stellvertreter Alphonse Niyodusenga und unseren Manager in KwaZulu-Natal, Mpendulo Nyembe.

Hilfe und Zuspruch erhielt ich von meiner engen Freundin Fatima Swartz besonders beim Verfassen des Kuba-Kapitels.

Im Laufe der Jahre war das Institut immer auf das Engagement ehrenamtlicher Seminarleiter angewiesen, besonders auf die langjährige Hilfe von Schwester Jacinta Bannon, IBVM, und Dick Herbert.

Mein Dank gilt Orbis Books und besonders Robert Ellsberg für die Veröffentlichung des Buchs und für seine hilfreichen Ratschläge und seinen Zuspruch. Ebenso danke ich meiner deutschen Verlegerin Barbara Budrich sowie Hélène Rybol und Dieter Rybol für die Übersetzung und Dagmar Dhyvert und Judith Henning für die Redaktion. Meinem lieben Freund Patrick Byrne danke ich ganz besonders: Seine Erfahrung und sein Engagement haben das ganze Übersetzungsprojekt erst ermöglicht.

Sehr viele Freunde haben mich im Laufe der Jahre dazu ermuntert, sowohl die Geschichte meines Lebens als auch die Geschichte des Institute for Healing of Memories mit meinen eigenen Worten zu erzählen. Hier ist sie nun.

Mit meinen Freunden Ntsikelelo Mateta und Stephen Karakashian (Foto: Bill Hackwell)

[1]Teil I

Die Briefbombe und ihre Folgen

[2]

[3]1

Der Anschlag

Am 28. April 1990, nach einer wunderschönen Abschiedsfeier, die meine Freunde für mich organisiert hatten, setzte ich mich etwas müde, aber glücklich in mein Wohnzimmer in Harare. Es fiel mir schwer, sie und Harare, das jahrelang mein Zuhause gewesen war, zurückzulassen, aber gleichzeitig freute ich mich auf meine neue Arbeit als Gemeindepfarrer in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt in Simbabwe. Während ich mit meinem jungen Mitbewohner Andrew Mutizwa sprach, griff ich nach einem Stapel liegengebliebener Post und öffnete einen großen braunen Umschlag aus Südafrika, in dem sich zwei in Plastikfolie verpackte religiöse Zeitschriften befanden, eine auf Afrikaans, die andere auf Englisch. Ich zog die Folie ab, öffnete die englische Zeitschrift und schloss so den Schaltkreis.

Die Detonation traf mich mit voller Wucht. Ich fühlte, wie ich nach hinten geschleudert wurde, als würde ich in unendliche Dunkelheit eintauchen. Wenn meine Trommelfelle nicht geplatzt wären, hätte ich gehört, wie die Decke über mir und um mich herum einstürzte. Wenn ich mein Sehvermögen nicht verloren hätte, hätte ich vielleicht die Überreste meines Wohnzimmers in den Trümmern gesehen. Stattdessen trat ich in eine Welt der Stille, der Dunkelheit und entsetzlicher Schmerzen ein. Mir war sofort klar, dass das Apartheidregime dafür verantwortlich war. Und ich erinnere mich, dass ich den fremden Menschen, die vom Hotel gegenüber herbeigerannt kamen, um mir zu helfen, trotz der Schmerzen zuschrie: „Ich bin ANC-Mitglied. Holt Hilfe.“ Heute halte ich es für einen Segen, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht sehen konnte, denn so blieb mir der Anblick des Blutes und der Stümpfe erspart, die zuvor meine Hände gewesen waren. Das Zimmer wurde fast vollständig zerstört. Wo ich vorher gesessen hatte, klafften nun im Boden und in der Decke gewaltige Löcher. Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung ist es kaum zu glauben, dass ich überlebt habe.

Allein in dieser Leere, fühlte ich mich von Gott umgeben und spürte, dass Maria verstand, was ich durchmachte, denn sie hatte ja miterlebt, wie ihr Sohn gekreuzigt wurde. Obwohl ich viel Blut verlor, blieb ich bei Bewusstsein und begriff nach und nach den gesamten Schrecken meiner Situation. Um mich herum herrschte Chaos, als meine Freunde Rebecca Garrett und Hugh McCullum herbeieilten und sich bemühten, mich zum nächstgelegenen Krankenhaus zu transportieren. Der Krankenwagen, den sie gerufen hatten, kam nicht, und so fuhren sie mich mit ihrem eigenen Auto ins Krankenhaus. [4]Rebecca erinnert sich, wie ich vor Schmerz aufschrie, als sie mich mit der Hand berührte. Dennoch begleitete mich Gott durch diese grauenvollen Stunden, in denen das Krankenhauspersonal bemüht war, mein Leben zu retten und die Schäden an meinem Körper zu begrenzen. Zum Glück betäubt ein Schock die Sinne. Trotzdem hatte ich so große Schmerzen, dass ich dachte, kein Mensch sollte so sehr leiden müssen. Aber Gottes Versprechen, das große Versprechen der christlichen Schriften, wurde eingehalten: Er verspricht nicht, dass wir nicht leiden werden, sondern sagt „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“. Ich bin keiner dieser selbstsicheren Christen, die die menschliche Weisheit und das Gottesverständnis gepachtet haben, doch diese Erkenntnis entspricht meiner Tradition, deren Innerstes sich mir in diesem Moment erschloss.

Meine gute Freundin Jenny Hanekom ist Physiotherapeutin. Sie wusste, dass der an jenem Tag im Krankenhaus von Harare diensthabende Chirurg den Ruf hatte, ein „Metzger“ zu sein, wie sie es später etwas unverblümt formulierte. „Sie dürfen nicht operieren, bevor ich jemand anderen gefunden habe“, befahl sie dem Krankenhauspersonal. Da sie kein Familienmitglied war, hatte sie eigentlich kein Mitspracherecht, aber ihr autoritärer Ton ließ keinen Widerspruch zu. Ihr Eingreifen war über alle Maßen wichtig, verzögerte jedoch auch die Operation. Ich hatte schwere Verbrennungen, zahlreiche Knochenbrüche, und mein Körper war übersät mit Wunden. Da Schmerzmittel die Anästhesie beeinflusst hätten, wartete ich einige Stunden unter starken Schmerzen. Während das Krankenhauspersonal versuchte, die Blutungen zu stillen, gelang es Jenny, Dr. Glenn Gordon zu erreichen, einen Chirurgen aus den USA, dessen Lehrauftrag an der medizinischen Fakultät seinem Ende entgegenging. Dr. Gordon eilte zum Krankenhaus und operierte, um, wie er sich ausdrückte, „zu retten, was zu retten war“. Vor kurzem beschrieb er in einem Brief meine Verletzungen folgendermaßen:

Als ich bei ihm in der Notaufnahme ankam, war seine Verfassung kritisch. Von den Bombensplittern hatte er tiefe Schnittwunden im Gesicht. Ein Auge war praktisch zerstört. Das Trommelfell beider Ohren war geplatzt. Die Bombe hatte ihm beide Hände teilweise weggerissen, sodass bloßgelegte Knochen ohne Fleisch herausragten. Große Teile seines Oberkörpers und seiner Arme waren ebenfalls durch Splitter verletzt. Erstaunlicherweise war er geistig präsent und konnte klar und ruhig kommunizieren. Die chirurgischen Eingriffe zur Behandlung seiner zahlreichen Körper- und Gesichtsverletzungen dauerten fast die ganze Nacht.

Ein oder zwei Tage später musste Dr. Rita Quaas, eine Ärztin aus der DDR, mein rechtes Auge herausoperieren, es war nicht mehr zu retten. In bewegenden Worten erklärte sie mir, wie schlimm es für sie als Augenspezialistin sei, ein Auge entfernen zu müssen. Inzwischen hatte ich auf dem linken Auge etwas Sehvermögen zurückgewonnen. Ich lag also nicht mehr in völliger [5]Dunkelheit da, und ich konnte wieder etwas hören, wenn sehr laut gesprochen wurde. Da ich ein Auge verloren hatte und mit dem anderen nur wenig sehen konnte, hatte ich zuerst Angst, völlig zu erblinden. So war ich sehr erleichtert, als das Sehvermögen in meinem verbliebenen Auge langsam wiederkehrte. Meine Hände zu verlieren war schlimm genug. Dazu noch blind zu sein wäre jedoch eine ganz andere Sache gewesen. Allerdings blieb mein Sehvermögen noch wochenlang sehr schlecht.

An jenem Schicksalsabend eilte meine Freundin Phyllis Naidoo ins Krankenhaus. Phyllis ist eine Art ‚Katholikin im Ruhestand‘ und ich bat sie, das Vaterunser aufzusagen. Sie hat es wahrscheinlich schon mit der Muttermilch aufgesogen, hatte aber trotzdem Probleme, es zu Ende zu bringen. Als sie bei ‚erlöse uns von dem Bösen‘ ankam, wo das Gebet nach der römischkatholischen Tradition endet, protestierte ich: „Nein, nein, Phyllis. Du kannst nicht mit ‚Bösem‘ aufhören. Wir müssen weitermachen, ‚Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit‘.“ So spürte ich sogar in diesem Moment trotz meiner schweren Verletzungen ein Gefühl des Sieges. Ich hatte gesiegt, denn ich war dem Mordanschlag der Buren entgangen. Ich hatte überlebt, und ich denke, dass meine Arbeit in den Monaten und Jahren seither dem Ziel galt, mir diesen Sieg zu eigen zu machen. Zwischen der Befreiung der Menschen und meiner Arbeit als Glaubensbote habe ich nie einen Unterschied gesehen. Für mich sind sie ein und dasselbe. Für die Täter war das Versenden der Briefbombe zweifellos ein politischer Akt, mit dem sie jemanden beseitigen wollten, in dem sie eine Gefahr für den Staat sahen. Andere jedoch betrachteten das, was mir widerfahren war, mit ganz anderen Augen. Michael Worsnip, ein Freund und Priesterkollege, besuchte mich drei Tage nach dem Bombenanschlag im Krankenhaus. Später schrieb er eine Biografie über mich und schilderte diesen Besuch mit sehr religiösen Worten. Ich zitiere ihn hier mit einem Gefühl von Demut und in dem Bewusstsein, dass sie auch die Opfer zahlloser anderer Menschen beschreiben.

Ich sah Christus. Nicht in Michael … oder doch, vielleicht doch in Michael. Christus, der leidet. Christus ohne Hände. Christus, der mit blutenden Lippen zu uns spricht. Christus mit einem Auge. Christus mit einem fehlenden Zahn. Ja, ich sah Christus in dem Bett liegen, und ich spürte seinen Zuspruch. Es war wohl eine der intensivsten spirituellen Erfahrungen meines Lebens. Ich sah kein einziges Anzeichen von Bitterkeit oder Hass. Das ist Gott, nicht wahr? Ich stand dort und konnte nur noch zusehen und zuhören, während dieses außergewöhnliche christliche Drama die Form von Fleisch und Blut annahm – geschundenes, verbranntes [6]und zerstückeltes Fleisch in Gestalt eines Freundes, Pastors, Priesterkollegen und Weggefährten.1

Wir Freiheitskämpfer lebten alle in dem Bewusstsein, dass uns eines Tages etwas zustoßen könnte, wie es so vielen unserer Kameraden geschehen war. Die südafrikanischen Killerkommandos verfolgten ihre Ziele gnadenlos und oft mit Erfolg. Das Militär verübte sogar Attentate im fernen London. Mord, Autobomben und Psychoterror gehörten zum Alltag. Gegen Ende meiner Zeit in Lesotho, wo südafrikanische Exilanten in besonderer Gefahr schwebten, schliefen wir manchmal jede Nacht in einem anderen Haus, wenn Gerüchte von einem bevorstehenden Anschlag die Runde machten. Ich schaute auch immer unter meinem Auto nach Bomben, bevor ich den Motor anließ. Angesichts des weltweiten Amoklaufs des Apartheidregimes war dies kein blinder Verfolgungswahn. Auch wenn einige Kameraden sich etwas waghalsig über die Gefahr hinwegsetzten, hielt ich es für richtig, Vorsicht walten zu lassen. Jahre später erfuhr ich, dass südafrikanische Agenten mich tatsächlich ins Visier genommen hatten. Im Verlauf der Anhörungen der Wahrheits- und Versöhnungskommission erhielt ich Einsicht in meine Sicherheitsakte. Dort fand ich den Bericht eines Agenten, der mich während einer Vortragsreise in Kanada beschattet hatte. Mein Stolz litt ein wenig, als ich las, dass er mich für einen sehr langweiligen Redner hielt. Ich widerstand der Versuchung, der Akte eine empörte Notiz beizufügen, etwa „Das stimmt überhaupt nicht. Ich war kein langweiliger Redner!“. Aber Scherz beiseite – in einer Ermittlungsakte der Wahrheits- und Versöhnungskommission über Killerkommandos fand ich einen Verweis auf eine Mitteilung eines gewissen ‚Colonel Hammer‘, der so genannt wurde, weil er angeblich einen Hammer benutzte, um Fliegen zu töten. Als ob er den Gang der Ereignisse vorausgeahnt hätte, sprach er sich dafür aus, andere Methoden in Betracht zu ziehen, um mich zu beseitigen. Ein Briefbombenanschlag sei nicht unbedingt tödlich, und ich könne zurückkehren und sie weiter heimsuchen. Genau dies habe ich dann ja auch getan.

Mein Leben blieb auch nach dem Umzug von Lesotho nach Simbabwe in Gefahr. Ich werde nie vergessen, wie mir der simbabwische Geheimdienst mitteilte, dass ich auf einer Todesliste des südafrikanischen Regimes stand. In diesem Augenblick stand die Zeit für mich still, und ich kann mich noch lebhaft an die Einsamkeit erinnern, die ich verspürte. Es handelte sich hier nicht um irgendjemanden, von dem ich in der Zeitung gelesen hatte. Die waren hinter mir her! Manchmal wachte ich nachts durch ein Geräusch auf und dachte: ‚Warum bin ich wach geworden? Wird hier gerade ein Anschlag verübt?‘. Ich gewöhnte mir an, aus dem Bett auf den Boden zu rollen. Niemals sitzen oder aufstehen, denn genau dann wurde man zur Zielscheibe. [7]Nachdem herauskam, dass ich auf der Todesliste stand, stellte mich die simbabwische Regierung Tag und Nacht unter bewaffneten Schutz. Die Bewachung und die Tatsache, dass ich auf Beerdigungen von Kameraden sprach, erinnerten mich ständig daran, dass dieser Kampf mich jederzeit das Leben kosten konnte. Ich hatte lange mit dieser Gefahr gelebt, und das zwang mich dazu, mir Fragen zu stellen wie „Wofür lebe ich? Und was ist daran so schlimm, dass die südafrikanische Regierung mich umbringen will? Was sind meine ureigensten Werte? Woran glaube ich?“

Ich wusste, dass ich bereit war, für die Befreiung zu sterben, aber Angst ist ein sehr menschliches Gefühl. Menschen, die keine Angst haben, sind meines Erachtens nicht ganz menschlich, und so habe ich immer gebetet, dass ich den Mut aufbringen möge, nach meinem Glauben zu handeln und mich nicht durch meine Angst einschüchtern zu lassen. Trotzdem hatte ich nie damit gerechnet, als Folge dieser Einstellung mit einer dauerhaften, schweren Körperbehinderung leben zu müssen. Aber so kam es nun mal. Das Schlimmste war eingetreten, aber mir war praktisch sofort klar, dass ich überleben würde. Deshalb fühlte ich mich trotz der großen Schmerzen siegreich.

Ich dachte an die Folgen des furchtbaren Massakers von 1982 in Lesotho, als südafrikanische Soldaten nachts in das Land eindrangen und Bürger Lesothos sowie südafrikanische Mitglieder des ANC umbrachten, insgesamt 42 Menschen. Viele Kinder und Erwachsene starben in ihren Betten. Ich war damals im Ausland. Bei meiner Rückkehr merkte ich, dass manche Menschen andere des Verrats verdächtigten. Warum hatten manche überlebt? Warum wurden sie nicht umgebracht? Auf diese Fragen gab es keine Antwort, aber es war, als seien nur die Toten über jeden Verdacht erhaben. Phyllis Naidoo selbst wurde 1979 durch einen Briefbombenanschlag in Lesotho verletzt. Ein Jahr vor dem Anschlag auf mich wurde ihr Sohn Sahdhan in Lusaka von einem südafrikanischen Agenten kaltblütig ermordet. Phyllis wusste also, was Leiden bedeutet. An dem Abend, als sie mit mir im Krankenhaus betete, wurde mir klar, dass mein Anblick mit den blutgetränkten Verbänden schmerzliche Erinnerungen in ihr wecken musste. Trauer über ihren Verlust überkam mich, und ich hatte das Bedürfnis ihr zu sagen „Es tut mir leid, dass ich überlebt habe“, – ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich lebte, während ihr geliebter Sohn sterben musste, und dann weinten wir gemeinsam.

Wenn man bedenkt, wie häufig Mordanschläge waren, ist es kaum verwunderlich, dass einer auf mich verübt wurde. Überraschend war jedoch der Zeitpunkt, denn Verhandlungen zwischen dem ANC und der Apartheid-Regierung standen unmittelbar bevor. Der südafrikanische Verteidigungsminister Magnus Malan hatte zudem versichert, dass es keine weiteren Attentate in Nachbarländern geben würde. Wir sagten uns immer wieder, dass wir nicht so gutgläubig sein dürften, ließen aber in unserer Wachsamkeit trotzdem [8]etwas nach, ebenso wie die Simbabwer, die meine Personenschützer abberiefen. Knapp drei Monate zuvor war Nelson Mandela aus dem Gefängnis entlassen worden. Der ANC und andere politische Organisationen waren nicht mehr verboten. Nur vier Tage nach dem 28. April 1990, an dem ich die Briefbombe öffnete, setzten sich zum ersten Mal Vertreter des Apartheid-Regimes und des African National Congress (ANC) in Kapstadt zusammen, um Gespräche über die Normalisierung ihrer Beziehungen zu führen. Geheime Verhandlungen hatten schon vorher stattgefunden, doch dies waren die ersten offiziellen Gespräche. Damit gab man der Welt zu verstehen, dass beide Seiten ernsthaft eine einvernehmliche Lösung anstrebten. Als Höhepunkt dieser Gespräche wurde am 4. Mai das als Groote-Schuur-Protokoll bekannte Communiqué angenommen, das als Grundlage für die darauffolgenden Verhandlungen diente.

Natürlich stemmten sich viele Weiße gegen diese Entwicklungen. Manche meinten, dass der Anschlag auf mich womöglich diese Gespräche verzögern oder gar verhindern sollte. Außerdem wurden damals Weiße wie ich von Anhängern der Apartheid als Volksverräter verachtet und gehasst. So schmeichelhaft diese Erklärungen auch sein mögen, denke ich, dass mir dadurch viel zu viel Bedeutung beigemessen wird. Ein völlig banaler Grund wäre genauso plausibel: Vielleicht stand ich auf einer Todesliste, und der Anschlag auf mich war für die Handlanger des Regimes ein bis dato unerledigter Job, den sie in dem Irrglauben zu Ende brachten, damit die Gespräche torpedieren zu können. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, der Anschlag auf mich war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was kommen sollte. In den folgenden Jahren war in Südafrika nämlich die Hölle los. Das Regime brachte eine beispiellose Zahl wehrloser Menschen um. Gleichzeitig wurden die Verhandlungen mit dem ANC fortgesetzt und führten schließlich zur Schaffung einer echten Demokratie.

Unter diesen Umständen gingen die Simbabwer kein Risiko ein. Nachdem Dr. Gordon die Operationen abgeschlossen hatte, wurde ich in die Militärabteilung des Krankenhauses verlegt und ein Polizist wurde vor meiner Tür postiert. Da sie befürchteten, dass das Apartheidregime versuchen könnte, mich endgültig zu erledigen, hielten die simbabwischen Behörden – wie sie meinten zu meinem Besten – die meisten Besucher fern. Das war zwar verständlich, für mich war es jedoch eine zusätzliche Belastung, denn die wenigen Besucher, die es durch die Sicherheitssperren schafften, wirkten auf mich wie Medizin. Später erzählte mir eine Freundin, Geraldine Fraser-Moleketi, dass ihr in dem Augenblick klar wurde, dass ich es schaffen würde, als ich mich ihr zuwendete und sie fragte, wie ich aussähe. Als ich den Fehler beging, Phyllis Naidoo dieselbe Frage zu stellen, antwortete sie, dass ich genauso hässlich aussähe wie zuvor. In dem Moment wusste ich, dass sie von meiner Genesung überzeugt war. Einige meiner Besucher arbeiteten für den simbabwischen Geheimdienst. Es ist wohl ein Beispiel für die Ironie des [9]Schicksals, dass ich Jahre später eine Niederschrift meines Gesprächs mit ihnen im Krankenhaus in meiner südafrikanischen Sicherheitsakte fand. Mindestens einer von ihnen war also ein Doppelagent. So viel zu meiner Sicherheit!

Von dem Briefbombenanschlag auf mich wurde im Radio in ganz Simbabwe, ja sogar weltweit berichtet. Während meines vierwöchigen Aufenthalts im Krankenhaus von Harare erreichten mich zahlreiche Nachrichten von Freunden und Unterstützern. Zusammen mit dem Oberhaupt meines Ordens und anderen Mitgliedern meiner Ordensgemeinschaft trafen meine beiden Schwestern, Helen und Irene, sowie ein enger Freund der Familie, Charles Hamilton, aus Australien und London ein. Eine Zeit lang war ich Pfarrer in einem kleinen Township außerhalb von Harare gewesen. Viele ehemalige Gemeindemitglieder kamen, besonders Jugendliche, aber auch einige ältere Menschen, die dafür einen langen Fußmarsch in der heißen afrikanischen Sonne auf sich nahmen. Leider wurden sie nicht zu mir gelassen.

Einige Tage nach dem Anschlag fand in der anglikanischen Kathedrale von Harare ein Gottesdienst statt. Menschen aus dem ganzen Land kamen dorthin, um für meine Genesung zu beten. Ich schaffte es, eine Botschaft für die versammelte Gemeinde zu diktieren, die meine Schwester Helen vorlas. Beim Gottesdienst sagte ein Redner Folgendes über mich:

Er kümmerte sich um südafrikanische Flüchtlinge in der ganzen Welt. Er sorgte für die Menschen des Landes, in dem er arbeitete. Er beerdigte unsere Verstorbenen, besuchte unsere Kranken, traute unsere Kameraden, taufte unsere Babys und besorgte so manchem Südafrikaner ein Stipendium. Er bot allen ein Zuhause. Er tröstete uns in guten wie in schlechten Zeiten. Vor allem aber kam dieser Unbekannte zu uns, schenkte uns seine Liebe und gewann die unsrige. Gemessen an seinem Mut sind wir alle Bettler. Die Buren werden gegen einen solch unbeugsamen Mut nicht gewinnen.

Der kubanische Botschafter besuchte mich und bot mir kostenlose ärztliche Behandlung in Kuba an, ebenso wie die Regierungen von Schweden und Norwegen. „Wir werden Ihnen jegliche Unterstützung bieten, die sie brauchen“, sagte der palästinensische Botschafter. Insgesamt boten mir sieben Länder kostenlose medizinische Behandlung an. Zu meiner großen Freude gelang es meinem ehemaligen Vorgesetzten im Lutherischen Weltbund, Wolfgang Lauer, mir Whiskey zu besorgen – eine sehr mitfühlende Geste. Leider musste ich nach einiger Zeit meinen Whiskey vor dem Abendessen aufgeben, da die Ärzte Wechselwirkungen mit den Medikamenten befürchteten. Sehr bedauerlich!

Janice McLaughlin, eine Freundin und Maryknoll-Ordensschwester aus den USA, besuchte mich im Krankenhaus zusammen mit den Pfarrern Cas [10]Paulsen und Dick O’Riordan sowie Dr. Gordon, meinem Chirurgen, und seiner Frau Sue. Gemeinsam feierten wir – Anglikaner, Methodisten und Katholiken – das Abendmahl in meinem Krankenhauszimmer, sobald ich dazu im Stande war. Trotz meiner blutigen Stümpfe schaffte ich es, das Zeichen des Kreuzes zu machen. Nach der Messe spielte Dr. Gordon Gitarre und sang für uns. Ein anderes Mal schlossen wir die Abendmahlsfeier mit der jetzigen südafrikanischen Nationalhymne, Nkosi Sikelel’ iAfrica, ab, und ich beendete sie mit dem Black-Power-Gruß.

Meine Familie in Neuseeland hatte so etwas wie den Anschlag wohl schon lange befürchtet. Sie sprachen zwar nicht darüber, wussten jedoch von den Wachpolizisten und den Gefahren, denen ich ausgesetzt war. Besonders mein Vater war, ebenso wie ich, ein sehr emotionaler Mensch. Meine Mutter sagte oft, wie erleichtert sie war, dass er das nicht mehr miterleben musste, denn er hätte es wohl nicht verkraftet. Sie war schon über 70, als ich die Briefbombe erhielt, und sie war zutiefst erschüttert. Meine Familie wurde von der Presse belagert, da ich in Neuseeland wegen meines Einsatzes gegen die Apartheid bekannt war. Die anderen Familienmitglieder schützten meine Mutter, denn sie war ein zurückhaltender Mensch und empfand zweifellos keinerlei Bedürfnis, in der Öffentlichkeit über das schreckliche Schicksal ihres Sohns zu sprechen. Sie war außerdem zutiefst religiös und setzte sich in diesen Tagen wohl intensiv mit ihrem Glauben und dem, was mir passiert war, auseinander. Ich wollte mit ihr reden. Sobald ich sprechen konnte, telefonierten wir, und selbst am Telefon kümmerte sie sich liebevoll um mich. Als ich von meinem Krankenbett aus mit ihr sprach, schien es mir, als hätte ein Schwert ihr Herz durchbohrt. Später flog sie nach Australien, um mich dort im Krankenhaus zu besuchen.

Als ich wieder zu Kräften kam, hatte ein Teil von mir manchmal das Gefühl, dass ich noch glimpflich davongekommen war. Das Apartheidregime hatte zweimal versagt. Ich war nicht nur am Leben geblieben, sondern hatte auch keine großen inneren Verletzungen davongetragen. Obwohl ich meine Hände und ein Auge verloren und Schädelverletzungen davongetragen hatte, war mir meine Zunge geblieben, und im Grunde genommen war sie ja meine einzige Waffe gewesen. Wie brutal hingegen das Apartheidregime vorging, davon zeugt seither mein Körper. Ich war aber noch sehr schwach und über und über in Verbände gehüllt. Ehrlich gesagt, war ich genauso hilflos wie ein neugeborenes Kind. Ich konnte nichts allein tun. In manchen trostlosen Momenten dachte ich, dass Sterben sicher besser gewesen wäre. Würde das Leben sich jemals wieder wie Leben anfühlen? Wie sollte ich ohne Hände zurechtkommen? Würde ich jemals unabhängig sein und Auto fahren können? Wie würde ich denn unter diesen Umständen das Abendmahl feiern können? Menschen zu berühren war meine Art und Weise, Liebe und Zuneigung zum Ausdruck zu bringen. Was sollte ich denn jetzt bloß machen? Ich konnte immer noch nicht gut sehen, und mit jedem weiteren Tag stieg meine [11]Angst, nie mehr lesen zu können. Das wäre ein furchtbarer Schlag gewesen! So war es ein erhebender Moment, als die Ärzte später in Australien feststellten, dass ich mit einer Brille würde lesen können. Genauso wundervoll war die Nachricht, dass meine Sehkraft den rechtlichen Anforderungen für das Autofahren entsprach.

Wenn ich Besuch erwartete, machte mich das Krankenhauspersonal in der Regel zurecht und empfangsbereit. Mich präsentabel herzurichten war unter diesen Umständen natürlich nur bedingt möglich. Ich muss erschreckend ausgesehen haben. Ich kann mich an ein Paar erinnern, bei dessen Besuch ich wohl nicht ganz so ansehnlich zurechtgemacht war wie sonst. Sie sind völlig ausgeflippt. So nahm ich auf einmal die Rolle des Seelsorgers ein. „Ruhig, ruhig, es ist doch nicht so schlimm. Es hätte viel schlimmer kommen können. Schließlich bin ich noch am Leben“, sagte ich als Opfer und versuchte, meine Besucher zu trösten. Es fiel ihnen jedoch sehr schwer, meinen Anblick zu ertragen. Ehrlich gesagt ging es mir selbst, als ich später wieder besser sehen konnte, genauso.

Manchmal ertappte ich mich dabei, mich in Gedanken selbst zu beschuldigen, wie Opfer das eben tun. Vielleicht hatte ich den Briefbombenanschlag ja verdient. Ich war versucht, die Liste der Sünden durchzugehen, die ich seit meiner Kindheit begangen hatte. Es war zwar kein vorherrschendes Gefühl und entspricht auch ganz und gar nicht meinem Glauben, aber es beschlich mich dennoch, so wie bei anderen Menschen, die traumatisiert sind. In diesen finsteren Momenten stützte ich mich auf meinen einfachen Kinderglauben an einen gütigen Gott und an Jesus, der so gelitten hatte wie ich und gekreuzigt wurde. In den Jahren meiner Ausbildung zum Priester hatte ich mich intensiv mit den Psalmen beschäftigt. In ihnen fand ich nun Trost und Halt. Die Gewissheit, dass Menschen seit 4.000 Jahren auf diese Worte reagieren, tröstete mich. Vor allem aber richtete mich die Flut von Gebeten und Liebe von Unterstützern aus der ganzen Welt auf. Ich habe Sammelalben voll mit den Botschaften, mit denen ich überschwemmt wurde. So gesehen wird bei meinem Tod keine Begräbnisfeier nötig sein, weil alle schönen Dinge damals bereits gesagt wurden. Es war sehr ergreifend.

Als Adressat einer Briefbombe wurde ich zum Ziel des Bösen. Böse bedeutet hier, Briefbomben herzustellen und an andere Menschen zu schicken, ihre Adresse in dem Bewusstsein auf einen Umschlag zu tippen, dass der Inhalt jemanden umbringen soll. Gleichzeitig wurde ich jedoch auch zum Empfänger alles Guten, zu dem die Menschen fähig sind, nämlich Zärtlichkeit, Liebe und Mitgefühl.

[12]

Mit meiner Mutter Laura, in Neuseeland

1

Michael Worsnip, Priest and Partisan. A South Africa Journey (North Melbourne: Ocean Press. 1996).