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KSenia

Die verschwundene Seherin

Saskia Dreßler

Auflage, 2022

© Alea Libris Verlag, Wengenäckerstr. 11, 72827 Wannweil

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Viktoria Lubomski

Bildrechte: Marita Kavelashvili, Sakedon, Warmtail

Lektorat: Michaela Harich

ISBN: 9783945814789

Druckerei: CPI buchbücher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Anmerkung der Verlegerin:

Backt Kuchen, Leute.

Sonst ergeht es euch wie dem Dorf. Natürlich nur literartisch.*

*Kuchen backend geschrieben

1

Sie hörte das Grunzen schon von Weitem und es verwandelte sich in ein kehliges Gebrüll. Sie blieb abrupt stehen und horchte. Die Geräusche kamen aus westlicher Richtung. Sollte sie nachsehen?

Ksenia schüttelte den Kopf. Nein, das ging sie nichts an. Sie sollte sich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute einmischen – das würde ihr nur Ärger einbringen. Die Sonne würde bald untergehen, und bis dahin wollte sie es unbedingt bis zum nächsten Gasthaus schaffen. Noch eine Nacht auf einem harten Waldboden hielt sie nicht mehr aus. Zu sehr freute sie sich auf einen Krug Bier, etwas Warmes zu essen und ein richtiges Bett, in dem sie sich ausstrecken konnte. Vielleicht könnte sie sich auch endlich den Dreck der Straße von der Haut waschen. Das letzte Mal, dass sie diesen Luxus genießen konnte, war sicher schon mehrere Wochen her.

Die Waldläuferin warf einen kurzen Blick in die Richtung, aus welcher der Lärm kam, dann schüttelte sie den Kopf und setzte ihren Weg fort. Hinter sich rumorten die Geräusche weiter, als plötzlich ein Schrei erklang. Ein menschlicher Schrei, schrill und voller Angst. Jemand war in Schwierigkeiten – in sehr großen Schwierigkeiten. Ksenia fluchte. Das Gasthaus vor Sonnenuntergang zu erreichen, konnte sie vergessen. Sie drehte sich um und rannte in Richtung des Schreis.

Nach wenigen Minuten blieb sie hinter einem Baum stehen und spähte hervor. Vor sich sah sie eine Lichtung, die im Schatten der Bäume lag. Auf dieser stand ein wahrhafter Riese. Sein unförmiger Körper war sicher über acht Fuß hoch. Die Haut schimmerte blau und auf seinem Kopf befanden sich zwei gefährlich spitz aussehende Hörner. Dieses Monster stampfte auf eine kleine Gestalt im Schatten zu, seine Keule langsam hinter sich herziehend. Währenddessen grunzte es laut vor sich hin. Ein Oni, schoss es Ksenia durch den Kopf und versuchte sich ihr Halbwissen über den menoarischen Dämon ins Gedächtnis zu rufen. Er war auf jeden Fall einer der großen Sorte. Aber sie waren doch seit Jahrzehnten angeblich nicht mehr in Menschennähe gesehen worden, oder? Normalerweise gingen sie, soviel Ksenia wusste, Menschen aus dem Weg, denn diese hatten sie fast ausgerottet. Was hatte dieses Monster nur so verärgert, dass er sich in die Nähe eine Hauptstraße wagte?

Der Blick der Waldläuferin blieb an der Gestalt hängen, die zusammengesunken den Oni beobachtete, der sich auf sie zubewegte. Ksenia verengte die Augen. Das war eindeutig ein Junge, wenn auch ein sehr schmächtiger. Sein Alter ließ sich schwer schätzen, aber er war der Kindheit sicher gerade entwachsen. Er schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen und die Augen sahen schreckensgeweitet den Dämon an. Der Junge bewegte sich nicht, blieb einfach auf dem Boden sitzen. Wahrscheinlich stand er unter Schock und dieser lähmte seinen Fluchtinstinkt.

Bevor Ksenia überhaupt wusste, was sie tat, zog sie ihren Bogen, zielte auf das Ungeheuer und schoss. Der Pfeil traf sein Ziel und blieb in der Haut des Oni stecken. Der Dämon grunzte verärgert auf und blickte sich mit seinen gelben Augen um. Dann setzte er seinen Weg fort, als wäre der Pfeil nicht mehr als ein lästiger Insektenstich. Speichel tropfte dabei von seinem Mund und weißer Schaum bedeckte seine Hauer. Scheinbar war seine Haut härter, als Ksenia angenommen hatte. Verärgert schnitt sie eine Grimasse.

Eigentlich mochte sie den Nahkampf nicht. Sie fühlte sich sicherer, wenn sie ihre Pfeile aus guter Entfernung abschießen konnte. Doch hier schien ihr keine andere Wahl zu bleiben.

An eine Umkehr war nicht mehr zu denken. Schließlich hatte sich der Oni ihrem Angriff widersetzt und das fasste Ksenia als persönliche Beleidigung auf. Niemand stampfte einfach weiter, wenn er von einem ihrer Pfeile getroffen wurde! Diese waren todbringend und keine kleinen Insektenstiche! Außerdem konnte sie, auch wenn die Überlebenschancen des Jungen schlecht standen, ihn jetzt nicht einfach im Stich lassen. Wenn sie sich schon einmischte, dann zog sie sich nicht einfach zurück, dann wurde das zu Ende gebracht!

Ksenia zog ihr Kurzschwert aus der Schneide, während der Dämon unbeirrt seinen Weg fortsetzte. Fast war sich Ksenia sicher, dass er ihre Existenz und ihren Pfeil längst wieder vergessen hatte.

Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen! Wie konnte er es wagen, ihre Angriffe zu ignorieren? Bisher hatte sich das noch niemand erlaubt – und Ksenia würde ihm schon zeigen, was er davon hatte! Wer sich ihr, einer der besten Kämpferinnen, die sie kannte, widersetzte, der würde die Konsequenzen dieser Handlung am eigenen Leib spüren.

Die Waldläuferin nahm Anlauf und sprang ab. Das Überraschungsmoment war auf ihrer Seite. Sie hätte den Oni beinahe erwischt. Aber bevor sie ihr Schwert in seine Haut rammen konnte, wischte der Dämon sie mit einem Arm weg, als wäre sie nur eine lästige Fliege.

Ksenia flog gegen einen Baum. Der Aufprall presste ihr die Luft aus den Lungen und kurz wurde die Welt vor ihren Augen schwarz. Sterne schienen sie zu umtanzen.

Zitternd atmete sie ein und rappelte sich schwankend auf. Ihr Blick irrte umher. Sie blinzelte, bis sie wieder klarsehen konnte und bemerkte, dass der Oni stehen geblieben war. Er hatte sich zu ihr umgedreht und stieß unartikulierte Laute aus. Ob das eine Art Sprache war?

Doch die Waldläuferin hatte keine Zeit, sich darüber tiefergehende Gedanken zu machen. Scheinbar war sie für den Dämon doch mehr als eine lästige Fliege. Befriedigt hob Ksenia ihr Schwert. Sie würde ihm noch das Fürchten lehren. Wen sie einmal angegriffen hatte, der musste sich entweder ergeben oder im Kampf fallen – eine andere Möglichkeit blieb ihrem Gegner nicht übrig.

Während der Oni noch versuchte, die Situation zu verstehen – er war wohl nicht der Hellste – versuchte Ksenia eine Schwachstelle in der dicken Haut ihres Gegners zu finden. Doch dieser wirkte bestens gegen ihre Angriffe geschützt. Obwohl er nur einen Lendenschurz und keine Rüstung trug, schien seine Haut an allen Stellen undurchdringlich zu sein. Ksenia konnte viele verblasste Narben auf seiner Haut sehen, die wohl von anderen Kämpfen stammen mussten. Als sie ihn vorsichtig umkreiste, stellt sie fest, dass auch der Nacken des Oni, der mit langen braunen Haaren bedeckt war, bullig und zu hart für ihr Kurzschwert wirkte. Er war scheinbar unangreifbar.

Der Dämon setzte sich langsam in Bewegung, direkt auf sie zu. Er beeilt sich ja nicht gerade, schoss es Ksenia durch den Kopf. Vielleicht konnte ihr wenigstens das helfen.

Sie rannte abermals los. Kurz bevor sie den Oni erreichte, ließ sie sich fallen und rutschte über das Gras unter ihm hinweg. Ihr Schwert hatte sie dabei erhoben und ritzte ihm die Innenseite seines Unterschenkels auf. Dabei bekam sie einen unfreiwilligen Einblick, was sich unter dem Lendenschurz des Dämons befand – darauf hätte sie verzichten können.

Ksenia kam ein Stück weit vor dem Jungen zum Stehen . Dieser starrte sie einfach an und rührte sich nicht. Ksenia schenkte ihm einen kurzen Blick, konzentrierte sich dann wieder auf ihren Gegner. Über ihre Schulter gewandt blaffte sie den Jungen noch an: »Verschwinde! Du stehst im Weg!«

Dann galt ihre ganze Aufmerksamkeit erneut dem Oni. Dieser schien erst überrascht zu sein, dass jemand es gewagt hatte, ihn zu verletzen, dann brüllte er auf. Wahrscheinlich spürte er den Schmerz ihrer Schwertklinge. So perfekt war sein Schutz wohl doch nicht.

Der Oni stampfte nun schneller auf sie zu. Ihre Hand zitterte, als sie auf ihren Gegner zulief. Sie hatte nur eine Chance. Wenn sie ihn jetzt nicht bezwang, dann würde es wirklich eng werden.

Kenia lief, so schnell sie konnte. Dann setzte sie wieder zum Sprung an, um den Oni direkt anzuspringen. Mit beiden Beinen klammerte sie sich an ihrem Gegner fest und probierte an seinem Oberkörper hochzuklettern. Ihr Ziel war der Kopf des Dämons. Dieser brüllte auf. Warmer Atem schlug Ksenia ins Gesicht. Es roch nach Moschus und Erde. Sie verstärkte den Druck ihrer Beine, als der Oni sie abwerfen wollte. Seine Hände griffen nach ihr, doch Ksenia hob ihr Schwert und rammte es kräftig in das gelbe Auge des Dämons. Er schrie vor Schmerz laut auf. Die Waldläuferin stemmte sich gegen das Schwert und drückte es nach hinten. Langsam glitt es immer tiefer in den Kopf ihres Gegners. Blut, Speichel und eine zähe gelbe Flüssigkeit aus dem Auge des Oni spritzen auf sie. Der Dämon schrie immer weiter. Ksenia glaubte, ihr Trommelfell würde platzen. Sie atmete schwer, ihre Kräfte verließen sie allmählich.

Die Schreie des Dämons wurden leiser und erstarben schließlich. Sein Körper erschlaffte und kippte nach hinten um. Ksenia blieb nichts anderes übrig, als sich weiter an ihm festzuklammern. So landeten Oni und Waldläuferin auf dem Boden und Ksenias Beine wurden von dem Gewicht ihres Gegners eingequetscht. Zischend stieß sie Luft aus und befreite sich mit Mühe aus ihrem eigenen Klammergriff. Dabei musste sie gleichzeitig den schweren Körper des Monsters anheben und ihre Beine hervorziehen, was erst nach einer Weile, und mit viel Fluchen, gelang. Angeekelt rollte sie sich zur Seite und blieb schwer atmend liegen.

Kurze Zeit später rappelte sie sich wieder auf, drückte vorsichtig ihre schmerzenden Knie durch und betrachtete den niedergestreckten Dämon. Er lag reglos mit ausgebreiteten Armen da. In einem Auge steckte ihr Kurzschwert, das andere starrte dumpf in den Himmel. Sie hatte wohl das Gehirn des Wesens durchbohrt. Ksenia musterte das gesunde Auge nachdenklich. Es war gelb und hatte keinerlei sichtbare Pupille. Merkwürdig. Unterschieden sich die Augen des Monsters so sehr von den anderer Lebewesen?, dachte sie. Aber vielleicht täuschte sie sich auch nur und tote Oniaugen sahen nun einmal so aus.

Ksenia spuckte auf das Gras, stellte einen Fuß auf die breite Brust des Dämons und zog schwungvoll ihr Schwert aus dem Kopf. Mit einem schmatzenden Geräusch löste es sich. Blut und Schleim tropfte von seiner Spitze. Die Waldläuferin stieß einen angewiderten Laut aus und streifte ihr Schwert über das Gras, bis es sauber war. Dann steckte sie es in die Scheide .

Hinter sich hörte sie ein Wimmern. Sie fuhr herum. Ach, der Junge, fiel es ihr wieder ein. Er saß immer noch auf demselben Fleck. Ksenia warf einen kurzen Blick auf seine Hose.

Na, wenigstens hat er sich nicht eingepinkelt, dachte sie. Aber was soll ich jetzt mit ihm machen?

Sie näherte sich dem Jungen und musterte ihn, die Hände in die Hüften gestemmt. Er wirkte immer noch verängstigt und schien das Geschehene nicht wirklich begreifen zu können. Er ist ja auch gerade so dem Tode entronnen. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann wäre er sicher im Magen des Oni gelandet, sagte sich Ksenia, die sich daran erinnerte, dass die Dämonen früher berüchtigte Menschenfresser gewesen sein sollten. Sie räusperte sich und fragte den Jungen in barschem Ton: »Da hast du ja nochmal Glück gehabt. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann würdest du nicht mehr hier sitzen. Was hast du denn angestellt, dass du den Oni so verärgert hast?«

Der Junge blinzelte Ksenia an und sagte kein Wort. Die Waldläuferin atmete wütend aus. Sie hatte keine Geduld für so was! Trotzdem versuchte Ksenia, sich zusammenzureißen. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass ihr Gegenüber wohl immer noch unter Schock stehen musste, und legte so viel Ruhe in ihre Stimme, wie sie vermochte : »Also nochmal: Ich bin ja nicht von hier. Aber soweit ich weiß, ist es sehr unüblich, ich will fast sagen in den letzten Jahrzehnten beinahe unmöglich, dass ein Dämon einen Wanderer einfach so angreift. Aber dich hat er angegriffen. Was hast du gemacht? Ich werde dich dafür schon nicht bestrafen – denke ich.« Die letzten beiden Worte murmelte sie etwas leiser. Eine Antwort blieb der Junge ihr immer noch schuldig. Er hatte inzwischen seinen Blick gesenkt und schien nicht bereit, mit ihr zu sprechen.

Frustriert stampfte Ksenia mit dem Fuß auf. Wie sie sowas hasste! Was war denn sein Problem, dass er ihr nicht antwortete? Immerhin hatte sie ihm das Leben gerettet und wollte nur wissen, was hier los war. Das war nicht zu viel verlangt, oder? Verstand er sie etwa nicht? Ksenia hielt inne. Natürlich - das könnte eine Möglichkeit sein, überlegte sie. Sie sprach zwar Windsprech – die Einheitssprache im Königreich der vier Winde – aber könnte es sein, dass der Junge nur Menoarisch verstand?

Das kann sein, schließlich habe ich gehört, dass in Menoar nur höher gebildete Menschen Windsprech erlernen. Und wenn der Junge vom Land kommt - er sieht nicht gerade wohlhabend aus, ging es Ksenia durch den Kopf. Dann kniete sie sich vor ihm hin und kratze ein paar Wörter menoarisch zusammen: »Hallo. Du. Ich. Essen.« Sie wusste dabei selbst nicht wirklich, was sie sagte und an der Reaktion des Jungen, der die Augenbrauen zusammenzog, bemerkte sie, dass sie sicher nicht das vermitteln konnte, was sie wollte.

»So ein Mist! Woher sollte ich wissen, dass er mich nicht versteht? Ich wollte doch nur wissen, warum der Dämon ihn angegriffen hat. Für die ganze Sache habe ich überhaupt keine Zeit«, fluchte Ksenia frustriert nach ihrem Sprachversuch.

»Ich verstehe Sie sehr gut. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht sofort geantwortet habe. Meine Verfassung ließ es leider nicht zu«, sagte plötzlich jemand. Ksenia wandte sich abrupt dem Jungen zu. Dieser hatte sich auf die Knie gesetzt und verbeugte sich gerade vor ihr, indem er seinen Kopf und seine Hände auf den Boden drückte.

»Was?«, brachte Ksenia hervor und schüttelte dann den Kopf. »Hast du mir etwa mit Absicht nicht geantwortet?«

Der Junge erhob sich aus seiner Verbeugung und antwortete mit gesenkten Augenlidern: »Nein, das würde ich nie wagen. Ich konnte nicht antworten, weil ich noch unter dem Eindruck Ihres Kampfes stand.«

»Wer bist du und warum kannst du Windsprech? Ich dachte, dass das nur die Klugen und Reichen in Menoar können. Aber du bist ohne Begleitung gereist und das würde niemand wagen, der genug Geld hat, um sich Bedienstete zu leisten«, erwiderte Ksenia und musterte den Jungen nochmal. Er schien eine Art einfaches Hemd und Hose zu tragen. Die Füße waren nackt und steckten in Holzsandalen. So reiste sicher niemand, der sich etwas Besseres leisten konnte. Warum also?

»Ich habe so einiges aufgeschnappt«, erklärte der Junge ausweichend.

»Aufgeschnappt. So, so.« Ksenia verschränkte nun ihre Arme. »Und warum klingst du dann wie ein alter Mann?«

»Alter Mann?«, echote er und sah sie verdutzt an.

»Ja, ein alter Mann. So wie du sprichst, spricht niemand mehr – also zumindest nicht, wenn er oder sie nicht gerade uralt ist«, versuchte Ksenia zu erklären, winkte jedoch bei dem weiterhin verwirrten Blick ihres Gegenübers ab. »Ist auch nicht so wichtig …«, nuschelte sie leise.

Der Junge schien noch kurz zu überlegen, ob er darauf etwas erwidern wollte, entschied sich dann dagegen. »Aber ich bedaure, Ihre Frage nicht beantworten zu können.«

»Frage?«, murmelte Ksenia und versuchte, sich wieder zu sammeln. Ihr Sprachversuch und das plötzliche Sprechen des Jungen hatten sie sehr abgelenkt. »Frage … ach ja … der Oni …« Sie sah ihn wieder an. »Warum hat er dich also angegriffen?«, hakte sie nochmals nach.

»Das kann ich leider nicht mit Gewissheit sagen. Ich war auf dem Weg unterwegs, als er plötzlich auftauchte und mich angriff. Dann ging alles so schnell. Und auf einmal haben Sie mich gerettet. Dafür möchte ich mich auch aus tiefstem Herzen bedanken«, sagte der Junge und verbeugte sich wieder.

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»Ich weiß, wie du mir meine Hilfe zurückzahlen kannst. Du wirst mich ins nächste Gasthaus begleiten und übersetzen«, erklärte Ksenia zufrieden mit sich selbst. Das war eine gute Idee, denn so konnte sie der Bitte des Jungen nachkommen und gleichzeitig garantieren, dass sie ein Zimmer und etwas zu essen bekommen würde, denn auf ihre Sprachkenntnisse in Menoarisch vertraute sie nicht mehr.

Der Junge blinzelte kurz überrascht auf und erwiderte dann: »Ist das alles, was ich für Euch tun kann? Kann ich nicht auf andere Weise nützlich sein?«

Ksenia schüttelte den Kopf, stand auf und klopfte sich den Dreck von den Knien. »Nein, ich denke nicht, dass du mir anders helfen kannst. Du wirkst nicht stark, hast kein Geld und bist – entschuldige bitte – nicht wirklich mein Typ. Deshalb ist das die beste Lösung oder willst du mir doch nicht mehr helfen?«

»Doch, doch. Ich möchte Ihnen als meiner Retterin gerne einen Dienst erweisen … Ich dachte bloß-«, versuchte der Junge zu erklären, doch Ksenia schnitt ihm das Wort ab: »Denken hilft manchmal echt nicht. Also komm. Soweit ich weiß, ist es nicht mehr weit bis zu einem Gasthaus. Dann essen und trinken wir was. Ich kann es gar nicht mehr erwarten. Ich bin schon viel zu lange unterwegs.« Sie streckte sich, tastete ihre Tasche ab, die sie eng am Körper trug und ein wenig wie zusätzliche Rüstung diente. Der Junge war inzwischen auch aufgestanden, hatte ein kleines Bündel an sich genommen und folgte ihr langsam im Abstand von ein paar Schritten.

»Du kannst ruhig auch neben mir laufen. Ich beiße nicht«, meinte die Waldläuferin, während sie wieder den Weg zur Hauptstraße suchte. »Nein, das bin ich nicht wert. Ich werde aus Respekt hinter Ihnen gehen«, sagte der Junge. Ksenia verdrehte die Augen. Na, das kann ja noch was werden, dachte sie.