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SAMU HABER

forever yours

SAMU HABER

mit Tuomas Nyholm

forever yours

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INHALT

Prolog

TEIL EINS

1983

Der erste Schritt

Lonely Scream

Here’s To You, Mrs. Robinson

Quorum International

Rockworld International

My Friend Juhis

Flucht nach Sevilla

3,4 Millionen

TEIL ZWEI

Schachfigur

Zirkusspiele für Schlipsträger

World Domination Plan

1 - 87

Wonderland

Magnusborg

Tears for Fears

Crazy Frog

Midem

Gerade als du dachtest

Das Urteil

Hinterlasse immer eine Spur

Nathalie

Der Plan geht auf

Rock am Ring

I Can’t Stop Loving You

Brazil

Make It Go Away

Sonic Kitchen

Welcome to My Ananas

Bilanz

Zimmer 231

Jukka Nummer zwei

Der Kreis schließt sich

TEIL DREI

Auf der falschen Frequenz

Eximia cum laude approbatur

In television everything can be solved

Der schwarze Audi A8

I WANT YOU OUT

Rocky Balboa

Wir sind fucking Sunrise Avenue

Maununneva Rock City

Hätten Sie gern eine neue Staatsbürgerschaft?

Schöne Grüße aus Albanien

Die Flammen

Smith & Thell

Ein Sommer in Berlin

Hiljaisuus

Let Me Go

Brüder

Der Beschluss

Kokain

Ich

The End

Danksagung

PROLOG

Mit zitternden Händen wähle ich die Nummer und drücke meine Stirn gegen die Metallkante des Münztelefons. Ich schließe die Augen, presse den Hörer ans Ohr und höre meine schweren, schleppenden Atemzüge. Dann bin ich in der Leitung. Die Geräusche verschwinden in einem unsichtbaren Schacht und mir ist schwindlig. Mein Herz hämmert gegen das Brustbein. Es sucht dasselbe wie ich. Einen Ausweg.

Erst als ich darauf warte, dass die Verbindung zustande kommt, begreife ich, was für ein Chaos der gestrige Abend in meinem Kopf angerichtet hat. Ich weiß nicht mal, wo wir waren und was wir gemacht haben, aber ich erinnere mich daran, dass ich Besuch hatte. Ich kannte die Männer nicht, verstand aber, wen sie vertraten und warum sie gekommen waren. Ich stand in einer schmalen Nebenstraße mit dem Rücken an der Wand und hörte eine Botschaft, deren Inhalt eindeutig war:

Wenn du redest, bist du tot.

Die Bilder flackern vor meinen Augen auf und die Panik schlägt wieder zu. Ich schwitze. Ich zittere. Noch nie habe ich solche Angst gehabt – und dabei ist mir klar, dass ich immer noch nicht ganz realisiert habe, wie groß die Schwierigkeiten sind, in die ich geraten bin. Alle sind mir auf den Fersen, die Guten und die Bösen.

Ich strecke den Rücken durch und räuspere mich. Als ich die vertraute Stimme höre, bin ich fast gerührt, merke aber im selben Moment, dass ich nur die Mailbox erreicht habe.

»Hallo, Samu hier. Hör mal … Ich sitze ganz schön in der Patsche.«

Ich erkläre kurz, worum es geht, stammle zum Schluss ein paar verworrene Entschuldigungen und lege den Hörer auf. Im Apparat klackert es ein paarmal, als der Metallschlund meine letzten Münzen schluckt. Ich war schon öfter knapp bei Kasse, aber jetzt begreife ich, dass ich zum ersten Mal absolut kein Geld mehr habe. Auch habe ich in meinem Leben schon öfter die Orientierung verloren, aber jetzt stehe ich im Flughafenterminal, mitten im morgendlichen Menschengewühl, und weiß einfach nicht, ob ich nach rechts oder nach links gehen soll. Sicher ist nur: Ich habe verschlafen und meinen Flug verpasst. Folglich komme ich nicht zur vereinbarten Zeit in Finnland an.

Das bedeutet, dass nach mir gefahndet wird.

Juhis wurde am helllichten Tag geholt. Dutzende Polizisten. Verkleidungen. Wochenlange Beschattung vor der Festnahme. Eine Interpol-Operation. Tomi wurde auf die gleiche Art in Portugal geschnappt. Kein Scherz – man wollte uns wirklich kriegen.

Juhis saß immer noch im Gefängnis in Valdemoro und wartete auf die Auslieferung nach Finnland. Bei Tomi wusste ich nicht mal, welches Land ihn in Gewahrsam genommen hatte.

Meine Augen werden feucht, aber ich zwinge die Tränen, noch eine Weile zu bleiben, wo sie sind. Ich kann hier jetzt nicht zusammenbrechen. Nicht mitten im Terminal. Irgendwo tief drinnen erkenne ich die Ironie der Situation. Samu Haber, Schutzpatron aller Blender, Trickser und Planlosen – der Mann, der sich lächelnd und plaudernd aus jeder Klemme befreit, ist ein für alle Mal mit der Wahrheit konfrontiert. Keine Ausflüchte. Kein Ausweg.

Ich habe 96 Kilo Reisegepäck, die Sünden von tausend Männern auf den Schultern und exakt eine Zigarette in der Tasche.

Ich zünde sie an. Als ich den Rauch einatme, erlebe ich, warum auch immer, einen kurzen Moment der Klarheit. Ich sehe mich selbst, mein Leben, klar und deutlich vor mir. Ich betrachte das Ganze wie einen Film, aus der Distanz.

Mach die Augen zu, Samu. Atme ruhig ein und aus.

So endet es also? Bevor überhaupt irgendwas angefangen hat.

Ich schrecke auf. Mein Herz rast und ich spüre, dass mich jemand an der Schulter berührt. Instinktiv will ich mich wehren, merke aber in letzter Sekunde, dass ich im Halbschlaf bin.

Als ich die Augen öffne, sehe ich in das Gesicht einer jungen Frau.

Señor Haber? Are you Señor Haber?

Ich kann nicht sprechen.

I have tickets for you, Señor Haber. From Mister Ville Komppa.

Ich rapple mich von meinem Schlafplatz zwischen den Bänken des Terminals hoch und bedanke mich bei der Frau, so freundlich es geht. Sie reicht mir die Tickets: Malaga – Madrid – London – Helsinki. Eine lausige Route, aber was soll’s. Ich bin endlich auf dem Weg nach Hause.

Mein Blick fällt auf den Berg an Gepäck, auf dem ich geschlafen habe. Koffer, Taschen, der Gitarrenkoffer. Ein Vielfaches dessen, was man mitnehmen darf. Immerhin habe ich eine Weile geschlafen, mein Kopf ist also ein bisschen klarer. Und die Tickets in meiner Hand sind quasi die Schlüssel zum Himmelreich. Ich schaffe es, überlegt zu handeln. Ich schaffe es, einen Augenblick lang fast ich selbst zu sein. Ein Blick zum Abfertigungsschalter – dort arbeitet eine attraktive junge Frau. Ich weiß, dass ich im Vergleich zu meiner Normalform gerade abscheulich aussehe, aber ich weiß auch, wer und was ich bin. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Problem so gelöst werden muss.

Die junge Spanierin lächelt schüchtern, während sie meine Gepäckstücke eins nach dem anderen abfertigt.

Eigentlich darf ich das ja nicht, aber dieses eine Mal, Mister Samu.

Meine Stimmung hellt sich etwas auf, als ich an Finnland denke. An Helsinki. Warum bin ich überhaupt weggegangen? Damals, vor Jahren, schien das der richtige Schritt zu sein, aber jetzt? Nichts in meinem Leben wirkt vernünftig. Ein Misserfolg nach dem anderen.

Die anderen hatten recht. Von Anfang an. Ich bin ein Loser. Und das war auch der Grund, warum ich weggegangen bin.

Ich steige in den Flieger und schlafe sofort ein. Als ich in Madrid aufwache, sind alle anderen Passagiere schon ausgestiegen.

Am Gate gibt der Ticketleser ein merkwürdiges Piepen von sich. Dreimal. Anders als bei den anderen Passagieren. Schon in Malaga war es so. Mir ist klar, was das bedeutet. Als die Reifen der Maschine von der Startbahn abheben, messe ich meinen Puls: 170. Auch in London piept das Lesegerät dreimal.

Am Flughafen Helsinki-Vantaa werde ich von Grenzschutzbeamten und zwei Polizisten erwartet. Als sie mich in ein Hinterzimmer führen, begreife ich endgültig, dass mein früheres Leben vorbei ist. Was auch immer als Nächstes kommt, es ist etwas anderes als bisher. Auf dem kurzen Fußmarsch gelobe ich mir vieles und merke immer deutlicher, dass es zu spät ist.

Die Leute starren mich an. Das Flughafenpersonal. Alle.

Sie wissen es auch.

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»Halt hier an.«

»Aber –«

»Halt einfach an«, sage ich scharf. Zu scharf. Ich bereue meinen Ton sofort, bringe aber keine Entschuldigung zustande. Ich steige aus, murmele etwas zum Abschied und ziehe die Zigarettenschachtel aus der Tasche.

Dienstag. Der 13. November. 7:28 Uhr. 4 Grad minus. In meinem Inneren ist es erheblich kälter. Ich atme den Rauch ein und puste ihn in einer dicken Wolke wieder aus. Durch die Wolke sehe ich das Gebäude, in dem man mich erwartet. Davor nur noch ein gelblich-graues Feld, über das ein Weg führt. Die Umgebung ist winterlich bereift, aber noch nicht weiß. Irgendwo unter dem frostgebeutelten Stoppelfeld hat der finnische Boden sein Mitgefühl eingefroren. Der Anblick könnte aus einem russischen Film stammen.

Vor einer Woche habe ich noch in einem heißen Nachtclub in Malaga die ganze Nacht lang getanzt. Tausend Dezibel im Ohr, ein schönes Mädchen an meiner Seite.

Ich blicke mich um und sehe, wie das Auto wegfährt. Ich bin deprimiert, das ist mir klar, aber immerhin habe ich noch so viel Selbstachtung, dass ich den Ermittlern der Zentralkripo nicht unter die Nase reiben muss, dass meine Mutter mich hergefahren hat.

Der Weg zum Haupteingang erscheint mir endlos lang. Bei jedem Schritt überlege ich, was passieren würde, wenn ich auf dem Absatz kehrtmache und mich aus Finnland absetze.

»Haber. Ich komme zur Vernehmung.«

Der Mann nickt und tippt etwas in seinen Rechner. Bald darauf erscheint ein Polizist und ruft meinen Namen auf. Er stellt sich nicht vor, sondern winkt mich nur zu sich und drückt auf den Rufknopf des Aufzugs.

Wir warten schweigend. Der Flur ist leer; nirgendwo sind Menschen zu sehen, weder Verbrecher noch Beamte.

Ich höre den Motor im Aufzugschacht brummen. Dann ein gedämpftes Klingeln und der Pfeil nach oben leuchtet auf. Die Tür öffnet sich. Erst nachdem sie sich hinter uns geschlossen hat, sucht der Polizist Blickkontakt und nimmt von mir Notiz. Er legt den Kopf leicht schräg und sagt mit tonloser Stimme:

»Eine vernünftige Entscheidung, Haber.«

Das Hauptquartier der Zentralkripo ist ein seltsamer Ort. Das Gebäude hält einem Panzerangriff stand, aber innen gleicht es einer Galerie. Die Wände, die Flure – alles voller Kunstwerke. Gefälschte und echte. Gestohlene und gefundene.

Der Polizist führt mich in ein Zimmer ohne Kunst. Es enthält nur einen Tisch und drei Stühle. Sonst nichts.

Die Tür fällt hinter mir zu und ich begreife, dass das verdammte Spiel jetzt begonnen hat. Meine Angst ist so übermächtig, dass mir die Hände zittern. Ich stecke sie abwechselnd in die Taschen und unter die Achseln, aber hier wie da fühlen sie sich unnatürlich an und vor allem so, als würden sie unübersehbar das Ausmaß meiner Panik verraten. Im Zimmer gibt es keinen Spiegel, hinter dem mich die Ermittler mit einer Kaffeetasse in der Hand beobachten, aber an der Decke hängt eine Kamera.

Ich sollte eine möglichst neutrale Haltung einnehmen – Ellbogen auf den Tisch, Hände und Finger fest verschränkt und den Kopf so weit gesenkt, dass der Gesichtsausdruck nicht zu sehen ist. Und dann reglos dasitzen, bis jemand hereinkommt. Aber das schaffe ich nicht. Mir schwant, dass ich ein gefundenes Fressen für die Polizisten bin.

Meine Selbstachtung sinkt auf einen neuen Tiefpunkt. Ich werde auch das hier noch verpatzen. Ich bin ein armseliger Clown. Und wenn irgendwann alles vorbei ist, wird man mich umbringen.

Gleich zu Beginn hatte ich der Polizei mitgeteilt, dass ich zur Zusammenarbeit bereit bin. Ich wollte meine Angelegenheiten von Grund auf klären, andererseits aber auch meine Freunde nicht verpfeifen. Und genau da lag das Problem.

Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Stuhl geschwitzt habe, als hinter mir die Tür aufgeht. Zwei Männer treten ein. Beide im dunklen Anzug. Der eine stellt sich als Kommissar Laine vor. Der andere heißt Harjunpää.

Harjunpää, wie der Kommissar in den Krimis von M. Y. Joensuu. Auch das noch. Wenn ich den Mumm hätte, würde ich lachen.

»Na dann, Haber«, beginnt Laine in halbwegs menschlichem Tonfall. Harjunpää begleitet den Satz mit einem Schnauben.

»Idiotisch, was ihr da gemacht habt«, sagt er und versucht gar nicht erst, auf sympathisch zu machen.

Pure Taktik. Von der ersten Sekunde an.

»Wussten Sie, was die Firma mit ihren Kunden anstellt?«

»Nein, aber irgendwann hab’ ich Verdacht geschöpft –«

»Verdacht geschöpft? Und trotzdem weitergearbeitet?«

»Ja …«

»Was für ein Verdacht war das? Wann fing es an?«

»Ich erinnere mich nicht genau –«

»Hatten Sie zu dem Zeitpunkt schon diesen Mann hier getroffen?«

Ich betrachte das Bild, unschlüssig, was ich sagen soll.

»Und der hier? Wann sind Sie dem begegnet?«

Den Typen habe ich noch nie gesehen. Aber bevor ich etwas sagen kann, wird schon das nächste Foto auf den Tisch geknallt.

»Und der?«

Gefährlich. Über ihn werde ich kein Wort verlieren, egal, was passiert.

Die Polizisten sind natürlich längst über alles im Bilde. Sie wollen nur bestätigt bekommen, was sie schon wissen, und vielleicht ein paar zusätzliche Beweise. Und mir ihre Überlegenheit vorführen.

»Waren Sie im Oktober mit diesem Mann in Sevilla? Wer war sonst noch dabei?«

»So genau erinnere ich mich nicht. Es ist schwierig, diese Fotos –«

»Okay. Dann lassen wir das. Fangen wir ganz am Anfang an.«

Die Fotos verschwinden vom Tisch. Harjunpää schüttelt verärgert und frustriert den Kopf. Laine sieht mich kühl an.

»Wie geht es Anna? Ist ihr Studium gut angelaufen?«

Das ist die erste Bombe. Wie zum Teufel können sie von Anna wissen? Versuchen sie etwa, Anna in die Sache reinzuziehen?

Die Vernehmungen gehen weiter, die Schläge kommen aus den verschiedensten Ecken. Schon am ersten Tag machen die Polizisten mir klar, dass sie alles über mein Leben wissen. Dann wieder geben sie sich sanft, plaudern und erzählen Stories. Eines Morgens bringt Laine Möhrenkuchen mit, den seine Frau gebacken hat. Und im nächsten Moment knallen sie mir wieder einen Haufen Papiere, Fotos und Dokumente hin, die mich in Alarmbereitschaft versetzen.

Die Tage vergehen. Morgens um sieben durch die Panzertüren hinein, abends um fünf wieder raus. Mal machen sie mir gnadenlos die Hölle heiß, mal plaudern wir locker-flockig über mein Leben. In Gedanken wiederhole ich die ganze Zeit meine Richtschnur: so knapp wie möglich und auf nichts antworten, wonach du nicht gefragt wirst. Aber das reicht natürlich nicht. Ich bin viel zu unerfahren und die Polizisten verstehen ihr Handwerk viel zu gut. Außerdem zeigt sich, dass sie unglaublich detaillierte Informationen haben. Von Tag zu Tag kommen Laine und Harjunpää besser voran. Gleichmäßig und überlegt, Schicht um Schicht. Und die ganze Zeit machen sie mir auf immer neue Art klar, dass Ablenkungsmanöver und Taktiererei sinnlos sind. Sie spielen mir Tonbänder vor: Anrufe, Gespräche, Treffen. Zeigen mir Fotos, aufgenommen aus der Nähe und von Weitem. Dokumente. Zum Teil brandheißes Zeug, das aus dem Zentrum der Operation stammt, sodass ich mich nur wundern kann, wie und woher die Polizei das Material beschafft hat. An manchen Tagen schwitze ich bei dem Versuch, ohne Lügen durchzukommen, mein Hemd durch. Andererseits weiß ich, welches Schicksal Verrätern droht. Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich jedes Mal total fertig, obwohl das Schlimmste noch vor mir liegt.

Und eines Morgens knallt man mir schließlich das Foto hin, das ich am meisten gefürchtet habe.

TEIL EINS

1983

Durch den Fausthandschuh hindurch drücke ich Sannas Hand ganz fest und versuche, mich gerade zu halten. Ich muss selbstbewusst wirken, aber vor allem muss sich mein Griff stark anfühlen. Wir bibbern beide vor Kälte, aber wenn meine Hand ruhig genug bleibt, weiß Sanna, dass alles in Ordnung ist.

Der wirbelnde Wind peitscht uns trockenen Schnee ins Gesicht. Wir stehen wie alle zwei Wochen auf dem Supermarktparkplatz in Espoo und warten. An der einen Hand halte ich Sanna, in der anderen meinen Eishockeyschläger und auf dem Rücken trage ich den Wochenendrucksack, den unsere Mutter gepackt hat. Neben mir auf dem eis- und schneebedeckten Asphalt steht die Eishockeytasche mit der Ausrüstung. Sie ist größer als ich.

Sanna ist fünf. Sie sagt nichts. Ich weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist, aber vorsichtshalber drücke ich die Hand meiner Schwester noch ein wenig fester. Samu ist da. Alles wird gut, auch wenn es jetzt ein bisschen kalt ist.

Die Scheidung liegt erst einige Monate zurück. Papa und Mama möchten sich lieber nicht begegnen.

Der Schnee wirbelt im Wind.

Wir müssen nur noch eine kleine Weile warten.

Ich bin sieben und verstehe noch längst nicht alles, aber ich weiß, dass ich jetzt für Sanna verantwortlich bin. Im Vergleich zu mir ist sie ein Kleinkind. Meine Schwester ist noch nicht einmal in einem Sportverein, anders als ich. Ich spiele als Verteidiger im Verein Karakallion Pallo. Ich besuche die Grundschule in Viherlaakso. Ich kann lesen und schreiben. Also muss ich auch fähig sein, mich um meine Schwester zu kümmern.

Als unsere Eltern sich scheiden ließen, wurden Sanna und ich unzertrennlich. Zank und Reibereien waren seitdem Geschichte. So dachte ich jedenfalls – ich war schließlich derjenige, der die Situation immer hatte eskalieren lassen. Als Erstling der Familie wurde ich von meinen Eltern nach Strich und Faden verwöhnt. Auch als Sanna geboren wurde, wollte ich weiterhin jede Aufmerksamkeit für mich haben. Von allen. Und ich tat mein Bestes, um sie zu bekommen.

Ich war zwei und Sanna ein Baby, als ich Mama fragte, ob wir ihr beide gemeinsam gegen den Kopf treten könnten.

Sanna ist zu jung, um über ihre Gefühle zu reden, aber über meine weiß ich Bescheid. Die Scheidung unserer Eltern ist schwer für mich. Auf einmal ist so vieles offen. Fast alles eigentlich. Wer erledigt dies? Wer ist dafür verantwortlich? Wer tut, wer holt, wer entscheidet?

Am meisten Sorgen mache ich mir allerdings um meinen Vater. Als Diplom-Ingenieur, noch dazu deutsch-finnischer Herkunft, stellt er seine Gefühle nicht zur Schau. Aber ich habe schon als kleiner Junge gespürt, dass unter der Schale ein empfindsamer Mensch steckt.

Nach der Scheidung fragte ich Mama oft, wie es Papa geht. Fast jeden Tag überlegte ich, ob wir zu dritt für ihn kochen und ihm das Essen vorbeibringen sollten. Dann könnten wir auch nachsehen, ob bei ihm alles in Ordnung ist.

Papas Auszug bedeutete auch, dass kein Mann mehr im Haus war. Das bedrückte mich enorm, aber ich wagte nicht, es laut auszusprechen, und ich konnte es auch nicht. All das, was Papa erledigt hatte … Irgendwer musste das ja jetzt übernehmen. Mama, ich und Sanna – es war klar, wer nun die Verantwortung hatte. Ich musste die ganze Zeit wachsam sein, denn jederzeit konnte irgendetwas anfallen.

Das war wohl menschlich. Vor allem in Anbetracht meines Wesens. Bestimmt war ich nicht das einzige Kind, das in einer entsprechenden Situation so empfand. Außerdem hatte ich von klein an zugeschaut, wenn Papa und Opa alles Mögliche bauten, reparierten und bastelten. Aus dem Nichts zogen sie Häuser und Hütten hoch. Brachten Dinge in Ordnung. Immer war irgendetwas in Arbeit und immer wurde es fertig. Papas Ausbildung gab den Dingen eine bestimmte Richtung; wahrscheinlich wurden Steckdosen deshalb so ein Riesending für mich.

Das werde ich nie vergessen. Sie standen für alles, was Papa konnte – wahnsinnig tolle Sachen. Obwohl es schon lange her ist, erinnere ich mich gut daran, wie er mich beim Anschließen einer Lampe warnte:

Das hier nicht anfassen, da ist Strom drin, und der kann Schlimmes anrichten.

Wenn damit was passiert, geht Papa kaputt, sagte er.

Ich lernte also, dass Strom sehr wichtig ist, dass man mit ihm aber vorsichtig sein muss. Ich wollte nicht, dass Papa kaputtgeht.

Und dann war Papa weg. Eines Nachmittags fand ich mich mit einem Schraubenzieher in der Hand vor einer Steckdose wieder und überlegte, wie dieses lebensgefährliche Ding zu reparieren sein könnte. Ich hatte diesen Job zu beherrschen, damit es Mama und meiner Schwester gutging.

Die Scheidung lag schon eine Weile zurück und die Situation hatte sich in mancherlei Hinsicht beruhigt, nur nicht in meinem Inneren. Eines Abends rollte ich mich schließlich auf Mamas Schoß zusammen und fing an zu weinen.

Ich kann diese Männersachen nicht, Mama. Ich kann keine Steckdosen. Ich weiß nicht, was man mit denen macht. Ich kann nichts reparieren. Ich kann die Sachen nicht, die Papa immer für uns gemacht hat. Ich bin doch erst acht.

Damals konnte ich das nicht verstehen, aber heute sehe ich ganz deutlich, weshalb ich so reagierte und wie mein Weltbild zustande gekommen war. Papa hatte alles im Griff. Er wusste immer, was zu tun war und welches Projekt als Nächstes anstand. Für mich war klar, dass er überdurchschnittlich intelligent war. Ich erinnere mich gut daran, wie er mir Jahre später für die Abiprüfungen Nachhilfe in Mathe gab. Die Aufgaben waren für ihn so lächerlich einfach, dass ich mich beinahe schämte, weil ich mir so beschränkt vorkam.

Bis zur Scheidung führten wir ein ganz normales Leben. Papa war beim Staat angestellt, Arbeitszeit von acht bis vier. Mama hatte die Handelshochschule bis fast zum Abschluss besucht und war danach bei einer Importfirma namens Työväline gelandet. Von der Firma ist mir nur eins in Erinnerung geblieben: dass dort ein Mann ums Leben kam, weil ein Traktor ihm über den Kopf fuhr. Das fand ich irrsinnig aufregend. In Mamas Firma kommen Leute um!

Unsere Familie war nicht sonderlich groß. Mama, Opa und Oma auf der einen Seite und aus Papas Familie ein paar wenige Habers: ein Onkel und die Großeltern. Abgesehen von den gemeinsamen Bauarbeiten war Opa aus ganz anderem Holz geschnitzt als Papa. Mathematik interessierte ihn nicht die Bohne, dafür war er musikalisch. Er spielte Akkordeon, arbeitete sein Leben lang als Sortierer bei der Post, schrieb Lieder und trank gerne mal einen. Eine neuere Version des Schlagersängers Olavi Virta. Opa hatte gute Witze auf Lager und war für jeden Unsinn zu haben. Unter anderem wurde er seinerzeit Zweiter bei der Wahl zur Miss Punkaharju.

Geborgenheit. Das verbinde ich mit ihm. Ich identifizierte mich stark mit Opa, auf andere Weise als mit meinem Vater. Dank Opa wurde bei uns immer gesungen oder Quatsch gemacht. Einige meiner Freunde wollten lieber nicht bei uns im Auto mitfahren, weil die Karre der Habers immer zwischen zwei Fahrspuren hin- und herschlingerte. Das Radio war voll aufgedreht und alle schmetterten im Chor, egal, welcher Song lief. Da war keine Zeit, auf die weißen Linien zu achten.

Zu der Zeit war Musik noch kein zentraler Teil meines Lebens. Die absolute Nummer eins war der Sport. Eishockey und Fußball – vor allem aber Eishockey. Ich wollte von klein auf Eishockey spielen und dadurch etwas erreichen.

Was genau dieser Traum beinhaltete, war unklar, aber die Suche nach dem Erfolg begann 1983 im Verein Karakallion Pallo. Zuerst übte ich, mich auf den Schläger zu lehnen, dann lernte ich allmählich auch Schlittschuhlaufen. Auf einem Eisfeld im Freien, die Mütze quoll unter dem Helm hervor und unter der Spielausrüstung kratzten die dicken langen Unterhosen. Bis zur Revolution der Funktionswäsche sollte es noch Jahrzehnte dauern.

Gut am Eishockey war auch, dass daraus etwas Gemeinsames zwischen mir und meiner Mutter entstand. Ich durfte spielen und Mama hatte nach der Scheidung etwas zu tun. Eine Zeit lang war sie Teammanagerin und Schatzmeisterin oder irgend so was. Ich wiederum fand in der Eishockeyclique einen neuen Freundeskreis. Und in der Schule war ich plötzlich einen Tick cooler: Die anderen fanden es cool, wenn einer Eishockey spielte.

Und ich spielte. Viel. Eigentlich tat ich nichts anderes. Jeden Tag nach der Schule direkt aufs Eis, zwischendurch irgendwo irgendwas essen, dann wieder zurück. Wir spielten so lange, wie am Feld die Lampen brannten. Und wenn sie ausgingen, saßen wir eine Weile im Schnee, warteten darauf, dass sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnten, und machten weiter. Wenn man gar nichts mehr sehen konnte, spielten wir mit einem gelben Tennisball. Je neuer und sauberer, desto besser war er zu sehen.

Mein schönster Lebensinhalt waren die Auswärtsspiele mit der Mannschaft. Ich spreche nicht von Busreisen quer durch Finnland, sondern von einem stinknormalen Spiel gegen die EPS in Espoonlahti. Die paar Kilometer legten wir gemeinsam in den Autos der Eltern zurück, es waren also nicht gerade Expeditionen in ferne Länder, aber trotzdem hatten diese Tage eine unerklärliche Magie. Auch wenn als Umkleidekabine nur eine ungeheizte Baracke am Spielfeldrand zur Verfügung stand, war die Stimmung im Inneren der Wahnsinn. Der Gedanke, dass wir bei einem Auswärtsspiel waren, versetzte mein kleines Ich in Aufruhr.

Auch die Dynamik der Spiele machte starken Eindruck auf mich. Ich wusste nicht, wie die anderen dazu standen, aber natürlich ging ich davon aus, dass sie mit demselben überwältigenden Ernst bei der Sache waren. Am tollsten war immer der Moment, wenn wir vor Spielbeginn zur Eishockeybahn marschierten. Gleich ist es so weit. Der große Kampf. Sieg und Niederlage. Die ganze Gefühlsskala des Sports im Inneren eines kleinen Jungen verdichtet.

Den Druck eines Spieltags konnte ich ertragen, aber die Bankstrafen waren ein harter Brocken für mich.

Ich erinnere mich immer noch an das Spiel, zu dem auch meine Oma gekommen war. Sie war zum ersten Mal bei einem unserer Spiele dabei. Der Gegner hieß EPS. Ein klassisches Lokalderby. Hoher Einsatz.

Das Spiel fing ganz normal an, doch dann passierte es.

Ich war als Einziger in Verteidigungsstellung, als der Gegner zwei gegen einen angriff. In der Hektik kam ich irgendwie ins Schwanken, mein Schlittschuh hob sich vom Eis und einer der beiden Gegner stürzte. Es war keine böse Absicht, doch das hielt den Schiedsrichter nicht davon ab, mir eine Strafe aufzubrummen.

Ich schlitterte zur Strafbank und ich weiß immer noch genau, wie ich mich fühlte. Vor allen Zuschauern, also schätzungsweise achtzehn, und unter ihnen meine Oma. Bei ihrem ersten Eishockeyspiel. Und ausgerechnet jetzt muss Samu eine Strafe absitzen.

Mit hängendem Kopf und feuchten Augen hockte ich auf der kalten Holzbank und schniefte in meinen Helm hinein. So sehr schämte ich mich.

Später im Spiel schoss ich zwar noch ein großartiges Tor, aber auch das konnte meine Stimmung nicht heben. Nein, nichts konnte die Tatsache ungeschehen machen, dass ich vor Omas Augen eine Bankstrafe bekommen hatte. Im Beisein eben der Oma, die immer betonte, dass man nichts Böses tun darf und ein anständiger Junge sein muss.

Einige Jahre später hatten wir mit ganz anderen Herausforderungen zu tun. Wir waren schon zu richtigen Eishockey-Junioren herangewachsen und auf den Zuschauerrängen tauchten Freunde auf. Und Mädchen aus der Ringette-Mannschaft. Und andere Mädchen.

Ich war aufgedreht. Meine Fantasie hatte immer schon tadellos funktioniert und es fiel mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie Essi und Tea im Publikum saßen und auf Samu warteten, der noch in der Umkleide saß und den Anweisungen des Trainers lauschte. Das heißt, die anderen hörten zu. Ich dachte an Essi und Tea. Und an Tumppi. Der war heute auch hier. Der verflixte Tumppi. So ein cooler Typ. Vor seinen Augen wollte ich auf keinen Fall patzen.

Ich erinnere mich an viele Spiele, bei denen der Schiedsrichter kurz davor war, den Puck aufs Eis fallen zu lassen, während ich immer noch an der blauen Linie stand und fieberhaft versuchte, zu erkennen, welche Bekannten heute im Publikum saßen.

Der erste Schritt

Es ist dunkel. Ich kann nichts sehen, aber ich rieche es bis ans andere Ende des Zimmers. Ein vertrauter Geruch. Ich kenne ihn, soweit ich zurückdenken kann, aber diesmal hat es nichts mit der Arbeit meines Vaters zu tun. Dieser Strom riecht anders. Stark. Durchdringend. Kräftiger. Und diesmal weiß ich, dass ich ihn beherrschen kann.

Ich fingere nach der Nachttischlampe. Da ich in einem fremden Haus bin, finde ich den Schalter nicht sofort. Als ich ihn ertaste, ist nur ein leises Knacksen zu hören, dann sehe ich die weiße Aufschrift auf der Vorderseite der schwarzen Box.

Marshall.

Und daneben eine schwarz-weiße Charvel. Ein Klassiker.

Würde mich jetzt jemand berühren, bekäme er einen Stromschlag. Noch nie war ich so verrückt nach einer Sache. Als Mikko – also, mein guter Freund Mikko, der vor einem Jahr nach Jyväskylä gezogen war und den ich jetzt endlich besuchen durfte – mir an diesem Tag erlaubt hatte, die Gitarre zu berühren und sie dann sogar auszuprobieren, wäre mein Kopf beinahe explodiert. Jeder, der so etwas schon erlebt hat, kennt das Gefühl haargenau. Kein vorübergehender Gefühlssturm eines Zehnjährigen, der zu Weihnachten neue Legosteine bekommt, sondern ein echter Urknall.

Ich hatte kein Wort verstanden, als Mikko mir die Gitarre erklärt und von den Effekten gesprochen hatte, die man damit erzeugen konnte. Ich stand bloß da, die Charvel an einem Ledergurt um den Hals, und mein Blick sprang zwischen dem Instrument und der mindestens fünf Meter hohen Lautsprecheranlage auf und ab.

Ich war hin und weg. Jede Windung in meinem Gehirn drehte sich in eine neue Position, vor allem aber stand mein Herz in Flammen. Zwar hatte ich Musik immer gemocht, aber ich hatte nie im Entferntesten daran gedacht, selbst ein Instrument zu spielen. Oh mein Gott, diese Sounds! Ich kannte keinen einzigen Akkord, aber ganz egal, welche Saite ich berührte, sie jagte etwas in meine Adern, das einer ganz neuen Blutgruppe gleichkam. In meinem Kopf hämmerte ein einziger Satz:

Verdammt, JETZT geht’s los!

Nach dem langen Tag lag ich nun im Gästezimmer von Mikkos Familie in Halssilanmäki, einem Stadtteil von Jyväskylä, und witterte in der Dunkelheit den Geruch der Elemente. Unter einer Million anderer Fantasiebilder tauchte die Frage auf, was die Mädchen an Mikkos Schule wohl dachten. Der Typ hat eine E-Gitarre und stammt aus Helsinki. Bestimmt stand er hoch im Kurs. Der coolste Typ in der ganzen Stadt, unter Garantie – gerade in einem Kaff wie Jyväskylä. Wer könnte ihn hier übertrumpfen? Ich war ziemlich neidisch.

Als ich nach Hause kam, bestürmte ich Mama sofort mit der Idee einer elektrischen Gitarre. Dass so eine jetzt hermüsste. Unbedingt. Aber ich hatte kaum Ersparnisse und auch sonst wenig Ahnung – ich konnte nicht einmal sagen, wo es Gitarren zu kaufen gab, und hatte auch keine vernünftige Begründung für mein Begehren. Wie könnte ein kleiner Bengel auch dazu fähig sein, die Veränderungen zu erklären, die sich an diesem Wochenende in seiner Seele ereignet hatten, wie im heißen Lichtkegel der Gitarrenoffenbarung jede einzelne innere Kontinentalplatte den Platz gewechselt hatte?

Trotzdem tat ich mein Bestes. Und siehe da – manchmal überrascht einen das Leben. Manchmal überrascht mich sogar meine Mom.

Es stellte sich nämlich heraus, dass meine Mutter in ihrer Jugend einen Kumpel gehabt hatte. Natürlich nicht nur einen, aber in diesem Fall ging es um Olli. Genauer gesagt, um Olli »Quickhand« Ojala. Ein Rockgitarrist, der jetzt in Mankkaa wohnte.

Hör mal, Samu, wir schauen mal bei Olli vorbei. Da gibt’s Gitarren.

Okay, Mama, von mir aus zu Fuß, aber Hauptsache jetzt gleich.

Wir nahmen das Auto. Während der Fahrt hörte ich mir Geschichten aus Mamas Jugend an und als wir ankamen, war sie irgendwo im Nebel ihrer jungen Jahre versunken. In den Jahren, als Olli ihr Songs von den Shadows vorspielte und ein Toaster zu den Weltwundern der Technik zählte.

Als Olli die Tür zu seiner Garage öffnete, kam wieder das Feeling meines Besuchs bei Mikko auf, plus die Wirkung von einem Kilo Amphetamin.

An den Wänden hingen Stratocaster aus den 1960ern. Es gab Lautsprecher. Verstärker. Schlagzeug. Bühnenscheinwerfer. Wenn es bei Mikko zu Hause nach dem Strom des Marshall gerochen hatte, dann roch es hier nach Rock ’n’ Roll und internationalem Showbusiness.

Der gute Ojala war ziemlich aufgekratzt, weil er dem kleinen Bengel was bieten konnte. Aber nicht nur ihm, sondern auch seiner Mutter, die irgendwann die heißeste Schnitte der Gegend gewesen war.

Olli schnappte sich lässig eine der Strats, stöpselte das Kabel in den Verstärker, stellte das Mikro auf und legte los. Spielte einen Song und nebenbei noch ein kleines Solo.

Meine Heldengalerie wurde gründlich durcheinandergewirbelt. An die Spitze stieg Olli »Quickhand« Ojala aus Mankkaa.

Der Abend endete mit einem Geschäft. Denn ohne Gitarre und Verstärker hätte man mich allenfalls im Leichenwagen hier wegbringen können. Zum Glück sah meine Mutter das ein und in ihrem Rockmusikrausch handelte sie bei Olli einen günstigen Preis für einen 30-Watt-Roland-Verstärker mit Verzerrung und Hall aus. Bei den Gitarren gab es mehrere zur Auswahl, aber aus irgendeinem Grund entschied ich mich für ein etwas kleineres Modell, eine Qwest-E-Gitarre. Ein gutes Instrument, doch meine auf der falschen Grundlage getroffene Wahl sollte sich später noch rächen.

Gitarre zu spielen war genau so fantastisch, wie ich gehofft hatte. Natürlich konnte ich noch gar nichts, aber andererseits: Mein Zimmer bei meiner Mutter war auf dem Dachboden, was für eine einzigartige Atmosphäre sorgte. In diesem sensibel gestimmten Milieu klang jeder Ton, den ich aus dem Instrument herausholte, in meinen Ohren phänomenal.

So schnell wie möglich brachte ich mir ein paar Powerchords bei und lud meine Eishockeyfreunde ein. Saku, Ville und Mika. Kapitän, Vizekapitän und der beste Torschütze unserer Mannschaft. Die wichtigsten Spieler. Vor allem Saku, Einserschüler und ein durch und durch perfekter Mensch, dem alle Mädchen nachliefen.

Die Reaktion war exakt so, wie sie sein sollte. Allen fiel die Kinnlade runter. Augen groß wie Teetassen. Und das Weiß darin leuchtete im Halbdunkel der Bodenkammer wie Kometen.

Du hast echt was drauf, Haber.

Ich lebte noch in einer Kinderwelt, aber diese Momente auf meinem Dachboden werde ich nie vergessen. Ich, die Gitarre und ein paar einfache Akkordfolgen. Mehr brauchte es nicht. Die Mienen meiner Freunde waren mein erster musikalischer Erfolg.

Mit diesem Abend fing alles an, aber um die gleiche Zeit gab es im Leben des kleinen Jungen noch ein aufwühlendes Ereignis.

Wir gingen in die vierte Klasse, es war der Herbst 1986. Ich war zehn und fing allmählich an, mich für Mädchen zu interessieren. In unserer Klasse gab es ein ganz besonderes Exemplar. Minna. Ausgesprochen beliebt. Praktisch alle Jungs waren in sie verknallt.

Einmal lud Minna mich zu sich ein, um ein Video von irgendeiner schwedischen Band anzuschauen, das am Abend vorher in der Musiksendung Hittimittari gelaufen war. Ich war nicht der einzige Gast, die Verhältnisse waren also nicht ideal, aber ich ergatterte den Platz neben Minna auf dem Sofa. Ihre Schwester Jonna legte die VHSKassette ein und drückte die Play-Taste der Fernbedienung.

Als Erstes lief Final Countdown von Europe. Wahrscheinlich war das die Band, wegen der ich gekommen war. Die Typen auf dem Bildschirm schienen ordentlich in Fahrt zu sein, aber Minna und ihre wunderschönen Haare inspirierten mich viel mehr.

Als Nächster trat irgendein finnischer Sänger auf.

Und der dritte Song war You Give Love A Bad Name von Bon Jovi.

Alles um mich herum verschwand. Selbst Minna. Wie hypnotisiert starrte ich auf Bon Jovi:

So macht man das. Das ist es.

Der Song war grandios. Die Band war grandios. Sie spielte hervorragend und trat mindestens ebenso professionell auf. Nicht unbedingt die Typen mit der größten Rocker-Credibility, aber sie hatten Spaß. Schaut euch das Video an. Alle lachen. Alle toben über die Bühne. Alles schöne junge Wuschelköpfe in engen Hosen auf dem Weg zum Dach der Welt. Es war fantastisch.

Von da an war das Hittimittari-Video von You Give Love A Bad Name meine Richtschnur. So werde ich es eines Tages auch machen.

Der nächste Schritt waren die Musikstunden. Da war die etwas geringere Größe meiner Qwest-Gitarre noch ein Pluspunkt: Weder ich noch meine Mutter hatten Geld für einen Gitarrenkoffer, daher steckte der Korpus in meiner Jacke und der Hals in einer grellgelben Plastiktüte, wenn ich das Instrument quer durch die Stadt schleppte.

Zuerst mit der Buslinie 248 von Viherlaakso ins Zentrum von Helsinki. Dann mit der Metro nach Sörnäinen. Pengerkatu, erster Stock. Dort empfing Ilkka Rantamäki seine Schüler. In den 1980er Jahren spielte sich das Leben in der Helsinkier Innenstadt im Vergleich zum Alltag in den Vorortsiedlungen von Espoo scheinbar auf einem anderen Planeten ab. Ich hatte sogar ein bisschen Angst bei Rantamäki. Allein in der Wohnung eines Unbekannten. Seltsame Gerüche, seltsame Möbel. Obendrein befand sich im Erdgeschoss des Hauses ein Sexshop, was meine Unsicherheit noch steigerte: Was wird in einem Sexshop überhaupt verkauft? Und in so einer Umgebung sollte ich es wagen, Gitarre zu spielen?

Unsere erste Session begann in der Küche. Ich weiß nicht, warum. Nach und nach bewegten wir uns dann ins Wohnzimmer. Die Wohnung war originell, heller Holzfußboden und alles ein bisschen chaotisch, aber im Vergleich zu Rantamäki selbst noch moderat. Der Meister war ein legendärer Jazz- oder Blues- oder Fusion-Gitarrist. Ein außerordentlich guter Musiker. Lange Haare, Boots. Rauchte eine nach der anderen. So etwas wie die Von Hertzen Brothers seiner Zeit: ein bisschen Indien, gewürzt mit Rüschenhemden und Röhrenjeans. Plus Nagellack und vielleicht auch eine Spur Make-up – das kann ich allerdings nicht beschwören.

Im Prinzip war Rantamäki eine Gestalt wie einem Rock-Poster entstiegen. An sich ein cooler Typ, man hätte sich vorstellen können, dass er auf einen Jungen, der von einem Leben als Musiker träumte, einen tiefen Eindruck machte.

Aber aus irgendeinem Grund bewunderte ich ihn überhaupt nicht. Ich hatte einfach keinen Draht zu ihm.

Vielleicht deshalb, weil ich seinen Unterricht miserabel fand. Seine pädagogischen Fähigkeiten gingen gegen Null und außerdem war der Typ aus meiner Sicht zu sehr in seine eigene Musik verliebt. Da saßen wir also und zupften irgendwelche müden Tonleitern, da de di du dü dä dö und noch mal und noch mal.

Ich hätte alle diese Übungen leicht gelernt, aber ich wollte nicht. Ich wollte spielen und nicht herumfrickeln. Immer wieder versuchte ich, in all diesem Blödsinn etwas Eigenes auszuprobieren, aber das passte Rantamäki nicht in den Kram. Stattdessen übten wir Arpeggios. Dabei spielt man alle Töne eines Akkords einzeln, aber so, dass – ach, ich habe nicht mal Lust, überhaupt etwas dazu zu schreiben. Theoretische Schnipsel wie die Arpeggios interessierten mich so wenig, dass mir dazu überhaupt nichts einfällt.

Nach jeder Stunde gab mir der Meister einen Stapel Gitarrennoten, Tabulaturen, mit. Das waren meine Hausaufgaben. Im Halbdunkel meiner Mansarde starrte ich auf die Blätter und dachte:

Mit diesem idiotischen Quatsch will ich nicht auch noch zu Hause weitermachen. Mich interessierte vor allem der emotionale Gehalt der Songs. Die Melodien. All die fein abgestimmten Vibrationen, die man nicht auf dem Notenpapier wiedergeben kann. Und das Wichtigste: was das Stück im Herzen auslöst. Und ich wollte singen. Es war nie mein Traum, ein reiner Gitarrenheld zu werden. Hätte Rantamäki mich einige Riffs spielen lassen und meinen Hunger angefacht, wäre er vielleicht bis heute meine größte Inspirationsquelle.

Ungefähr zehnmal ging ich zum Unterricht in die Pengerkatu, dann wechselte ich den Lehrer. Rantamäki ging später als staatlich geförderter Musikvermittler irgendwo nach Mittelfinnland.

Ich lebte mein Künstlertum in meiner Mansarde aus. Ich spielte nächtelang, einfach so, ohne jedes Ziel. Hauptsache spielen. Morgens verschlief ich – genau genommen versuchte ich nicht mal, rechtzeitig vor Schulbeginn aufzustehen. Den zweiten Rang auf meiner Prioritätenliste nahm das Essen ein, denn ohne Nahrung war man kaum fit genug zum Spielen.

Mindestens zweimal in der Woche ließ ich mich allerdings in der Schule blicken. Wegen unserer Band. Ich spielte mit meinen Freunden Seppo und Polle im Religionsraum ein bisschen Guns N’ Roses. Natürlich schrieb ich damals auch schon mit vollem Einsatz eigene Songs – sobald ich zwei Akkorde beherrschte, hatte ich angefangen, zu komponieren –, aber die spielte ich Seppo und Polle nie vor.

Nach dem Rantamäki-Fiasko suchte meine Mutter einen neuen Lehrer für mich und fand ihn in Karakallio. Für alle, die Espoo nicht kennen: Wenn der Helsinkier Sexshop-Stadtteil Kallio New York ist, dann ist Karakallio im Vergleich dazu Emerson County, Einwohnerzahl 137.

Doch diesmal war es ein Volltreffer. Der Lehrer hieß Gyan Dookie. Ein Typ mit Neigung zur Country-Musik, der bei sich zu Hause im Arbeitszimmer ein Mischpult hatte. Das beeindruckte mich. Dookie drückte schon beim ersten Treffen den richtigen Knopf bei mir. Sein Ansatz begeisterte mich sofort – er spielte ein paar Akkorde und bat mich, nach und nach Melodien darüberzulegen. Ich tat wie mir geheißen. Keine Arpeggios, keine schematischen Fingerübungen. Ich legte alles, was ich hatte, über die lässige Begleitung dieses Profimusikers, und irgendwann sagte Dookie:

Das läuft super, Samu. Du hast das Zeug dazu.

Ich wäre fast in Tränen ausgebrochen. Gyan, eindeutig ein kompetenter Musiker, spielte, und ich schwang mit, ich gab alles, was ich hatte. Ich machte einfach. Ein Ton nach dem anderen, nur Gefühl und kein Grübeln. Jetzt macht er es so … und ich könnte das probieren … oh, doch nicht so ganz, aber irgendwie passt es doch, denk nicht nach, sondern spiel einfach, spiel …

Es war fantastisch.

Wir musizierten noch eine Weile und dann sagte Dookie geradeheraus, er fände, ich hätte Talent zum Gitarrespielen. Auch als ich schon wieder zu Hause war, dachte ich unaufhörlich nur diesen einen Satz:

Er hat gesagt, ich bin talentiert.

Was löst so ein Augenblick in einem Jungen aus, der noch nicht weiß, wohin es gehen soll? Gibt es etwas Wichtigeres, das man einem schüchternen Träumer, der sich hinter seiner zu klein geratenen Gitarre versteckt, sagen kann? Ob es nun der Wahrheit entsprach oder nicht. Rückhalt. Ermutigung. Gyan war kein Trainer, der sagte, ich sei zu weich für dieses Spiel. Keine Strafen, keine Verbote, keine Negativität.

Ich hätte glatt bei Gyan einziehen können. Ungeduldig wartete ich auf die Stunden und übte mit ganz neuer Energie. Zum ersten Mal auf meinem Weg als Musiker trieb mich der echte, geradezu leidenschaftliche Drang, zu üben, an, nicht nur der unbestimmte Wunsch, irgendwas zu spielen.

Gyans Art war immer inspirierend:

Pack ein bisschen von dem dazu, Samu. Probier hier mal das aus. Wie klingt es? Und dasselbe in doppeltem Tempo, funktioniert das? Entsprechend kannst du hier versuchen, langsamer zu werden – wie gefällt es dir? Oder versuch es doch mal ganz ohne Tempo.

Die ganze Zeit bekam ich Feedback und vor allem forderte Gyan mich heraus.

Es läuft gut, Samu, aber wie könnte es noch besser laufen? Oder ist das schon das Ende der Fahnenstange?

Er zeigte mir, wie man Musik kreativ denken kann, statt einfach etwas schon mal Gehörtes nachzumachen.

Lass uns alles kaputthauen und dann ausprobieren, was cool klingt. Was spielt es für eine Rolle, ob man es als Balken und Kringel auf waagerechten Linien darstellen kann?

Jedes Mal hatte ich das Gefühl, etwas Neues mitzunehmen, wenn ich nach Hause ging. Ich spürte, dass ich immer mehr über Musik lernte, ich entwickelte mich aber auch in rein technischer Hinsicht weiter. Und vor allem genoss ich es total, Gitarre zu spielen. Unter der Anleitung des scharfsichtigen und sensiblen Gyan Dookie lernte ich, die Musik zu fühlen.

Ich spielte wie besessen. Ich spielte die ganze Zeit. Immer besser und besser.

1989 reiste unsere Eishockeymannschaft EKS nach Kanada. Nach Toronto. Also praktisch in das Heimatland des Eishockeys und das Zentrum dieser Sportart. Der Anfang war vielversprechend: Am Flughafen gewannen Mika und ich am Pokergerät 260 Finnmark. Ich war überzeugt, der Esso Challenge Cup würde die überwältigendste Erfahrung meines Lebens werden. Ganz egal, wie die Spiele ausgingen.

Es kam dann so, dass wir gleich im Eröffnungsspiel gegen unsere kanadischen Altersgenossen mit 0 : 16 eine Riesenschlappe kassierten.

Auf den Trikots unserer Gegner prangte das sagenumwobene Logo der Maple Leafs, was mir richtiggehend Angst einjagte. Gegen diese jungen Spieler waren wir bloß kleine Rotznasen. Der Unterschied war so groß, dass man nicht mal von einer Demütigung sprechen konnte. Der Kontrast war zu extrem, als dass eine der beiden Seiten sich wirklich daran hätte freuen können.

Auf dieser größten Reise aller Zeiten traten wir noch bei weiteren Spielen an. Bis auf eines verloren wir jedes Match vernichtend. Trotzdem war die Reise fantastisch – schlicht und einfach unglaublich. Wir blieben fast einen Monat in Nordamerika und erlebten ein unbeschreiblich tiefes Zusammengehörigkeitsgefühl, während wir schüchternen finnischen Jungs unser Glück auf dem amerikanischen Kontinent versuchten. Es waren kleine, vorsichtige Schritte, aber wir machten sie. Alle in identischen Trainingsanzügen, jeder als Teil desselben Teams.

Mir geht immer noch das Herz über, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Wir kleinen Bürschchen in Kanada. Abends schlichen wir blassen Flachsköpfe aus Espoo uns auf den Flur und kauften am Getränkeautomaten unseres Hotels heimlich Leichtbier. Auf eigene Faust wagten wir uns kaum aus dem Gebäude, aber selbst ein Abstecher auf den Parkplatz ohne erwachsene Aufsicht war wie die Entdeckung eines neuen Planeten. In meiner Erinnerung sehe ich uns allerdings als mutige junge Burschen, die fast alle Häuptlinge waren und jeder Situation die Stirn bieten konnten.

Es ist kaum zu überschätzen, welche Bedeutung das Eishockey für mich hatte. Vom Inhalt meines bisherigen Lebens machte es mindestens die Hälfte aus. Eishockey zu spielen und vor allem zur Mannschaft zu gehören, war der wichtigste unter den Faktoren, die meine Identität ausmachten. Dazu trug vieles bei, angefangen mit der Scheidung meiner Eltern. Sehr wichtig war auch, dass ich Verteidiger im Einserpaar unserer Mannschaft war. Ein Spitzenspieler. Man verließ sich auf mich. Das war ein gutes Gefühl.

Im Lauf der Jahre rutschte ich ins Zweierpaar ab. Dann ins Dreier.

Es war bitter, das zu erkennen.

Auch emotional gab mir das Spiel nicht mehr das, was ich suchte. Es bescherte mir mehr Stress als Glücksgefühle. Die Motivation sank im selben Maß, wie sich meine Spielposition verschlechterte. Zum Schluss war ich siebter Verteidiger.

Ich erinnere mich lebhaft an den Moment, als unser Trainer Hannu Saintula mir klipp und klar sagte, dass ich als Spieler zu weich war. Seine Kernaussage lautete, dass man dem Gegner ab und zu den Kopf abreißen muss – eine klassische Eishockeyfloskel für ein hartes Spiel. Es war absurd. Wir waren erst 14, aber die Matches wurden immer ruppiger. Allmählich wurde deutlich, dass die Sportart nicht mehr zu mir passte. Oder ich nicht mehr zur Sportart.

Alle Spieler aus unserer Mannschaft kauften sich in Toronto neue Schlittschuhe. Ich kaufte mir zwei Levis-Jeans, einen CD-Player und Alice Coopers Album Trash.

Nach unserer Rückkehr traf ich meine Entscheidung. Ich ging zum Sportplatz in Laaksolahti und gab den Betreuern die Ausrüstung zurück, die dem Verein gehörte: Socken, Trikots und Hose. Ich sah, wie sich die Mannschaft auf das Training vorbereitete. Alle im Trainingsanzug des EKS, den ich von nun an nicht mehr tragen durfte. Ich hätte gern mit den Jungs gesprochen, mich verabschiedet oder wenigstens irgendwas gesagt, aber das ging irgendwie nicht. Ich war ja derjenige, der sie sitzen ließ und ihr Vertrauen endgültig enttäuschte. Für immer auf der Strafbank.

Mit Tränen in den Augen trat ich den Heimweg an. Ich sah mich nicht um, aber ich erkannte das Geräusch: ein tiefes, dunkles Dröhnen. Das Training begann mit Reifenlauf.

Mit dem Sport aufzuhören, war damals die folgenschwerste Entscheidung meines bisherigen Lebens. Ein Fehler war es nicht – ich wusste, was ich tat, und auch, was ich nicht mehr tun wollte, aber ein Leben ohne Eishockey war eine schreckliche Vorstellung. Ich fürchtete, das Einzige zu verlieren, das Beständigkeit und Struktur in mein Leben gebracht hatte. Der Zeitplan eines Eishockey-Juniors war simpel und wurde ohne Ausnahme befolgt: essen, Training, vom Training nach Hause, essen, schlafen. Morgens in die Schule (oder auch nicht), aber am Nachmittag essen, dann zum Training, vom Training nach Hause, essen, schlafen. Donnerstags ein Spiel. Und samstags. Systematischer geht es nicht.

Noch mehr als die Aufgabe meiner Sportart fürchtete ich den Verlust meiner alten Freunde. Wir wären nicht mehr in derselben Clique. Die Mädchen in der Schule würden bei meinem Anblick nicht mehr aufgeregt kichern und mir in den Stunden keine Zettel mehr zustecken, weil sie wissen wollten, wann das nächste Match anstand. Keine Auswärtsspiele mehr. Kein Leichtbier am Automaten.

Alle meine Befürchtungen wurden Wirklichkeit. Für mich begann ein neues Leben, das keinerlei Inhalt mehr hatte. Die Verbindung zu den alten Freunden brach erstaunlich schnell ab.