ROBERT QUINT

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 50:

Drohung von den Sternen

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DROHUNG VON DEN STERNEN von Robert Quint 

1. 

2. 

3. 

 

Das Buch

 

Hier am Rand der Welt war die Sterneninsel eine gewaltige funkelnde Spirale, eine schräge Ellipse aus Licht, von Strudeln zerfasert und mit dünnen, filigranen Armen ausgestattet, deren fernste Ausläufer sich wie Chomeuze aus dem Verbund lösten.

Selbst das Flüstern und Summen und Piepsen des Radiobandes waren am Rand der Welt gedämpft, kraftlos wie das Schwerkraftfeld, das die Sterneninsel zusammenhielt und doch im Lauf der Äonen Tausende und Abertausende Sonnen an die Nacht zwischen den Galaxien verlor.

Auflösung.

Zerfall...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DROHUNG VON DEN STERNEN von Robert Quint

 

 

 

  

  1.

 

 

Über eines müssen wir uns im Klaren sein: Was auf Zoe geschehen ist, was Ginger im Kashmir-System fast zerstört hätte und was Dutzende anderer Welten im Sternenreich des Konzils im Verlauf der letzten zwei Jahre auch erfahren haben nämlich die ungeheure Gefährlichkeit der Kaiserkraft und ihrer unkalkulierbaren Nebenwirkungen , all das kann in dieser Sekunde auch an einem anderen Ort des Kosmos eintreten. Und womöglich werden wir nie etwas davon erfahren, weil uns zehn- oder fünfzigtausend Lichtjahre vom Ort der Katastrophe trennen... 

 

David terGorden

Rorqual, Dezember 2501

 

1.

 

Chomeuze war ein trüber roter Punkt in der Finsternis, umrahmt von den bleichen Flecken der südlichen Spiralnebel und den glitzernden Tupfen der wenigen anderen Sterne, die wie Chomeuze hinausdrifteten in die Nacht und die Kälte zwischen den Galaxien.

Hier am Rand der Welt war die Sterneninsel eine gewaltige funkelnde Spirale, eine schräge Ellipse aus Licht, von Strudeln zerfasert und mit dünnen, filigranen Armen ausgestattet, deren fernste Ausläufer sich wie Chomeuze aus dem Verbund lösten.

Selbst das Flüstern und Summen und Piepsen des Radiobandes waren am Rand der Welt gedämpft, kraftlos wie das Schwerkraftfeld, das die Sterneninsel zusammenhielt und doch im Lauf der Äonen Tausende und Abertausende Sonnen an die Nacht zwischen den Galaxien verlor.

Auflösung. Zerfall.

Ein Schatten schien sich unvermittelt vor die ferne rote Sonne zu schieben. Eine schlanke, zylinderförmige Kapsel, deren einstmals glänzende Hülle vom interstellaren Staub mattgeschmirgelt worden war. Dann eine hauchdünne, silbrig funkelnde Fläche, ein kosmisches Segel, das sich im Photonenwind blähte und die Kapsel auf dem Lichtdruck der Sterne reiten ließ. Ein zweites Segel, groß wie das erste, fast fünfhundert Quadratkilometer messend und durch ein kompliziertes System halborganischer Verstrebungen von der Kapsel aus zu steuern. 

Verfolgte man den Kurs des kosmischen Seglers zurück, so endete er dicht neben dem roten Auge Chomeuzes, in der schmalen Biosphäre dieser Sonne am Rand der Welt, wo unsichtbar ein rot und blau gesprenkelter Planet seine Bahn um das Zentralgestirn zog:

Xaxon.

Die Eisenoxidsümpfe von Liweuten, überragt vom Hochplateau, an dessen Sockel sich Liweuten-Bau schmiegte. Oben auf der kahlen, windgepeitschten Felsebene erhoben sich die Radartürme und Kontrollbauten von Astrozent, wo die Raumfähren starteten und die Satelliten in den Himmel geschossen wurden.

Liweuten... Warmer, wohlriechender Morast. Trübes Wasser, das faulig gluckerte und die Häutung erleichterte. Das Schnarren der augenlosen Kinder, die sich unter den schützenden Blicken der Gouvernanten im Schlamm tummelten. Abgewetzte Ruhesteine, auf denen steif und still die Alten lagen und sich Chomeuzes Abendlicht auf den Rücken brennen ließen. Und das brodelnde, hektische, lärmende Leben in Liweuten-Bau selbst.

Erinnerungen...

Der Himmel, rosa und orange und wolkenlos, vor den sich der bizarre Schatten eines Fernstreckenballons schob, der gelassen emporstieg und sich in das Netzwerk der schnellen Luftströmungen einfädelte, die ganz Xaxon wie ein Kokon einhüllten und jeden Start einer Raumfähre zu einem Vabanquespiel machten. Doch die Computer waren flink, und in Liweuten-Bau beschäftigte man sich schon lange mit dem Labyrinth der atmosphärischen Windkanäle, so dass es in den letzten Jahren nur noch wenige Unfälle gegeben hatte. Erinnerungen... 

Ich erwache, dachte Gorthaur, und seine Glieder waren noch taub und seine Gedanken träge von der Betäubung des Eisschlafes, der ihm helfen sollte, die Lichtmonate zu überbrücken, die Xaxon und die Wolke voneinander trennten.

Zögernd kehrten die Gefühle in seinen Körper zurück. Um ihn herum summten und brummten die Maschinen des Weckkreislaufes, schmolzen das Eis und tauten den erstarrten Morast auf, erwärmten ihn, führten neue Nährstoffe hinzu, injizierten Medikamente und massierten vorsichtig die Innenseiten seiner Saugnäpfe.

Der Flug ist vorbei, dachte Gorthaur, und der rosarote Himmel über Liweuten verblasste und machte der blitzenden, glitzernden Welt der Kapsel Platz.

Gorthaur lag in der Lebenswanne, eingehüllt in roten. Schlamm und in die Erinnerungen an Liweuten, an die heißen Tage während der Sonnenwende, die er mit Shoshnya in den Eisenoxidsümpfen verbracht hatte und wo es zu der lang ersehnten Kopplung gekommen war, zu zweit im murmelnden, weichen Morast, mit den Saugnäpfen verbunden und eins geworden.

Die schwache erotische Erinnerung ließ Gorthaurs Näpfe feucht werden. Rasch blockte er ab. Automatisch zitierte er das Arma, die klärenden meditativen Sätze, die ihm halfen, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. 

Der Weckprozess trat in seine letzte Phase, und vor Gorthaurs geistigem Auge wurden die Gedankenbilder klarer.

Der Start von Astrozent, der gewalttätige Ritt auf der Raumfähre, die computergesteuert ein Tor im Netzwerk der heftigen Luftströmungen fand und die Fähre in den Orbit schleuderte, wo der Segler bereits auf ihn wartete. Die letzten Funksprüche mit Astrozent vor dem Dahindämmern im eisigen Schlaf. Die Glückwünsche des Volksrates und die ermunternden Worte der Wissenschaftlichen Vereinigung. Und die Radiobotschaft von den Mitgliedern der kleinen Stellarstation auf Ylian, Xaxons Schwesterplanet am äußersten Rand der Biosphäre.

Die Kälte war fort.

Mild und ruhig blubberte der Morast in der Lebenswanne.

Gorthaur beendete die letzte Zeile des Arma und ließ die filigranen Schutzhäute vor seinen kugelförmigen, aus den Höhlen hervortretenden Augen zur Seite gleiten. 

Direkt über ihm, isoliert wie alle Instrumente im Cockpit der Kapsel, die von feuchter, modriger Luft erfüllt war, hing das große Rund des Multimonitors.

Gorthaur entfuhr ein verblüffter, knarrender Laut. Etwas wie Furcht durchlief sein Nervensystem und ließ die flexiblen Glieder mit den Saugnäpfen hektisch das verschlammte Wasser peitschen.

Der Multimonitor zeigte die Finsternis des interstellaren Raums. Und die Wolke – jenes fast vier Lichtmonate von Chomeuze entfernte kosmische Objekt aus molekülgroßen Staubteilchen und primitiven organischen Verbindungen –, die Wolke war nur ein pfenniggroßer, trübe glosender Fleck in der allumfassenden Nacht.

Für einige Zeit war Gorthaur wie gelähmt.

Ein Fehler musste sich in das Programm des Kapselcomputers eingeschlichen haben. Der Lichtdruck hätte den kosmischen Segler bis dicht an die Wolke treiben sollen, und nach Ablauf der vier Jahre dauernden Reise wäre Gorthaurs Stunde gekommen. Die Wolke müsste vermessen und analysiert, Proben nach Xaxon zurückgebracht werden. Die Wolke war eine wissenschaftliche Kuriosität und konnte vielleicht Aufschluss über die Entstehung des Lebens auf Xaxon geben, weitere Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln helfen.

Zu früh erwacht, durchfuhr es Gorthaur.

Seine Augen, die über eine Rundsicht von fast dreihundert Grad verfügten, überflogen schnell die Anzeigen der Kontrollen. 

Drei Jahre Flug, und die Wolke war noch eine Lichtwoche entfernt. Also stoppte der Segler bereits ab, machte sich bereit, nach einem weiteren Jahr Flugzeit einen Orbit um das riesige stellare Objekt einzuschlagen. Dennoch war er bereits erwacht. Warum? fragte sich Gorthaur. Wo steckt der Fehler?

Er spürte es nicht, doch infolge seiner Erregung verfärbte sich seine feingeschuppte Echsenhaut, spannten sich die autonomen Muskelbündel unter seiner Brust, dem Instinkt der tierischen Vorfahren folgend, die in Gefahrensituationen ihre Brustpartie zu der Festigkeit von Stahl verhärtet hatten und aufgerichtet dem Gegner entgegengetreten waren.

Check, dachte er. 

Sein trainierter Verstand handelte fast unbewusst.

Gorthaur war Astronaut, und um Astronaut zu werden, musste man zu jenen gehören, die mit den Gedanken reden und Dinge bewegen konnten, ohne sie mit den Gliedern zu berühren.

Unsichtbare Finger huschten über die gegen Feuchtigkeit isolierten Kontrollen.

Der Kapselrechner aktivierte ein neues Programm. Flackerndes Licht huschte durch das Cockpit. Dioden glühten, Schriftzeichen erschienen auf dem Multimonitor.

CHECK KORREKT. KEINE FEHLFUNKTIONEN.

Gorthaurs Verblüffung wuchs. Und seine Furcht verdichtete sich zu einem würgenden Knoten, der seinen langen, geschmeidigen Hals zu verhärten schien. Keine Fehlfunktion? Unmöglich! In der derzeitigen Flugphase war eine Erweckung nicht vorgesehen. Noch war die Wolke nicht erreicht, noch konnte er mit seinen zahlreichen Untersuchungen nicht beginnen.

Funkkontakt mit Astrozent?, dachte er, und sein geschulter Astronautenwille formte die Anfrage in Handlung um. Ein weiterer Schaltkreis wurde aktiviert. 

KEIN FUNKKONTAKT.

Gorthaur bewegte sich träge in der Lebenswanne, doch diesmal wollte sich das angenehme Gefühl nicht einstellen, das jeden Xaxonen überkam, über dessen Schuppenhaut warmer Morast sickerte.

Also hatte die Heimatbasis mit der rätselhaften Flugunterbrechung nichts zu tun.

Externe Kontrolle, befahl er. 

Im Innern des Kapselcomputers nahm ein Mikrochip seine Arbeit auf. Sensoren aktivierten sich. Messinstrumente erwachten aus ihrer mechanischen Agonie. Kameras begannen, sich zu drehen und mit ihren zahllosen Speziallinsen das gesamte elektromagnetische Spektrum abzusuchen.

Bruchteile von Sekunden später hatte sich das Bild auf dem Multimonitor stabilisiert.

Die Angst sprang Gorthaur wie ein wildes Tier an.

Schlamm spritzte auf, als seine sensiblen Glieder die Spannung durch Bewegung abzubauen versuchten, und die Spritzer prallten ab von dem transparenten Zelt um Gorthaurs Lebenswanne.

Im Zentrum des Multimonitors schwebte Chomeuze, doch der rote Punkt war jetzt ein Ball, von dem Protuberanzen wie Hilferufe in den Kosmos langten. Der Ball pulsierte. Und er hing im Zentrum eines zerknitterten, feinen Gewebes aus Rissen, die im Weltraum selbst entstanden waren. Die Zahl der Risse nahm unaufhörlich zu, bis schließlich etwas aus ihnen hervorquoll, das wie dicker Rauch wirkte. Rauch von sonderbarer Festigkeit und violett strahlend.

Was ist das? dachte Gorthaur benommen. Bei allen Bruttümpeln Liweutens, was ist das?

Chomeuze verblasste, fiel wieder zusammen zu einem fahlen Punkt. Nur das bizarre Gewebe blieb zurück. Das Weltall schien zu brennen. Flammen leckten aus dem Nichts hervor, wild flackernde durchscheinende Gebilde, die an Glutzungen erinnerten und erst nach Tausenden von Kilometern erloschen.

Gorthaur schrie. Knarrende Laute drangen aus seinem lippenlosen, breiten Mund.

Schmerz marterte ihn. Hinter seinen Augen pochte es, als wolle die Pein ihm die Gedanken aus dem Kopf brennen.

Aus dem Feuermeer schälten sich Umrisse heraus, und flüchtig konnte Gorthaur einen Blick auf Ylian erhaschen, die vereiste, unwirtliche Welt mit der Stellarstation der Xaxonen am Äquator. Ylian wirkte verzerrt, als ob sich sein Bild auf einem unruhigen Riesenmeer spiegelte. Dann verschwand Chomeuzes zweiter Planet. Schatten tauchten auf. Und wieder das sengende Feuer, das dem Rauch gefolgt war, der jetzt in düsteren Schwaden durch den Raum driftete.

»Xaxon«, flüsterte Gorthaur.

Der Planet flackerte auf, zum Schlauch verformt, bis sich die Übertragung stabilisierte, doch auch dann war nichts zu sehen von dem Rot der weltweiten Eisenoxidsümpfen und dem blauen Gestein der zahllosen Hochplateaus, die wie Inseln aus dem Morast emporragten. Schwarze Fladen trieben in der Atmosphäre und verbargen den Blick auf die Oberfläche.

Gorthaur krümmte sich zusammen.

Farbexplosionen rollten über den Multimonitor.

Warum hatte er Xaxon und Ylian so deutlich sehen können, wo sie doch mehr als drei Lichtmonate entfernt waren? Was geschah mit Chomeuze? Was hatte dieses Feuer zu bedeuten? Was...?

Das große Reptiliengeschöpf mit den vielen flexiblen Gliedern, an denen die Saugnäpfe wie seltsame Knöpfe klebten, schrie erneut auf.

Die Risse im Raum... Durch sie drang dieser entsetzliche Schmerz und setzte sich in seinem Kopf fest.

Eine Katastrophe, durchfuhr es den Xaxonen.

Etwas, das den Kosmos zerreißt und fremde, gewalttätige Kräfte hereinlässt.

Und am Rande seines Bewusstseins, fast wie statisches Rauschen, hörte er die Stimmen, die sich zu einem Ruf verdichteten. 

Sie sterben, dachte Gorthaur.

In Sümpfen, die in der Hitze kochen. In Beben. In Orkanen. Der Planet zerbricht.

Gorthaur war zu Stein geworden. Er hatte seine Gefühle abgekapselt, überrollt von der Flut der Bilder und Gedanken, von der Katastrophe, an die er nicht glauben konnte und die doch Wirklichkeit war.

Erstarrt lag er im warmen Morast der Lebenswanne, umgeben von dem technischen Gefunkel der Kapsel, die leicht zu vibrieren begann, als fremde Gewalten nach ihr griffen und die Sonnensegel wie Papier zerfetzten.

Rote Warnlichter glommen auf.

Pfeifende Alarmtöne marterten Gorthaurs Ohren.

Er sah nichts, hörte nichts, wartete auf den Tod, der aus den Rissen im Weltraum leckte und ihn bald erreichen würde.

Die Kapsel bockte und schaukelte.

Wie ein Blatt im Herbststurm wirbelte das rechte Sonnensegel davon und verschwand im funkenstiebenden Nichts. Das linke Sonnensegel hing nur noch an wenigen Verstrebungen.

VERNICHTUNGSGEFAHR, meldete der Kapselrechner und übertrug seine Warnung in riesigen Lettern auf den Multimonitor. 

Glut floss über die Buchstaben.

Und dann wurde Gorthaur von einer ungeheuren Kraft ergriffen, die selbst die kosmischen Gewalten der Naturkatastrophe überragte, so dass es nur noch ihn gab, allein in einem Wirbel aus n-dimensionalen Phänomenen, bis wieder Ruhe einkehrte und Müdigkeit ihn übermannte und der Schlaf die Erinnerungen an Xaxon austilgte.

Weit, weit von ihm entfernt, am Rand der Welt und an der Schwelle zur Nacht zwischen den Milchstraßensystemen, glomm in dieser Sekunde ein helles, blendendes Licht auf, ein Blitz, der die Energien eines Milliarden Jahre währenden Sonnenlebens in einem einzigen Moment in alle Richtungen abstrahlte.

Kein lebendes Wesen sah, wie sich die Risse im Raum danach allmählich wieder schlossen.

 

*

 

Zsa-non empfand diffuse Dankbarkeit, als sich die Psi-Schwingungen des Lotsen wieder ihrem Rhythmus anpassten und die Bilder verblassten.

Aber wie ein Echo strahlten in ihrem Bewusstsein noch immer das Phantombild der Supernova und die erbarmungswürdige Persönlichkeit des Nichtmushni, wie er sich in seinem primitiven technischen Raumfahrzeug zusammenkrümmte.

Es ist vorbei, sagte sie sich. Es ist schon geschehen, als ich noch nicht zum Sternenritt zum Nabel aufgebrochen war.

Aber dennoch fühlte sie sich elend und erschöpft, überwältigt von den grausigen Bildern, die der Lotse in ihr Bewusstsein hineinprojiziert hatte.

Zsa-non war groß und schlank, und ihre Haut leuchtete in einem tiefen Grün, und wenn man näher hinsah, dann konnte man Myriaden winziger Scheibchen erkennen, die wie Blätter aus ihren Poren herauswuchsen. Zsa-nons Kopf war – wie ihr ganzer Leib – geschmeidig und schmal, erinnerte fern an den V-förmigen Schädel einer Natter, und ihre Mandelaugen waren klar wie Wassertropfen und ihr Mund fein und lockend wie ihr ganzes Antlitz.

Schwerelos trieb sie durch den Prismenraum, einem von vielen im Nabel der Lotsen, und ihre bewusste Körperkontrolle verlangsamte ihren Herzschlag, dämpfte das aufgeregte Signalgewitter in ihrem Nervensystem und das hektische Kreisen der Hormone.

Ruhe legte sich über ihre Gedanken.

Geistesabwesend kommunizierte sie mit der Prismenhalle, bis das Licht der gebogenen Wände heller und energiereicher schien und die photosynthetischen Prozesse ihrer Hautflora die nötigen vermehrten Nährstoffe produzierten.

Darum also, dachte Zsa-non, hat man uns gerufen. Darum sind die Entitäten bereit, uns zumindest zur Kenntnis zu nehmen.

Etwas wie Bitterkeit erfasste das Frauwesen. Ihre klaren Augen verdunkelten sich wie Wasser, in das Tinte tropfte.

Vor zweitausend Jahren hatten die Mushni zum ersten Mal Kontakt mit den Lotsen und den Nabeln gehabt, jenen Prismeninseln im Weltraum, die manchmal so groß zu sein schienen wie ein ganzer Planet und manchmal so klein wie eine Murmel, die man bequem in die Tasche stecken konnte. Jeder Sternenreiter kannte die Nabel inzwischen, auf denen die Lotsen schon gelebt hatten, als die Mushni noch mit Raumschiffen den Kosmos bereisten.

Aber nicht einmal die Lotsen interessierten sich sehr für die Sternenreiter. Hin und wieder gestatteten sie einem Mushni, anzulegen und Rast zu machen. Doch die Kommunikation war gering und der Informationsfluss ein halb ausgetrocknetes Rinnsal, Krumen eines Festmahls, an dem die Mushni nicht teilnehmen konnten.

Noch nicht, verbesserte sich Zsa-non grimmig.

»Das also hat uns die Ehre verschafft«, telepathierte sie dem unsichtbaren Lotsen zu, der in den Tiefen des Nabels seinen unenträtselten Geschäften nachging und nur mit einem kleinen Teil seines Bewusstseins die Verbindung mit der Mushni aufrechterhielt.

Wieder spürte das Frauwesen Bitterkeit, und sie dachte: Zu wissen, dass man sich nur flüchtig, im Vorbeigehen mit uns zu beschäftigen braucht, um uns zu kennen, das ist schlimmer als die Ignoranz der Entitäten.

Die Ignoranz, die dem Sternenreiter manchmal begegnet, wenn er sich auf große Fahrt in die unerforschten Bereiche begibt und hin und wieder Sonnensysteme anfliegt, und bei manchen schlägt ihm dann das starre, unbeugsame Nein entgegen.

Nicht mehr, nur dieses eine Wort, dieses Psi-Feuer, das bis in die tiefste Ebene der Seele hallt und zum Ausdruck bringt, dass man unerwünscht ist, dass keine Basis für eine befriedigende Kommunikation besteht.

Zsa-non fuhr sanft mit ihren Fingern über das Grün ihrer Hautflora. Die Berührung war angenehm, fast sexuell erregend.