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Peter Löcherbach

Wolf Rainer Wendt (Hrsg.)

Care und Case Management

Transprofessionelle Versorgungsstrukturen und Netzwerke

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-023384-3

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-038580-1

epub:   ISBN 978-3-17-038581-8

mobi:   ISBN 978-3-17-038582-5

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Inhalt

 

 

  1. Geleitwort zur Reihe
  2. Verzeichnis der Herausgeber und Autoren
  3. 1 Zur Einführung: transprofessionell kooperieren
  4. Wolf Rainer Wendt und Peter Löcherbach
  5. 1.1 Was bedeutet transprofessionell?
  6. 1.2 Versorgung in Teilhabe
  7. 1.3 Die Beiträge
  8. Literatur
  9. 2 Care Strukturen – innerhalb und außerhalb des Systems der Versorgung
  10. Wolf Rainer Wendt
  11. 2.1 Care strukturell, sektor- und berufsübergreifend
  12. 2.1.1 Die formelle Struktur von Care
  13. 2.1.2 Care informell
  14. 2.1.3 Care interprofessionell
  15. 2.1.4 Managed Care und Care Management
  16. 2.2 Community Care und Caring Communities
  17. 2.3 Von Care zum Case Management
  18. 2.4 Der Charakter des Case Managements
  19. 2.4.1 Fallsteuerung und Systemsteuerung
  20. 2.4.2 Prinzipien des Verfahrens
  21. 2.5 Kernelemente im Ablauf des Case Managements
  22. 2.6 Kompetenzen im Handlungsfeld
  23. 2.7 Nutzung des Case Managements in seinen Anwendungen
  24. 2.8 Transprofessionell auf Lebensverhältnisse und Lebensführung bezogen
  25. 2.9 Fazit
  26. Literatur
  27. 3 Vernetzung im Gesundheitswesen
  28. Peter Löcherbach
  29. 3.1 Der Netzwerkbegriff
  30. 3.2 Klientnetzwerk, professionelles Netzwerk und Integrationsnetzwerk
  31. 3.3 Fallbezogene und fallunabhängige Vernetzung
  32. 3.4 Kriterien zur Netzwerkanalyse
  33. 3.5 Entwicklung von Netzwerken durch Netzwerkmanagement
  34. 3.6 Leistungsfähigkeit von Netzwerken
  35. 3.7 Produktionsnetzwerke an der Schnittstelle von fall- und systembezogenen Kooperationsbeziehungen
  36. 3.8 Netzwerkbeispiele
  37. 3.9 Diskussion
  38. Literatur
  39. 4 Das Krankenhaus als prominenter Akteur in der Versorgungssteuerung
  40. Jürgen Ribbert-Elias
  41. 4.1 Der Fokus des Beitrags
  42. 4.2 Herausforderungen in der Krankenhausentwicklung mit Relevanz für das Case Management
  43. 4.3 Das Krankenhaus als prominenter Akteur – mehr als nur ein »Baustein« in der Versorgungssteuerung
  44. 4.4 Beispiele für Case Management-auslösende Situationen im Krankenhaus
  45. 4.5 Was muss ein umfassendes Case Management im Krankenhaus leisten?
  46. 4.6 Fazit und Ausblick
  47. Literatur
  48. 5 Pflegeberatung und Pflegestützpunkte zwischen pflegepolitischer Bedeutung und Wirklichkeit
  49. Thomas Klie
  50. 5.1 Vorbemerkung
  51. 5.2 Case Management in der Pflege
  52. 5.3 Wirklichkeit der Pflegeberatung
  53. 5.4 Perspektive Pflegekompetenzzentrum
  54. 5.5 Ausblick
  55. Literatur
  56. 6 Von sektoraler Rehabilitation zu personenorientierter Teilhabe – Überwindung von sektoralen Grenzen und institutionellen Barrieren
  57. Christian Rexrodt und Edwin Toepler
  58. 6.1 Ausgangssituation im Rehabilitationssystem
  59. 6.1.1 Leistungen zu Teilhabe
  60. 6.1.2 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
  61. 6.1.3 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
  62. 6.1.4 Leistungen zur sozialen Teilhabe
  63. 6.1.5 Leistungen zur Teilhabe an Bildung
  64. 6.1.6 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen
  65. 6.1.7 Sektoren
  66. 6.1.8 Sektorale Grenzen
  67. 6.2 Gesetzliche Anforderungen
  68. 6.2.1 Umfassende Bedarfsermittlung
  69. 6.2.2 Trägerübergreifende Koordination
  70. 6.3 Programme und Lösungspotenziale
  71. 6.3.1 Reha-Management der gesetzlichen Unfallversicherung
  72. 6.3.2 Fallmanagement der Rentenversicherung
  73. 6.3.3 Lösungspotenziale
  74. Literatur
  75. 7 Komplexe gemeindepsychiatrische Gesamtversorgung wie aus einer Hand
  76. Nils Greve
  77. 7.1 Einleitung
  78. 7.2 Praxis der Vernetzung
  79. 7.2.1 Hilfeplankonferenz
  80. 7.2.2 Koordinierende Bezugsperson
  81. 7.2.3 Fallbezogene Abstimmung von Hilfen
  82. 7.2.4 Regionale Steuerungsgremien
  83. 7.2.5 Kostenträger
  84. 7.3 Gemeindepsychiatrischer Verbund
  85. 7.4 Interne Vernetzung: Komplexanbieter als »kleiner Verbund«
  86. 7.5 Einige institutionelle Besonderheiten
  87. 7.6 Multiprofessionalität
  88. 7.7 Weitere vernetzungsrelevante Akteure
  89. 7.7.1 Peer-Beratung
  90. 7.7.2 Einbeziehung des privaten sozialen Umfelds
  91. 7.8 Modellvorhaben
  92. Literatur
  93. 8 Chancen der digitalen Vernetzung im Care Management
  94. Paul Libera und Thierry Carrel
  95. 8.1 Ausgangslage
  96. 8.2 Chancen der Digitalisierung
  97. 8.3 Digitalisierung in der Intensivmedizin
  98. 8.4 E-Health
  99. 8.5 Mitarbeiterbefragung zu Anforderungen an ein Krankenhausinformationssystem
  100. 8.6 Digital Literacy
  101. 8.7 Zuweisungs- und Entlassmanagement
  102. 8.8 Mensch und Digitalisierung
  103. 8.9 Telemedizin
  104. 8.10 Digitalisierung und Patientensicherheit
  105. 8.11 Zusammenfassung und Ausblick
  106. Literatur
  107. 9 Am Ende des Lebens – Vernetzungsbedarfe in der Palliative Care
  108. Michael Wissert
  109. 9.1 Zur Ausgangslage
  110. 9.2 Sozial- und gesundheitspolitische Rahmendaten der Palliative Care
  111. 9.3 Programmatische Vernetzungsbedarfe in der Palliative Care
  112. 9.4 Strukturelle Rahmenbedingungen und grundsätzliche organisatorische Differenzierung des Systems der sozialen Sicherung
  113. 9.5 Konzeptionelle Vernetzungsbedarfe von Palliative Care
  114. 9.6 Fazit
  115. Literatur
  116. 10 Gesundheit schaut nicht auf die Profession der Produzenten: Trans- bzw. Interprofessionalität als Katalysator für die Produktion von Gesundheit in Integrierter Versorgung und Gesundheitsnetzen
  117. Helmut Hildebrandt, Oliver Gröne und Alexander Pimperl
  118. 10.1 Der Produktionsprozess von Gesundheit
  119. 10.2 Integrierte Versorgung und der »Integrator«
  120. 10.3 Patienten als Co-Produzenten von Gesundheit und ihre mögliche Unterstützung in einem optimierten System von Integrierter Versorgung
  121. 10.4 Trans- und Interprofessionalität als Co-Produktionsfaktor und Katalysator von Gesundheit
  122. 10.5 Ausblick
  123. Literatur
  124. Stichwortverzeichnis

 

 

Geleitwort zur Reihe

 

 

 

In der dynamisch wachsenden und zunehmend komplexer werdenden Gesundheitswirtschaft ist in den letzten Jahren der Bedarf stark gestiegen, Management bezogenes theoretisches Wissen und praxisrelevantes Know-how zu beherrschen und zu vermitteln. Dieser Bedarf spiegelt sich u. a. in zahlreichen neuen Hochschulstudiengängen und vielfältigen Angeboten der beruflichen Fort- und Weiterbildung wider.

Die Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management«, die auf den Curricula einschlägiger Hochschulen und wichtiger Fortbildungseinrichtungen aufbaut, setzt hier an. Inhaltlich und didaktisch systematisch angelegt, erhebt sie den Anspruch, das breite Themenfeld weitgehend vollständig abzudecken.

Die in 14 Bänden modular aufgebaute Reihe möchte allen Studierenden und Dozenten der auf das Management in der Gesundheitswirtschaft bezogenen Studiengänge, Berufstätigen in Fort- und Weiterbildung aus Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens und insbesondere (zukünftigen) Führungskräften und leitenden Mitarbeitern aus Ärztlichem Dienst, Medizin-Controlling, Pflegedienst, Marketing und Verwaltung ein hilfreiches Werkzeug für Studium und professionelle Praxis sein.

Die Herausgeberinnen und Herausgeber:

Clarissa Kurscheid, Julia Oswald und Winfried Zapp

 

 

Verzeichnis der Herausgeber und Autoren

 

 

 

Herausgeber

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Prof. Dr. Peter Löcherbach

Dr. phil., Dipl. Soz.-Päd. und Dipl. Päd., ist Professor für Sozialarbeitswissenschaft an der Kath. Hochschule Mainz. Er war in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit und des Gesundheitswesens tätig, bevor er an die Kath. Hochschule Mainz berufen wurde, deren Rektor er sieben Jahre lang war. Er ist Case Manager und Case Management Ausbilder und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC). Forschung und Begleitungen im Bereich Implementierung und Evaluation von Care und Case Management.

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Prof. Dr. Wolf Rainer Wendt

Dr. phil. und Dipl.-Psych., ist em. Professor der Dualen Hochschule BW Stuttgart und Honorarprofessor der Universität Tübingen. Er hat Philosophie, Psychologie und Soziologie studiert und war zunächst in der Jugendhilfe tätig, bevor er lange Jahre den Ausbildungsbereich Sozialwesen der Berufsakademie Stuttgart (jetzt Duale Hochschule BW) leitete. Er hat das Handlungskonzept Case Management im deutschsprachigen Raum eingeführt, ist Case Manager und Case Management Ausbilder. Er berät verschiedene Institutionen sozialer Versorgung und forscht zur Sozialwirtschaft und Gesundheitswirtschaft.

Autoren

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Prof. Dr. med. Dr. h. c. Thierry Carrel

Medizinstudium an der Universität Bern, Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie, Herzchirurgie und Gefäßchirurgie. Habilitation an der Universität Zürich. Nach Auslandsaufenthalten Berufung zum Ordinarius der Universität Bern und Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsspital Bern, Inselspital. Autor von über 750 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Mitherausgeber internationaler Zeitschriften. Träger des Da-Vinci-Preises 2014 der Europäischen Gesellschaft für Herzchirurgie als bester Ausbilder in Europa und der Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg. Seit 2018 im Vorstand der amerikanischen Gesellschaft für Herzchirurgie.

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Dipl.-Psych. Nils Greve

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Systemischer Lehrtherapeut (viisa/SG), Vorsitzender des Dachverbands Gemeindepsychiatrie, Projektleiter des vom Innovationsfond geförderten Projekts »Gemeindepsychiatrische Basisversorgung«, Geschäftsführer der GpG NRW. Nach Lehrjahren in der LVR-Klinik Langenfeld seit 1991 beim Psychosozialen Trägerverein Solingen tätig, zunächst als Leiter des Klinischen Bereichs, von 1999 bis 2016 als Vorsitzender. Zahlreiche Veröffentlichungen in Fachbüchern und Zeitschriften, Themenschwerpunkte Gemeindepsychiatrie, Offener Dialog, Systemische Therapie und Beratung, Psychopharmaka.

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PhD MSc. Oliver Gröne

Als stellv. Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG ist er verantwortlich für Forschung und Entwicklung. Außerdem ist er Co-Founder and Director Population Health von OptiMedis-COBIC UK. Nach seinem Soziologiestudium erwarb er als DAAD-Stipendiat einen MSc. in Gesundheitswissenschaften an der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM). Seine gesundheitswissenschaftliche Dissertation folgte an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. Als Associate Professor für Versorgungsforschung an der LSHTM entwickelte er Methoden zur Bewertung und Verbesserung der Versorgungsqualität. Außerdem war er viele Jahre für die WHO tätig, zuletzt als Leiter des Programms »Qualität von Gesundheitssystemen«.

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Dr. h. c. Helmut Hildebrandt

Der Apotheker und Gesundheitswissenschaftler ist Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG. Sein Schwerpunkt liegt im Aufbau und Management regionaler populationsbezogener Versorgungssysteme, wie »Gesundes Kinzigtal« oder »Gesunder Werra-Meißner-Kreis«. Er hat langjährige Erfahrungen in qualitativer Forschung (Medizinsoziologie) und konzeptioneller Arbeit in Gesundheitsförderung und Organisationsentwicklung. So bspw. jahrelange Mitarbeit für die WHO an Präventionsprojekten und über 20 Jahre Beratung von Kassen, Verbände und Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft. Er war im Vorstand der International Foundation for Integrated Care und engagiert sich aktuell im Vorstand des Bundesverbandes Managed Care.

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Prof. Dr. habil. Thomas Klie

Leiter der Institute AGP Sozialforschung und Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung. Er ist Professor für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften an der Evangelischen Hochschule Freiburg und Privatdozent (venia docendi im Fach Gerontologie) an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt/Wien. Nebenberuflich ist Thomas Klie als Rechtsanwalt in Freiburg und Berlin tätig. Er war Mitglied der Siebten Altenberichtskommission und Vorsitzender der Zweiten Engagementberichtskommission der Bundesregierung.

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Dr. med. Paul Libera

Medizinstudium an der Technischen Universität (TU) München mit Approbation und Promotion, Weiterbildung am Deutschen Herzzentrum München unter Prof. Rüdiger Lange. Anschließende Leitung des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät der TU München. Engagement im Bereich Lehre, Spezialist für intraoperative Bilddokumentation im Bereich Herz und Gefäße. Schwerpunkte seiner heutigen Arbeit sind Gesundheitspolitik und Gesundheitsmanagement als Arzt und Klinikmanager in der Schweiz, am Universitätsspital Bern, dem Berner Inselspital.

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Dr. phil., Mag. Alexander Pimperl

Der Gesundheitsökonom ist stellv. Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG, hat hier den Bereich Health Data Analytics aufgebaut und verantwortet zusätzlich den Bereich Finanzen. Als Harkness Fellow in Health Care Policy and Practice des Commonwealth Fund forschte er von 2015 bis 2016 in den USA. Für ein Jahr arbeitete er insbesondere an der University of California, Berkeley (USA), gemeinsam mit renommierten Professoren an dem Thema »Performance Management in Accountable Care Organizations in the U. S. and Germany«. Er promovierte an der UMIT health & life sciences university Hall/Tirol im Fachbereich Gesundheitsökonomie.

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Prof. Dr.-Ing. Christian Rexrodt

Studium des Maschinenbaus und anschließend Promotion zum Dr.-Ing. an der Universität Essen im Fachgebiet Arbeitswissenschaft und Betriebsingenieurwesen. Seither widmet er sich der beruflichen Rehabilitation und Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt. Als Geschäftsführer der Gesellschaft für Mensch und Arbeit mbH und der IMBA Consulting GmbH leitete er Forschungs- und Transferprojekte zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement und zu der Vernetzung betriebsärztlicher und ambulanter Strukturen. Seit 2005 ist er Professor für Case Management an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und lehrt dort schwerpunktmäßig das Rehabilitationsmanagement als Case Management im Kontext der Rehabilitation.

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Jürgen Ribbert-Elias

Abgeschlossene Studia der Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie und Geschichte. DGCC-zertifizierter Case Manager und Case Management Ausbilder. Er ist Leiter des Qualitäts- und Risikomanagements im St. Franziskus-Hospital Ahlen und erster Vorsitzender des Vereins Alter und Soziales e. V. Darüber hinaus ist er Gründungsmitglied und kooptiertes Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation, Bad Kreuznach, Gesellschafter im Münsteraner Institut für Forschung, Fortbildung und Beratung und seit 1995 Lehrbeauftragter an der FH Münster mit dem Schwerpunkt Handlungskonzept Case Management. Für die DGCC ist er Vorsitzender der Zertifizierungskommission.

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Prof. Dr. Edwin Michael Toepler

Studienabschluss Dipl. Päd. univ. und Dr. biol. hum. Berufserfahrung in der Jugendhilfe (Inobhutnahme), Gesundheitsförderung, Beratung der gesundheitlichen Versorgung, insbesondere Qualitätsmanagement, Zertifizierung und Netzwerkkoordination. Seit 2005 ist er Professor am Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg mit Schwerpunkt Case Management und Qualitätsentwicklung im Sozial- und Gesundheitsbereich, insbesondere die Wiedereingliederung nach schweren Krankheiten oder Unfällen. Hierzu berät er die verschiedenen Versicherungsträger, gemeinnützige Verbände, Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen. Ferner fachbezogenes ehrenamtliches Engagement.

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Prof. Dr. Michael Wissert (em.)

Studium der Sozialarbeit, Sozialpädagogik und der Soziologie. Ab 1993 Professor für Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin und ab 1998 an der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Letzte Lehr- und Forschungsschwerpunkte lagen auf der Qualität hospizlicher Arbeit in der ehrenamtlichen Sterbebegleitung sowie der Wirkungsanalyse der Trauerbegleitung.

1         Zur Einführung: transprofessionell kooperieren

Wolf Rainer Wendt und Peter Löcherbach

Das System der Gesundheitsversorgung hat ständig einen Reformbedarf. Es passt sich neuen Anforderungen an. Seine Strukturen verschieben sich von stationärer über ambulante zu häuslicher Versorgung; Übergänge von Akutbehandlung zu Rehabilitation und Prävention werden erweitert; der Pflege kommt größere Bedeutung zu; integrierte Formen der Versorgung sollen Sektorengrenzen überwinden; die Mitwirkung der Patienten1 ist gesucht; die Digitalisierung wandelt die Formen der Beteiligung und der Zusammenarbeit; die interne und externe Vernetzung des Versorgungsgeschehens nimmt zu. Es ergeben sich neue Aufgaben für ein Case Management und für das Care Management im ganzen Gefüge der Versorgung – in ihrer Steuerung auf der Ebene des Einzelfalls, im Management auf der Ebene der Organisation und des Betriebs, in sozialräumlichen Bezügen und in der Gestaltung der Versorgungsstruktur insgesamt auf der Makroebene der beteiligten Akteure, der Leistungsträger und Leistungsanbieter in ihrer Kooperation.

Die Beiträge im vorliegenden Band untersuchen und beschreiben den strukturellen und prozessualen Wandel in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens unter Gesichtspunkten der Steuerung von Abläufen und Übergängen, der sektoren- und fachgebietsübergreifenden Vernetzung und der Zusammenarbeit der professionell und informell Beteiligten an einer möglichst integrierten Versorgung. Sie hat eine räumliche Ausdehnung – intra muros in einem Krankenhaus und extra muros bei ambulanter und häuslicher Versorgung oder zur Prävention im Milieu von bestimmten Personengruppen, im Wohnquartier, in der kommunalen und regionalen Umgebung. Zu bedenken sind deren Lebensbedingungen, soziale Charakteristik und Ausstattung mit Diensten und Einrichtungen. Die gegebenen Verhältnisse verlangen nach Förderung und neuer Strukturierung der Versorgung.

Im Titel des Buches steht Care für die Verbindung des Systems der gesundheitlichen Versorgung mit der Sorge, in der Menschen individuell und gemeinsam mit Problemen befasst sind, die unmittelbar oder mittelbar ihre Gesundheit betreffen. Praktisch erfolgt die Verbindung durch Kommunikation, Konsultation, Vermittlung, Vernetzung und organisierte Kooperation. Damit sind Managementaufgaben genannt, die in den verschiedenen Bereichen der präventiven, kurativen, rehabilitativen, palliativen und sozialpflegerischen Versorgung wahrgenommen werden. Auf der Ebene der Handhabung des Einzelfalles ist die Verbindung von Versorgungsleistungen mit der persönlichen Sorge und eigenverantwortlichen Sorgen dem Konzept und Programm des Case Managements aufgegeben. In einer Organisation oder zuständigen Institution (einer Kommune oder einer Versicherung) bleibt es mit dem Care Management der Organisation und Institution verknüpft. Das Management auf der Fallebene und auf der Organisationsebene der Leistungserbringer agiert über den beruflichen Einsatz von Fachkräften hinweg: es ist transprofessionell veranlagt.

1.1       Was bedeutet transprofessionell?

Das Wort »Trans« heißt auf Lateinisch »jenseits« und verweist im System gesundheitsbezogener Versorgung auf Gegebenheiten außerhalb von ihm, für die es aber zuständig ist. Das System kann in der Erkenntnis, dass die Erstellung und der Erhalt von Gesundheit großenteils jenseits von ihm stattfindet und auch nur so gelingt, nicht selbstgenügsam bei sich bleiben. Die gesundheitliche Situation und das gesundheitliche Verhalten der Bevölkerung, und auf individueller Ebene das Gesundheitsverhalten des einzelnen Menschen, ist jenseits der Systemstruktur des Gesundheitswesens vorhanden. Das Versorgungssystem erfüllt seinen Zweck umso besser, je mehr es sich jenen Gegebenheiten zuwendet und nicht bei den Routinen im eigenen Handlungsraum verharrt. Konkret: Statt abzuwarten, dass ein Patient sich in die ärztliche Praxis begibt und sich auf sie einstellt, begibt sich die medizinische oder pflegerische Behandlung möglichst in die Praxis der Lebensführung von Patienten.

Verlangt wird ein Transfer von Gesundheitskompetenz in den lebenspraktischen Handlungsbereich. Nun setzt ein solcher Übergang eine Menge Vorkehrungen voraus – angefangen beim herkömmlichen stationären Ort der Versorgung und den an ihn geknüpften Verrichtungsbedingungen. Im isolierten Betrieb einer Klinik wird betriebswirtschaftlich seine Auslastung verlangt – mit der Folge, dass fragwürdige Indikationen gestellt werden und die viel beklagte Über- und Fehlversorgung eintritt (SVR 2001). Vermieden werden können dergleichen Praktiken durch ein transdisziplinäres Eingehen auf die Bedingungen und Möglichkeiten individueller Lebensführung. Im Modus ambulanter und häuslicher Versorgung sind dazu organisatorische Umstellungen erforderlich und im beruflichen Handeln sind neue Einstellungen auf entsprechende Situationen geboten.

Gebraucht werden transprofessionelle Strukturen, die auf der Organisationsebene bei der Entwicklung neuer Versorgungsformen erlauben, unverkürzt auf die Lebenspraxis und die Lebensbedingungen zu versorgender Personengruppen einzugehen – z. B. im ländlichen Raum, wo oft kein Hausarzt und kein Krankenhaus in der Nähe ist; in einem Quartier mit vielen hochaltrigen Menschen, die in ihrem eigenen Haushalt bleiben wollen und sollen; in der Vernetzung eines sozialpsychiatrischen Dienstes, der über akute Krisen hinaus personenbezogen präventiv tätig sein kann; im Aufbau und im Unterhalt einer sorgenden Gemeinschaft von betroffenen und engagierten Menschen mit professioneller Unterstützung im kommunalen Rahmen.

In der räumlichen und prozessualen Ausdehnung von Versorgung ändert sich auf der Mikroebene der Einsatz des Personals, das beruflich oder auch ehrenamtlich und informell die gesundheitsbezogenen Aufgaben wahrnimmt. Es gibt in deren Bearbeitung für das Zusammenwirken von Professionellen im System der medizinischen und paramedizinischen Praxis international verschiedene Konzepte und Modelle, in denen der sich vollziehende Wandel erprobt und vollzogen wird – z. B. in der Pflege (Reilly 2001), in der Psychiatrie (Lang et al. 2015), in der Rehabilitation (Collebrusco 2015) oder in der Psychotherapie (Serlin et al. 2019). Die beteiligten Fachstellen und Fachkräfte stellen sich neu aufeinander und auf die Adressaten ihres Handelns ein. Die Kooperation der Berufe im Gesundheitswesen ist eine Grundforderung seiner strukturellen Reform (SVR 2007).

Werden multiprofessionelle Teams gebildet, können sich Kompetenzen der einzelnen Berufsgruppen, ihre Sichtweisen, ihr Fachwissen und ihre praktischen Fähigkeiten in der Behandlung und Begleitung von Patienten ergänzen. Der multiprofessionelle Einsatz, etwa von Fachärzten, Psychologen, Pflegekräften, Physio- und Ergotherapeuten, Sozialarbeitern, wird im Nebeneinander einer komplexen Problematik gebraucht; der Einsatz ist ebenso im Nacheinander des Fortgangs einer Erkrankung, der Genesung, der Rehabilitation oder einer Palliativversorgung angebracht. Das Zusammenwirken kann im Ablauf der Versorgung von Demenzkranken nötig sein (Löhr et al. 2019), bei der Behandlung von Essstörungen oder in der Therapie und Nachsorge von Onkologie-Patienten (Glaus und Schlag 2016).

1.2       Versorgung in Teilhabe

Transprofessionell werden die Grenzen von Fachgebieten überschritten. Gemeint ist nicht einfach interdisziplinäres oder multiprofessionelles Zusammenwirken. Die Aufgabe ist von vornherein keine fachlich eingrenzbare. Bleibt es erstens nicht dabei, dass Fachkräfte aus verschiedenen Berufen nur nebeneinander und unabhängig voneinander gesundheitsbezogen handeln, so bleibt es zweitens auch nicht bei einer gegenseitigen Ergänzung und Abstimmung ihrer disziplinären Sichtweisen. Die Aufgabe nötigt zu einer neuen Sicht der Dinge. Transprofessionell ist bei Anforderungen zu kooperieren, die in ihrer unspezifischen Gänze wahrzunehmen sind. Daran können, neben medizinischen, paramedizinischen und anderen humandienstlichen Fachkräften, verschiedene administrative Stellen, freiwillig engagierte und unmittelbar betroffene Personen beteiligt sein – wie es in erster Linie der Patient selbst ist und dessen Lebensführung und Sorge um Gesundheit und Krankheit einschließt. Seine Mitarbeit, wie die aller anderen Akteure, ist zu organisieren und zu steuern (Amelung et al. 2017).

Der Wandel im Gesundheitswesen betrifft nachgerade die Stellung der Patienten im Versorgungsgeschehen. Sie leben mit ihren Problemen, Krisen und Belastungen. Statt dass nur der eine oder andere gesundheitsrelevante Faktor in den klinischen Blick gerät und Gegenstand medizinischer, pflegerischer oder anderer professioneller Verrichtungen wird, will die Person im ganzen Kontext ihrer individuellen Situation und Lebensführung wahrgenommen werden. Darauf richtet sich ein flexibles System ein; die Versorger kommen strukturell und prozessual den Patienten gewissermaßen entgegen, suchen den Anschluss an ihre Lebenspraxis und Daseinsvorsorge, auf die kompensatorisch und komplementär eingewirkt werden kann. In ihrer Situation finden Menschen individuell selber Wege zu den Diensten und Leistungsangeboten im Versorgungssystem.

Im Zuge des technischen Wandels werden z. B. Apps als Begleiter bei chronischen Gesundheitsproblemen bereitgestellt. Gesundheitsfragen werden zunehmend auch aus (Kooperationen mit) der Wirtschaft beantwortet – so z. B. von der Sprachassistentin Alexa von Amazon, gefördert vom britischen National Health Service.

Die digitalisierte Informations- und Kommunikationstechnik unterstützt die gesundheitsbezogene Selbstversorgung des Einzelnen – und gleichzeitig kann technikgestützt die medizinische und pflegerische Versorgung bis in den persönlichen Handlungsraum von Patienten reichen. Stichworte: Telemedizin und E-Health. Die dazu nötige personenbezogene Verständigung hat keinen fachlich-disziplinären, sondern einen lebensweltlichen Zuschnitt. Es muss systemseitig betrachtet werden, wie sich die gesundheitsbezogenen Probleme von Menschen in ihrer Lebenspraxis darstellen, um in dieser Praxis, in der individuellen Lebensführung mit einer Behandlung, Pflege und verschiedenen Hilfen, passend wirken zu können.

Die transprofessionelle Aufgabenstellung erfordert systemseitig Strukturen, die sich zur Einbindung vielseitiger Kompetenzen eignen. Dienste, die auf die Kompetenz eines bestimmten Berufs oder eines Fachgebiets zugeschnitten sind, erfassen je für sich keine ihrer Handlungsdomäne fern liegende Problemkonstellation. Dagegen können ihr vernetzte Strukturen gerecht werden oder polyklinische Zentren, die an einem Ort oder für ein Quartier ein vielseitiges Leistungsangebot vorhalten, das sich nach unspezifischer Klärung des Bedarfs nutzen lässt. Besonders in ländlichen Regionen können Menschen, wenn sie gesundheitsbezogene Hilfen benötigen, diese in einem breit aufgestellten Versorgungszentrum finden. Auch in einem dezentral ausgedehnten Netzwerk von Fachstellen und Fachkräften ist ein Zugang nötig, der den Patienten nicht auf spezifische Behandlungen oder andere therapeutische, pflegerische und soziale Interventionen und Maßnahmen festlegt, sondern bei dem zunächst geklärt wird, was indiziert ist und wie eine individuell passende Problembewältigung anzulegen und, wenn erforderlich, eine kontinuierliche Versorgungsperspektive zu eröffnen ist. Mit einer solchen Umsicht wird eine – oft beklagte – Fehl-, Über- oder Unterversorgung vermieden. Ist der Weg der Problembewältigung erst einmal transprofessionell gebahnt, kommen auf ihm die Kompetenzen der gesundheitsberuflich Beteiligten zum Zuge.

Die Organisation der Versorgung erfolgt in ihrer überindividuellen Gestaltung so, dass sie bei vielseitiger Beanspruchung gut funktioniert. Dafür ist auf der Systemebene, wie oben bereits angeführt, ein Care Management zuständig. Zu ihm gehört auch die Zuordnung und Abstimmung des personellen und fachlichen Einsatzes. Als Beispiel kann das niederländische Modell Buurtzorg gelten: dezentral wird in der Nachbarschaft durch ein formelles Netzwerk von Fachkräften der Pflege und Medizin ein informelles Netzwerk der Versorgung stabilisiert, welches durch Selbstbestimmung und Partizipation gekennzeichnet ist. Care Management hat sowohl die Binnenorganisation eines Versorgungsbetriebs als auch die Einbeziehung und Beteiligung seiner Adressaten und Interessenten in einem sozialen Raum zum Gegenstand. Es bringt Kooperation zustande und lenkt sie. Wo die vorhandenen Strukturen ihr entgegenstehen, wird ein übergreifender professioneller Einsatz nötig, um eine ungegliederte Problematik, welche die Patienten mitbringen, in das gegliederte System des Gesundheitswesens zielgerichtet einzuführen. Dafür wird ein Case Management gebraucht. »In einer segmentierten Versorgungslandschaft sind generalistisch ausgerichtete Berufsgruppen notwendig, die den Überblick über das Versorgungsgeschehen behalten und Lotsenfunktionen bzw. Gatekeeper-Rollen übernehmen (z. B. Hausärzte, Case Manager)« (SVR 2007, S. 54), stellte das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2007 fest.

Gegenstand des Case Managements ist die Bahnung und Steuerung des Vorgehens im Einzelfall und bei bestimmten Fallgruppen. Das Case Management spielt in der Struktur und Funktion einer integrativen und transprofessionell organisierten Versorgung eine zentrale Rolle. Schrittweise werden Versorgungsmaßnahmen auf die fallweise gegebenen Anforderungen eingestellt und die betroffene Person kommt ihnen in ihrer Situation im Verfahren des Case Managements nach. Die Erfassung des Falls erweist sich als ein beiderseitiges Projekt, ebenso die Zielbestimmung und Planung des Vorgehens. Dessen Management leistet eine stetige Übersetzung systemgegebener Prozeduren in die Lebenswelt und Lebensführung von Patienten und umgekehrt eine Übersetzung von ihren Gegebenheiten in das fachliche und betriebliche Versorgungsgeschehen. Die beteiligten Fachkräfte geben im transprofessionellen Einsatz und als orientierende und koordinierende Bezugspersonen im Case Management ihre Professionalität nicht auf – im Gegenteil: Professionalität erweitert sich in der Umsorge, in der sie auf Lebensverhältnisse und die Bewältigung von Gesundheitsproblemen extra muros ausgreift – so etwa in einer Pflegeberatungsstelle bzw. einem Pflegestützpunkt oder in einem sozialpsychiatrischen Zentrum.

1.3       Die Beiträge

Im ersten Abschnitt des Buches wird das Handlungskonzept Case Management von Wolf Rainer Wendt im Bezugsrahmen der formellen und informellen Strukturen von Care erörtert. Organisierte Versorgung trifft die Eigensorge von Menschen und ein informelles Versorgungsgeschehen, welches in hohem Maße Anteil daran hat, dass Pflege geschieht, gesundheitsbezogen gehandelt wird, medizinische Behandlungen Erfolg haben, Prävention geleistet werden kann und Rehabilitation gelingt. Ein Case Management vermittelt zwischen Systemmöglichkeiten und individueller Lebensbewältigung. Es bietet in Partnerschaft und Kooperation mit Patienten und mit den informell und professionell Beteiligten individuell und auf der Systemebene eine Wegleitung in der gesundheitlichen Problembewältigung.

Die Pfade, auf denen das geschieht, sind in Netzwerken gebahnt. Vernetzung von Fachstellen und Fachkräften ist eine konstitutive Voraussetzung sektoren- und fachgebietsübergreifender Versorgung. Peter Löcherbach erläutert das Verständnis von Vernetzung. Unterschieden werden (informelle) Klientnetzwerke einerseits und andererseits professionelle Netzwerke und Integrationsnetzwerke systemseitig. In ihnen und mit ihnen wird fallbezogen und fallunabhängig gewirkt. Eine Netzwerkanalyse zeigt die Strukturen auf, mit denen Netzwerke funktionieren und leistungsfähig sind. Mit ihnen bzw. über sie kann die Versorgung gesteuert werden. Auf der Systemebene geht dabei das Case Management in das Care Management im Sozialraum über.

Für die Deckung des medizinischen Versorgungsbedarfs in einer Kommune oder in einer Region spielt von jeher die Institution des Krankenhauses eine zentrale Rolle. Jürgen Ribbert-Elias behandelt in seinem Beitrag die Steuerungsfunktion, die ein Krankenhaus über sein internes Care Management hinaus in der Versorgungslandschaft wahrzunehmen vermag. Er führt Beispiele dafür an, wie mit dem Case Management jenseits stationärer Behandlung ein Versorgungsbedarf der Bevölkerung vom Krankenhaus ausgehend gedeckt werden kann. Exemplarisch wird das Ahlener System in der Altenhilfe beschrieben. Ribbert-Elias verweist auf neue gesetzliche Regelungen, die zu einer solchen Aufgabenerfüllung anhalten. Hierzu bedarf es eines Case Managements im kommunalen Umraum, in dem sowohl präventiv wie rehabilitativ neue Wege zu beschreiten sind.

Im lokalen Raum vorhandene Versorgungsmöglichkeiten erschließen sich für die Menschen nicht ohne weiteres. Der Gesetzgeber hat deshalb für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen die Institution der Pflegeberatung und des Pflegestützpunktes geschaffen. Thomas Klie erörtert den Anspruch und die Realisierung dieser Hilfe- und Vermittlungsstruktur. Das in ihr zu implementierende Case Management kommt wegen fehlender Ressourcen und unklarer Zuständigkeiten oft nicht zum Zuge. Klie verweist auf regionale Analysen und plädiert für die Schaffung von Pflegekompetenzzentren zur Steuerung einer abgestimmten formellen und informellen Versorgung.

Als mehrdimensionales medizinisches, soziales und arbeitsweltbezogenes Geschehen verdient Rehabilitation eine wirksame personenbezogene, sektorübergreifende Koordination des professionellen Handelns. Edwin Toepler und Christian Rexrodt verweisen auf die Leistungsträger. Von ihnen wird – insbesondere mit dem Bundesteilhabegesetz – verlangt, unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe von Menschen mit Behinderung eine Versorgung quer zu den überkommenen Einteilungen von Gesundheits- und Sozialleistungen und den sektoralen Zuständigkeiten für sie zu bewerkstelligen. Auf der Individualebene kann dies im Fallmanagement der Träger und beauftragter Dienste geschehen; auf der Organisationsebene sind fallunabhängige Vorkehrungen zu treffen, um mit ihnen dem Bedarf an Rehabilitation und Eingliederung nachzukommen.

Eine transprofessionelle Hinwendung zum Setting der Lebensführung ist in der Gemeindepsychiatrie der letzten Jahrzehnte erprobt worden. Ein gemeindepsychiatrisches Team kann passgenaue Hilfen erschließen und im Sozialraum auf Teilhabe psychisch Erkrankter am sozialen Leben, am Arbeitsleben und an gemeinsamem Wohnen hinwirken. Nils Greve referiert die Praxis der Vernetzung und der Kooperation im gemeindepsychiatrischen Verbund. Zur fallbezogenen Abstimmung von Hilfen kommt eine übergeordnete Steuerung des komplexen Versorgungsangebots. Durch Peer-Beratung und die Einbeziehung des privaten sozialen Umfelds lässt sich eine Abstützung der sozialen Eingliederung psychisch Erkrankter erreichen. In der Annäherung psychiatrischer Versorgung an die Dynamik der Lebensbewältigung von Menschen – wozu u. a. Home Treatment in gewohnter Umgebung als neues Format der Behandlung gehört – ist der transprofessionell zu beschreitende Weg gewiss noch weit. Er lässt das klinische Setting schrittweise hinter sich.

Eine Abstimmung und Vernetzung des professionellen Handelns wird zunehmend durch informationstechnologische Digitalisierung geprägt. Was diese innerhalb des klinischen Raums mit sich bringt, diskutieren Paul Libera und Thierry Carrel anhand ihrer Erfahrungen in einem Schweizer Universitätsspital. Im internen Versorgungsmanagement kann das Krankenhausinformationssystem zu einem effizienten Einsatz der Behandlungsressourcen beitragen und den informierten Patienten daran teilhaben lassen. Das fängt bei der digitalisierten Dokumentation an und reicht mit Innovationen in verschiedenen Bereichen von E-Health über den stationären Versorgungsprozess hinaus. Allerdings bringt schon das digitalisierte Krankenhausinformationssystem für die Mitarbeiter einige Schwierigkeiten mit sich, die von den Autoren kritisch beleuchtet werden. Anwender brauchen Schulungen; die Patientensicherheit muss gewährleistet sein; und der Einsatz von künstlicher Intelligenz beim Finden von Diagnosen und in der Steuerung von Behandlungen steckt noch in den Anfängen.

Vorangekommen ist in den letzten Jahren die palliative Versorgung von Menschen am Ende ihres Lebens. Michael Wissert beschreibt den Vernetzungs- und Kooperationsbedarf in Hospizdiensten und in der ambulanten Palliativversorgung, die in ihrer Bedeutung aus Gründen der Alterung der Bevölkerung inzwischen in der Öffentlichkeit und vom Gesetzgeber anerkannt ist und gewürdigt wird. Die Strukturen der Begleitung sterbenskranker Menschen schließen vielfältige ärztliche, fachpflegerische, soziale, hauswirtschaftliche und ehrenamtlich zu leistende Dienste ein. Wissert beschreibt die Konzeptentwicklung auf diesem Gebiet integrierter Versorgung, die auf der Systemebene und im Einzelfall dem komplexen Bedarf gerecht werden soll.

Im abschließenden Beitrag erörtern Helmut Hildebrandt, Oliver Gröne und Alexander Pimperl transprofessionelles Handeln auf der Metaebene einer regionalen »Produktion von Gesundheit«. Mit der Bevölkerung wird in organisierter Weise kooperiert, gesundheitsbezogene Selbsthilfe wird unterstützt, aktive Beteiligung an Prävention wird angeregt und Anleitung zum Selbstmanagement bei chronischen Belastungen der Gesundheit wird geboten. Auf diese Weise lässt sich ein ökonomisch wie personenbezogen gewichtiger »Gesundheitsmehrwert« erzeugen. Die Autoren können auf die Empirie entsprechender Projekte verweisen: Musterhaft unterhält seit 2005 die Initiative Gesundes Kinzigtal in Südbaden ein Praxis-Netzwerk zur Integrierten Versorgung von Versicherten und kann seither eine Verbesserung der Gesundheit für diese Menschen vorweisen.

Das Leistungsgeschehen wird näher an die Lebensführung von Menschen herangeführt und mit persönlichem Dazutun verknüpft – und es zeigt sich: Sind transprofessionelle Strukturen erst einmal aufgebaut und genügend erprobt, funktionieren sie jenseits des gewohnten Nebeneinanders von Akteuren im bisher auf verschiedenen Säulen beruhenden Gesundheitssystem. In seinem Wandel kommt es den Menschen entgegen, wird zugänglicher für sie und nimmt sie in komplexer und andauernder Arbeit an einem gesunden Leben mit.

Literatur

Amelung, V., Gerlach, F., Gruhl, M., Ozegowski, S., Prüfer-Storcks, C., Schaeffer, D., Straub, C. (2017): Patient First! Für eine patientengerechte sektorübergreifende Versorgung im deutschen Gesundheitswesen. WiSo-Diskurs. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.

Collebrusco, L. (2015): An Integrated Rehabilitation Model: An Ideal

Framework for Limiting Health Care Costs. Open Journal of Therapy and Rehabilitation 3: 9–13.

Glaus, A., Schlag, P. M. (2016): Onkologische Pflege im interdisziplinären Team. Ein Paradigma moderner patientenzentrierter Betreuung. Der Onkologe 22 (9): 618–621.

Lang, F. U., Gühne, U., Riedel-Heller, S., Becker, T. (2015): Innovative patientenzentrierte Versorgungssysteme. Internationale Perspektiven. Der Nervenarzt 86 (11): 1313–1319.

Löhr, M., Meißnest, B., Volmar, B. (Hrsg.) (2019): Menschen mit Demenz im Allgemeinkrankenhaus. Innovative Konzepte für eine multiprofessionelle Betreuung und Versorgung. Stuttgart: Kohlhammer.

Reilly, C. (2001): Transdisciplinary Approach. An atypical strategy for improving outcomes in rehabilitative and long-term acute care settings. Rehabilitation Nursing 26 (6): 216–220, 244.

Serlin, I. A., Krippner, S., Rockefeller, K. (Hrsg.) (2019): Integrated Care for the Traumatized. A Whole-Person Approach. Lanham, MD: Rowman & Littlefield.

SVR – Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001): Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band III: Über-, Unter- und Fehlversorgung. Gutachten 2000/2001. Bundestagsdrucksache 14–6871.

SVR – Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2007): Kooperation und Verantwortung – Voraussetzungen einer Zielorientierten Gesundheitsversorgung. Bundestagsdrucksache 16/6339.

1     Aus Gründen der Einfachheit und besseren Lesbarkeit wird in der Regel die männliche Form verwendet; es sind aber stets alle Geschlechter gemeint.

2         Care Strukturen – innerhalb und außerhalb des Systems der Versorgung

Wolf Rainer Wendt

Es gibt ein ausgebautes und vielgestaltiges System der Gesundheitsversorgung, mit dem Störungen und Beeinträchtigungen des gesundheitlichen Ergehens behoben oder gelindert werden. Das System weist eine komplexe Struktur auf; es besteht auf betrieblicher Ebene aus die Leistungen tragenden Institutionen (Sozialleistungsträger), den Leistungen erbringenden Organisationen mit ihren Einrichtungen und Diensten und auf der Individualebene aus den professionellen Akteuren, die in Kommunikation und Kooperation untereinander und mit den Adressaten ihres Handelns beruflich und fachlich im Gesundheitswesen wirken. Die Strukturen sind miteinander vernetzt, agieren aber vor allem je für sich.

Das Gesundheitssystem existiert nicht im leeren Raum. Vielmehr ist es in ständigem Austausch mit der Bevölkerung, welche bei Bedarf auf das System zurückgreifen kann. Weiter tritt die Bevölkerung als Versicherungsnehmer in Erscheinung und wirkt als Leistungsnehmer an der Gestaltung der Versorgung mit. Ebenso sind die Gebietskörperschaften, Organisationen und Unternehmen, die sich auf diesem Gebiet betätigen, an der Ausgestaltung des Gesundheitssystems beteiligt. Bevor Menschen jedoch Dienste oder Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung beanspruchen, kümmern sie sich selbst um ihr Wohlergehen. Sie tun dies im Rahmen ihrer Lebensführung – auch ohne dabei stets an ihren gesundheitlichen Zustand und seine Risiken zu denken. Ist die Gesundheit einer Person beeinträchtigt, kann diese medizinischen Beistand suchen, weiß sich in leichteren Fällen gewöhnlich aber erst einmal selber zu helfen oder sie wird in der Familie versorgt. Einen großen Teil der Pflege bei Bedürftigkeit im Alter oder bei Behinderung leisten Angehörige. Der Haushalt der Betroffenen und ihre Eigenleistungen müssen von vornherein in der Struktur der Gesundheitsversorgung mitbedacht werden.

2.1       Care strukturell, sektor- und berufsübergreifend

Für den gesamten hier interessierenden Handlungs- und Gestaltungsbereich ist international der Terminus Care eingeführt. Das Wort hat im Englischen viele Bedeutungen und eignet sich deshalb besonders gut, um die Mehrseitigkeit des gesundheitsbezogenen Geschehens zu benennen:

•  Care heißt die Sorge, in der Menschen sich um sich selbst sorgen und in der sie sich als Sorgende (carers) um einander kümmern. Eingeschlossen sind alle Weisen der Fürsorge und der Betreuung.

•  Care bezeichnet auch den organisierten Betrieb, in dem health care, social care, elder care, child care, rehabilitation care bzw. kurative, pflegerische, rehabilitative und soziale Versorgung erfolgen.

•  Das gesundheitsbezogene Geschehen will in seiner Komplexität, bei dem großen Aufwand, der in ihm getrieben wird, und zu seiner Zielführung gut gemanagt werden. Care Management ist ein Begriff dafür.

•  Auf der Individualebene ist zur Steuerung des Handelns der am Versorgungsgeschehen beteiligten Personen und Stellen das Konzept Case Management eingeführt.

Care und Case Management werden im Folgenden unter dem Aspekt der transprofessionellen Kooperation erörtert. Versorgung und ihre fallbezogene Steuerung erfolgen im Zusammenwirken von verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheits- und Sozialwesen. Beteiligt sind die Adressaten ihres Handelns, die sich auch selber einzeln und zusammen um ihr Ergehen kümmern. Transprofessionell ist eine gemeinsame Handlungsperspektive gegeben, zu der die beruflichen Akteure in einem Prozess der Abstimmung finden können. In transprofessional care nehmen sie sich einer Lebensproblematik an, zu deren Bewältigung oder Lösung erst ein Weg gefunden werden muss, der dann bei Koordination fachlich und informell Beteiligter begangen wird. Das kann in Teamarbeit (Chiocchio und Richter 2015) oder geleitet durch eine persönliche Fallführung geschehen.

2.1.1     Die formelle Struktur von Care

Die medizinische, paramedizinische, rehabilitative und fachpflegerische Versorgung (health care) ist in stationären und ambulanten Strukturen organisiert. Es gibt

•  die ambulante haus- und fachärztliche Versorgung inkl. Zahnärzte und Psychotherapeuten, auch in Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren,

•  die stationäre kurative Versorgung in Allgemeinkrankenhäusern und spezialisierten Kliniken,

•  paramedizinische Dienste der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, der Hebammen, Rettungssanitäter usw.,

•  Einrichtungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation und

•  die ambulanten Dienste und stationären Einrichtungen zur Pflege.