Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Die korrigierte Neuauflage des

vorliegenden Bandes

erscheint in der Reihe

Orte.

Orte

ist eine in unregelmäßiger Folge

erscheinende Reihe von

H.-Georg Lützenkirchen

©H.-Georg Lützenkirchen

www.hgluetzenkirchen.info

Fotos: © hgl

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-8448-2144-4

2. korrigierte Auflage 2015

Jakobus der Ältere ist einer der zwölf Apostel. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Johannes sowie Andreas und Petrus gehört er zu den sogenannten 'erstberufenen Jüngern'. Sie sind hervorgehoben im Reigen der Jünger, weil ihnen an entscheidenden Stationen im Leben Jesu eine hervorgehobene Rolle zukam. So ist Jakobus einer der Jünger, die Jesus in seiner Verzweiflung angesichts seines bevorstehenden Todes im Garten Gethsemane beistehen.

Nach Jesus Tod und Auferstehung wirkte Jakobus in Jerusalem, wo er während der Herrschaft des Herodes Agrippa, der als König von Judäa in den Jahren 37 – 44 n.Ch. regierte, zu Tode kam. Genauer: Herodes, so berichtet es die Apostelgeschichte, ließ ihn mit dem Schwert hinrichten.

Und damit beginnt die Legende. Den toten Jakobus nahmen die beiden Freunde Athanasius und Theodorus in ihre Obhut. Sie wollten die Leiche nach Spanien überführen, um sie dort zu begraben. Warum in Spanien? Hier habe er nach Christi Himmelfahrt gepredigt und missioniert. Doch die Überführung des Leichnams über das große Wasser überforderte die menschlichen Kräfte der beiden Freunde. So kam es gelegen, dass ein „Engelsboot“ zu Hilfe kam. Mit diesem himmlischen Gefährt gelangte schließlich der Apostel nach Galicien, wo nun endlich auch sein Leichnam begraben werden konnte. Aber zunächst schien dies völlig folgenlos zu bleiben: denn das Grab des Apostel Jakobus geriet in Vergessenheit.

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Hatte er überhaupt in Spanien gepredigt und missioniert? Während die Forschung keine Belege dafür gefunden hat, dass Jakobus überhaupt jemals in Spanien war, weiß die Legende anderes zu berichten. Dabei taucht bereits ein interessantes Motiv auf, das prägend wird für den gesamten späteren Jakobus-Kult und – so möchte man hinzufügen – für den spanischen Katholizismus insgesamt: Jakobus ist kein glorreicher Heiliger und auch kein erfolgreicher Held. Von Beginn an haftet ihm etwas Gebrochenes an. Immer droht ein Scheiten. Schon die Legende weiß davon zu berichten: so habe zwar in der Tat Jakobus in Spanien gepredigt, aber ohne Erfolg. Enttäuscht und mutlos sei deshalb der Prediger gewesen, weshalb er sich im heutigen Saragossa am Ufer des Ebro sitzend, entschlossen habe, seine Mission abzubrechen. Doch da sei ihm plötzlich die Jungfrau Maria erschienen. Sie habe ihn getröstet, ihm Mut zugesprochen und vor allem: Unterstützung zugesagt. Die Legende berichtet nicht, welche unmittelbaren praktischen Schlüsse Jakobus aus dieser Erscheinung zog und ob seine Mission von nun erfolgreicher verlief. Wir dürfen es wohl annehmen...

In Saragossa aber verehrt man bis heute die „Madonna del Pilar“ (Madonna auf der Säule), denn auf einer Säule war die Jungfrau Maria Jakobus erschienen.

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Es brauchte einen weiteren göttlichen Hinweis, um die Bedeutung Jakobus für Spanien endgültig zu festigen. Dieser wurde dem Einsiedler Pelayo im frühen 9. Jahrhundert gegeben. An einer Stelle im heutigen Santiago des Compostella erschien dem frommen Mann eine seltsame Lichterscheinungen – und tatsächlich: dort fand der Einsiedler das Grab des Jakobus. Fand er auch die Gebeine? Egal, schnell wurde eine Kapelle errichtet, bald eine Kirche, heute steht dort die gewaltige Kathedrale, das Ziel aller Jakobswegpilger. Wes' Gebeine der Einsiedler freilich in dem Grab wirklich fand, oder ob er überhaupt dergleichen fand, wird für immer sein Geheimnis bleiben. Nun, auch andernorts nimmt man das mit den Reliquien nicht immer so genau. Jedenfalls kam der vermeintliche Fund dem asturischen König Alfonso II. sehr gelegen. Denn er brauchte eine zugkräftige Symbolfigur für sein Projekt der Wiedereroberung Spaniens für die Christenheit.

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Seit dem 8. Jahrhundert war die iberische Halbinsel fast vollständig von den 'Mauren' erobert worden. Die dunkelhäutigen Fremden mit dem anderen Glauben waren 711 aus dem Norden Afrikas übergesetzt und hatten binnen kurzer Zeit fast die gesamten Reste der ehemals westgotischen Herrschaften hinweggefegt. Ihre Kleinkönigreiche waren den Mauren kulturell, wirtschaftlich und militärisch hoffnungslos unterlegen und so schickten sich diese an, ihre Herrschaft nicht nur zu festigen, sondern bald auch noch auszuweiten. Sogar die Pyrenäen schienen kein Hindernis mehr zu sein. Das christliche Abendland war bedroht. Kurzum: der spanischen Christenheit, speziell der asturischen, kam eine große Aufgabe zu: die Eroberungen der Mauren aufzuhalten, ja sie irgendwann sogar wieder zu vertreiben. Dafür aber brauchte man viele tapfere „Matamores“, Maurentöter. Jakobus sollte ihr Führer werden. Denn wenn einer der zwölf Apostel sich höchstselbst den Mauren entgegenstellte, so das Kalkül der asturischen Herrscher, dann würden viele andere diesem Vorbild folgen. Unter dem Banner Jakobus sollte sich also die Christenheit sammeln, um die Ungläubigen zu vertreiben. Nebenbei konnte ein solches Vorgehen auch den eigenen Herrschaftsinteressen dienlich sein. Denn den frühen spanischen Königen, so auch den asturischen, ging es immer auch um die Sicherung eigener Machtpositionen im Prozess der Vereinigung der vielen Königreiche in Spanien. Ebenso suchten sie ihre Positionen im Verhältnis zu Rom, dem Machtzentrum der Christenheit zu stärken. Tatsächlich fühlten sich die Territorien Spaniens wegen ihrer abseitigen Lage von der römischen Christenheit vernachlässigt und benachteiligt. Mit einer die gesamte Christenheit betreffenden Aufgabe, hoffte man, endlich Anschluss zu finden und die ersehnte Anerkennung innerhalb der Christenheit zu erreichen.

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