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© 2017 Andreas Friedrich

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-743-160484

Inhalt

Vorwort

Die Alhambra ist eines der faszinierendsten Bauwerke weltweit. Wer ihren Anblick mit den schneebedeckten Bergen der Sierra Nevada im Hintergrund einmal genossen hat, wird ihn niemals mehr vergessen.

Die grandiose Palaststadt ist das bedeutendste Zeugnis der arabischen Herrschaft in Spanien und verweist auf eine Epoche voller Konflikte, aber ebenso auf ein zeitweises konstruktives Miteinander von maurischer Kultur und europäischem Mittelalter.

Die Faszination des Autors für das europäisch-arabische Ambiente Andalusiens hält seit vielen Jahren an. Das Interesse weckten zunächst einige Alhambra-Besuche im Rahmen eines ersten Sprachkurses, dann folgten zwei Auslandssemester an der Universität Granada, Studienreiseleitung und viele weitere Besichtigungen im Rahmen von Urlaubsaufenthalten und der Arbeit an einem Wanderbuch. Der Spanien-Boom hält weiter an und damit das Interesse an Andalusien und seiner spannenden Geschichte zwischen Morgen- und Abendland. Es lag nahe, ein Buch speziell über die Alhambra zu konzipieren, welches über den Rahmen eines Reiseführers hinausgeht, mit mehr Detailinformationen zu Architektur, kulturellem und geschichtlichem Hintergrund. Ich habe versucht, zu Gunsten der besseren Lesbarkeit so weit wie möglich auf spezielles kunsthistorisches Fachvokabular zu verzichten. Interessierte Leser können sich der angegebenen Literatur widmen, die weitere spezielle Aspekte behandelt. Einige Auszüge aus historischen Reiseberichten sollen das Bild der Alhambra abrunden. Noch viel mehr wäre zu sagen über die Sozial-, Wirtschafts- und Alltagsgeschichte Granadas und der Alhambra, vielleicht ja im Rahmen einer späteren Neuauflage. Der Denkmalschutz in Granada ist dynamisch, und viele früher geschlossene Gebäude öffnen inzwischen in saniertem Zustand ihre Pforten.

Ihnen, liebe Leser, wünsche ich eine gewinnbringende Lektüre und einen spannenden Aufenthalt in Granada und auf der Alhambra.

Winter 2016/17, Andreas Friedrich

Der geschichtliche Rahmen:
Die Mauren in Spanien

Die nasridische Herrschaft von Granada war das letzte Aufblühen der arabisch-maurischen Kultur auf der Iberischen Halbinsel. Für das Verständnis der historischen Verhältnisse ist es hilfreich, sich mit den Grundzügen der großräumigen geschichtlichen Prozesse zu befassen, die über die Jahrhunderte eine enorme Dynamik entfalteten.

Ab der Jungsteinzeit war Andalusien besiedelt, Zeugnis davon geben z. B. die Dolmen von Antequera in der Nähe von Granada. In der Antike wurden die Iberer erwähnt, die vermutlich aus dem Atlasgebirge eingewandert waren und als die eigentliche Urbevölkerung Spaniens und Portugals gelten. Die Seefahrernationen aus Phönizien und Griechenland gründeten an den Küsten ihre Niederlassungen, wie Gadir, das heutige Cádiz. Ab etwa 200 vor Christus dominierten die Römer die Iberische Halbinsel, Andalusien wurde zur römischen Provinz Hispania Ulterior. Die Römer bauten eine umfangreiche Infrastruktur auf, darunter Wasserleitungen und Straßen, und führten ihr Rechtssystem ein. Der einheimische Widerstand gegen die Römer kam zum Erliegen, führende Familien arrangierten sich im Zuge einer Romanisierung mit den neuen Herrschern. Die römische Provinz Baetica entstand, aus der sogar römische Kaiser wie Hadrian und Trajan hervorgingen.

In der Zeit der Völkerwanderung lösten die Westgoten als militärisch stärkstes der germanischen Völker ab dem 5. Jahrhundert die Römer ab. Doch viele Intrigen der in sich verfeindeten Westgoten schwächten ihre Position nach außen. Ein Konflikt zwischen Fürst Witiza und König Roderich war schließlich der Auslöser für den Sprung arabischer Heerführer über die Meerenge von Gibraltar.

Die Vorgeschichte ist eigentlich die Geschichte vom Siegeszug des Islam und der Araber. Endlich vereinigt unter der neuen gemeinsamen Religion von Begründer Mohammed, begann die Expansion aus der Region von Mekka und Medina. Mohammed war ein weit gereister Karawanenbegleiter, der eine Synthese mehrerer nahöstlicher Strömungen vollbrachte, von der persischen Tradition bis hin zur klassisch griechischen Philosophie aus der Lehre Platons. Gott, arabisch „Allah“, war für Mohammed der eigentliche Kern der Welt, die physische Welt hingegen nur dessen Abbild. Daraus leitet sich im Islam das Abbildungsverbot ab, denn das „Wesen der Welt“ ist nicht personifizierbar. Daher genießt die Kalligraphie, also die Schriftkunst, umso höheres Ansehen. Sie gibt die göttliche Offenbarung wieder, und so steht die Dichtkunst im Islam in einem sehr hohen Rang, wie wir im Abschnitt über die Inschriften in der Alhambra noch sehen werden. In der Zeit zwischen 610 und 632 begründete Mohammed einen Staat aus den vereinten arabischen Stämmen. Diese setzten sich durch gegen Byzanz und das Persien der Sassaniden, die sich im Konflikt miteinander verausgabt hatten. Schon 14 Jahre nach dem Tod Mohammeds gelangten die ersten Heere bis nach Tunesien. Gegen den Widerstand von Berberstämmen setzten sich Ende des 7. Jahrhunderts die aus dem vorderen Orient stammenden Omaijaden in Nordwestafrika durch.

Im Jahr 711 landete der Berber Tāriq ibn Ziyād mit seinem Heer in der Region von Algeciras ganz im Süden der Iberischen Halbinsel und unterwarf nach der Schlacht am Río Guadalete das seit dem 5. Jahrhundert bestehende Westgotenreich. Bis 719 eroberten die Mauren die gesamte Iberische Halbinsel. Der westgotische Herrscher Pelayo begann darauf eine Rebellion in einem entlegenen Berggebiet Asturiens und besiegte 722 in der Schlacht von Covadonga eine muslimische Streitmacht. Der Sieg von Covadonga gilt in Spanien als Beginn der Reconquista, wobei die christlichen Herrscher wohl keine Gesamtstrategie für die umfassende Rückeroberung der Iberischen Halbinsel hatten.

Zwischen 719 und 725 drangen die Muslime über die Pyrenäen vor und eroberten Septimanien, einen Landstrich um Narbonne, der zum Westgotenreich gehört hatte. Ihren Vorstoß in das Frankenreich konnte aber Karl Martell 732 in der Schlacht bei Tours und Poitiers abwehren.

Hintergrund: Die Mauren

Im Zuge der Entwicklung des islamischen Großreichs gab es keine Homogenität, vielmehr ein stetes Auf und Ab vieler konkurrierender Interessen. Zwar sorgten die arabischen Stämme aus dem vorderasiatischen Raum für eine Expansion nach Westen, doch gab es im Raum des heutigen Marokko und der anderen Maghrebländer ebenfalls starke Kräfte. Diese islamisierten sich zwar, hatten aber bei der Eroberung der Iberischen Halbinsel eigene Interessen. Schon die römischen Legionen hatten es in Nordafrika oft mit aggressiven Stämmen zu tun gehabt, die man Mauri oder Marusier nannte. Während in der Spätantike das weströmische Reich zerfiel, bildeten sich im 5. Jahrhundert mindestens sieben kleine maurische Kleinkönigreiche. Auch die Vandalen und die nachrömischen Herrscher Karthagos bekriegten sich mit ihnen. Erst den muslimischen Arabern gelang es, die oft noch halbnomadisch lebenden Mauren besser zu kontrollieren. Als Mauren werden die in Nordafrika teils nomadisch lebenden Berberstämme verstanden, die vom 7. bis ins 10. Jahrhundert von den Arabern islamisiert wurden und diese bei ihrer Eroberung der Iberischen Halbinsel als kämpfende Truppe unterstützten. Doch war dies keine homogene ethnische Gruppe: die Truppen, die als erste nach Spanien vordrangen, bestanden weniger aus Arabern sondern vielmehr aus Berbern. Im späteren Mittelalter, insbesondere seit der Zeit der Kreuzzüge, nannte man die Mauren auch Sarazenen. Die Herkunft des Begriffs ist nicht endgültig geklärt. Neben der Herleitung von griech. mauros „dunkel“ kommt auch die Herkunft aus einer nordafrikanischen Berbersprache in Betracht. Im Spanischen steht der Begriff „El Moro“ verallgemeinernd für die Bevölkerung südlich der Meerenge von Gibraltar. Der Begriff „Mauren“ lebt heute noch in der Bezeichnung für den Staat Mauretanien weiter, bereits in der Antike waren die Provinzen Mauretania Caesariensis und Mauretania Tingitana Teile des Römischen Reiches.

Die frühe Periode der arabisch-maurischen Herrschaft unter den Omaijaden aus Damaskus ist bekannt für eine weitreichende Religionstoleranz, die Christen, Juden und Muslime einander entgegenbrachten. Im Jahr 1031 brach jedoch das Kalifat von Córdoba zusammen, woraus die Taifa-Königreiche hervorgingen, die bald unter die Herrschaft nordafrikanischer Mauren kamen. In einem dieser Kleinstaten, dem schon 1019 gegründeten der Ziriden von Granada, kam es 1066 zum ersten Judenpogrom Europas. Mehrere Berber-Dynastien wechselten sich als Machthaber im Maghreb und auf der Iberischen Halbinsel ab: Die Almoraviden (ca. 1050–1147), Almohaden (1147–1269) und Meriniden (1269–1465).

Als „maurische Kunst“ bezeichnet man die Kunst des islamischen Westens (Andalusien, Maghreb). Die Mezquita de Córdoba als frühes Meisterwerk entstand noch in der Tradition des islamischen Ostens. In ihren Anfängen war die islamische Kunst noch in hohem Maße antikrömisch und byzantinisch beeinflusst. Nach und nach übernahmen maghrebinische Kunsthandwerker Elemente aus der arabischen Kunst des vorderen Orients und verknüpften diese mit eigenen Materialien und Dekormotiven, was besonders in der Architektur deutlich wird.

Die Omaijaden

Die neu eroberten Gebiete auf der Iberischen Halbinsel unterstanden zunächst dem Kalifat der Omaijaden in Damaskus. Doch die Abbasiden aus Bagdad setzten sich in einem Glaubenskrieg durch, der abbasidische Herrscher Abd ar-Rahman I. musste aus seinem Land fliehen und gelangte nach langer Reise nach Andalusien. Die dortigen Berbertruppen standen im Konflikt mit der arabischen Führung, sodass der adlige Neuankömmling gerade recht kam und die Führungsposition mit sich selbst neu besetzte. Im Mai 756 wählte Abd ar-Rahman nach gewonnener Entscheidungsschlacht Córdoba als seine Hauptstadt und begründete eine dreißigjährige, erfolgreiche Herrschaftsepoche. Es gelang ihm, Berber und Araber miteinander zu versöhnen, was die Grundlage bildete für den Sieg gegen eine angreifende Armee der Abbasiden, die nach wie vor eine Bedrohung darstellten. Auch der Bau der großen Mezquita in Córdoba (Baubeginn 785) geht auf seine Initiative zurück. Al-Andalus konnte sich erfolgreich an zwei Fronten zur Wehr setzen, gegen die Christen im Norden und gegen verfeindete arabische Heere im Süden. Abd ar-Rahman III. als Nachfolger führte das Omaijadenreich von Córdoba aus zu einer Epoche voller Reichtum, seine Herrschaftsepoche dauerte fast ein halbes Jahrhundert von 912 bis 961. Er ernannte sich selbst zum Kalifen, also zum höchsten Herrscher der islamischen Welt und zum legitimen Nachfolger Mohammeds. In dieser Zeit war Córdoba die bedeutendste Stadt Europas: Man schätzt die damalige Einwohnerzahl auf zwischen einer halben Million und einer Million Menschen. Vor den Toren entstand die märchenhafte Palaststadt Medina Azahara, deren Glanz und Pracht man noch ein wenig beim Rundgang durch die heutige Ruinenstätte erahnen kann. Die maurischen Herrscher agierten vorausschauend und einten geschickt die unterschiedlichen Bevölkerungs- und Interessengruppen in ihrem Gebiet. Juden und Christen genossen gegen die Zahlung von Sondersteuern Religionsfreiheit und eine eigene Rechtsprechung. Ganz obenan standen die Förderung von Wissenschaft und Kunst, sodass an den Höfen berühmte Ärzte und Astronomen aus dem arabischen Raum, aber auch aus dem Abendland ihr Wissen weitergeben und erweitern konnten. Es entstanden Schulen und Krankenhäuser, das Bildungswesen florierte. Hochschulen und Bibliotheken, eine Vielzahl öffentlicher Bäder und viele weitere Errungenschaften deuten auf eine sehr moderne Metropole hin. In der Landwirtschaft brachten Innovationen und die Übernahme von arabischen Landwirtschaftstechniken wie Kanalsysteme und Wasserrädern große Erfolge. Viele Nutzpflanzen gelangten aus dem Orient nach Europa: Zitrusfrüchte und Aprikosen, Auberginen und Artischocken, Feigen, Zuckerrohr, Baumwolle und Reis. Auch wenn der Vergleich mit dem finster und rückständig erscheinenden Abendland deutlich zugunsten des Omaijaden-Kalifats ausfällt, darf man nicht in das Klischeebild eines friedlichen Garten Eden verfallen. Die Herrscher in Córdoba mussten sich ebenfalls einer Vielzahl innerer und äußerer Feinde erwehren und es gab blutige Machtkämpfe und Revolten.

Aufreibend waren auch die äußeren Konflikte, denn es gab immer wieder unterschiedliche Allianzen zwischen christlichen Fürsten und abtrünnigen maurischen Regionalherrschern.

Die Entwicklung der maurischen Herrschaftsgebiete auf der Iberischen Halbinsel.

Unter Almansor (978–1002) erreichte das Omaijadenreich seine größte Ausdehnung und militärische Macht. Die Heere eroberten Barcelona