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Deutsche Erstausgabe (ePub) Februar 2020

 

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by A.M. Arthur

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Here for us«

Published by Arrangement with A.M. Arthur

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2020 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN-13: 978-3-95823-804-6

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen von Susanne Ahrens


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Cris Sable erwartet nicht, bei seinem Ausflug in einen Schwulenclub mehr als einen gewöhnlichen Aufriss für den Abend zu finden. Doch Tänzer Jake fasziniert ihn vom ersten Moment an. Gerade als Cris glaubt, dass aus ihrem heißen Abenteuer mehr werden könnte, lässt Jake ihn jedoch unvermittelt und ohne Erklärung fallen. Wütend und verwirrt findet Cris Trost bei seinem Chef Charles „Chet“ Greenwood, der allerdings schon seit acht Jahren heimlich Gefühle für seinen viel jüngeren Angestellten hegt. Obwohl Cris durchaus etwas für Chet empfindet, kann er Jake nicht so einfach vergessen. Aber dann gerät Jake in Schwierigkeiten und Cris und Chet fangen ihn gemeinsam auf. Und plötzlich steht für die drei Männer die Frage im Raum, ob man nicht auch mehr als eine Person gleichzeitig lieben kann…


 

Liebe Leser*innen,

 

 

auch wenn der Vorgang des Schreibens ein einsamer ist, findet der Akt der Schöpfung nicht in einem Vakuum statt. Oft findet er in der weiten Welt der sozialen Medien statt und ein Autor weiß nie, wo sie oder er vom Blitz der Inspiration getroffen wird. Ein Leserkommentar über einen Charakter mag eine Idee entzünden, die man nie erwartet hat – so ist es bei der Entstehung dieses Buchs gewesen.

 

Ursprünglich handelte diese Geschichte von zwei Männern: Jake und Cris. Aber ihre Geschichte schleppte sich ein Jahr lang dahin, bis eine wunderbare Leserin einen Kommentar hinterließ, der mich umwarf. Das unerwartete Ergebnis war eine März-Mai-September-Romanze zwischen drei sehr unterschiedlichen Männern.

Ich freue mich, ihre Geschichte mit euch zu teilen, und ich hoffe, ihr genießt die Zeit, die ihr mit diesen Charakteren verbringt.

 

Ein besonderer Dank geht an Annabeth Albert für ihr strenges Beta-Auge und dafür, dass sie dieses Buch noch besser gemacht hat.

Ebenso an Lyn Taylor für mein wunderschönes,

goldrichtiges Cover.

Schließlich ganz, ganz lieben Dank an meine Facebook-Gruppe, A.Ms Pot O Gold, für eure andauernde Unterstützung, euren Humor, Enthusiasmus und eure Freundlichkeit.

Dieses Buch ist für euch, Leute.


 

Kapitel Eins

 

 

Ich brauche verdammt noch mal Sex.

Dieser Gedanke verfolgte Cris Sable durch die schwere Stahltür, die den pulsierenden Innenbereich des Big Dick's verbarg, des beliebtesten Schwulennachtclubs in Harrisburg. Der Laden war schwer zu finden, wenn man nicht wusste, wo er sich befand, oder wenn einem nicht klar war, dass der große, muskulöse Bär neben dem Eingang der Türsteher war. Cris war seit einem Jahr nicht mehr im Club gewesen, größtenteils freiwillig, aber heute Nacht brauchte er irgendetwas.

Definitiv einen Drink, auch wenn er sich einschränken musste, nun, da er nur noch eine Niere besaß. Und falls möglich, wollte er mit einem willigen Arsch zum Vögeln heimgehen. Er saß schon zu lange auf dem Trockenen.

Er hatte sich freiwillig dazu entschlossen, aber trotzdem: Ein Mann hatte Bedürfnisse und heute Nacht würde er sie nicht von einer Frau befriedigen lassen. Heute Nacht brauchte er einen Schwanz.

Er schlängelte sich hinüber zur Bar und bestellte eine Margarita auf Eis. Etwas, das er langsam trinken konnte. Die Party im Club lief auf vollen Touren. Körper drehten sich auf der Tanzfläche, reihenweise Männer, die sich mit Trockensex über den Abend halfen. Bis in die frühen Morgenstunden hinein. Am anderen Ende der Tanzfläche bewegten sich sechs Go-go-Tänzer auf ihren Plattformen, jeder in einer der Farben des Regenbogens ausstaffiert. Kaum erwähnenswerte Slips in kräftiger Farbe, glitzerndes Körperspray überall auf ihren Brustkörben und Beinen, und einige der Tänzer hatten sogar bunte Strähnen im Haar.

Montags war Themenabend für die Go-go-Tänzer, was erklärte, warum so viele da waren. Wenn Cris an anderen Abenden den Club besucht hatte, waren normalerweise nur drei anzutreffen gewesen.

Cris nahm den Tänzer in Blau aufs Korn. Er liebte die Farbe Blau und der Kleine war ziemlich heiß in dem königsblauen Tanga und mit den blauen Wirbeln auf seinen Brustmuskeln und Schultern. Irgendetwas zwischen einem Tribal und etwas Künstlerischem. Er wirbelte herum, um seinen Arsch zu schütteln, und präsentierte seine sehr straffen, blau bemalten Pobacken. Selbst aus der Ferne war er süß. Die Art süßer Kerl, mit der Cris sich gern im Bett herumbalgte, um ihn anschließend durch die Matratze zu ficken.

Ab und zu hob sich eine Hand voll Geld aus der Menge und der blaue Tänzer ließ sich weit genug herabsinken, dass das Geld in seine Unterhose geschoben werden konnte. Ziemlich Strip-Club-mäßig, doch das Big Dick's hatte die strenge Regel etabliert, dass die Tänzer nicht länger berührt werden durften, als es dauerte, ihnen Trinkgeld zukommen zu lassen.

Cris musterte die Gesichter der anderen Tänzer und erstarrte angesichts des Typs am Ende. Ungeachtet der gelben Farbe kannte er den nahezu nackten Körper gut genug, um hinter das Kostüm zu blicken und Colby dahinter zu erkennen. Das war nicht sein richtiger Name und Cris kannte diesen auch nicht, aber sie hatten vor rund zwei Jahren zusammen für Mean Green Boys gedreht. Colby war nur ein paar Monate lang beim Studio gewesen, bevor er aufgehört hatte, um mit seinem Freund zusammen zu sein.

Cris war damals furchtbar eifersüchtig gewesen. Mit seinen achtundzwanzig Jahren war es ihm bisher kein einziges Mal gelungen, eine ernsthafte Beziehung einzugehen und aufrechtzuerhalten, die länger als sechs Monate gehalten hatte. Und selbst jene Beziehung war zu Bruch gegangen, als sie herausgefunden hatte, dass er Schwulenpornos drehte.

Na gut, er hätte es wohl nicht so lange geheim halten sollen. Er war so verdammt glücklich gewesen, jemanden gefunden zu haben, der verstand und akzeptierte, dass er bisexuell war, sodass er sich gefürchtet hatte, alles zu zerstören, indem er zu den Pornos stand.

Aber Geheimnisse taten keiner Beziehung gut und Lily hatte ihm eiskalt den Laufpass gegeben.

Danach hatte er sich in der Hoffnung, sein elendes Liebesleben neu aufzubauen, zwei Jahre lang vom Pornogeschäft ferngehalten, bevor er zu Mean Green zurückgekehrt war. Der Besitzer des Studios, Chet Green, war einer seiner engsten Freunde – und daraus folgend der sehr geheime Grund, warum ihm nur eine Niere verblieben war.

»Hallo, Hübscher.« Ein aufreizender Kerl in Lederhosen und einem silbernen Netzshirt drängte sich neben Cris an die Bar. Süß, schwarz umrandete Augen, volle Lippen, die versprachen, genau zu wissen, wie man einen Schwanz bläst.

Cris grinste. »Wer, ich?«

»Oh Süßer, wir wissen beide, dass du heute Abend der heißeste Kerl im Club bist.« Ein warmer Arm legte sich um seine Schulter. »Ich heiße Luke.«

»Cris.«

»Hmm, ich finde, du siehst eher nach einem Vincent aus.«

Cris verspannte sich. Keine Chance, dass dieser dahergelaufene Typ wusste, wer er war. Es lag keine Boshaftigkeit in seinem spielerischen Grinsen, kein Anzeichen, dass der erwähnte Name etwas anderes als ein Glückstreffer war. Cris stammte aus einer italienischen Familie aus Long Island und seine Gene waren ziemlich stark ausgeprägt. Er hatte sich allerdings schon vor Jahren von seinem verräterischen Akzent befreit. Gott sei Dank.

»Oder Vincenzo. Oder Anthony«, sagte der Kleine, ohne etwas von Cris' rasenden Gedanken zu erahnen.

»Tja, er lautet aber Cris.« Unhöflich, okay, aber er hatte jedes Interesse an Luke verloren. Cristian Sable war nun seine Identität. »Man sieht sich.«

Cris stieß sich von der Bar ab und bahnte sich seinen Weg in die Menge, die den Randbereich der Tanzfläche für sich in Beschlag nahm. Ein paar unverhohlene Angebote flogen ihm entgegen, doch Cris wies sie alle ab. Ihm war nicht bewusst, dass er sich den Podesten und seinem blauen Tänzer genähert hatte, bis der Typ weniger als drei Meter entfernt war.

Blue hatte ein Gesicht, das sowohl unbekümmert als auch aufmerksam wirkte. Er hatte Spaß, ohne gänzlich unachtsam zu sein. Und er war tierisch süß. Ganz sicher einer Nummer würdig.

Körper tanzten wild um ihn herum und erlaubten es Cris, sich nah an der Wand zu halten und sich Blue weiter zu nähern. Jemand hielt zwischen zwei Fingern einen Geldschein in die Höhe. Blue wackelte mit den Hüften und senkte sich so weit ab, dass das Geld in seinem Tanga verschwinden konnte. Das Dreieck blauen Stoffs enthielt ein recht vielversprechendes Paket für einen kleineren Mann.

Blue warf seinem Kunden eine Kusshand zu, dann drehte er sich mit dem Hintern wackelnd im Kreis. Sein dunkler Blick glitt über die Menge hinweg, dann blieb er an Cris hängen. Ein unerwarteter Ruck ging durch ihn hindurch. Eine Art instinktive Bestätigung durch den Mann auf der Bühne, als hätten sie nur darauf gewartet, aufeinanderzutreffen. Blue hielt Blickkontakt. Cris zeigte ein langes, träges Lächeln. Blue neigte den Kopf, zwinkerte und tanzte dann weiter.

Cris blieb, wo er war. Alle paar Minuten schielte Blue in seine Richtung. Genau in seine Augen.

Ziel erfasst.

Die Tänzer bestiegen und verließen zwischendurch die Podeste, vermutlich legten sie zwischen den Sets Pausen ein. Als Blue erneut zwinkerte und verschwand, war Cris halb versucht, ihn zu suchen. Nur dass er nicht in diesem Club arbeitete und daher keine Ausrede hatte, sich backstage aufzuhalten.

Cris nippte an seiner verwässerten Margarita und betrachtete den Augenschmaus, der ihm zur Verfügung stand. Die wunderschönen Männer, die pulsierende Musik und die berauschenden Gerüche nach Schweiß und Sex bewirkten ihren Zauber auf ihn und er war halb hart, als sich ein braunhaariger Junge mit je einem Streifen Blau unter beiden Augen an ihn heranmachte.

Cris musterte das vertraute Gesicht, nun sauber geschrubbt, abgesehen von den beiden sehr verlockenden Streifen. In seinen Haaren war ein Rest blauen Glitters zurückgeblieben. Er hatte seinen fantastischen Körper mit Jeans und einem weißen, ärmellosen T-Shirt bedeckt, aber dies war Cris' Tänzer. Blue.

»Hast du Feierabend?«, fragte Cris.

»Jepp.« Er schnappte sich Cris' Glas und leerte es mit einem Feixen, das seltsame Dinge in Cris' Unterleib anstellte. »Verdammt, ich glaube, ich schulde dir einen Drink.«

Er lachte. »Cris.«

»Jake.« Er packte Cris am Gürtel und zog ihn hinter sich her zur Bar.

Seine Direktheit war ein riesiger Antörner und Cris' Schwanz war vollkommen hart, bis sie den Tresen erreicht hatten. Ein älterer Mann in einer glitzernden Weste lächelte ihnen entgegen.

»Zwei Margaritas auf Eis«, sagte Jake. »Meine Rechnung.«

»Kommt sofort«, erwiderte der Barkeeper.

Cris legte eine Hand in Jakes Kreuz. Er war überrascht von dem winzigen Schock, der durch seinen Arm zischte. Jake drückte sich seiner Berührung entgegen. Seine Augenlider flatterten, als hätte er etwas Vergleichbares gespürt. Cris beugte sich zu ihm, um ihm ins Ohr zu flüstern: »Blau ist meine Lieblingsfarbe.«

Jake sah auf. In seinen großen braunen Augen schimmerte der Schalk. »Ach ja?«

»Definitiv. Sieht gut an dir aus.«

»Weißt du, was auch gut an mir aussehen würde?«

Cris sah den anzüglichen Spruch voraus, aber er spielte mit. »Was denn?«

»Du.«

Er rieb mit der Nase über Jakes Ohr. »Dem stimme ich zu.«

Der Barkeeper schob ihnen ihre Drinks zu. Jake kippte seinen herunter, während Cris nur einen Schluck nahm. Und seinen zukünftigen Sexpartner musterte. Rund fünfzehn Zentimeter kleiner als er selbst und insgesamt schmaler. Vom Tanzen geformte Muskeln. Enge Jeans, die keine Chance hatten, seine Erektion zu verbergen. Eine One-Direction-mäßige, jungenhafte Geilheit, dank der Cris ihn dumm und dämlich vögeln wollte.

»Ich würde dich ja fragen, ob du tanzen willst«, meinte Jake. »Aber ich habe dich den ganzen Abend lang keinen Muskel rühren sehen.«

»Bin kein großer Tänzer.«

»Nicht gut darin?«

»Ich bin ziemlich gut.« Cris legte eine Spur Anzüglichkeit in seine Worte. »Aber ich benutze Tanzen nicht gern als Vorspiel. Ich halte es lieber privat.«

Jake drückte seinen harten Schwanz an Cris' Oberschenkel. Belustigung funkelte in seinen Augen. Seine Stimme war irre sexy auf eine Weise, die Cris nicht beschreiben konnte, doch sie gefiel ihm. »Also schätze ich, dass du kein Fan der Toiletten mit Extraservice bist?«

Das Big Dick's verfügte über zwei Toilettenräume für seine Gäste und Gerüchte besagten, dass in dem linken eine Schüssel mit Kondomen und Gleitgelpäckchen bereitstand. Für Leute, die an einer schnellen – und sicheren – Nummer mit einem Fremden interessiert waren. Die Toiletten zur Rechten waren dem normalen Betrieb vorbehalten.

»Nein.« Cris ließ seine Hand von Jakes Kreuz abrutschen, um ihm an den Hintern zu fassen. »Ich ziehe ein hübsches, großes Bett vor, in dem ich es ein paar Stunden lang mit jemandem treiben kann. Aufrecht in einer Klokabine geht immer zu schnell vorbei.«

Jake schluckte schwerfällig, seine Wangen wurden rosig. »Klingt nach einem Abenteuer.«

»Bist du bereit für eins?«

»Was meinst du?« Er rieb seinen Schwanz an Cris' Oberschenkel. »Hältst du mich für bereit?«

»Möglicherweise könntest du mich überzeugen.«

Jake griff nach Cris' Ständer und drückte zu. Die Berührung jagte glückselige Funken durch Cris' Rückgrat. Es gefiel ihm wirklich, von Jake berührt zu werden. »Ich würde dir jetzt und hier einen blasen, aber Richard mag keine öffentlichen Zurschaustellungen von Fellatio-Künsten.«

Cris wusste nicht, wer Richard war, und es war ihm auch egal. Vermutlich der Besitzer oder Geschäftsführer. Das Einzige, was ihn interessierte, war, Jake nackt in sein Bett zu bekommen. Er schob sein nahezu volles Glas von sich. »Dann lass uns hier verschwinden, bevor du Schwierigkeiten mit deinem Chef bekommst.«

Jake kippte seine Margarita herunter und knallte das Glas auf die Bar. »Geh vor.«

Das tat er.

Die kühle Nachtluft änderte genauso wenig am Pulsieren seines Schwanzes wie der lange Weg zu seinem Wagen. Jake blieb dicht bei ihm. Ihre Arme strichen aneinander entlang, doch darüber hinaus gab es keinerlei Berührungen. Die sie umgebende Stadt war immer noch wach und munter und während Cris groß und eindrucksvoll genug war, dass er nur selten von jemandem belästigt wurde, bewegte Jake sich mit einer gewissen Umsicht. Er behielt jeden im Auge, der an ihnen vorbeiging. Genauso hatte er getanzt: mit Misstrauen der Welt gegenüber.

Cris versprach schweigend, Jake zu helfen, die Schatten zu vergessen, die ihn durch das Leben gehen ließen, als würden sie sich jeden Augenblick gegen ihn wenden. Wenn es auch nur für ein paar Stunden war.

Sobald sie in seinem Wagen saßen und Cris in Richtung seiner Wohnung fuhr, griff Jake zur Seite und öffnete seinen Reißverschluss. Überwältigt von der Unverfrorenheit des Kleinen protestierte Cris nicht. Er beließ Dreiviertel seiner Aufmerksamkeit auf der Straße, während der Rest von ihm zusah – und spürte –, wie Jake seinen Schwanz aus seinen Boxershorts zog. Jakes Berührung fühlte sich wie ein Brandzeichen auf bereits empfindlicher Haut an.

»Unbeschnitten«, flüsterte Jake. »Sehr schön.«

Das Kompliment ließ Cris' Puls rasen. Die meisten Mädels, mit denen er geschlafen hatte, hatten sich anfangs von seiner Vorhaut abgestoßen gefühlt. Sie waren es gewohnt, beschnittene Schwänze vor sich zu sehen. Kerle wussten ihn weit mehr zu schätzen.

Jake spielte mit seinem Schwanz und schob die Vorhaut auf eine so langsame, träge Weise auf und ab, dass Cris sich kaum davon abhalten konnte, einen Sendemast zu rammen. Die ganze zehnminütige Fahrt über ließ Jake ihn nicht los, ein langer Absturz in den Irrsinn, der Cris beinahe dazu brachte, Jake aufzufordern, ihn zu blasen. Sein Orgasmus war bereits zum Greifen nah, ohne dass er ihm nah genug kam, um einzusetzen.

Er fuhr in die Parkgarage und bog auf einen Platz zwischen zwei SUVs ein. Die Wagen würden eine großartige Abschirmung für einen Blowjob bilden, aber Jake bewies, wie sadistisch er veranlagt war, indem er losließ. Er warf Cris ein verdorbenes Grinsen zu. Verdorben und herausfordernd.

Das wird lustig.

Cris packte sich selbst wieder ein, was dank Jakes Spielerei keine leichte Aufgabe war. Selbst in der Privatsphäre des Fahrstuhls behielt Jake die Hände bei sich. Cris führte ihn den Flur entlang zu seiner Wohnung, schloss auf und ging mit ihm hinein.

In dem Augenblick, in dem er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, wirbelte Jake herum und zog seinen Kopf zu sich herunter. Ein entfernter Geschmack nach Limone und Tequila füllte Cris' Mund. Eine sehr nachdrückliche Zunge drängte sich zwischen seine Lippen, neckend und suchend. Der Funke sprang sofort über, war schwindelerregend und elektrisierend, wo immer sie sich berührten.

Cris drehte sie um. Er drückte Jake gegen die Tür und hielt ihn mit einem Oberschenkel zwischen dessen Beinen fest. Jake rieb sich an ihm, während er mit so talentierter Zunge über Cris' Mund herfiel, dass Cris es nicht abwarten konnte, sie an seinem Schwanz zu spüren.

Der verzweifelte Kuss wurde eine Spur weicher. Cris strich mit den Lippen an Jakes Kiefer entlang, schmeckte Schweiß und Seife, dann zog es ihn weiter, um an seinem Ohrläppchen zu knabbern. Jake schob die Hände an Cris' Gürtel vorbei, um beide Hinterbacken zu packen. Sein leises Schnaufen und Stöhnen ermunterte Cris, noch ein wenig mehr mit Jakes Ohr zu spielen. Am Ohrläppchen zu saugen. Die empfindliche Muschel zu lecken.

»Fuck«, sagte Jake.

Cris lachte leise. »Bald.«

»Bett.«

Das konnte er bieten. Er entwand sie einander, schnappte sich Jakes Handgelenk und führte ihn quer durch das kleine Wohnzimmer zu seinem Single-Schlafzimmer. Schaltete das Licht an. Jake sah sich um. Cris war kein großer Fan von nutzlosen Gegenständen, also gab es in dem Zimmer nur Möbel und einen Spiegel. Eine Lampe. Einen Fernseher mit Blu-ray-Player. Sonst kaum etwas, abgesehen von ein paar schmutzigen Klamotten, die er noch nicht in den Wäschekorb geworfen hatte.

Cris fischte ein Kondom und Gleitgel aus dem Nachttisch und warf sie in Richtung Kissen. Jake folgte ihrer Flugbahn, dann trat er sich die Turnschuhe herunter. Cris tat dasselbe, warf seine Kleidung so zielführend wie möglich von sich, denn hey, heißer, süßer Kerl. In der Nähe seines Betts. Der sich auch rasch auszog.

So machte Sex Spaß. Chemie, Vorsatz, Entschlossenheit, keine Kameras und kein Regisseur, der ihn daran erinnerte, nicht den Cumshot zu blockieren. Cris hatte ganz eindeutig vor, heute Nacht in Jake zu kommen.

Bevor er ihn in einen weiteren Kuss reißen konnte, fiel Jake auf die Knie und leckte an Cris' Schwanz entlang. Die feuchte Berührung verteilte eine wunderbare Wärme in seinem Bauch und seiner Brust, die nur noch zunahm, als Jake an seiner Vorhaut knabberte. Er biss und spielte, bis Cris es fast nicht mehr aushalten konnte, erst dann saugte er ihn in seine nasse Hitze hinein.

»Verdammt.« Cris strich mit den Fingern durch Jakes weiche Haare, hielt sich an ihnen fest, ohne ihm wehzutun, denn verflucht… Jakes Zunge fuhr an der Unterseite von Cris' Schwanz auf und ab, ein fantastisches Gefühl, dank dem Cris am liebsten die Augen verdreht hätte, bis nur das Weiße zu sehen war. Nur konnte er nicht aufhören, Jake zu beobachten. Seine gedehnten Lippen und hohlen Wangen. Die Intensität, mit der Jake ihn blies. Cris hätte ihm einen ganzen Tag lang zusehen können, ohne sich je sattzusehen.

Noch nie hatte ihn ein Sexpartner so gefesselt, während er ihn blies, wie Jake es tat, und er verschwendete keinen Gedanken daran, was das bedeutete. Aber gottverdammt, es fühlte sich gut an.

Es war zu viel, ging zu schnell und bald war Cris' Orgasmus zu nah. Er stieß Jake von sich, dann strich er ihm mit dem Daumen über die glänzenden Lippen. »Du bist dran. Aufs Bett.«

Jake grinste, leckte seinen Daumen und tat, was ihm gesagt worden war. Er streckte sich auf dem Rücken aus, die Hände hinter dem Kopf, so wunderbar lüstern, dass Cris über ihn herfallen wollte. Jeden Zentimeter seiner Haut lecken, jede Hebung und Senkung seiner Muskeln necken. Außerdem wollte er verzweifelt in diesen straffen, kleinen Arsch hinein, und das hatte im Gegensatz zu einer gründlicheren Erkundung für heute Nacht Priorität.

Vielleicht hatte Jake ja Lust auf eine Wiederholung.

Cris kniete sich zwischen seine geöffneten Beine und bewunderte den Jungen auf seinem Bett. Er rieb die Handflächen über Jakes Beine, von den Waden zu den Oberschenkeln, und genoss die perfekte, glatte Haut und wie die Muskeln unter seiner Berührung zuckten. Jakes Schwanz lag flach auf seinem Bauch, lang und hart mit einer herrlich runden Eichel. Perfekt, um damit zu spielen, und genau das tat Cris. Er leckte an der Eichel entlang, knabberte den Schaft hoch und runter, stieß die Nase gegen die Wurzel. Nahm überall Jakes Geruch und Geschmack auf.

Jakes Oberschenkel zitterten. Seine Hände in Cris' Haar versuchten ihn zu steuern, ihn dazu zu bringen, ihn endlich zu blasen, aber Cris war stärker. Er drückte Jakes Hände rechts und links von dessen Hüften flach aufs Bett. Dann fuhr er mit seinem mündlichen Angriff fort, bis Jake ihn zu verfluchen begann.

Er sah auf in wilde Augen, die ihm sagten, dass er es besser nicht wagte, mit der Neckerei fortzufahren. Cris zwinkerte, dann saugte er Jakes Länge in sich hinein. Jake schrie auf und Cris hätte angesichts dieses Geräuschs beinahe gejubelt. Er liebte es, seinen Partner dazu zu bringen, sich zu verlieren, wahnsinnig vor Begierde, und das schon lange, bevor sie mit dem Vögeln loslegten. Harte Auf- und Abbewegungen, manchmal unter Einsatz seiner Zähne. Jake rollte das Becken und versuchte, in Cris' Mund zu stoßen.

»Verflucht, bitte«, sagte er keuchend.

Cris zog sich zurück. »Noch nicht.«

Er ließ die Hände los, sodass er stattdessen Jakes Beine nach hinten biegen, dessen Hüfte neigen und sein Loch entblößen konnte.

Jake stieß ein verzweifeltes Geräusch aus. »Ja.«

»Du magst es, wenn man dir das Loch leckt?«

»Fuck, ja.«

Cris ließ die Zunge gegen den angespannten Muskel schnellen, eine kaum spürbare Berührung.

Jakes Becken zuckte. »Bastard.«

Er biss in Jakes linke Arschbacke und erntete ein überraschtes Aufjaulen, das in ein lang gezogenes Stöhnen überging. Ein zweites Flattern seiner Zunge. Ein weiteres Zucken des Beckens. Cris vergnügte sich mit seinem Spiel, wechselte zwischen langen Bahnen und kurzen Zungenbewegungen hin und her, spielte auf Jakes Körper, so gut er konnte, denn verdammt, der Kleine reagierte herrlich. Jake ließ nie darin nach, Laute auszustoßen, hörte nie auf, sich umherzuwerfen und bettelte um mehr und jedes winzige Geräusch machte Cris härter. Ließ ihn höher fliegen.

Ohne aus dem Takt zu geraten, schnappte Cris sich das Gleitgel. Er benetzte einen seiner Finger, während er Jakes Loch leckte und ihn für die kommende Überraschung weich machte. Er hob den Kopf, um Jakes Gesicht zu betrachten, als er den Finger hineinschob. Jakes Augen weiteten sich. Sein Mund öffnete sich zu einem langen, begierigen Keuchen. Er rieb sich auf Cris' Finger, also fickte Cris ihn damit, anfangs ganz langsam. Ein sanftes Einheizen, während er auf ein Zeichen von Jake wartete.

In dem Moment, in dem Jake den Kopf weit genug hob, um seinen Blick zu suchen – seine braunen Augen glänzten vor Lust und Gier –, fickte Cris ihn härter. Jake verdrehte die Augen, als er einen zweiten Finger dazunahm und bis zum letzten Knöchel in ihn hineinstieß, Jake nur mit seiner Hand immer höher trieb. Außer Jakes Keuchen und Winseln und dem feuchten Geräusch von Haut an Haut war kein Laut zu hören.

Mühsam hob Jake den Kopf. Auf seinen Wangen glühten rote Flecken, als er japste: »Noch einer.«

Etwas in Cris zog sich angesichts des vollkommenen Vertrauens in Jakes Blick eng zusammen. Das Verlangen nach mehr, danach, höher zu fliegen und der Glaube, dass Cris ihn dorthin führen konnte. Für drei Finger brauchte es etwas Mühe und eine Menge Geduld. Er musterte Jakes Miene und suchte nach Anzeichen, dass es zu viel sein könnte, zu schmerzhaft, aber Jake keuchte und ächzte und drückte sich ihm entgegen. Feuerte ihn an. Lusttropfen bedeckten Jakes Bauch an der Stelle, an der sein Schwanz bei jedem Stoß aufschlug.

Cris' eigener Schwanz war schmerzhaft steif, verzweifelt darauf bedacht, den Druck loszuwerden, der sich in seinem Innern aufbaute.

»Oh fuck«, stieß Jake aus. »Oh verdammt.« Er packte seinen Schwanz und hatte keine dreimal daran entlanggestrichen, als er sich auf Cris' Fingern heftig verkrampfte und sich quer über den eigenen Bauch und die Brust entlud. Ein weißer Spritzer traf ihn sogar am Kinn. Cris ließ seine Hand ruhen, während Jake von seinem Höhenflug zurückkehrte. Seine Oberschenkel zitterten unter den Nachbeben von etwas, was nach einem Mordsorgasmus ausgesehen hatte.

Behutsam zog Cris seine Finger zurück und rieb sie an seinem Oberschenkel ab, nicht sicher, ob er noch…

»Fick mich.« Jake hielt seine Beine fest und damit die Position, die Augen schläfrig, aber entschlossen. »Du kannst.«

Cris brauchte keine zweite Einladung. Er zog sich das Gummi über und drang in einem einzigen geschmeidigen Stoß ein, der Jake aufstöhnen ließ. So gut, so locker und bereit für ihn, und es brauchte vielleicht ein Dutzend harter Stöße, bevor Cris in einer Eruption der Lust über die Klippe stürzte und vom Kopf bis zu den Zehen von ihr erfasst wurde.

Er war weit genug bei sich, um sich zurückzuziehen und Jakes Beine abzulegen, bevor er auf dem kleineren Mann zusammenbrach. Jake schlang locker die Arme um seine Taille und drückte den Kopf unter Cris' Kinn. Warmer Atem kitzelte Cris' verschwitzte Brust und kühlte seine Haut. Manche Männer kuschelten nach dem Sex nicht gern, aber Cris schon; besonders, wenn er sich seinem Partner tatsächlich verbunden fühlte. Und aber hallo, bei Jake spürte er etwas. Und gemessen daran, wie Jake sich an ihn drängte, fühlte er es ebenfalls.

»Du kannst bleiben«, flüsterte Cris. Das Zimmer war zu still, um mit normaler Lautstärke zu sprechen.

»Okay.«

Widerwillig verließ Cris Jakes Umarmung. Im Bad trocknete er sich ab, dann kehrte er mit einem warmen Waschlappen und einem sauberen Handtuch ins Schlafzimmer zurück. Jake war immer noch matt, also ließ er sich von Cris die Brust reinigen, sich anschließend auf die andere Seite rollen und den Vorgang an seinem Hintern wiederholen. Cris küsste jede Pobacke. Dann Jakes Mund, mit dem er sich lange Zeit aufhielt.

Irgendwann landeten sie bei ausgeschaltetem Licht unter den Decken.

Jake rollte sich neben ihm zusammen, sein Kopf ruhte an Cris' Schulter, einen Arm über dessen Brust gelegt. Durch Cris' Kopf ratterten reihenweise Komplimente, aber die leichtherzige Stille machte sie unnötig. Der Sex war für sie beide atemberaubend gewesen. So viel war offensichtlich.

Vielleicht konnte er Jake vor dem Frühstück zu einem weiteren Treffen überreden. Über diesen glücklichen Gedanken schlief er ein…

… nur um aufzuwachen, als die Morgensonne durch die offenen Vorhänge fiel. Die andere Seite des Betts war leer und kalt.

Jake war fort.

Eine Stunde später stellte Cris fest, dass für seine Brieftasche dasselbe galt.

 


 

Kapitel Zwei

 

 

Den halben Tag damit zu verbringen, zwei Kreditkarten zu sperren, seine Bankkarte zu ersetzen und sich bei der Zulassungsstelle einen neuen Führerschein zu besorgen, ließ Cris in ziemlich mieser Stimmung zurück. Gott sei Dank war nichts von seinen Karten abgebucht worden, aber das ganze Gerangel, alles sperren und ändern lassen zu müssen, nervte. Tierisch.

Und das alles für lächerliche achtzig Kröten in bar, weil das kleine Arschloch Cris' Kreditkarten gar nicht erst benutzt hatte.

Er hätte die Polizei rufen sollen und hatte im Grunde keine Ahnung, warum er es nicht getan hatte. In erster Linie wohl, weil er keinen handfesten Beweis hatte. Und er war zu neugierig, warum Jake seine Brieftasche gestohlen hatte. Niemand tat so etwas nur aus Scheiß, besonders nachdem sie so fantastischen Sex miteinander gehabt hatten.

Cris' schlechte Laune folgte ihm in das Galaxy Diner und zu seinem wöchentlichen Abendessen mit Taro Ichikawa, seinem besten Freund der letzten sechs Jahre. Sie hatten sich online in einem queeren Chatroom kennengelernt und Cris war sofort von dem gut aussehenden Mann, halb japanischer, halb amerikanischer Herkunft, fasziniert gewesen, der sich selbst als demisexuell bezeichnete – zum Teil, weil Cris nie zuvor von dieser Orientierung gehört hatte. Sie wurden rasch Freunde, nachdem sie herausgefunden hatten, dass sie in derselben Stadt lebten und ähnliche Jobs hatten.

Cris liebte es, jemanden in seinem Leben zu haben, der eine komplizierte Sexualität verstand.

Taro saß bereits an ihrem bevorzugten Tisch am hinteren Ende des Diners, so weit wie möglich von der Küche entfernt. Es war der ruhigste Platz im Restaurant und ihre Stammkellnerin Gina unterhielt sich mit Taro. Vor ihm lag ein iPad auf dem Tisch und er lächelte schuldbewusst, als Cris sich auf die gegenüberliegende Bank fallen ließ. Sie waren übereingekommen, dass im Diner nicht gearbeitet wurde.

Muss ein großes Projekt sein.

»Hey, Cris«, sagte Gina. »Das Übliche zu trinken?«

»Kann ich stattdessen ein Bier bekommen?«

»Sicher. Sam, Bud oder Coors

»Überrasch mich.«

»Na klar.«

Taros schmale Augenbrauen waren beide erhoben, als sie ging. »Mieser Tag?«

»Urgs.« Cris lieferte Taro eine Zusammenfassung seiner Nacht und dann der vergangenen acht Stunden. »Dank dieses kleinen Scheißers hänge ich jetzt bei zwei Projekten hinterher und muss trotzdem heute Abend noch in den Club, um ihn zu finden.«

»Warum hast du nicht die Polizei angerufen und deine Brieftasche als gestohlen gemeldet?«

Natürlich konnte man sich darauf verlassen, dass ein anderer Programmierer direkt die logischste Vorgehensweise ausmachte. »Hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass du dich mit jemandem aufrichtig verbunden fühlst? Nicht auf die offensichtliche sexuelle Weise, sondern irgendwie tiefer?«

Taro zuckte die Schultern, als er an seinem Kaffee nippte. »Einmal, vielleicht.«

Cris ging nicht weiter auf den wunden Punkt ein. »Bei ihm habe ich es gespürt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es ihm auch so ging. Also warum musste er das Arschloch raushängen lassen und meine Brieftasche klauen? Besonders, da er meine Kreditkarten anschließend nicht mal benutzt hat?«

»Verstehe, Kumpel.« Taro trommelte mit den Fingern auf der abgenutzten Tischplatte. »Vielleicht ist das seine Art, dich herauszufordern.«

»Mich herauszufordern?«

Gina kehrte mit einem eiskalten Samuel Adams zurück. Sie wählten beide das Übliche von der Karte und sie marschierte davon, um ihre Bestellung weiterzuleiten.

»Dieser Jake ist ein Go-go-Tänzer, richtig?«, meinte Taro.

»Richtig.«

»Jemand mit seinem Beruf wird vermutlich ziemlich oft angegraben. Wenn wir mal das Klischee bemühen wollen, hat er vermutlich eine Menge ungezwungenen Sex. Was, wenn er davon ausgegangen ist, dass eure Nacht ein weiterer One-Night-Stand wird, er dann aber etwas dabei empfunden hat und sich nicht sicher war, wie er weitermachen soll?«

Cris fiel es schwer, sich auf diese Idee einzulassen. »Er mag mich so sehr, dass er mich gern wiedersehen würde, aber statt das einfach zu sagen, klaut er meine Brieftasche als Aufforderung, ihn zu suchen?«

»Ein komplizierter Weg, aber du kennst ihn nicht. Und ich auch nicht. Vielleicht liege ich ja auch komplett falsch und der Kleine ist einfach ein Kleptomane.«

Die wahrscheinlichste Erklärung.

Nur dass es bei einer Armbanduhr oder einem Spiel für die Xbox länger gedauert hätte, bis ihm aufgefallen wäre, dass sie fehlten. Der Verlust seiner Brieftasche dagegen war prompt aufgefallen und persönlich.

»Ich nehme an, du wirst ihn aufsuchen?«, fragte Taro.

»Natürlich werde ich das. Ich bin mir sicher, dass der kleine Scheißer alles abstreiten wird, aber wenn dies eine Herausforderung sein soll, nehme ich den verdammten Handschuh auf. Ich habe wegen ihm den größten Teil des Tages verplempert.«

»Stimmt wohl.«

Cris deutete auf das iPad. »Also, was ist los, dass du das Ding mitgebracht hast?«

»Ich warte darauf, dass das Update eines Programms beendet wird. Es dauert ewig und ich bin mir nicht sicher, warum. Möglicherweise habe ich irgendetwas falsch berechnet.«

»Unglaublich, Kumpel, ich glaube nicht, dass ich je gehört habe, dass du zugibst, einen Fehler begangen zu haben.«

Taro zeigte ihm den Mittelfinger. »Du hattest einen beschissenen Tag, aber wenigstens hast du es letzte Nacht getrieben. Bei mir ist es acht Monate her.«

»Na ja, es ist ja nun nicht so, als würdest du viel Zeit damit verschwenden, dich umzusehen.«

»Manchmal ist es die Mühe nicht wert.«

Als schwuler Demi war Sex für Taro kompliziert. Wie Asexuelle empfanden Demisexuelle kein sexuelles Grundrauschen, aber bei einer gewissen emotionalen und mentalen Anziehung bestand die Möglichkeit, dass er sich wohl genug mit einem Mann fühlte, um Sex mit ihm zu haben – und eine emotionale Anziehung bedeutete, dass er vor dem Sex Zeit mit demjenigen verbringen musste, was nicht ganz einfach war, wenn so viele schwule Männer einfach nur vögeln wollten. Laut Taro war es zu schwierig, die Feinheiten seiner sexuellen Identität in einem ersten Date anzubringen, also hatte er es ganz aufgegeben, sich mit jemandem zu treffen.

Zweimal in den vergangenen sechs Jahren hatten Cris und Taro Sex miteinander gehabt – bei beiden Gelegenheiten hatten sie wirklich dringend die Erleichterung gebraucht. Sie waren kompatibel und wussten beide, dass es nur um Sex ging. Keine Komplikationen oder zusätzlichen Gefühle. Das Angebot lag Cris auf der Zunge, aber er brachte die Worte nicht hervor.

»Möchtest du, dass ich dir einen der Jungs vorstelle?«, fragte er stattdessen.

»Der Jungs?« Taro blinzelte mühsam. »Du meinst einen der anderen Darsteller?«

»Sicher.«

Taro stöhnte und sackte tiefer in seine Bank. »Super, und was willst du ihnen erzählen? Dass dein bester Freund auf Sexentzug ist, aber nicht ausgehen und sich wie jeder normale Mensch einfach einen Kerl suchen kann?«

»Na ja, so wollte ich es nicht ausdrücken, nein. Benny ist ein wirklich netter Typ. Ein bisschen überdreht, aber daran gewöhnt man sich.« Benny war zudem kürzlich vom College abgegangen und hatte sich drei Jahre lang hinter dem Gay-for-Pay-Label versteckt. Doch nachdem er sich im Februar von seiner langjährigen Freundin getrennt hatte, hatte er endlich akzeptiert, dass er bi war.

Ehrlichkeit war gut für die Seele. Benny war seit seinem Coming-out am Set deutlich besser aufgelegt. Immer noch ziemlich überdreht zwar, aber auf eine liebenswerte Weise.

»Das ist dein Ernst, oder?« Taro sah sich um, als dächte er ernsthaft darüber nach, unter dem Tisch zu verschwinden. »Bin ich wirklich so erbärmlich?«

»Hey, nein. Hör auf.« Cris nahm Taros Hand und drückte sie. »Ich habe das nicht angeboten, um dich in Verlegenheit zu bringen, ich schwöre es. Und ich will weder dich, noch Benny noch sonst wen verkuppeln. Es war nur ein Gedanke, okay? Ich habe mit tollen Jungs zusammengearbeitet. Sie werden es verstehen, Taro. Ich verspreche es.«

»Gearbeitet.«

»Was?«

Taro setzte sich aufrechter hin. »Du hast die Vergangenheitsform benutzt. Du hast Chet noch nicht angerufen, oder?«

»Nicht wirklich.«

Gina kam mit ihrem Essen. Cris stürzte sich auf sein Gyros mit Pommes, während Taro sich gewissenhaft seines Steak-Salats annahm.

Ein paar Minuten lang aßen sie schweigend, bevor Taro fragte: »Kehrst du zurück?«

»Ich bin mir nicht sicher.«

Chet besaß und führte Mean Green Boys, ein kleines Internet-Porno-Label, das vor Ort filmte. Cris war unter Chets allerersten Darstellern gewesen, als er die Firma gegründet hatte, und Cris hatte ein paar Jahre lang viel Spaß daran gehabt, bis Lily kam. Sie hatte sofort akzeptiert, dass er bi war, und er hatte sich verliebt – vielleicht zu schnell. Nachdem sie mit ihm Schluss gemacht hatte, weil er Pornos drehte, hatte er zwei Jahre lang pausiert. Es waren zwei lange, grausige Jahre gewesen, in denen er sich in seiner Wohnung eingeigelt, von zu Hause gearbeitet hatte und kaum unter Leute gegangen war. Nicht einmal mit Taro.

Cris' selbst auferlegte Isolation war der Grund, warum sie die wöchentlichen Abendessen eingeführt hatten. Cris war jedoch mit Chet in Kontakt geblieben, in erster Linie durch E-Mails und Textnachrichten, und irgendwann hatte Chet ihn zurück in die Herde gelockt. Cris' heimischer Fitnessraum hatte ihm geholfen, ein wenig an Masse und Muskeln zuzulegen, und er war mit einer neuen Identität zu Mean Green zurückgekehrt: Dane, ein eisenharter Top.

Im vergangenen Frühling hatte Cris eine Pause vom Filmen eingelegt, und obwohl er körperlich in der Lage war, zum Porno zurückzukehren, hielt ihn etwas davon ab, den einen Anruf zu erledigen.

»Packt dich die Wanderlust?«, fragte Taro.

»Ich weiß nicht. Chet war mir immer ein großartiger Freund und die Jungs sind super. Ich hab nur… Seitdem sich Dell letzten Herbst eine Überdosis reingezogen hat… Und dann diese ganze Geschichte mit Boomers Stalker und dass Adam angeschossen worden ist… Es fühlt sich jetzt alles anders an im Haus. Die Atmosphäre ist weg.«

»Aber Boomer geht es gut und Adam erholt sich. Und Dell geht es dank dir auch besser.«

Cris zuckte die Schultern. »Bobby hat auch so etwas erwähnt. Und Shiloh. Sie sagen, die Szenen fühlen sich anders an als früher. Alles wirkt düsterer.«

Taro spießte mit seiner Gabel ein Stück Tomate auf. »Meinst du, dass Chet das Interesse am Studio verloren hat?«

»Vielleicht. Aber für Chet ist es nie darum gegangen, Geld zu verdienen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er so viele Darsteller ohne Einkommen zurücklassen wird.«

Chet Green war in der Pornoindustrie eine Anomalie. Er war dank einiger Investitionen bereits wohlhabend gewesen, als er Mean Green gegründet hatte. Er hatte darin einen Weg gesehen, jungen schwulen Männern zu helfen, ihre Sexualität anzunehmen, Sex zu feiern und bei der Gelegenheit Geld zu verdienen. Sicher, er zahlte bei allen Drehs die für ihre Industrie typischen Pauschalen, aber er bot Darstellern, die langfristig dabei waren, auch umsatzbasierte Verträge an, die ihnen ein dauerhaftes Einkommen ermöglichten. Der größte Teil des Gelds, das das Studio einnahm, landete bei den Models.

Dank seiner Filme besaß Cris ein dickes finanzielles Polster. Er wollte sich von dem Geld sein Traumhaus bauen, hoffentlich in den nächsten Jahren. Er wollte noch warten, bis er jemanden gefunden hatte, mit dem er sesshaft werden konnte, aber das stellte sich als schwieriger heraus, als er sich vorgestellt hatte. Er war achtundzwanzig und suchte immer noch, keine Interessenten weit und breit.

Inzwischen zog er zunehmend in Erwägung, das verflixte Haus einfach zu bauen und sich einen Hund zu besorgen. Oder fünf.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Chet das Studio dichtmacht«, sagte Cris. »Vielleicht jemand anderem die Leitung übertragen, falls er selbst ausgebrannt sein sollte, aber nicht zumachen.«

»Gut möglich. Aber du willst nicht zurückkehren, oder?«

»Wir werden sehen. Ich meine, als ich beim letzten Mal zurückgegangen bin, war es, um mich aus meiner Depression wegen Lily herauszureißen, oder? Wieder ein gesellschaftsfähiges Wesen zu werden. Das habe ich erledigt.«

»Na ja, du bist geselliger, als du während der Lily-Krise warst, aber du bist kaum das Aushängeschild eines Partylöwen. Triffst du dich außer mit mir regelmäßig mit jemandem?«

Cris zog eine Pommes durch einen Klecks Ketchup. »Du weißt, warum ich nicht viele Freunde habe.«

»Ja, weiß ich, und ich finde, du bist verrückt.«

»Was?«

Taro zeigte mit der Gabel auf Cris' Gesicht. »Du hast dich mit zwanzig einer Gesichtsoperation unterzogen. Du drehst seit Jahren Pornos und keiner ist hinter dir her, weil niemand nach dir sucht.«

Trotz der guten Argumente, die Taro jedes Mal vorbrachte, wenn sie dieses Gespräch führten, stimmte Cris ihnen nicht zu. Er hatte vor acht Jahren mit seiner Vergangenheit gebrochen – sein Gesicht verändert, seinen Akzent abgelegt, war in eine neue Stadt umgezogen –, aber die Leute, für die sein Vater gearbeitet hatte, waren vermutlich noch am Leben und die Ermittlungen liefen weiter. Taro wusste nur in groben Teilen von Cris' Vergangenheit, die näheren Details kannte er nicht. Er wusste nichts von den grauenhaften Dingen, die sein Vater getan hatte.

Vielleicht waren Cris' Ängste irrational. Es war nicht wichtig. Er mochte seinen kleinen Freundeskreis.

Ihm gefiel die düstere Richtung nicht, in die sich ihre Unterhaltung bewegt hatte, also versuchte Cris, die Stimmung aufzuheitern. »Weißt du, wenn dich meine Pornokarriere so fasziniert, warum versuchst du es nicht selbst?«

Taro verschluckte sich an seinem Eistee. Cris lachte über den Kampf seines Freundes, dann reichte er ihm einen Stapel Servietten. »Arschloch«, sagte Taro, sobald er wieder sprechen konnte.

»Was denn? Den Schwanz dafür hast du jedenfalls.«

»Wow, danke. Nein. Ich mag Sex, aber nur privat. Nicht, damit sich Tausende ihn runterladen und dazu wichsen können.«

»In Ordnung. Und Benny?«

»Ich lass es dich wissen, wenn ich verzweifelt genug bin, um mich von dir mit einem anderen Pornostar verkuppeln zu lassen.«

Cris warf ihm ein Stück Brot an den Kopf. Zum Dank schnippte Taro ihm ein Stück Salat entgegen. Es landete mit dem Dressing nach unten auf Cris' Hemd.

Ihre versammelte Reife kannte keine Grenzen.

 

***

 

Cris rief im Big Dick's an, um sich zu vergewissern, dass Jake heute Abend tanzte. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war ein nutzloser Ausflug in den Club. Er war nicht in der Stimmung, jemanden aufzureißen. Er brauchte ein Gespräch.

Die Go-go-Tänzer fingen vor zehn Uhr nicht an, also hantierte Cris in seiner Wohnung herum und holte bis um elf etwas Arbeit nach. Für einen Dienstag war der Club voll. Vier Tänzer wanden sich in einem Ensemble aus Jockstraps und anderer Unterwäsche auf ihren Plätzen, inklusive Jake. Cris bahnte sich einen Weg zu Jakes Podest, nah genug, um gesehen zu werden, und bedachte den Kleinen mit einem starren Blick. Es dauerte nicht lange, bis Jake ihn ansah. Die Herausforderung in seinen dunklen Augen traf Cris direkt in den Unterleib.

Vielleicht liegt Taro richtig.

Im Verlauf der folgenden Stunde wanderte Jakes Blick wieder und wieder zu ihm, bis er sein Podest verließ, um eine Pause einzulegen. Cris ging zur Bar, sowohl, um sich ein Wasser zu holen, als auch um die Tür für die Angestellten im Auge zu behalten. Jake tauchte nicht auf und nach zehn Minuten schüttelte er schon wieder seinen Arsch auf der Bühne. Cris blieb dieses Mal, wo er war und damit außer Jakes Sicht, bis die letzte Runde eingeläutet wurde.

Sobald die Standardbeleuchtung anging, folgte Cris der restlichen Menge hinaus auf den Bürgersteig. Der Türsteher war bereits hineingegangen, also lehnte er sich an die Ziegelmauer und beobachtete die Tür.

Einer der anderen Tänzer erschien. Dann trat Jake aus der Stahltür, eine Reisetasche über einer Schulter und eine Wasserflasche in der Hand.

»Wenn du gedacht hast, dass ich gegangen bin«, sagte Cris, »lagst du falsch.«

Jake fuhr zusammen und stolperte beinahe gegen die gegenüberliegende Mauer. Sofort wurde aus seiner Überraschung Ärger. »Verdammt, Mann, warum nicht einfach jemandem einen Herzinfarkt verpassen, was?«

Mit vier langen Schritten überwand Cris den Raum zwischen ihnen und trat Jake entgegen, ohne ihn zu bedrängen. »Du hast meine Brieftasche gestohlen.«

Jake hob das Kinn. »Beweis es.«

Der Kleine hat Eier. Das muss ich ihm lassen.

»Hast du eine Ahnung, was für einen Tag ich hinter mir habe?«, fauchte Cris. »Alle meine Karten zu sperren und mir einen neuen Ausweis zu besorgen?«

»Was geht mich das an? Es ist nicht meine Schuld, dass du deine Brieftasche verloren hast.«

»Du hast Glück, dass ich nicht die Polizei verständigt habe.«

Jakes schmale Lippen bildeten zuckend eine Art Lächeln. »Wie schon gesagt: Beweis es.«

»Ist es das, worauf du stehst? Du bringst jemanden dazu, dich zu ficken, und dann fickst du ihn? Gefällt es dir dermaßen, ein Arschloch zu sein?«

Das Lächeln brach ein wenig in sich zusammen. Im matten Licht der Straßenlaterne war ein schwacher blauer Striemen unter Jakes linkem Auge zu sehen. Kein Überrest des Make-ups von vergangener Nacht. Ein verblassendes Veilchen. Ohne darüber nachzudenken, griff Cris danach und Jake zuckte zurück.

Cris' Magen zog sich zusammen. »Wer hat dich geschlagen?«

»Ein ungeschickter Tänzer«, behauptete Jake.

Schwachsinn. »Versuch's noch mal.«

Jakes Augen verengten sich. »Wir sind keine Freunde, Cris. Zerbrich dir also nicht den Kopf.«

Mean GreenMean Green

Doch statt angewidert zu sein, machte es ihr Zusammentreffen letzte Nacht nur noch heißer.

Er kehrte all die Dominanz und den Charme heraus, den er sonst in seinen Szenen zeigte, und kanalisierte sie in einem animalischen Lächeln. »Also, wie habe ich mich geschlagen?«

Jake konnte das Aufblitzen der Lust nicht verbergen. Es erhellte seine Augen. Er leckte sich sogar die Unterlippe auf eine Weise, die Cris herausforderte, sich für einen Kuss nach vorn zu lehnen. »Du warst okay«, antwortete er.

Cris lachte laut auf. »Du warst selbst gar nicht so schlecht. Besonders, als du drei meiner Finger geritten hast.«

Jake sah sich um, aber sie waren allein in der Gasse. Die Luft war schwer vom Gestank von Motorenöl. Allein der Gedanke, erneut mit Jakes Arsch zu spielen, ließ Cris hart werden. Er hatte so herrlich auf ihn reagiert.

Jake erhob sich auf die Zehenspitzen und schlang eine Hand um Cris' Nacken. Warmer Atem strich ihm übers Ohr. »Bewahr dir die Erinnerung«, flüsterte Jake. »Weil es keine Wiederholung geben wird.« Er zog sich zurück und brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sie. »Tschüss, Dane. Danke für die Schaueinlage, jetzt verschwinde und lass mich in Ruhe.«

Der angewiderte Tonfall, den Jake verwendet hatte, als er seinen Pornonamen sagte, ließ Cris wie angewurzelt stehen bleiben, als Jake davonstürmte. Vielleicht hatte er Jakes Signale vollkommen falsch gelesen und es war ihm nur darum gegangen, mit einem Pornostar zu poppen. Vielleicht hatte Jake wirklich einen Schlag mit dem Ellbogen von einem anderen Tänzer kassiert und Cris interpretierte zu viel in sein blaues Auge hinein.

Vielleicht.

Aber vielleicht auch nicht.