Inhaltsverzeichnis

Einführung zu diesem Band

Barbara Bous, Jule Hildmann, Martin Scholz

Forschungsstand und Herausforderungen in der englischsprachigen Fachliteratur der Outdoor- und Erlebnispädagogik

Jule Hildmann

Soziale Sicherheit und Lernen in Gruppen – Zusammenhang von „Sozialer Sicherheit und Lernen in Gruppen“ (IOA® Trainings) Betrachtet anhand des rangdynamischen Modells von Raoul Schindler und den Grundlagen der Bindungstheorie nach John Bowlby & Mary Ainsworth.

Markus Gutmann

Draußen im außerschulischen Lernort – Fußballstadien als Erfahrungsräume sportbasierter Jugendbildungsarbeit

Stefan Hebenstreit

Bewegungstherapeutische Inhalte unter Naturexposition – Mit übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen

Carolin Friederike Meßler

Wirkung von Debriefing- und Reflexionsmethoden in handlungsorientierten Lernprozessen – Stand der Forschung und empirische Befunde

Paul Rameder

Erfolg lernen – Wissenschaftliche Begleitung der MAP Ferienakademie mittels Methodenmix

Manuel S. Sand

Erlebtes Lernen für Schulklassen II – Rückblick, Einblick und Ausblick über das Forschungs- und Entwicklungsprojekt

Elmar Straube

Systemisch-handlungsorientierte Gruppenarbeit – Mit Kindern und Jugendlichen in der Natur. Ausgesuchte empirische Ergebnisse

Paul Hemmelmayr und Günter Amesberger

Erlebnisse von verhaltensauffälligen Jugendlichen und ihre Bedeutung

Jochen Hotstegs und Simone Prager

Zur Bedeutung erlebnisorientierter Interventionen – Von Kindern mit ADHS

Carolin Friederike Meßler

Das Modell der „logischen Ebenen“ (Dilts) – Utilitäres Instrument erlebnispädagogischer und wissenschaftlicher Praxis

Nadine Thoma

Ein Nachwort

Barbara Bous

Einführung zu diesem Band

von Barbara Bous, Jule Hildmann und Martin Scholz

Im Rahmen der zweiten wissenschaftlichen Tagung, Forschung rund um die Erlebnispädagogik, wird besonderes Augenmerk auf Draußen Lernen im Rahmen von Handlungsorientierten Bildungsprojekten gelegt. Grundsätzlich würde jeder erlebnispädagogische Praktiker begeistert und überzeugt vom Wert und Nutzen erlebnisorientierter und naturbezogener Lernansätze berichten. Begründet durch Erfahrungswerte, Anekdoten und Überzeugungen haben viele Anbieter eine klare Vorstellung davon, welche Faktoren und didaktischen Stellschrauben besonders wichtig sind, um Erfolg, d.h. Kompetenzzuwächse bei den Teilnehmern, zu erzielen.

Dennoch zeigt sich, dass eine Umsetzung naturbezogener handlungsorientierter Lernansätze beim Kunden nach Messwerten, klassischen Forschungsverfahren, oder zumindest einer Verknüpfung zu schlagkräftiger Terminologie (z.B. Kernbegriffe und -ziele aus dem Bildungsplan, Berechnungen der finanziellen Ersparnis, Nutzen als Präventionsstrategie) bewertet und dementsprechend angefordert werden, oder eben nicht.

Die Forschung leistet hierzu einen zentralen Beitrag, und international gesehen liegen bereits reichlich Studien und Analysen vor, um die Kernfragen des Was, Wie, und Für wen Erlebnispädagogik wirkt, hinreichend zu beantworten (vgl. bspw. Ewert/Sibthorp, 2014; Neill/Richards, 1998). Im deutschsprachigen Raum ist die Forschungsgemeinschaft und damit auch die Summe der vorliegenden Studien deutlich kleiner, und es herrscht zum Teil noch ein defizitäres Selbstbild vor, das verhindert, dass die Erlebnispädagogik gleichwertig neben anderen Fachdisziplinen auftritt (Eberle/Fengler 2019). Grundständig gilt: „Erlebnispädagogik-Forschung bleibt aufgrund der Rahmenbedingungen mühsam, sie ist jedoch notwendig für die Weiterentwicklung des Feldes und liefert bisweilen auch Erkenntnisse, die weit über das Feld selbst hinausreichen“ (Eberle/Fengler 2019, 18 – 19).

Im ersten Tagungsband zur Wissenschaftlichen Tagung mit dem Forschungsschwerpunkt Erlebnis wurde auf die „Disproportionalität auf wissenschaftstheoretischer Ebene hinsichtlich wissenschaftlicher Beschäftigung mit Erlebnispädagogik und deren Verankerung einerseits und andererseits dem wachsenden Bedürfnis Handelnder nach praxisgeleiteter Forschung und der Beschäftigung mit Erlebnispädagogik als Theorie- und Forschungsgegenstand“ (Bous/Eisinger/Hildmann/Scholz, 2018, 5) hingewiesen. Gleichwohl gibt es eine aktive Gemeinschaft an Wissenschaftlern, die mit ihren Einzel- und übergreifenden Studien stetig den Erkenntnisstand der Erlebnispädagogik voran treiben. Die 2. Wissenschaftliche Tagung Erlebnispädagogik zum Thema ‘Draußen Lernen: Handlungsorientierte Bildungsprojekte – Forschung rund um die Erlebnispädagogik’ am 4. und 5. April 2019 in Augsburg hat diese Gemeinschaft erneut zusammen gebracht und dazu aufgerufen, das wissenschaftliche Handlungsfeld der Erlebnispädagogik systematischer, fundierter, und selbstbewusster aufzustellen, und zum Beispiel die Vielzahl an aktuellen Studien und Projekten zu erfassen und abzubilden, um die angesprochene Vernetzung, Anschlussfähigkeit an vorhandene Erkenntnisse und Wissensaustausch zu erleichtern. Eine solche Kartographie der erlebnispädagogischen Landschaft ist ein größeres Unterfangen, und viele werden sich daran beteiligen müssen, wenn dies in absehbarer Zeit erreicht werden soll. Die vorliegende Sammlung an Studien ist ein gezielter Schritt in diese Richtung.

Damit dieser gezielte Schritt ein breites Fundament erhält, wurde bei der Themenwahl absichtlich die weite Perspektive von Handlungsorientierten Bildungsprojekten gewählt. Damit zugleich die Ebene der Naturnähe einen übergeordneten Stellenwert erhält, ergänzend die thematische Eingrenzung des Draußen Lernens aufgenommen.

Mit diesem Band kann eine Reihe von Berichten über abgeschlossene und fortlaufende Studien unterschiedlicher Größe und Rigorosität vereint werden. Thematisch wurden die Beiträge nicht nach theoriegeleiteten, empirischen oder praktischen Implikationen geordnet, sondern nach der theoretischen Ausprägung der Settings. Die Einreihung erfolgt in dieser Auswahl nach zwei Einstufungen: eher pädagogische Zugänge oder eher nach therapieorientierten Zugängen in alphabetischer Reihenfolge.

Einführend betrachtet Jule Hildmann in ihrem Grundsatzartikel die Breite und Qualität der empirischen Forschung und Fachliteratur in der Erlebnispädagogik, insbesondere die neueren Publikationen und Erkenntnisse aus dem englischsprachigen Raum und ihre Bedeutung für die hiesige Fachwelt.

Markus Gutmann behandelt in seinen Beitrag die Bedingungen für das Entstehen, Wirken und Fortbestehen von sozialer Sicherheit in Gruppen. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Fragestellung, wie der Prozess der Entstehung und der Beibehaltung sozialer Sicherheit in Gruppen unterstützt werden kann.

Der Ansatz Fußballstadien als außerschulische Lernorte zu initiieren wird von Stefan Hebenstreit hervorgebracht. Er nutzt ‚Fußballstadien als Erfahrungsräume sportbasierter Jugendbildungsarbeit‘, um Themen wie Fairness, Rassismus, Diskriminierung usw. mit der praktischen Anknüpfung an das Fußballspiel wie auch das Stadion zu erarbeiten.

Friederike Meßler stellt Ergebnisse ihres Pilotprojektes vor, welches die Auswirkungen bewegungsbasierter Interventionen unter ‚Naturexposition‘ auf anthropometrischen Daten, physische und psychische Wahrnehmung, und andere Parameter bei übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen untersucht.

Inwieweit sich die Reflexion im Einzelsetting in ihrer Wirkung auf das Lernergebnis von der Reflexion im Paarsetting unterscheidet, widmet sich die Studie über ‚Wirkung von Debriefing- und Reflexionsmethoden in handlungsorientierten Lehr- und Lernprozessen von Paul Rameder.

Erste Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung der MAP Ferienakademie präsentiert Manuel S. Sand in seinem Beitrag. Die Studie erstreckt sich über drei Jahre und lässt bereits aussagekräftige und tiefgehende Erkenntnisse erwarten.

Elmar Straube gibt einen ersten Einblick in Ergebnisse des Forschungsvorhabens „Erlebtes Lernen für Schulklassen“. Das Projekt wurde über ein komplettes Schuljahr an einer Grund- und Mittelschule gestaltet, durchgeführt und untersucht.

Paul Hemmelmayr und Günter Amesberger präsentieren ausgesuchte empirische Ergebnisse ihrer Studie über die Wirkung ‚systemisch-handlungsorientierter Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Natur‘ im psychotherapeutischen Kontext systemischer Familientherapie.

Daraufhin befreien sich Jochen Hotstegs und Simone Prager vom Korsett klassischer Forschungsmethoden und wenden eine qualitative Inhaltsanalyse auf Erfahrungs(tage) bücher von verhaltensauffälligen Jugendlichen an, um deren Erlebnisse auszuwerten.

Das Verhalten von Kindern mit ADHS und deren externalisierenden Symptomen (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität) hat Friederike Meßler mittels unterschiedlicher Beurteilungsbögen beforscht, und ihre Erkenntnisse über die ‚Bedeutung erlebnisorientierter Interventionen von Kindern mit ADHS‘ werden hier vorgestellt.

Nadine Thoma diskutiert das Modell der ‚logischen Ebenen (nach Dilts). Ein aus ihrer Sicht ‚utilitäres Instrument für die erlebnispädagogische und wissenschaftliche Praxis‘, um Wirkungen erlebnispädagogischer Maßnahmen übersichtlich und regelhaft abzuleiten.

Abschließend gibt Barbara Bous ein Nachwort zu den thematischen Überlegungen der wissenschaftlichen Tagung mit dem Appell des Weiter-Denkens.

Die Vielfalt dieser Beiträge zeigt die Breite und Möglichkeiten der Forschung auf. Viel gibt es noch zu erforschen, und viel wird bereits erforscht, was hier nicht abgebildet ist. Da es im deutschsprachigen Raum keine peer-reviewte Fachzeitschrift für Erlebnispädagogik gibt, müssen andere Formate für Vernetzung und Wissensaustausch genutzt – oder geschaffen – werden. Weitere Tagungen und Publikationen werden sicher folgen, und erlebnispädagogische Wissenschaftler und Praktiker sind aufgerufen, bemerkenswerte Studien – z. B. wenig beachtete (gute!) Magister- oder Doktorarbeiten – in der Fachwelt bekannt zu machen. Systematische Möglichkeiten für eine solchen Austausch bzw. eine Datensammlung werden zurzeit erwogen, und eine aktive Beteiligung Interessierter ist sehr zu wünschen.

Ein Wort noch zu den hier und in den Beiträgen verwendeten Begrifflichkeiten: Die Erlebnispädagogik ist schon lange keine reine Männerdomäne mehr, und das ist aus vielen Gründen gut so. Ebenso ist erfreulich, dass das binäre Genderverständnis zunehmend überwunden wird und Teilnehmer wie Pädagogen unabhängig von ihrer Genderidentität willkommen und vertreten sind. Leider wird die deutsche Sprache dieser gesellschaftlichen Entwicklung noch nicht soweit gerecht, dass Personen-, Berufs-, und andere Bezeichnungen auf einfache Weise genderneutral ausgedrückt werden können. Im Interesse der Lesbarkeit der wurde daher eine vereinfachte Schreibweise für die hier abgedruckten Beiträge zuzulassen, welche traditionelle Endungen und Pronomen verwendet. Diese sind genderunabhängig zu verstehen, soweit dies nicht ausdrücklich anders angegeben ist.

… und Genderfragen sind definitiv eines der Felder, die in der Erlebnispädagogik noch reichlich Erforschung und Ausdifferenzierung bedürfen!

Wir wünschen den Lesern wertvolle Erkenntnisse und Anregung durch die hier enthaltenen Beiträge, und dass noch viele interessante Studien durchgeführt und bekannt gemacht werden. Dank gilt auch den Autorinnen und Autoren und dem Verlag bei der Unterstützung zur Veröffentlichung.

Literatur

Bous, B./Eisinger, T./Hildmann, J./Scholz, M. (2018). Einführung zu diesem Band. In B. Bous/T. Eisinger/J. Hildmann/M. Scholz (Hrsg.), Im Erlebnis forschen – Durch Erlebnis forschen. Erlebnispädagogik in Wissenschaft und Forschung. Augsburg: ZIEL, 5 – 9.

Eberle, T./Fengler, J. (2019). Editoral: Erlebnispädagogik. In: Empirische Pädagogik. Themenheft Erlebnispädagogik. 33(1). Landau: Empirische Pädagogik e.V., 6 – 22.

Ewert, Alan W./Sibthorp, James (2014). Outdoor Adventure Education: Foundations, Theory, and Research. Champaign, IL: Human Kinetics.

Neill, J.T./Richards, G. T. (1998). Does Outdoor Education really work? A summary of recent metaanalyses. Journal of Outdoor and Environmental Education, 3(1), 2 – 9. Neill/Richards, 1998.

Barbara Bous

Dr. phil. Dipl.-Päd. Barbara Bous ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg und verantwortlich für die Lehre und Beratung im Zusatzmodul Erlebnispädagogik, sowie freiberufliche Trainerin. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte und Theorie der Erlebnispädagogik, Prozessgestaltung und Kommunikation in pädagogischen Settings, Natur als (erlebnis)pädagogischer Handlungsraum.

Dr. Barbara Bous

Universität Augsburg am Lehrstuhl für Pädagogik

Universitätsstr. 10

86159 Augsburg

Barbara.Bous@phil.uni-augsburg.de

www.uni-augsburg.de

Jule Hildmann

Outdoor Environmental Education Unit, Moray House School of Education, University of Edinburgh, UK

Dr. phil. Jule Hildmann ist Mitglied des Lehrtrainerteams am Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg (CEP) und seit 15 Jahren in verschiedenen Kontexten als Erlebnispädagogin tätig. Seit 2013 ist sie an der University of Edinburgh (UK), Outdoor Environmental Education Unit angestellt. Ihre Forschung und Lehre befasst sich primär mit '(Outdoor) Leadership' und der Förderung sozialer und personaler Kompetenzen durch Outdoor- und Erlebnispädagogik.

jule.hildmann@ed.ac.uk

Martin Scholz

Dr. phil. Martin Scholz, Akademischer Oberrat an der Universität Augsburg, Leiter des Arbeitsbereichs Erlebnispädagogik und des Hochseilgartens am Institut für Sportwissenschaft und am Sportzentrum. Arbeitsschwerpunkte: Erlebnispädagogik, Sportdidaktik, Sportpädagogik, Theorie und Praxis der Sportarten Skilauf, Handball, Klettern.

Dr. Martin Scholz, Sportzentrum Universität Augsburg, Universitätsstr. 3, 86159 Augsburg

martin.scholz@sport.uni-augsburg.de, www.sport.uni-augsburg.de.