Meike Dahlström

„Am schönsten wäre es halt, wenn wir miteinander plaudern könnten…“

Briefe einer Kärntner Ordensschwester aus England

Für meine Mama,
 Mariannes Großnichte

„Ein Mensch mit gütigem, hoffendem Herzen fliegt, läuft und
 freut sich; er ist frei. Weil er geben kann, empfängt er; weil er
 hofft, liebt er.“

(Franz von Assisi, 1182-1226)

„Am schönsten wäre es halt, wenn wir miteinander plaudern
 könnten, aber ich glaube, das wird wohl erst im Himmel droben

 sein.“

(Sr. Cuthberta, 1884-1946)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1     Historische Einordnung

2     Ein Leben

2.1     Kleiner Exkurs: Das Heimatland Kärnten

2.2     Die Schwestern vom Heiligen Kreuz

3     Die Briefe

3.1     Erster Brief (1907)

3.2     Zweiter Brief (1909)

3.3     Dritter Brief (1909)

3.4     Vierter Brief (1922)

3.5     Fünfter Brief (1923)

3.6     Sechster Brief (1927)

3.7     Siebter Brief (1938)

3.8     Achter Brief (1939)

3.9     Neunter Brief (1946)

3.10     Zehnter Brief (1946)

3.11     Elfter Brief (1946)

4     Das Ende

4.1     Nekrolog von Sr. Christina Klischowsky

4.2     Statt eines Nachworts

5      Anhang

5.1     Zeitleiste

5.3     Literatur

5.4     Weblinks

5.5     Danksagung

Vorwort

Was ist Sinn und Zweck dieses Buches? Wer ist die im Titel erwähnte Ordensschwester? Was ist das Besondere an ihr? Eines sei vorangestellt: Hier geht es weder um die Biografie einer großen Persönlichkeit noch um die Briefe einer politisch oder kirchlichreligiös maßgeblichen Person. Ich habe die Gelegenheit ergriffen, über eine beeindruckende Österreicherin und Kärntnerin zu schreiben, auch wenn sie den Großteil ihres Lebens in England verbrachte. Dennoch steht hier eine „einfache Frau“ im Mittelpunkt: meine Urgroßtante Marianne, spätere Ordensschwester Cuthberta (1884-1946). Dieses Buch dient der Herausgabe ihres Nachlasses; dabei handelt es sich vor allem um Briefe an ihre Familie in Kärnten. Bereits als junge Frau entschließt sie sich dazu, ihre Heimat zu verlassen, um in die Schweizer Kongregation der Schwestern vom Heiligen Kreuz einzutreten – besser bekannt unter dem Namen „Menzinger Schwestern“. Nach ihrem Noviziat und einem Jahr Mitarbeit in einem Waisenhaus in Sarnen im Kanton Oberwalden lässt sie auch die Schweiz endgültig hinter sich, um am Aufbau der neuen Ordensprovinz in Südengland mitzuwirken.

Der Großteil meiner Nachforschungen zu ihrer Person beruht auf einer Kiste voll Erinnerungen. Ein Schatz an Briefen, Fotografien, Broschüren, Zeitungsausschnitten, getrockneten Edelweiß, Gebeten und Heiligenbildchen. Ein Erbe, gesammelt von meiner Urgroßmutter und weitergegeben an Großmutter und Mutter. Was damit anfangen? Fast vier Jahre ist es her, seit ich im April 2016 mit den ersten Recherchen begonnen habe. Beim Lesen und Nachforschen nimmt das Bild einer Frau, einer Persönlichkeit, Formen an. Einfach und dennoch willensstark ist sie, selbstbestimmt. Eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie aus dem Jahr 1907 zeigt sie als 22-jährige junge Frau, die mit einem verhaltenen Lächeln selbstbewusst in die Zukunft blickt und sich ihrer Lebenswahl gewiss zu sein scheint: Stolz erhobenen Hauptes lässt sie Heimat und Familie hinter sich, um in der Schweiz ihrer Berufung nachzugehen. Flüchtig sind ihre Spuren, oft nur schemenhaft, da viele Briefe und Dokumente aus ihrem Nachlass auf immer verloren sind. Nicht auf alle Fragen gibt es eine Antwort; oft gibt es statt dem erhofften Hinweis nur vage Vermutungen und Annahmen. Das Zusammensetzen fragmentarischer Aussagen und die Spurensuche in der Vergangenheit kommt einer Detektivarbeit gleich. Desto größer ist die Freude, wenn Zusammenhänge erkennbar werden und sich Vermutungen bestätigen. Im Laufe der Zeit lässt sich Stück für Stück eine Persönlichkeit ins Leben rufen und es entsteht das Bild einer ungewöhnlichen und mutigen Frau, die mehr als einmal unter Beweis stellt, dass sie als Ordensschwester das Sinnbild der modernen Frau widerspiegelt – sie ist eigenständig, unabhängig, weder Mann und Familie unterstellt noch durch häusliche Pflichten gebunden. Ihre tägliche Arbeit als Ordensschwester, Köchin und Lehrerin ist mehr als „nur“ eine Arbeit, es ist ein Beruf und eine Berufung aus eigenem Willen und Antrieb.

Besuche bei den so überaus liebenswürdigen, interessierten und hilfsbereiten Menzinger Schwestern in der Schweiz und in England helfen, die Briefe lebendig werden zu lassen; dank eigener Recherche fördern sie weitere Unterlagen zutage und tragen damit dazu bei, das Bild meiner Urgroßtante zu vervollständigen. Beeindruckend und emotional ist es, die Orte, an denen Marianne gelebt hat, mit eigenen Augen zu sehen. In England ergibt sich die Gelegenheit, mit zwei Schwestern zu plaudern, die Marianne selbst noch gekannt haben: Vor allem Mariannes positive Ausstrahlung, ihre innere Zufriedenheit und Ruhe und nicht zuletzt ihre überaus leckeren Torten sind den lieben Schwestern in Erinnerung geblieben. Ich bin gerührt: Marianne starb bereits im Jahr 1946, vor 72 Jahren, und dennoch ist es mir als Urahnin vergönnt, im Jahr 2018 mit Zeitgenossen über sie zu sprechen. Zuletzt stehe ich weinend vor ihrem Grab in Chalfont St. Peter – ich bin die erste in meiner Familie, die ihre Ruhestätte besucht.

In diesem Buch möchte ich den Lebensweg einer Frau aufzeigen, die trotz aller Umstände und ihrer Zeit weit voraus eigene Entscheidungen trifft, ihr Leben lang unabhängig bleibt und sich als zukunftsweisende Frau beweist – trotz oder gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Orden. Ihre fromme Religiosität ist ihr beständiger Begleiter, ein Helfer und Tröster. Diesem Glauben ordnet sie sich unter; nicht aber dem gängigen Frauenbild ihrer Zeit. Die Modernität und Selbstbestimmtheit ihres Handelns ist auffallend und kann auch heute noch aufzeigen, dass jede Frau, ob jung, alt, mit und ohne Bildungshintergrund, ihren Weg finden und gehen kann – ungeachtet der Herkunft und vermeintlicher Einschränkungen. Doch wie schafft sie es, sich ihr Leben lang einer Glaubensgemeinschaft unterzuordnen und dennoch frei und selbstbewusst eigene Entscheidungen zu treffen und darüber hinaus ihren Glauben täglich unter Beweis zu stellen?

Diese Fragen stelle ich an meine Urgroßtante – in der Hoffnung, Antworten und Aufschlüsse in Form ihrer Briefe und Gedanken zu erhalten. Dabei geht es nicht um ein historisches Gesamtbild, sondern um einen persönlichen Einblick in das einfache Leben einer Ordensschwester zu geben. Dazu gehören Sorgen, Mühen und Nöte genauso wie Freuden und die sich wie ein roter Faden durch alle Briefe ziehende ungebrochene Glaubensstärke und Willenskraft. Das Zitat aus einem der Briefe an ihre Schwester „Am schönsten wäre es halt, wenn wir miteinander plaudern könnten, aber ich glaube, das wird wohl erst im Himmel droben sein“ gibt auf einfache und berührende Art ihren unverbrüchlichen Glauben wider – der Glaube daran, dass Gott es nur gut mit den Menschen meint und sie trotz aller Mühen und Entbehrungen auf ein Wiedersehen mit ihren Liebsten hoffen darf – auch wenn dies erst nach dem Tod geschehen mag.

1 Historische Einordnung