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Dorothee Bergmann

Internat
der
Vampire

Fantasyroman

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2018 by R. G. Fischer Verlag

Für meine Mama, meine Oma und
ganz besonders für meinen Opa, die dieses
Werk erst möglich gemacht haben.
Ich habe euch lieb
.

Inhalt

Eine lange Fahrt

Ankunft

Erster Tag

Ein Schrei am Morgen

Der alte Gerd

Das Buch der Mysterien

Schwarze Augen

Goldpulver

Ein neuer Schulleiter

Dämonenmetall

Gefährlicher Rauch

Silberpulver

Werwölfe

Der Wandvorhang

Ein gut durchdachter Plan

Hinter der Tür

Friedhof

Vergessener Ort

In der Falle

Mittel zum Zweck

Unerwarteter Besuch

Damian wird bestraft

Das Wolkenzimmer

Pläne

Mona fliegt auf

Vorbereitungen

Tief im Wald

Monas Geheimnis

Die Kapelle

Die Suche nach Jana

Burg Greifenstein

24 Fläschchen

Die Legende des Mondscheinamuletts

Abschied

Epilog

Eine lange Fahrt

Es war ein heißer Sommertag. Die Sonne brannte unermüdlich vom heißen Himmel und erhitzte die Luft nun schon seit Wochen. Und genauso lange hatte es schon nicht mehr geregnet. Obwohl es so heiß war, war es doch ein schöner Tag, an dem man am See liegen oder anderswo faulenzen konnte. Das wichtigste war nur, dass man als einzige Aufgabe einen riesigen Eisberg verputzen musste. Aber anstatt sich im kühlen Wasser abzukühlen, saß Daniel zusammen mit seiner Oma in ihrem Auto. Sie fuhren Richtung Osten zum Johann-Wolfgang von Goethe Internat, auf das Daniel und seine kleine Schwester Emma gingen. Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief, war es trotzdem heiß und stickig in dem kleinen Auto.

»Du hättest dir aber auch wirklich keinen besseren Tag aussuchen können, als heute. Oder nicht?« schimpfte Daniels Oma.

»Was kann ich denn dafür, dass morgen die Schule wieder anfängt und wir heute da sein müssen? Denkst du mir macht es Spaß, heute in diesem stickigen Auto zu sitzen?«, erwiderte Daniel genervt. Seine Oma wollte einfach nicht verstehen, dass die Schule erst einen Tag vor Unterrichtsbeginn wieder öffnete.

»Dann hätten wir aber auch gestern schon fahren können. Aber nein. Lass uns das doch alles lieber wieder auf den letzten Drücker erledigen.«

»Gestern hatte die Schule aber noch nicht auf. Hätte ich vor der Tür zelten sollen?«, schlug Daniel ironisch vor.

»Das ist immer noch besser, als bei dieser Hitze einmal quer durchs ganze Land zu fahren«, erwiderte sie. »Und außerdem, habe ich so meine Zweifel, ob es überhaupt erlaubt ist, diese Schuhbürste mitzunehmen.« Das Wort Schuhbürste sagte sie mit Abscheu.

»Also, erstens ist er ein Meerschweinchen und zweitens hat er einen Namen. Er heißt Askan.«

»Was besseres ist dir wohl nicht eingefallen, oder? Askan! Was für ein doofer Name.«

»Du hast es immer noch nicht verstanden, oder? Als Emmas Meerschweinchen Junge bekommen haben, wurde er von seiner Mutter verstoßen. Hätte ich mich nicht um ihn gekümmert, wäre er jetzt tot.«

»Ja, ja. Das hast du mir jetzt bestimmt schon hundertmal erzählt. Ist ja auch nett von dir, das du dich um die Schuhbürste kümmerst, aber das erklärt immer noch nicht seinen Namen.«

»Askan, wie er heißt, wurde verstoßen, weil er der Schwächste und Kleinste war. Der Arme war schon halb verhungert, als ich ihn genommen habe. Wusstest du eigentlich, dass ich ihm dadurch das Leben gerettet habe? Wäre er gestorben, hätten sie ihn aufgefressen. Vielleicht sogar noch bei lebendigen Leib.«

»Ist ja ekelig, was die so machen. Das sind ja richtige Kannibalen.« Den Teil mit dem auffressen hatte Daniel mit Absicht erwähnt, um Mitleid für Askan in seiner Oma zu erwecken. »Also, als er dann bei mir war, hat er sich, natürlich durch meine gute Pflege, noch einmal aufgerappelt und jetzt geht es ihm gut. Darum habe ich ihn dann nach einen Krieger benannt.«

»Ach so. Ich wusste ja gar nicht, wie schlecht es um die arme Schuhbürste stand.«

»Du hast mir den ganzen Sommer über nicht zugehört, oder?«, seufzte Daniel.

»Ich kann mir ja auch nicht alles merken, was du und Emma mir erzählt.«

»Ach Oma…«

»Aber es ist bestimmt trotzdem verboten.«

»Was denn?«

»Na, das Ungeziefer in die Schule einzuführen.«

»Askan ist doch kein Ungeziefer! Und außerdem ist es ja nicht so, dass er in der Küche wohnt.«

»Ist es denn jetzt nun erlaubt, oder nicht?«

»Ja, ist es. Würde ich ihn sonst mitbringen?«

»Na ja. Bei dir ist das ja immer so eine Sache. Man weiß es nicht. Es wäre ja immerhin nicht das erste Mal, dass du dummes Zeug anstellst.« Daniels Oma bog von der Landstraße auf die Autobahn ab.

»Was soll das denn jetzt schon wieder bitte heißen?«

»Du weißt ganz genau, wie das gemeint ist. Du bist nämlich nicht unbedingt das, was man ein Unschuldslamm nennt.«

»Soll heißen?«

»Das weißt du ganz genau.«

»Meinst du, nur weil ich ein, zwei mal nicht die Regeln befolgt habe, so wie du wahrscheinlich auch nicht?«

»Es kommt immer darauf an, was man macht und was man nicht gemacht hat.«

»Oh nein! Hackst du immer noch auf dieser alten Geschichte rum? Nur weil einmal ein Brief aus der Schule gekommen ist. Dann habe ich halt ein paar Mal zu oft die Hausaufgaben vergessen. Na und? Ich hatte einen guten Grund dafür. Ich habe trainiert, um in die Mannschaft zu kommen. Und außerdem, deine Geschichte verliert so langsam ihre Glaubwürdigkeit.«

»An Glaubwürdigkeit? Du hingst einen ganzen Monat mit den Hausaufgaben hinterher!«

»Das war nur eine Woche. Und außerdem ist das schon vier Jahre her. Das interessiert doch niemanden mehr.«

»Doch. Mich.«

Daniel liebte seine Oma zwar, aber sie hatte auch leider die Angewohnheit, oft und viel zu meckern. Askan, der der die ganze Autofahrt über ruhig in einer Transportbox auf Daniels Schoß gesessen hatte, fing an laut zu quieken.

»Und was hat deine Schuhbürste jetzt schon wieder?«

»Schon wieder? Er hat die ganze Fahrt über keinen Piep von sich gegeben.«

»Na gut. Hast ja recht. Was will die kleine Nervensäge?«

»Er hat Hunger. Sein letztes Essen liegt schon eine Weile zurück. Das heißt, dass du entweder auf den nächsten Rastplatz kurz anhältst, so das ich ihm was zu fressen besorgen kann, oder er quiekt die ganze Fahrt über weiter, bis er heiser ist.«

»Ist ja gut. Aber du und Schuhbürste, ihr müsst euch wohl noch ein bisschen gedulden. Vor uns ist ein Stau.« Sie trat auf die Bremse, wurden langsamer, bis sie schließlich stehen blieben. »Merke dir eines. Das ist das erste und letzte Mal, dass ich dich zur Schule fahre.«

»Was kann ich denn jetzt schon wieder dafür, dass ich noch keinen Führerschein habe und dass Mama und Papa immer noch in Portugal festsitzen?« Jetzt ging das schon wieder los. Daniel wollte sich eigentlich nicht immer mit seiner Oma streiten, vor allem nicht heute, denn dafür war es einfach zu heiß. Aber so war Daniels Oma eben. Sobald sie auch nur den geringsten Grund hatte, sei es auch nur eine Küchenfliege auf dem Tisch, meckerte sie sofort los. Eigentlich verließ Daniel in solchen Momenten den Raum und erledigte Aufgaben, die er noch machen musste, spielte draußen mit seinen Freunden Fußball oder an Konsolen und ging erst wieder zurück, wenn er wusste, dass sie sich wieder beruhigt hatte. Aber im Moment ging das schlecht. Im Schritttempo ging es schleppend voran.

»Das wäre alles nicht passiert, wenn du vorhin nicht am Navigationssystem herumgespielt hättest. Dann hätten wir den Stau umfahren können«, schimpfte sie weiter. Askan quiekte immer lauter und Daniel hatte alle Mühe, ihn wieder zu beruhigen.

»Kannst du ihn nicht leiser machen? Das nervt!«

»Tschuldigung, dass er ein lebendiges Tier ist und man ihn nicht einfach ein- und ausschalten kann. Und außerdem, warum bin ich jetzt schon wieder Schuld, dass das Navi nicht an ist. Ich habe vorhin nur den Radiosender umgestellt, weil du lieber was anderes hören wolltest.«

»Diesen Lärm, den du Musik nennst, kann doch keiner ertragen.«

»Gut, nächstes Mal, machen wir das anders. Dann bringe ich ein Hörbuch mit und dann ist die Sache gegessen.«

»Nein, machst du nicht. Das ist mein Auto und in dem wird gehört, was ich hören will.«

»Jetzt hörst du doch, was du hören willst. Dein Alte-Leute-Sender läuft schon seit über zwei Stunden. Und außerdem, was hat das Navi mit dem Radio zu tun?«

»Nichts. Ich hab nur vergessen, es einzustellen.«

»Aha. Und darum muss ich mir dein Geschimpfe anhören?«

»Na gut. Du hast ja recht. Damit hast du ausnahmsweise mal nichts mit zu tun.«

»Danke schön. Guck mal. Da ist eine Raststätte. Da kannst du rausfahren. Ich besorge Askan schnell etwas zu fressen und du stellst in der Zwischenzeit das Navi ein. Was hältst du davon?«

»Ich bin dafür, wenn Schuhbürste dann endlich seinen Mund hält.« Nachdem sie geparkt hatten, zur Freude von Daniels Oma direkt vor dem kleinen Geschäft, machte sich Daniel auf den Weg. Im Laden war es zwar auch sehr warm, aber bei weitem viel angenehmer als draußen, oder im Auto. Ein Deckenventilator hatte alle Mühe, die von draußen heiß nachströmende Luft abzukühlen. Askan wartete im Auto und Daniel beeilte sich mit seinen Einkäufen, denn er wusste nicht, was seine Oma mit Askan anstellen würde, wenn er ihr zu doll auf den Keks gehen würde und er nicht da wäre. Gezielt ging er in die Obst- und Gemüse-Abteilung, nahm eine Gurke und zwei Äpfel aus dem Regal und überprüfte, ob sie gut genug für Askan waren. Danach legte er sie in den Korb, den er sich vom einem Stapel genommen hatte, der am Eingang stand. Sein nächster Blick fiel auf die Snackabteilung. Er nahm sich eine Packung Chips und legte sie zu der Gurke und den Äpfeln. Zum Schluss ging er zu den Getränken. Für Askan nahm er eine Flasche stilles Wasser, für seine Oma eine mit viel Kohlensäure und für sich selbst eine Cola aus der Kühlung. Dann ging es Richtung Kasse. Schlecht gelaunt scannte die Kassiererin die Getränke und die Chips. Die Gurke und die Äpfel wurden gewogen.

»Das macht dann achtzehn fünfundneunzig«, sagte sie schmatzend und Kaugummi kauend. Sie war noch sehr jung. Anfang zwanzig vielleicht. Auf jeden Fall konnte sie noch nicht besonders lange hier arbeiten.

»Achtzehn fünfundneunzig für zwei Flaschen Wasser, eine Cola, eine Tüte Chips und das bisschen Obst und Gemüse. Ist das nicht ein bisschen teuer?«

»Hey. Ich habe die Preise nicht gemacht. Wenn du dich beschweren willst, dann nicht bei mir. Verstanden? Entweder du bezahlst oder lässt es hier.«

»Ist ja gut! Warum sind heute eigentlich alle so gut drauf?«, antwortete er ironisch.

»Ich kann mir heute auch etwas besseres vorstellen, als an einem Sonntag hier rumzustehen.« Daniel gab ihr einen Zwanzig-Euro-Schein. Und dafür geht mein Taschengeld drauf, dachte er und nahm das Wechselgeld entgegen.

»Dann einen schönen Tag noch und viel Spaß!«, entgegnete Daniel, der froh war, den Laden wieder verlassen zu können. Als er zurück zum Auto kam, war seine Oma verschwunden. Wo war sie hin?

»Hey, mein kleiner Liebling. Weißt du, wo die Oma ist?«, fragte er, rechnete aber nicht ernsthaft mit einer Antwort. Er setzte sich ins Auto, wo es wenigstens doch noch ein wenig kühler war, als draußen.

»Ich habe dir was mitgebracht, aber das weißt du sicher schon.« Daniel brach ein Stück von der Gurke ab und gab es Askan. Als nächstes goss er ein bisschen Wasser in die kleine Schale in Askans Box. Die beiden warteten ein wenig, bis Daniel seine Oma sah, die auf ihr Auto zukam. Sie öffnete die Fahrertür und setzte sich wieder hinter das Steuer. »Ach, hier bist du. Ich wollte dir eigentlich sagen, dass du mir auch noch eine Kleinigkeit zu essen mitbringen solltest. Aber da warst du schon weg. Also habe ich mir selbst was geholt. Ist dir übrigens auch diese wirklich charmante Kassiererin aufgefallen?«, fragte sie grinsend.

»Ja, ist sie. Sie hatte ja so gute Laune … Sie ist ja fast noch schlimmer als du.«

»Das will ich grade mal nicht gehört haben. Übrigens habe ich das Navigationssystem eingestellt.«

»Dann lass uns weiterfahren, sonst kommen wir erst heute Nacht an.« Langsam rollten sie wieder auf die Autobahn. Der Stau hatte sich leider nicht aufgelöst, sondern war noch schlimmer geworden. Aber irgendwie schaffte es Daniels Oma, sich in den Verkehr einzuordnen.

»Also, wenn das in dem Tempo weitergeht, bist du wirklich erst heute Nacht nicht da.«

»Hoffentlich nicht. Um zehn Uhr ist Nachtruhe. Da sollte man besser nicht draußen erwischt werden.« Daniel beobachtete eine Zeit lang Askan und sah ihm beim fressen zu.

»Zumindest scheint es ihm zu schmecken. War ja auch teuer genug.« Im Schneckentempo ging es voran. Daniel hatte keine Lust mehr auf den Stau und sagte deshalb: »Da ist eine Ausfahrt. Wenn wir die nehmen, müssten wir auf eine Landstraße kommen.«

»Das Navigationssystem sagt aber, wir sollen auf der Autobahn bleiben.«

»Ja, ich weiß, aber weißt du, wie lange wir hier noch in diesem Stau stecken? Heute ist Sonntag und außerdem der letzte Ferientag. Die kommen heute alle aus dem Urlaub zurück. Das ist eine Abkürzung.«

»Wenn du meinst …« Daniels Oma murmelte noch etwas, was sich anhörte, wie das war das erste und letzte Mal. Nach einer Viertel stunde kamen sie endlich an die Ausfahrt. Sie bogen ab und aus dem Navi erklang eine Stimme, die sagte: »Zum nächstmöglichem Zeitpunkt bitte wenden.«

»Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass das falsch ist. Wir hätten auf der Autobahn bleiben sollen.«

»Wir sind nicht falsch. Wir nehmen nur einen anderen Weg. Mama biegt auch manchmal hier ab. Glaub ich zumindest.«

»Das hört sich ja nicht gerade sehr überzeugend an …«

»Na ja. Hier ist wenigstens kein Stau« sagte sie und folgte dem Straßenverlauf. Noch einmal meldete sich die Stimme aus dem Navigationssystem: »Zum nächst möglichen Zeitpunkt bitte wenden.«

»Wir sind falsch.«

»Ach was. Das Navi muss sich nur noch einmal neu finden.« Mittlerweile war sich Daniel nicht mehr so sicher, ob sie nicht doch eine Ausfahrt später hätten nehmen sollen. Nach etwa einer halben Stunde meldete sich Daniels Oma wieder zu Wort, nachdem sie stumm der Landstraße gefolgt waren, ohne ein Hinweis auf die Autobahn oder überhaupt irgend ein Lebenszeichen.

»Mir reicht es jetzt! Ich fahre jetzt in den ersten Ort und frage nach dem Weg.«

»Ja klar. Die werden die Schule und das Dorf bestimmt alle kennen. Mit Blinklichtern werden sie dich hin lotsen.«

»Man kann es aber wenigstens versuchen«, meinte seine Oma hoffnungsvoll, denn inzwischen war sogar Daniel klar, dass sie die falsche Ausfahrt genommen und sich verfahren hatten. Nach wenigen Minuten, fuhren sie über einen Berg und sahen eine kleine Ortschaft im Tal liegen.

»Und hier halten wir«, beschloss sie. In der Ortschaft steuerte sie die erstbeste Tankstelle an. Bevor sie ausstieg sagte sie: »Ich gehe nur kurz nach den Weg fragen. Warte so lange mit Schuhbürste hier.«

»Wird gemacht«, bestätigte Daniel und sah zu, wie sie das kleine Tankstellenhäuschen betrat und kurz darauf verschwand. Daniel biss ein Stück vom Apfel ab und gab es Askan, der sich gierig darüber her machte. Danach öffnete er die Chipstüte und griff einmal tief herein. So saßen sie eine Weile gemütlich zusammen und machten sich über ihre Vorräte her. Nach wenigen Minuten verließ Daniels Oma das Tankstellenhaus und kam auf sie zu. Sie sah sehr wütend aus. Mit Schwung öffnete sie die Fahrertür und sagte: »Da habt ihr mich ja ganz schön reingelegt. Von wegen Abkürzung! Weißt du, was der Mann gesagt hat?«, fragte sie und versuchte dabei ruhig zu bleiben.

»Sag bloß, er kannte die Schule«, sagte Daniel und ignorierte die Frage seiner Oma.

»Die Schule nicht, aber den Ort!«

»Das gibt’s doch nicht«, unterbrach Daniel seine Oma und pfiff anerkennend. »Den Ort zu kennen ist ja noch unwahrscheinlicher, als die Schule zu kennen.«

»Jetzt unterbrich mich nicht ständig! Wir müssen zurück auf die Autobahn. Auf die, von der du mich grade so schön runtergelotst hast.«

»Gibt es denn wirklich keinen anderen Weg? Ich bin mir so sicher, dass Mama manchmal über die Ortschaften zur Schule fährt«, sagte Daniel verwundert über das, was er gerade gehört hatte. »Du hast Recht. Einen anderen Weg gibt es noch«, stimmte sie ihm zu.

»Dann lass uns den nehmen.«

»Wenn wir den nehmen, wäre das aber ein Umweg von schlappen dreißig Kilometern. Und dann würden wir nicht über die Ortschaften fahren, sondern von einer Bundesstraße auf die nächste kommen.«

»Dann kennt er den Weg von Mama eben nicht. Und? Was machen wir jetzt? Fahren wir wieder zurück auf die Autobahn und bleiben im Stau stecken, oder nehmen wir den Umweg?«

»Dann nehmen wir eben den Umweg … Auf diese dreißig Kilometer kommt es jetzt auch nicht mehr drauf an.

Immer noch besser als im Stau zu stehen.«

»Eben. Das meine ich doch.«

Sie programmierten das Navigationssystem um und bogen wieder auf die Landstraße.

»Folgen Sie dem Straßenverlauf für vierunddreißig Kilometer. Biegen Sie dann links ab«, drang die elektronische Stimme aus dem Navi. Auf dem Display erschien eine Anzeige von ihrer jetzigen Position und wie viele Kilometer noch zu fahren waren. Es waren noch achtundneunzig.

»Das kann ja noch lange dauern …«, stellte Daniel mit einen Blick auf das Navi seufzend fest und lehnte sich zurück.

»Wir wären deutlich früher da, hätte ein gewisser jemand mir nicht geraten, von der Autobahn runter zu fahren«, meckerte seine Oma.

»Wären wir nicht. Auf der Autobahn ist Stau. Schon vergessen?«

»Nein, habe ich nicht.«

»Dann hör doch wenigstens mal für ein paar Minuten auf zu meckern«, bat Daniel. Genau in diesem Moment fing Askan erneut an, zu quieken.

»Was hat deine Schuhbürste denn jetzt schon wieder?«

»Er hat Durst.«

»Dann gib ihm bitte etwas zu trinken, aber bitte sorge dafür, dass er mit diesem furchtbaren Lärm aufhört.«

»Ich bin ja schon dabei.« Daniel nahm Askans Wasserflasche in die Hand und schraubte den Deckel ab. Genau in dem Moment fuhr seine Oma durch ein tiefes Schlagloch. Das Wasser lief aus und verteilte sich im ganzen Auto.

»Na toll. Jetzt sieh mal, was du angerichtet hast!«

»Ich? Du bist doch durch das Schlagloch gefahren!« Er war von oben bis unten mit Wasser bespritzt.

»Und was machen wir jetzt?«

»Ich gebe ihm einfach etwas von deinem. Ich schüttle die Flasche ein wenig, bis keine Kohlensäure mehr da ist und dann bekommt er einfach etwas von deinem«, schlug Daniel vor und griff nach der Flasche.

»Das kommt gar nicht in Frage. Gib die Flasche wieder her!« Sie riss Daniel die Flasche aus der Hand und fuhr dabei einen gefährlichen Bogen.

»Pass du lieber auf die Straße auf«, antwortete Daniel, der tief in den Sitz gedrückt wurde. Aber seine Oma hatte ihr Ziel erreicht. Die Flasche war nun für ihn unerreichbar. Sie steckte in der Fahrertür.

»Also, weißt du, es gibt jetzt für dich genau zwei Möglichkeiten. Entweder gibst du mir deine Flasche oder Askan wird so lange quieken, bis er etwas zu trinken bekommt.«

»Damit du mir die ganze Kohlensäure aus der Flasche schüttelst, nur damit die kleine Schuhbürste ihren Willen bekommt. Du solltest ihn lieber besser erziehen.«

»Gut, dann fahr doch noch mal zurück. Dann kaufe ich ihm was, wenn du zu geizig bist.«

»Das hat überhaupt nichts mit Geiz zu tun. Na gut. Dann füll ein bisschen in die leere Flasche um …«, gab sie sich geschlagen, aber nur, weil sie das Gequieke nicht mehr aushielt. Sie gab ihm die Flasche zurück. »Aber nicht alles! Lass mir auch noch was über. Verstanden?«

»Ja, Oma. Du wirst schon nicht verdursten …«, versprach Daniel und fing an, Askans Flasche zu schütteln.

»Hier. Reicht dir das?«, fragte Daniel, als er ihr ihre Flasche zurückgab.

»Besonders viel ist da ja nicht mehr drin«, meinte sie und verstaute sie sofort wieder in der Fahrertür.

»Da ist nicht mehr viel drin, weil sie schon so gut wie leer war, als du sie mir gegeben hast.«

»Bei dir weiß man ja nicht. Wahrscheinlich hast du der Schuhbürste vorhin, als ich nach dem Weg gefragt habe, schon heimlich was gegeben.«

»Und warum sollte ich das getan haben? Das war, bevor du durch das Schlagloch gefahren bist. Und außerdem, habe ich dir nicht vorhin schon gesagt, dass die Geschichte mit dem Hausaufgabenbrief mittlerweile ein alter Hut ist?«

»Wie kommst du denn jetzt darauf?«

»Du musst gar nicht so tun. Ich weiß doch ganz genau, dass du schon wieder damit anfangen wolltest.«

»Das stimmt doch gar nicht.«

»Bitte biegen Sie in hundert Metern links ab«, ertönte die Stimme aus dem Navigationssystem. Es zeigte an, dass sie in vierundsechzig Kilometern ihr Ziel erreicht hätten. Daniels Oma bog links ab.

»Folgen Sie den Straßenverlauf für weitere zehn Kilometer. Biegen sie dann auf die Autobahn ab«, kam es aus dem Navi.

»Na toll. Die Autobahn«, stöhnte Daniel.

»Vielleicht hat sich der Stau ja aufgelöst«, sagte seine Oma hoffnungsvoll.

»Das glaubst du doch wohl nicht wirklich, oder?« Daniel war im Moment nicht so optimistisch wie seine Oma. Er stellte sich schon auf langes Warten und ein langsames Tempo ein. Nach zehn Kilometern kamen sie wieder auf die Autobahn. Der Stau hatte sich zwar noch nicht aufgelöst, sie kamen aber viel schneller voran, als noch vorhin, als sie auf das Stauende aufgefahren waren.

»Mist!«, entfuhr es Daniels Oma mit einem Mal.

»Was ist los?«

»Wir haben kein Benzin mehr. Wir laufen schon seit zwanzig Kilometern auf Reserve.«

»Dann auf zur nächsten Tankstelle, würde ich sagen.«

»Genau. Das ist alles die Schuld von deinen Eltern.«

»Was haben die denn damit zu tun? Die können doch auch nichts dafür, dass dein Wagen leer ist.«

»Ich müsste dich nicht fahren, wenn sie nicht mehr in Urlaub wären.«

»Sie sind nicht in Urlaub, das weißt du ganz genau«, nahm Daniel sie in Schutz. Ihm gefiel es zwar genau so wenig wie seiner Oma, dass seine Eltern fast nie da waren und sich am anderen Ende der Welt ein schönes Leben machten, dass sie ihm und Emma als wichtige Geschäftsreisen verkauften. Aber trotzdem hoffte er, dass seine Oma nicht schon wieder von vorne anfing.

»Da vorne ist eine Tankstelle«, sagte Daniel deshalb und zeigte mit den Fingern auf ein Schild auf dem stand: Nächste Tankstelle in fünf Kilometern.

»Schaffen wir das noch?«, fragte er.

»Ja. Das kriegen wir schon hin. Ein bisschen können wir schon noch fahren, aber es reicht nicht mehr bis zur Schule und zurück muss ich ja auch noch irgendwie kommen«, sagte sie.

»Was machst du eigentlich, wenn Emma und ich weg sind? Dann wird dir wahrscheinlich ganz schön langweilig sein, oder?«

»Also als erstes die ganze Arbeit, die wegen euch liegen geblieben ist. Und dann mal sehen. Vielleicht bekomme ich Opa ja doch noch mal dazu, für ein, zwei Tage ans Meer zu fahren.«

»Opa bekommst du von zu Hause nicht weg.«

Sein Opa hasste es, länger als nötig von zu Hause weg zu sein. Er würde sich sogar jeden Tag Essen nach Hause liefern lassen, wenn es nicht so teuer wäre.

Daniels Oma setzte den Blinker und sie bogen auf das Tankstellengelände ein.

»Ein Euro siebzig für einen Liter Benzin? Das ist aber ein bisschen teuer«, murrte sie. Aber trotzdem stieg sie aus und tankte den Wagen voll. Daniel stieg auch noch einmal aus. Er wollte eine neue Wasserflasche kaufen gehen und für sich noch eine Kleinigkeit zu essen.

»Wo gehst du hin?«, fragte seine Oma, nachdem sie mitbekommen hatte, dass ihr Enkel den Wagen verlassen hatte.

»Ich hole eine neue Flasche für Askan, damit er dich nicht mehr nerven kann.«

»Gute Idee. Wenn du schon mal dabei bist, kannst du mir ein belegtes Brötchen und einen Kaffee mitbringen?«, fragte sie und gab ihm einen fünf Euro Schein. Daniel machte sich auf den kurzen Weg ins Tankstellengebäude. Er kaufte ein belegtes Brötchen für seine Oma, eine Packung Donuts für sich und eine neue Wasserflasche für Askan. Außerdem noch eine weitere Cola und einen Kaffee to go für seine Oma. Nachdem er bezahlt hatte, wollte er gerade das Tankstellenhäuschen verlassen, als seine Oma ihm entgegen kam.

»Bist du schon fertig? Geh bitte noch einmal auf die Toilette, bevor wir weiterfahren.«

»Oma!«, rief er empört.

»Ich meine ja nur, weil wir keine Pause mehr machen. Wir fahren jetzt direkt durch.« Schmunzelnd verließ Daniel das Tankstellengebäude und stieg wieder in den Wagen. Es dauerte nicht lange, bis seine Oma die Rechnung bezahlt hatte und es weiter ging. Inzwischen stand die Sonne schon tief am Himmel, hatte aber an ihrer Wärme noch nichts verloren. Sie schien erbarmungslos auf das kleine Auto. Die Klimaanlage leistete ganze Arbeit, aber trotzdem war es sehr heiß. Daniel machte sich über seine Donuts her. »Dafür, dass du Sportler bist, ernährst du dich ganz schön ungesund«, meine seine Oma.

»Aber gerade weil ich Sportler bin, brauche ich viel Energie.«

»Das ist zwar richtig, aber trotzdem kann man auch anders an seine Energie kommen. Zum Beispiel durch viel Obst und Gemüse.«

»Gesund kann ich mich auch in der Schule ernähren«, murrte Daniel »Sind wir bald da?«, fragte er, um vom Thema abzulenken.

»Du weißt doch, wie weit es noch ist. Nur wegen dir musste ich einen Umweg fahren.«

»Wegen mir?«

»Ja, wegen dir. Du und Schuhbürste habt mich doch von der Autobahn runtergelotst.«

»Jetzt bist du ja wieder drauf. Außerdem hatte ich keine Lust, so lang im Stau zu stehen.«

»Bitte biegen Sie an der nächsten Ausfahrt rechts ab«, meldete sich das Navigationssystem.

»Wir sind bald da. Beantwortet das deine Frage?«, fragte seine Oma.

»Ja. Tut es«, antwortete Daniel. Sie hatten nur noch vierzig Kilometer vor sich. Ab jetzt fuhren sie durch kleine Städte und Dörfer.

»Denkst du, Emma ist schon da? Sie hätte lieber mit uns mitfahren sollen, als mit ihrer Freundin«, sagte seine Oma nach längerer Zeit.

»Ach … die ist bestimmt schon seit Stunden da und wartet auf uns.«

»Wahrscheinlich.« Es waren jetzt nur noch wenige Kilometer bis zur Schule. Die Schule lag ein Stückchen außerhalb eines kleinen Dorfes, direkt im Wald. Sie bogen auf einen holprigen Waldweg ein. Von hier war es nicht mehr weit. Am Ende des Weges lag eine große Lichtung und auf ihr das Johann-Wolfgang-von-Goethe-Internat.

Ankunft

Sie bogen auf das Schulgelände ein und parkten unter einer riesigen Eiche. Daniel stieg aus, nahm die Transportbox mit Askan, stellte sie kurz auf den Boden, gab ihm das letzte Stück vom Apfel und öffnete den Kofferraum.

»Wir haben es doch noch vor Abend geschafft«, sagte Daniels Oma erleichtert. Daniel holte seinen Koffer aus dem Kofferraum und schloss ihn wieder.

»Ja, aber du musst den ganzen Weg noch zurück, und dann wird es dunkel sein. Willst du nicht doch lieber eine Nacht hier bleiben und morgen nach dem Frühstück ganz in Ruhe nach Hause fahren?«, fragte Daniel leicht besorgt. Sie hatten eine lange und anstrengende Reise hinter sich.

»Nein. Ich fahre gleich wieder zurück.«

»Wie du meinst. Ich geh dann mal mein Zimmer beziehen.« Daniel hob die Transportbox vom Boden auf. Er wollte gerade losgehen, als seine Oma ihn zurückrief »Hast du nicht etwas vergessen?« Daniel drehte sich noch einmal zu seiner Oma um. Sie stand mit offenen Armen vor ihm. Daniel umarmte sie und gab ihr einen Abschiedsküsschen auf die Wange.

»Also dann, bis zu den Ferien in ein paar Monaten«, sagte sie zum Abschluss und fügte noch hinzu: »Versuch keinen Ärger zu machen und pass auf deine Schwester auf.« Sie zwinkerte ihm zu.

»Mach ich!«, versprach Daniel ihr und warf einen Blick auf seine Uhr. »Du, ich muss jetzt echt los. Es ist schon spät …«

»Ich hab dich schon verstanden. Du willst mich loswerden. Dann will ich dich mal nicht aufhalten.«

»So war das eigentlich nicht gemeint …«

»Los, nun geh schon. Die anderen warten bestimmt schon auf dich.« Daniel nahm seinen Koffer wieder in die Hand und sah seiner Oma zu, wie sie in ihr Auto stieg und langsam zurück in den Wald hinein fuhr. Daniel sah, wie der Wagen immer kleiner wurde und schließlich im Wald verschwand. Zielstrebig ging Daniel auf das Wohnhaus zu, das sich hinter dem Schulgebäude, auf der anderen Seite der Lichtung befand. Insgesamt war das Schulgelände eher schlicht gehalten. Es bestand aus einem Wohnhaus, das sich die Jungs und die Mädchen teilten, einem Fußballplatz, der unterhalb des Wohnhauses lag, dem Lehrerhaus, das sich am Nordende der Schule befand und natürlich der Schule, die den größten Platz einnahm und das Zentrum des Geländes war.

Daniel ging einmal um die Schule herum und öffnete die Tür des Wohnhauses. Kühle Luft schlug ihm entgegen, die er tief einatmete. Sogar Askan streckte seine Nase aus der Box heraus und schnupperte. Daniel befand sich im unteren Bereich des Wohnhauses. Hier waren die Mädchenzimmer. Die der Jungs lagen im ersten Stock. Vor ihm tat sich eine große Treppe auf, die Daniel zielstrebig hoch lief. Auf dem Weg in sein Zimmer begegnete ihm keine Menschenseele. Die anderen waren wohl alle damit beschäftigt, ihre Zimmer zu beziehen, dachte Daniel und hoffte, dass noch keiner seiner beiden Mitbewohner da war. Er brauchte noch Zeit, um Askan zu verstecken. Oben angekommen, bog er links ab und schloss gleich die vierte Tür, die gegenüber von der Treppe lag, auf. Erleichtert stellte er fest, dass noch niemand da war. Daniel huschte in den Raum und schloss die Tür gleich wieder hinter sich ab. Der Raum, in dem er sich befand, war leicht rechteckig und in einem hellen Blau gestrichen. Es gab drei Betten in dem Zimmer, ein niedriges und ein Etagenbett. In den beiden Ecken, an der Tür, gab es zwei Schränke. Einer etwas größer als der andere. Im hinteren Teil des Raumes breitete sich ein großer Schreibtisch aus, vor dem drei Stühle standen. In der Mitte der Wand befand sich ein Fenster, das einen wunderschönen Blick auf den Wald frei gab. Daneben ein schon etwas älterer Fernseher. Vor ihm lagen drei Sitzsäcke. Neben den Betten hingen zwei Regale. Wieder war eines der beiden ein bisschen größer als das andere und hatte dazu noch eine zweite Ebene. Neben der gemütlichen Sitzecke führte eine Tür in ein kleines Badezimmer. Dort gab es nur eine Toilette, eine Dusche, ein Waschbecken mit Spiegelschrank und ein Fenster.

Es war tatsächlich noch keiner da. Daniel war mit Askan allein. Er stellte Askan auf dem unteren Bett des Etagenbettes ab und holte aus dem viel zu großen Koffer einen ausklappbaren Käfig hervor. Der Käfig war schnell zusammengebaut und mit Kleintierstreu und Heu ausgelegt. Zum Schluss stellte Daniel noch ein Schlafhäuschen und einen Fressnapf in den Käfig. Danach schob Daniel den Käfig unter sein Bett und verschwand mit Askans Trinkflasche im Badezimmer. Daniel hörte, wie jemand an der Tür rüttelte.

»Daniel ist wohl noch nicht da«, hörte er eine Stimme gedämpft auf dem Gang.

»Ich habe aber grade jemandem im Bad gehört«, ertönte eine andere Stimme.

»Du hast dich bestimmt nur verhört. Wäre bei dir ja auch nicht so verwunderlich«, stichelte die erste Stimme wieder.

»Was soll das jetzt bitte wieder heißen?«, fragte die zweite Stimme wütend. Doch die erste Person ging nicht weiter auf ihn ein und sagte einfach nur: »Ich schließe jetzt auf.« Metall traf auf Metall. Daniel schlich so leise wie möglich zurück in den Wohnraum. Ein Klacken im Schloss. Daniel versteckte Askan und die Trinkflasche hinter seinem Rücken. Der Schlüssel drehte sich langsam, dicht gefolgt von einem weiteren Klack.

Das Schloss war entriegelt und die Tür sprang auf. Zwei Jungen standen in der Tür und betraten den Raum.

Es waren Daniels beste Freunde Jonas und Sebastian.

»Hallo Leute!«, begrüßte er die beiden. »Ich hab euch gar nicht kommen hören. Seid ihr schon lange da?«, fragte er und setzte eine Unschuldsmiene auf. Jonas und Sebastian beäugten ihn misstrauisch.

»Wir sind grade zu Sekunde gekommen«, meinte Sebastian.

»Was versteckst du da hinter deinem Rücken?«, fragte Jonas.

»Gar nichts!«, log Daniel. Sebastian ging auf Daniel zu. Daniel wich unauffällig so weit wie möglich an die Wand zurück. Aber Sebastian war schneller und umrundete seinen Freund. Entsetzt starrte er Daniel an.

»Das ist nicht dein Ernst!«, platzte es aus Sebastian heraus.

»Was versteckt er denn?«, fragte Jonas.

»Jonas, mach die Tür zu!«, befahl Sebastian.

»Aber …«

»Mach sie zu«, wiederholte er. Jonas schloss die Tür und wartete auf eine Erklärung. Daniel wusste, das es jetzt keinen Zweck mehr hatte, sein kleines Geheimnis vor Jonas und Sebastian geheim zu halten, also holte er hinter seinem Rücken zuerst die Trinkflasche und schließlich Askan hervor.

»Das gibt es doch nicht. Daniel … Weißt du eigentlich, dass Haustiere verboten sind?« Jonas war so überrascht, dass ihm auf die Schnelle nichts besseres einfiel.

»Nicht so laut!«, ermahnte Daniel seine Freunde.

»Warum, warum bringst du dein Haustier mit in die Schule?«, fragte Jonas im gedämpften Flüsterton. »Seit wann hast du überhaupt eins? War das nicht immer mehr Emmas Sache?«

»Eigentlich schon. Aber er konnte nicht da bleiben … Er wäre sonst gestorben. Außerdem sieht er mich als seine Mutter an …«, fing Daniel an zu erklären. Jonas verkniff sich ein Lachen.

»Also noch einmal ganz langsam und von Anfang bitte«, sagte Sebastian. Daniel ließ sich auf einen der drei Sitzsäcke nieder.

»Also gut. Ich sag es euch, wenn ihr es niemandem verratet«, versprach Daniel.

Er wusste, dass es sich auf die beiden voll und ganz verlassen konnte.

»Ich sag es niemandem«, versprach Sebastian. Daniel sah zu Jonas rüber.

»Also gut. Ich verspreche es, aber nur, wenn ich keine Mitschuld habe, wenn du erwischt wirst, was spätestens heute Abend passieren wird«, sagte Jonas.

»Gut. Also, es fing alles damit an, dass Emmas Meerschweinchen Junge bekommen hat. Aber weil er der Kleinste und Schwächste war, wurde er verstoßen und wäre ohne mich gestoben. Ich hab ihn von den anderen getrennt und mich um ihn gekümmert. Ich konnte ihn nicht zu Hause lassen und jetzt ist er hier.«

»Armes Ding. Na gut, meinetwegen kann er bleiben. Er ist ja auch irgendwie niedlich«, gab Sebastian zu.

»Ja, das dachte ich auch«, sagte Daniel und setzte Askan auf den Boden, der sofort in seinen Käfig lief. Erwartungsvoll sahen Daniel und Sebastian zu Jonas.

»Dann lass ihn eben hier … nach Hause kann er wohl noch nicht laufen«, überlegte Jonas und erklärte sich einverstanden.

»Gut, da das jetzt geklärt ist, habt ihr bestimmt auch nichts dagegen, wenn er hier frei herum läuft«, sagte Daniel voller Tatendrang und sprang auf.

»Ich habe zu Hause eine ganze Rolle Kaninchendraht gefunden. Die können wir um die Türen und Kabel wickeln«, schlug Daniel vor.

»Moment mal!«, unterbrach Jonas ihn.

»Der ist bestimmt noch nicht mal stubenrein und da willst du ihn auf dem schönen Teppichboden laufen lassen? Der ruiniert den doch!«, warf Jonas ein.

»Ich dachte, du magst Tiere«, erwiderte Daniel.

»Tu ich auch«

»Er ist stubenrein. Das war das erste, was ich ihm beigebracht habe.«

»Das heißt, wenn er muss, egal was, dann macht er sein Geschäft auf dem Klo?«, fragte Jonas skeptisch. »Na ja. Auf dem Klo zwar nicht, aber er geht dann in seinen Käfig.«

»Wenn du das sagst …«, meinte Jonas

»Was ist denn jetzt. Darf er frei herumlaufen oder nicht?«, fragte Daniel noch einmal nach.

»Von mir aus …«, stöhnte Jonas und gab sich geschlagen.

»Wo ist dein Kaninchendraht?«, fragte er und wollte sich an die Arbeit machen.

Daniel holte aus seinem Koffer eine große Rolle Kaninchendraht und eine kleine Spitzzange hervor. Stumm machten sich die drei an die Arbeit und gaben ihr bestes, ihr Zimmer »meerschweinchensicher« zu machen. Jonas umwickelte gerade die Kabel vom Fernseher mit einer dicken Schicht Draht, als er fragte: »Hat der Kleine denn auch einen Namen?« Sebastian sah zu Jonas rüber und warf ein: »Das ist eine gute Frage, aber du musst nicht über die Hälfte des Drahtes um den Fernseher wickeln.«

»Der Fernseher ist aber verdammt wichtig! Wickel du doch lieber dich selbst ein und pass auf, dass dich der Kleine nicht beißt, wenn ich ihm das erst einmal beigebracht habe«, erwiderte er wütend. »Wie heißt er denn jetzt?«, fragte Jonas, an Daniel gewanndt in ganz normalen Gesprächslautstärke und im Plauderton.

»Ich habe ihn Askan genannt«, antwortete Daniel, der sich gerade an der Badezimmertür zu schaffen machte.

»Nach dem Askan?«, fragte Jonas.

»Ja. Genau nach dem.«

»Kann mir hier mal jemand sagen, über welchen Askans ihr gerade sprecht?«, warf Sebastian ein.

»Doch nicht Askans du Trottel. Askan! A-S-K-A-N!«, buchstabierte Jonas und warf Sebastian einen wütenden Blick zu.

»War ja klar, das du ihn nicht kennst.«

»Daniel, über wen sprecht ihr?«, fragte Sebastian.

»Über eine Spielfigur«, antwortete Daniel.

»War ja irgendwie mal wieder klar«, entgegnete Sebastian.

»Ich hätte aber nicht gedacht, dass du auch nur noch an diesen Schwachsinn denkst.«

»Hey! Das ist kein Schwachsinn! Das, was du machst, ist Schwachsinn!«, beschwerte sich Jonas.

»Was ist daran Schwachsinn, wenn ich Bücher über Vampire lese?«, fragte Sebastian.

»Das vielleicht nicht, aber daran zu glauben ist es.« Daniel hielt sich aus den Streitereien der beiden raus. Sie stritten sich oft. Manchmal sogar ohne richtigen Grund. Daniel glaubte sogar, dass es den beiden Spaß machte, sich die ganze Zeit über zu streiten. Jedenfalls wurde es mit den beiden nie langweilig. Daniel war jetzt soweit fertig mit der Abgrenzung für Askan. Um die Stimmung der beiden ein wenig zu verbessern ging er noch einmal zu seinem Koffer.

»Ich habe uns eine Kleinigkeit mitgebracht«, sage er, als er aus seinem Koffer einen Blu-ray-Player, mehrere DVDs und Blu-rays hervorholte. Er schloss den Player am Fernseher an und wollte gerade die Filme ins Regal stellen, als Jonas rief: »Halt! Da kommen die Spiele rein! Nimm das andere Regal.«

»Kann er die Filme nicht einfach unter die Spiele stellen?«, fragte Sebastian. »Nein! Darunter kommen die Lösungsbücher! Nehmt das andere Regal.«

»Und wo stellen wir dann die Schulbücher hin?«, fragte Sebastian.

»Woher soll ich denn das wissen? Stellt sie in den Schrank oder so. Da schaut doch eh keiner rein«, meinte Jonas, holte aus seinem Koffer mehrere Kleidungsstücke hervor und wickelte eine Unmenge an Spielen aus. Vorsichtig, als könnten sie bei zu schnellen Bewegungen kaputt gehen, stellte er sie in das Regal, in dem immer noch Daniels Filme standen. Jonas legte sie auf den Boden. Nach den Spielen kamen die Lösungsbücher an die Reihe, die er sorgfältig unter die Spiele stellte.

Daniel hob seine Filme vom Boden auf und stellte sie in das freie Regal. Dann kam Sebastian an die Reihe und holte aus seinem Rucksack große und alt aussehende Bücher hervor.

»Und wo stell ich die jetzt hin?«

»Du bist zu spät, die Regale sind voll.«

»Stellt doch einfach die Filme zu den Spielen. Die sehen doch sowieso alle gleich aus.«

»Nein.«

»Wieso. Nein?«

»Sind Filme Spiele?«

»Nein.«

»Da hast du es.«

»Und wo sollen die jetzt hin?«

»Stell sie unter dein Bett, wo sie niemand sieht.« Jonas verdrehte die Augen.

»Außerdem, was willst du mit diesen alten Staubfängern? Wo hast du die überhaupt her? Hast du sie in den Ferien ausgegraben?«

»Nein, ich hab sie nicht ausgegraben. Die hat mir ein Freund verkauft. Und außerdem stehen da wichtige Sachen drin. Sachen, die du nicht verstehst.«

»Dann steht da wieder irgend so ein Müll drin, über deinen Hokuspokus.«

»Das ist kein Müll und schon gar kein Hokuspokus.«

»Das glaub ich erst, wenn ich Schweine fliegen sehe.«

»Dann musst du ja in den Ferien eins gesehen haben.«

»Wie kommst du da drauf?«

»Wenn du hin und wieder mal Nachrichten gesehen hättest, wüsstest du, was ich meine.«

»Und sag schon. Was haben sie erfunden?«, fragte Jonas gelangweilt.

»Sie haben vor ein paar Wochen einen Mann blutleer aufgefunden. Alles, was die Polizei gefunden hat, waren zwei kleine Löcher an seinem Hals«, sagte Sebastian aufgeregt.

»War diesem Sommer wirklich so wenig los, dass sie so was erfinden mussten, um ihre Einschaltquote nicht zu verlieren?«, fragte Jonas und wandte sich von Sebastian ab. Er begann damit, sein Bett zu beziehen. Daniel, der alles mit angehört hatte, kam gerade aus dem Badezimmer.

»Jonas hat schon recht. Das ist alles völliger Schwachsinn. Ich habe in den Ferien ein Buch gelesen, in dem auch angeblich ein Vampir sein Unwesen getrieben hat. Die Bewohner wachten morgens mit einer riesigen Blutlache auf dem Kopfkissen und mit angeblichen Bissspuren am Hals auf. Zum Schluss stellte sich heraus, dass das Blut nur Tierblut war und die Bissspuren waren auch nur aufgemalt«, erzählte Daniel. Jonas und Sebastian sahen ihn erstaunt an.

»Du hast ein Buch gelesen?«, war das einzige, was Jonas herausbrachte.

»Na, ja. Emma hat es gelesen«, gab er zu.

»Ist sie für so was nicht noch ein bisschen zu jung? Sie ist doch erst … wie alt?«, fragte Jonas.

»Zehn. Emma ist zehn«, antwortete Daniel. In der Zwischenzeit waren sie mit dem Verlegen des Kaninchendrahtes fertig. Sebastian bezog sein Bett. Er war der letzte. Jonas war fertig und schaltete den Fernseher ein. Neben den Bluray-Player stand jetzt auch eine von Jonas Spielekonsolen. Die Achtzehn-Uhr-Nachrichten liefen gerade. Daniel legte einen letzten Kleidungsstapel in den Schrank und setzte sich neben Jonas. Die beiden verfolgten stumm die Nachrichten, bis Sebastian mit seinem Bett fertig war und sie fragte: »Wollen wir etwas essen gehen? Noch sind bestimmt nicht alle da, dann ist es wenigstens schön leer und das Beste ist noch nicht weg.«

»Gute Idee. Kommst du mit?«, fragte Daniel Jonas, der gespannt die Nachrichten verfolgte. Ein Bericht über die neuen Kinofilme dieser Woche.

»Geht schon mal vor, ich komme gleich nach.«

»Wie du willst. Bis gleich«, verabschiedete sich Daniel und rief Askan zu sich, der sofort angelaufen kam.

Daniel nahm ihn hoch, setzte ihn in seinen Käfig und schloss die Tür.

»Ich bin gleich wieder da und bringe dir etwas zu essen mit. Also sei schön lieb, solange ich weg bin.«

»Daniel, er ist in seinen Käfig. Er kann nichts Dummes anstellen«, sagte Sebastian und öffnete die Tür. Dann drehte er sich noch einmal um und fügte an Jonas gewannt hinzu: »Vergiss nicht die Tür abzuschließen.«

»Keine Angst. Deine Staubfänger klaut dir schon keiner.«

»Ach … vergiss es. Komm, Daniel.«

Sie verließen das Wohngebäude und betraten die Schule. Der Speisesaal befand sich im Keller des Schulgebäudes, gleich neben der Küche. Wie jeden Tag gab es ein Buffet. Sie nahmen einen Teller in die Hand und nahmen sich gleich mehrere Scheiben Brot. Danach nahmen sie sich Käse, Wurst und andere Leckereien und steuerten auf ihren Stammplatz zu. Es war ein kleiner Tisch für gerade mal sechs Leute, der sich in der hintersten Ecke des großen Speisesaals befand. Von hier aus konnte man alles sehen, aber nicht gut gesehen werden, da er etwas abseits der anderen Tische lag. Sie ließen sich auf die harten Plastikstühle fallen und schmierten ihre Brote.

»Wie war eigentlich dein Sommer?«, fragte Daniel seinen Freund und biss herzhaft in sein Salamibrot.

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Die meiste Zeit über war ich zu Hause.«

»Hört sich langweilig an«, meinte Daniel. Er merkte erst jetzt, was für Hunger er hatte, als er den Berg Brote vor sich liegen sah.

»Und, was hast du so gemacht?«, fragte Sebastian zurück.

»Meine Eltern sind gleich zu Anfang der Ferien nach Portugal geflogen und meinten, sie würden nicht lange bleiben. Nur ein, zwei Wochen vielleicht, aber jetzt sind sie immer noch da und Emma und mich wollten sie nicht mitnehmen. Sie wollten übrigens auch nicht, das wir alleine in dem Haus bleiben, also haben wir so lange bei meiner Oma gewohnt.«

»Die hat sich bestimmt gefreut«, meinte Sebastian.

»Und wie. Das kannst du dir gar nicht vorstellen.«

»Hat sie dich wieder zur Gartenarbeit verdonnert?« Das war Jonas. Er setzte sich ihnen gerade gegenüber und balancierte dabei einen riesigen Berg Aufschnitt auf seinem Teller.

»Du bist ja nicht da gewesen.«

»Stimmt, ich war im Urlaub«, gab Jonas zu. Jonas wohnte nur einige Minuten von Daniel entfernt.

»Wo ist dein Brot?«, fragte Sebastian und sah ihn schief an.

»Du hast welches. Das reicht doch. Oder?«, fragte er grinsend und nahm sich ein noch unbeschmiertes Brot von Sebastians Teller.

»Hol dir dein eigenes!«, sagte Sebastian und schlug Jonas auf die Finger.

»Jetzt stell dich doch mal nicht so an. Du hast doch noch mehr als genug. Lass das Brot los! Mit Essen spielt man nicht!«, rief Jonas, als Sebastian angefangen hatte, an der Scheibe zu ziehen. Sie riss in der Mitte durch.

»Gut gemacht«, lobte Jonas Sebastian ironisch und belegte seine geklaute Hälfte dick mit Wurst.

»Armer Jonas … Ist Sebastian mal wieder gemein zu dir? Hier, du kannst eine Scheibe von mir haben«, ertönte eine Mädchenstimme hinter ihnen. Die drei drehten sich um und sahen zwei Mädchen. Das eine reichte Jonas kichernd eine Scheibe Brot, während das andere stumm daneben stand. Es waren Jana und Mona. Ihre beiden Freundinnen und gleichzeitig Klassenkameradinnen.

»Hey! Schön, euch zu sehen. Setzt euch doch«, forderte Sebastian sie auf. Jana setzte sich gezielt gegenüber von Daniel, während Mona sich teilnahmslos einfach auf einen Stuhl niederfallen ließ und stumm ihr Brot schmierte.

»Und wie war euer Sommer?«, fragte Sebastian die Neuankömmlinge neugierig.

»Nicht schlecht. Ich war zusammen mit Jana in Spanien«, sagte Mona und kaute auf ihren Brot herum.

»Nicht schlecht? Die Ferien waren doch super«, erwiderte Jana.

»Und? Was habt ihr da so gemacht? Na ja, bei Mona weiß ich es ja eigentlich schon. Sie hat bestimmt den ganzen Tag über im Hotel gesessen und gelernt«, scherzte Jonas. »Das stimmt doch gar nicht!«, wehrte sich Mona und wurde rot.

»Doch, genau so war’s«, antwortete Jana und lachte. Dann wandte sie sich Daniel zu und fragte mit zuckersüßer Stimme »Und? Hast du mich vermisst?«

»Eigentlich nicht«, meinte Daniel nur und achtete nicht weiter auf sie.

»Aber wäre der Sommer mit mir nicht noch viel schöner geworden?«

»Mein Sommer war auch ohne dich schon schön genug«, wehrte er Janas schwachen Flirtversuch ab. Es ärgerte ihn und machte ihn wütend.

»Ich gehe mir noch mal was zu trinken holen. Soll ich jemandem von euch noch etwas mitbringen?«, fragte Daniel plötzlich und stand auf.

»Ich komme mit!«, kündige Jana an und stand ebenfalls auf, ihren Becher in der Hand. Daniel warf ihr einen wütenden Blick zu, doch Jana ignorierte ihn und ging fröhlich pfeifend voraus. Daniel bewegte sich nicht von der Stelle, bis Jana bemerkte, dass er ihr nicht folgte und drehte sich zu ihm um.

»Was ist denn jetzt? Ich dachte, du hast Durst.« Jana kam zurück.

»Das hat sich erledigt. Eigentlich bin ich müde und glaube, heute geh ich zur Abwechselung mal etwas früher schlafen.«, verkündete Daniel. »Kommt ihr?«, fragte er Jonas und Sebastian und verschwand in Richtung Salatbar. Wütend nahm er einen Salatteller an sich und lief prompt seinem Trainer Herrn Müller in die Arme.

»Nicht so stürmisch, Daniel. Heb dir das lieber für morgen auf«, sagte dieser.

»Für morgen?«

»Für das Training morgen. Morgen ist Montag. Schon vergessen? Also, wir sehen uns dann morgen pünktlich beim Training.« Herr Müller verabschiedete sich mit einem Salatteller in der Hand und ging damit rüber zum Lehrertisch. Daniel verließ mit seinem Teller in der Hand den Speisesaal. Jonas und Sebastian warteten am Ausgang auf ihn.

»Für Askan?«, flüsterte Jonas.

»Für Askan«, antwortete Daniel. Sie verließen das Schulgebäude, betraten das Wohnhaus und gingen auf ihr Zimmer. Schon von außen hörten sie Stimmen aus ihrem Zimmer hallen und als Sebastian die Tür aufschloss, sahen sie, dass der Fernseher immer noch lief.

»Jonas, hast du vergessen, den Fernseher auszuschalten?«, fragte Sebastian ihn und schloss die Tür. Daniel öffnete die Seitentür an Askans Käfig und schüttete den Inhalt des Salattellers in den Fressnapf. Sebastian wollte gerade den Fernseher ausschalten, als der Film von einer Nachrichtensprecherin unterbrochen wurde.

»Wir unterbrechen den Spielfilm für eine wichtige Sondermeldung. In der Nähe von München wurde eine weitere Frauenleiche gefunden. Wie auch schon bei dem letzten Leichenfund vor ein paar Wochen hat der Täter keine Spuren hinterlassen. Das einzige Indiz, das die Ermittler am Tatort fanden, waren Auffälligkeiten am Hals der Leiche. Es handelt sich hierbei um zwei Einstichlöcher direkt am Hals. Alle Anzeichen weisen darauf hin, dass …« Die Nachrichtensprecherin verschwand und der Bildschirm wurde blau. Ein gelber Smiley wurde langsam größer, bis er den größten Teil des Bildschirmes einnahm. Ein Schriftzug erschien: Ha, ha! Hab ich dich, Sebastian. Hab dich total verjonascht.