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BÄRENMÄDCHEN

 

 

Das Ponygirl namens Glöckchen

 

 

Luca Berlin

 

 

 

Cover: Giada Armani

Copyright: BERLINABLE UG

 

 

Berlinable lädt dich ein, alle deine Ängste hinter dir zu lassen und in eine Welt einzutauchen, in der Sex der Schlüssel zur Selbstbestimmung ist.

Unsere Mission: Die Welt verändern - Seele für Seele.

Akzeptieren Menschen ihre eigene Sexualität, formen sie eine tolerantere Gesellschaft.

Worte der Inspiration, des Mutes, der Veränderung.

Öffne deinen Geist und befreie deine tiefsten Begierden.

 

 

Alle Rechte vorbehalten. Es ist nicht erlaubt, die Inhalte dieses eBooks ohne die ausdrückliche Genehmigung durch den Verlag zu kopieren, weiter zu verbreiten öffentlich vorzutragen oder anderweitig zu publizieren. Änderungen, Satzfehler und Rechtschreibfehler vorbehalten. Die Handlung und die handelnden Personen dieses Buchs sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.

1. Kapitel:

Marktforschung

 

„Es ist aus, aus, aus.“

Anne bemühte sich, ihre Stimme so bestimmt wie möglich klingen zu lassen, auch wenn ihr gerade absolut nicht danach war. Immerhin blickte sie in ein Gesicht, das so jämmerlich dreinschaute wie ein Hundewelpe, der gerade mitangesehen hatte, wie seine Mutter von einem Tanklastzug überrollt wurde. Er wird doch wohl nicht anfangen zu heulen, dachte sie. Sörens Mundwinkel zuckten verräterisch. Aber war es denn so schwer zu begreifen, dass sie beide einfach nicht zueinander passten?

Okay, anfangs hatte ihr der feine Herr Langenhagen schon imponiert. Natürlich aus vermögender Familie und als strebsamer, vielversprechender Medizinstudent mindestens ein angehender Chefarzt. Schlecht aussehen tat er auch nicht. Zu Beginn hatte er sie immer an diesen Typen aus einer uralten Actionserie erinnert. Das „A-Team“ hieß sie, und der Schauspieler George Peppard war ein verwegener Strahlemann mit umwerfend blauen Augen.

Aber Action? Nicht mit Sören. Er war sooooo langweilig. Sein Leben schien eher einer ZDF-Traumschiff-Folge entlehnt. Zuletzt hatte er immer öfter von Eigenheimen und von Kindern gesprochen. Sie war doch mitten in ihrem Germanistik-Studium und noch nicht einmal 24 Jahre alt, bitteschön.

Und diese langweilige Kuschelnummer im Bett war auch nicht ihr Ding. Das alte Rein-Raus-Spiel, Blümchensex und Missionarsstellung bei ausgeschaltetem Licht. Was sexuelle Freizügigkeit anbelangte, vermutete Anne manchmal, dass sich Sören ins falsche Jahrzehnt verirrt hatte. Die prüden fünfziger Jahre – das wäre seine Welt gewesen.

„Und im Bett klappt es auch nicht mit uns“, platzte es aus ihr heraus. Gleichzeitig war sie erschrocken und erleichtert, es endlich ausgesprochen zu haben.

Anne saß in Sörens Wohnung - natürlich im noblen Eppendorf, natürlich von den Eltern finanziert - neben ihm auf der Couch und war bemüht, gleichzeitig tröstende Nähe und die jetzt gebotene Distanz zu vermitteln. Das war allerdings nicht so einfach, denn Sören versuchte gerade, sie stürmisch zu küssen. Ein mehr als hilfloser Versuch zu reparieren, was rettungslos entzwei war, befand sie und bemühte sich, ihn wegzuschieben. Aber Sören packte ihre Hände und hielt sie eisern fest, während sein Mund stürmisch ihre Lippen suchte. Sie bäumte sich auf. Zwecklos, das verdammte Designer-Sofa war so tief und groß, dass man förmlich von ihm eingesogen wurde. Also versuchte sie, sich seitlich wegzurollen, aber jetzt lag er halb auf ihr und so hatte sie noch weniger Bewegungsmöglichkeiten.

„Hör auf“, zischte sie wütend und registrierte überrascht, dass er nicht im Geringsten darauf reagierte. Dabei hatte er sonst stets klein beigegeben, sowie sie diesen Ton anschlug. Nicht so heute.

„Ist es das, was Du willst du Schlampe“, stieß er ebenso zornig hervor.

Ihre Hände hatte er inzwischen losgelassen und daher versuchte sie mit ihnen seine Schultern wegzudrücken. Aber sie lag einfach so unglücklich, dass sie nur schwache Kräfte in ihrem Armen entfalten konnte. Sören hatte unterdessen ihr Gesicht unterm Kinn gepackt und presste seine Lippen auf ihre. Seine andere Hand wanderte grob über ihren Körper, schob sich mal unter ihren BH oder zwischen ihre Beine unter dem Bund ihrer Jeans.

„Du tust mir weh“, wollte sie sagen - und zwar mit eiskalter Verachtung. Aber kaum hatte sie ihren Mund geöffnete, drängte seine Zunge zwischen ihre Zähne. So wurde nur ein jämmerliches Genuschel daraus. Vergeblich versuchte sie sich unter ihm frei zu strampeln, aber ihre Beine traten ins Leere. Stattdessen schob sich Sören noch weiter über sie und jetzt spürte sie sein Glied. Knüppelhart war es und schien nur darauf zu warten, sich ihres Körpers zu bemächtigen.

In diesem Augenblick überkam sie ein Gefühl vollkommener Hilflosigkeit. Sie war die Antilope in den Pranken eines Löwen, das Kaninchen im Würgegriff einer Anakonda. Was blieb ihr übrig, als gefügig zu werden? Zaghaft begann sie, seiner Zunge mit ihrer zu begegnen, seine Lippen mit ihren willkommen zu heißen. Sie spürte, wie sie ganz weich und schmiegsam wurde. Fast automatisch öffneten sich ihre Schenkel. Ihr Atem ging schneller. Jetzt machte sie nur noch schwache Versuche, Sören zurückzuweisen. Wie süß und erregend es doch war, so vollständig bezwungen zu werden.

„Bitte nicht“, seufzte sie und hob ihren Unterkörper leicht an, damit er ihre Jeans und ihren Slip leichter herunterziehen konnte. Als nächstes fielen seine eigenen Hosen. Endlich kniete er zwischen ihren gespreizten Beinen. Sein Glied war, wenn es erregt war, alles andere als langweilig. Es war ein mächtiger Pfahl, der sie beim ersten Mal regelrecht erschrocken hatte. Auch jetzt geriet sie bei seinem Anblick in ehrfürchtiges Staunen. Wenn der angehende Chirurg dieses Instrument doch nur selbstbewusster eingesetzt hätte. Aber jetzt würde er es tun, und sie würde vor Wonne vergehen. In seliger Erwartung schloss sie die Augen und wartete auf die kräftigen Stöße, die ihr den Orgasmus ihres Lebens bescheren würden. „Nein, nein“, presste sie noch einmal hervor, um das wunderbare Gefühl ihrer Machtlosigkeit weiter auszukosten.

Und dann? Dann passierte gar nichts mehr. Sie öffnete wieder ihre Augen und sah, dass Sören sich abgewandt hatte und seine Hose gerade wieder hochzog. „Es tut mir leid“, stammelte er. „Das wollte ich nicht. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist.“

Zehn Minuten später rauschte sie aus der Wohnung. Frustriert, wütend und endgültig fertig mit ihm. Am Ende hatte er wirklich geweint. So eine Niete! Mit schnellen, entschlossenen Schritten stapfte sie in Richtung U-Bahn. Bald hatte sie die Einkaufspassage erreicht, die direkt zur Station führte. Links das McDonalds, rechts Görtz, dann der Zeitschriften-Shop und die Esprit-Filiale, in der sie so viel Geld gelassen hatte. Das gewohnte Shopping-Terrain wirkte seltsam beruhigend und langsam schien sich das Gefühlschaos in ihrem Inneren zu ordnen. Sie war froh, es endlich hinter sich gebracht zu haben. Sie war traurig, weil sie ihm wehgetan hatte. Sie war wütend, weil er sich idiotisch benommen hatte. Sie war wütend, weil sie sich idiotisch benommen hatte, und sie war frustriert, dass Sören ihr vorenthalten hatte, wonach es sie so sehr verlangte.

War sie wirklich eine Schlampe? Irgendwie gefiel ihr der Gedanke sogar. Sie musterte die Männer, die ihr entgegen kamen. Manche der Gutaussehenden lächelte sie herausfordernd an. Immerhin war sie wieder Single, und sie hatte vor, das auszukosten Mutwillig probierte sie, sich beim Gehen stärker in ihren Hüften zu wiegen. Sie stellte sich vor, wie ihr die Männer nachschauten. Smarte Geschäftsleute, die sich ein Schäferstündchen mit ihr in einem teuren Hotel vorstellten, kräftige Handwerker, die sie ohne viel Federlesen in einem schäbigen Bauwagen nehmen würden, und Studenten, die sie mit Weltschmerz-Pose und Dichterzitaten in ihre WG-Zimmer locken wollten.

Anne hielt sich nicht unbedingt für eine Schönheit. Sie hatte von Natur aus dunkelbraune Haare und braune Augen. Eine nicht gerade originelle Kombination, wie sie fand. Die Haare hatte sie bei einem trendigen Friseur in Hamburg-Altona zu einer derzeit ziemlich angesagten Kurzhaarfrisur stylen lassen. Eine dicke Haarsträhne hatte nun zwar stets die Tendenz, über ihr linkes Auge zu rutschen, trotzdem hatte sie sich selten mit einer Frisur so wohl gefühlt.

Ihr Schmollmund könne jeden Mann verrückt machen, hatte ihr einmal ein liebestoller Verehrer in einer alkoholreichen Nacht in einer Kneipe ins Ohr gesäuselt. Sie selbst fand ihre Lippen an schlechten Tagen schlauchbootartig. An guten Tagen hoffte sie, dass Bier und Wein ihren damaligen Verehrer soweit enthemmt hatten, dass er nichts als die pure Wahrheit von sich gab. Immerhin hatte er sich auch über ihre Augen ausgelassen. Sie seien zwar nur mittelgroß – schönen Dank auch! –, würden ihrem Gesicht aber durch ihre schräge mandelförmige Form ein irgendwie slawisches Flair verleihen.

„Bild dir bloß nichts darauf ein. Du bist keine Claudia Schiffer“, hatte ihre Mutter trotzdem regelmäßig gesagt, wenn sie gesehen hatte, dass Anne vor dem Spiegel stand. Ein Spruch, der saublöde war. Wie so vieles bei ihrer Mutter. Auf der Hitliste ihrer beliebtesten Nettigkeiten Anne gegenüber war der Claudia-Schiffer-Spruch allerdings nur die Nummer Drei. Absoluter Spitzenreiter war der Vorwurf, dass sie zu oberflächlich sei und nichts im Leben zu Ende bringen würde. Nummer Zwei war dann die Behauptung, dass sie bei Männern zu wählerisch sei und mit dieser Einstellung niemals jemanden finden würde. Warum dies ausgerechnet einer erfolgreichen alleinerziehenden Frau – Annes Mutter war Fachärztin – so wichtig war? Nummer Zwei wurde nicht vorgebracht, ohne Hinweis auf Nummer Eins. Als die flatterhafte, unernste Person, die sie nun einmal sei, brauche sie nichts dringender als einen Ernährer.

Aber mit derlei düsteren Überlegungen mochte sich Anne jetzt nicht belasten. Bleiben wir doch lieber bei meinem Äußeren, dachte sie, während sie mit wippendem Po durch die Gegend stolzierte. Okay, ihr Hintern. Sie und ihr Po waren nicht gerade beste Freunde. Mal verbscheute sie ihn als zu groß und ausladend. Dann fühlte sie sich wie eine Elefantenkuh, schwor, schon morgen mit einem knallharten Po-Verschlankungs-Training zu beginnen, und wählte aus ihrem Kleiderschrank möglichst sackartige Gewänder. Mal fand sie ihn wiederum sehr weiblich, und fragte sich, ob man sie auch „Der Hintern“ nennen würde, wenn sie berühmt wie Jennifer Lopez wäre. Immerhin: Sie war – abgesehen vom Po – nicht fett. Klar wäre sie gerne ein bisschen schlanker gewesen, aber welche Frau wäre das nicht.

Was sonst noch blieb von ihrem in letzter Zeit so sträflich vernachlässigten Prinzessinnenkörper? Apfelsinengroße Brüste, die der Schwerkraft mit frech nach oben gerichteten, kleinen, hellen Brustwarzen trotzten, und Beine, die zumindest recht ordentlich gewachsen waren. Jedenfalls sahen sie nicht zu kurz und nicht zu stämmig aus. In der Schule hatte sie sich damit sogar als recht gute und ausdauernde Läuferin entpuppt.

Jetzt allerdings stemmte sie ihre beiden Stelzen in den Boden, als wäre sie in eine Pfütze mit Sekundenkleber getreten. Ihr Blick war auf ein Oberteil in warmen Rottönen im Schaufenster einer Edel-Boutique gefallen. Sicherlich viel zu teuer, aber es war einfach hiiiiiiiinreißendend. Anne ging darauf zu, bis sie ganz dicht vor der Schaufensterscheibe stand. „M“, das war genau ihre Größe. „Edles Strickjackett mit byzantinischen Blumenmotiven“, stand auf dem Schild. Mit 160 Euro aber war es eigentlich jenseits ihrer Möglichkeiten. Andererseits: Brauchte sie nicht vielleicht doch etwas Trost nach der Sache mit Sören?

„Das Teil würde Dir gut stehen.“

Anne schaute sich überrascht um. Eine junge Frau etwa in ihrem Alter hatte sie angesprochen.

„Du bräuchtest es eine Nummer kleiner. Dann würde es deine gute Figur noch besser zur Geltung bringen.“

Die Frau lächelte sie offen an. Sie trug wie Anne Jeans, aber die waren deutlich figurbetonter geschnitten. Dazu ein bauchfreies weißes Top. Sie hatte eine richtige Modellfigur und ihr Gesicht war von geradezu makelloser Schönheit. Sie sah mit ihren langen brünetten Haaren wie eine französische Schauspielerin aus, die sie neulich im Kino gesehen hatte. Anne fand sie sehr sympathisch. Außerdem schmeichelte es ihr, dass gerade dieses Mädchen ihr Aussehen lobte.

„Leider ist es zu teuer für eine arme Studentin wie mich“, antwortete sie.

„Da komme ich wohl gerade recht, schätze ich“, grinste ihre neue Bekannte. „140 Euro könnte ich Dir bieten.“

Anne musste lachen und sagte dann geziert „So eine bin ich aber nicht.“

Da musste auch ihr Gegenüber losprusten. Dann erklärte sie: „Wir machen hier Marktforschung für einen Kosmetikhersteller. Er möchte ein neues Parfüm entwickeln und zunächst potenzielle Kundinnen befragen. Daher spreche ich hier wildfremde Mädchen an. Das Ganze dauert etwa 45 Minuten. Dafür gibt es eine Aufwandsentschädigung von 140 Euro.“

„Und am Ende muss ich keinen Kühlschrank kaufen?“

Das Mädchen lachte.

„Ich heiße übrigens Florence. Und einen irren Luxus-Wellness-Urlaub in einem Schloss in Moldurien im Spätsommer kannst du auch gewinnen. Das ist dort wirklich die schönste Jahreszeit. Einfach traumhaft“, gurrte das Mädchen. „Ist doch kein schlechter Lohn für 45 Minuten Arbeit, in denen nur ein paar harmlose Fragen zu beantworten sind?“

Anne gab gerne nach. „Okay, du hast mich überredet“, sagte sie.

Gemeinsam gingen sie wenige Schritte zum nahegelegen Eingang eines Geschäftsgebäudes. Es ging ein paar Treppen hoch und dann stand Anne in dem Raum, der für die Befragungen hergerichtet war. Polsterstühle standen an einzelnen Tischen für die Testpersonen bereit. Dazwischen sorgten Pflanzen in großen Kübeln für ein gewisses Gefühl der Abgeschlossenheit. Sanftes warmes Licht verstärkte die angenehme Atmosphäre. Im Hintergrunde erklang leise sphärische Musik.

Wenn so die Arbeit aussieht, wie muss dann erst der Luxus-Wellness-Urlaub im Schloss ausfallen, dachte sie amüsiert. Moldurien? War das nicht dieses kleines Land irgendwo in Südosteuropa? Wie so viele andere war es mit der Auflösung des Ostblocks entstanden, glaubte sie sich zu erinnern. In den Nachrichten tauchte es praktisch nie auf. Wie es da wohl war? Allerdings: Die Chancen es herauszufinden, waren verschwindend gering. Sie hatte noch nie etwas gewonnen. Dann schon eher eine von den Frauen, die bereits an den Tischen saßen. Sie mochten zwischen 20 und 40 Jahre alt sein. Gemeinsamkeiten waren kaum zu entdecken. Elegant gekleidete Geschäftsfrauen saßen hier ebenso wie Verkäuferinnen oder Arzthelferinnen, schätzte Anne.

„Überleg nicht zu lange, antworte ganz spontan“, flüsterte ihr Florence zu, als sie ihr Fragebogen und Kugelschreiber in die Hand drückte. Anne nahm beides in Empfang und setzte sich. Sekunden später brachte ihr Florence ungefragt noch einen Fruchtsaft. „Frischgepresst“, flüsterte sie lächelnd und verschwand wieder. Anne sah ihr nach und bewunderte einmal mehr ihre Figur und die Art wie sie sich bewegte. Dann nippte sie vorsichtig am Saft. Er schmeckte exotisch mit einem leicht metallischen Nachgeschmack und sehr süß, aber eigentlich nicht schlecht. Sie trank in kleinen Schlucken und freute sich darüber, dass sie sich immer besser fühlte. In Sachen Sören hatte sie eindeutig das Richtige getan.

Aber nun zum Fragebogen. Ganz so harmlos, wie Florence angekündigt hatte, war er nicht. Sicher, die ersten Fragen bezogen sich auf die Welt des Wohlgeruches. Ihre bevorzugten Duftnoten sollte sie nennen, und sie musste angeben, wie viel Geld sie in etwa jährlich für Parfüm ausgab. Dann wurde Persönliches abgefragt. War man Single oder lebte man in einer festen Beziehung? Wie oft traf man sich in der Woche mit Freunden? Allmählich aber ging es um Intimeres. Anne nahm wieder einen Schluck von dem Fruchtsaft. Den metallischen Nachgeschmack nahm sie kaum noch wahr.

Diese Frage hier zum Beispiel: „Können sie Filme, in denen sexuelle Gewalt vorkommt, erregen?“

Wow, die wollen es genau wissen. Trotzdem war sie einfach zu gut gelaunt, um jetzt die Verklemmte zu spielen. Ohne zu zögern, kreuzte sie „Ja“ an. Komisch, sie kam sich fast wie beschwipst vor, aber vielleicht stieg ihr auch nur ihre neue Offenheit zu Kopf. Wie Florence geraten hatte, antwortete sie ohne lange nachzudenken.

„Ja“, sie kannte die Begriffe Sadismus und Masochismus.

„Ja“, sie hatte auch schon einschlägige Romane darüber gelesen.

„Ja“, sie hatte sexuelle Fantasien, in denen Gewalt vorkam.

„Ja“, sie hätte gerne einen starken Partner, der sie dominierte

Eine Dreiviertelstunde später legte Anne ermattet den Kugelschreiber beiseite. Sie fühlte sich immer noch etwas benebelt. Die frische Luft draußen würde ihr gut tun. Florence, die zunächst einen flüchtigen Blick auf ihren Fragebogen geworfen hatte, brachte sie hinaus und händigte ihr das Geld aus. Zum Abschied umarmte das Mädchen Anne noch einmal und flüsterte ihr mit samtener Stimme ins Ohr: „Ich wusste es einfach. Du gehörst zu uns. Bis bald.“

Aber das ergibt keinen Sinn, dachte Anne. Sie spürte, wie die frische Luft tatsächlich wieder für einen klaren Kopf sorgte, und steuerte auf die Boutique zu, in der das „edle Strickjackett mit byzantinischen Blumenmotiven“ so flehentlich darum bat, von ihr gekauft zu werden. In „S“ oder in „M“ – das war jetzt die Frage.


2. Kapitel:

Das 160. Mädchen

 

„Das soll das Ferienschloss sein?“, fragte das mollige Mädchen mit den knallroten, strubbeligen Haaren enttäuscht. Sie sprach aus, was Anne dachte. Ihr Kleinbus steuerte auf ein zweistöckiges, langgestrecktes Gebäude aus roten Klinkersteinen zu. Groß war es, gepflegt und mit durchaus vornehmer Ausstrahlung, aber ein Luxus-Ferien-Domizil sah anders aus.

„Is‘ nur das Verwaltungsgebäude. Das Schloss liegt weiter hinten ins Tal hinein. Aber hier wird eingecheckt“, erklärte ihr Fahrer etwas herablassend. Er hatte Anne und die anderen neun Gewinnerinnen des Wellness-Urlaubs am Morgen mit einem silberfarbenen Mercedes-Kleinbus auf dem Flughafen der moldurischen Hauptstadt abgeholt und dann in diese abgelegene Gegend kutschiert. Anne mochte ihn nicht. Er war ein vierschrötiger, etwas korpulenter Kerl in den Vierzigern. Seine Hände wirkten riesig und seine Gesichtszüge kamen ihr etwa so fein geschnitten vor wie die eines Cro-Magnon-Menschen. Die graublonden Haare hatte er raspelkurz abrasiert.

Sein höfliches Auftreten wirkte wie eine dünne Farbschicht, die jederzeit abblättern konnte. Am Flughafen hatte sie ihn dabei ertappt, wie er sie und die anderen auf eine Art musterte, die sie regelrecht erschaudern ließ. Brutal und gierig war das. Sobald er merkte, dass Anne ihn beobachtete, hatte er eine neutrale Miene aufgesetzt.

Und dann war da noch der riesige schwarze Hund in seinem Wagen. Das zottige Tier lag ganz hinten im Gang, rührte sich nicht von der Stelle, schien aber nie die Augen zu schließen, sondern die Mädchen fortwährend zu beobachten. Keine von ihnen hatte es gewagt, dem schwarzen Ungetüm nahe zu kommen.

Die Ferienlaune konnte das seltsame Duo den zehn trotzdem nicht verderben. Giggelnd wie Schulmädchen hatten sie sich die Zeit mit Albernheiten vertrieben und sich miteinander bekannt gemacht. Zu ihrer Überraschung waren sie alle mehr oder weniger Singles. Das mollige Mädchen mit der Feuermelder-Frisur hatte sich als Ines vorgestellt. Mit offenem Mund und fragenden Augen schaute Ines in die Welt und das wirkte auf rührende Weise verletzlich, fand Anne. Die 25-Jährige war Friseurin aus Hamburg-Ohlsdorf. Anne hatte sofort das Gefühl, sie unter ihre Fittiche nehmen zu müssen, denn sie wirkte in allem, was sie tat, ein wenig unbeholfen. Auf dem Flughafen wäre sie auf der Suche nach einer Toilette beinahe in einem anderen Flieger gelandet, wenn Anne sie nicht zurück in den Ankunftsbereich gelotst hätte.

Das Küken ihrer Truppe war die 19-jährige Natascha. Sie hatte gerade ihr Abitur in einem anscheinend ultravornehmen Schweizer Internat hinter sich und wollte nun überlegen, wie es weitergehen sollte.

„Alle nennen mich Dascha“, flötete sie, während Anne sie bewundernd anschaute. Dascha war geradezu umwerfend schön. Ihre Beine, die in Jeans einer besonders teuren Marke steckten, waren so lang, dass sie wahrscheinlich für zwei Personen gereicht hätten. Dabei bewegte sich die 19-Jährige auf ihnen noch etwas staksig, fast wie ein junges Fohlen. Zudem war sie recht mager. Die hochgekrempelten Ärmel ihrer gelben Bluse entblößten dünne, zerbrechlich wirkende Ärmchen. Aber ihr Gesicht würde wahrscheinlich jeden Mann in Entzücken versetzen. Unter den langen blonden Haaren schauten große rauchblaue Augen hervor. Auch ihr Mund war ungewöhnlich groß, und wenn ihre perlweißen Zähne beim Lachen aufblitzten, schien ein breiter Sonnenstrahl den ganzen Bus zu erhellen. Dabei fragte sich Anne, ob sich Dascha ihrer Reize überhaupt bewusst war. Sie wirkte noch sehr kindlich. Wenn ihr etwas gefiel, klatschte sie vor Freude in die Hände, und sie konnte praktisch keinen Augenblick stillsitzen.

Sie waren also eine ziemlich gemischte Truppe. Die älteste von ihnen hieß Nicole, eine 31-jährige Verkäuferin. Außerdem gehörten die Lehrerin Miriam, die angehende Zollbeamtin Julia, die Bibliothekarin Larissa, die Floristin Natalie und die beiden Arzthelferinnen Beatrice und Sarah dazu. Aber so unterschiedlich sie auch waren – Anne hatte trotzdem das Gefühl, dass sie erstaunlicherweise alle auf einer Wellenlänge lagen. Es würde eine schöne Zeit werden.

Allmählich aber wurde es still im Bus. Vielleicht lag es an der Landschaft, die links und rechts am Fenster vorbeiglitt. Dörfer oder auch nur einzelne Bauernhöfe kamen kaum mehr in Sicht. Die Täler, Hügel und Berge ringsherum waren dicht bewaldet. Anne schien es bald, als könne man in diesem Meer von Baumkronen regelrecht ertrinken.

„Ganz schön einsam hier“, hatte sie irgendwann in Richtung Fahrer angemerkt.

„Is‘ der Räuberwald. Wird so genannt, weil früher die Banditen hier untertauchten. Gibt sogar Wölfe und Bären. Die schleichen aus den Karpaten rüber“, lautete die Antwort und Anne fragte sich unbehaglich, ob Mister Cro-Magnon das wirklich ernst meinte oder ob er sich nur über sie lustig machte.

Dann kam es sogar noch schlimmer. Der Fahrer steuerte seinen Wagen auf einen Parkplatz. Dort erklärte er, wie sie ja sicher im Prospekt gelesen hätten, würde es im Schloss und seiner Umgebung keinen Handy-Empfang geben. Die umliegenden Berge würden das verhindern. Wer also noch telefonieren müsse oder eine SMS schreiben wolle, hätte jetzt Gelegenheit. Ein Internetanschluss wäre im Schloss natürlich vorhanden.

Das Geschrei war trotzdem groß. Kaum einem der Mädchen war die besagte Zeile in der dicken Infobroschüre, die ihnen mit der Gewinnbestätigung zugesandt worden war, aufgefallen. Anne, die sich dunkel erinnerte, etwas Derartiges gelesen zu haben, sandte ein paar SMS an eine Reihe von Freundinnen und ihre Mutter. Dann suchte sie, wie die meisten anderen Mädchen, noch einmal die Rastplatz-Toilette auf und weiter ging’s, bis sie wenig später auf den Hof des Verwaltungsgebäudes rollten.

Das Gepäck, sagte der Fahrer, könne im Auto bleiben. Die Mädchen geleitete er zum Einchecken ins Gebäude. Froh, die lange Fahrt hinter sich zu haben, eilten sie hinein. Der Eingangsbereich war riesig, todschick und sehr funktionell. Viel Glas, viel Chrom, viel Holz.

Ein elegant geschwungener Tresen aus poliertem Holz in der Mitte des Raumes schien wohl die Rezeption zu sein. Die junge Frau dahinter lächelte ihnen freundlich entgegen und erklärte, dass die Gäste nicht bei ihr einchecken würden. Hier laufe das alles etwas anders ab. Man werde sich jetzt einzeln mit ihnen unterhalten, um genau auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können. Der Fahrer, Herr Rockenbach, würde sie zu den jeweiligen Partnern für das Begrüßungsgespräch bringen. Ein bisschen verwirrt schauten sich die Mädchen an.

„Nur eine Formalität. Wir möchten ja, dass sie sich bei uns wohl fühlen“, erklärte die Empfangsdame und so führte ihr Fahrer sie in den ersten Stock des Gebäudes. Sie kamen in einen langen und breiten Korridor. Rechts und links gingen Türen ab. Vor jeder bat der Fahrer eines der Mädchen einzutreten. Er tat dies so selbstverständlich, dass niemand auf den Gedanken kam, sich darüber zu wundern. Am Ende blieb nur noch Anne übrig, die sich nach wenigen Schritten vor der letzten Tür des Flures wiederfand. „Dr. Ben Abner“, las sie auf dem Schild rechts daneben. Sie wollte schon die Klinke runterdrücken, als sie plötzlich merkte, wie der Fahrer sie anstarrte. Diesmal trug er seinen Zuhälterblick ganz offen zur Schau. Sie fühlte sich von seinen Augen betatscht, als wären es seine behaarten Hände. Zu überrascht, um etwas zu sagen, schaute sie ihn so verächtlich an, wie sie nur konnte, und rauschte schwungvoll durch die Tür.

„Hoppla, junge Dame, sie haben es aber eilig.“

Immer noch wütend funkelte Anne den Mann, der hinter einem Schreibtisch saß, zornig an. Dann musste sie lachen, denn ihr Gegenüber tat so, als wäre er furchtbar erschrocken, und das wirkte bei dem älteren Herrn sehr komisch. Kurz überlegte sie, ob sie sich über den Fahrer – Rockenbach hieß er ja wohl – beschweren sollte. Aber was sollte sie sagen? Dass er sie unverschämt angeschaut hatte? Das war lächerlich.

Der Mann wies auf einem Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Anne setzte sich und schaute sich neugierig um. Das Büro wirkte auf altmodische Art vornehm, sogar luxuriös. Die Möbel waren aus massivem, dunklem Holz und mit dunkelgrünem oder rotem Leder gepolstert. Ein schwerer, würziger Geruch hing in der Luft. Anne glaubte, dass er vom Rauch einer Pfeife oder Zigarre stammte. Sie fand ihn nicht unangenehm. Und sie mochte dieses Zimmer, das so gar nicht zum Stil des übrigen Gebäudes passen wollte.

„Nicht wahr, dass hier wirkt nicht gerade wie ein modernes Büro. Aber alles, was man braucht, ist schließlich hier drin.“ Der Mann deutete auf den Laptop auf seinem Schreibtisch. „Die Dinger sind heutzutage so leicht zu handhaben, dass sich sogar ein alter Herr wie ich damit anfreunden kann. Aber wie unhöflich von mir, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Dr. Ben Abner und soll sie hier willkommen heißen.“

Anne schätzte ihr Gegenüber auf Ende fünfzig. Seine umständliche Art erinnerte sie an manche der Professoren ihrer Universität. Tatsächlich trug er über seinem schwarzen Hemd sogar ein Cord-Jackett mit aufgenähten Lederstücken an den Ellenbogen.

Direkt vor ihm auf dem Schreibtisch lag ein weißes leeres Blatt Papier, daneben ein Füllfederhalter. Links war der Laptop. Rechts in Abners Griffweite hatte er eine faustgroße silberne Glocke auf dem Schreibtisch abgestellt. Der ungewöhnliche Gegenstand fesselte ihre Aufmerksamkeit. Soweit Anne sehen konnte, war er rundherum mit einem Relief aneinandergereihter Figuren geschmückt und irgendwie irritierte sie das Treiben dieser Silberfigürchen. Konnte es etwa sein, dass Sexpraktiken dargestellt waren? Aber das war ja absurd.

„Eine exquisite Arbeit, nicht war“, hörte sie Dr. Abner sagen. „Ihren Klang werden sie später noch kennenlernen. Ein guter Freund, ein Mitglied des marokkanischen Königshauses hat sie mir kürzlich geschenkt. Sein Leibschmied hat sie gefertigt. Drei Stück sind es insgesamt. Das zweite steht auf dem Schreibtisch meines Büros im Schloss. Die dritte ist viel kleiner, trägt aber den gleichen Figurenreigen. Ich weiß noch nicht so recht, was ich mit ihr anfangen soll. Obwohl…“

Einen Augenblick spürte sie seine Augen auf ihrem Gesicht ruhen. Dann schüttelte er leicht den Kopf, als wollte er einen etwas abwegigen Gedanken vertreiben.

„Nun erst einmal zu ihnen“, erklärte er lächelnd.

Anne stellte fest, dass sie Abner trotz seines Alters durchaus anziehend fand. In jungen Jahren mochte er auf eher langweilige Art gutaussehend gewesen sein. Jetzt war er es auf interessante Art. Lebenserfahrung und sicherlich auch einige Schicksalsschläge hatten markante Falten um Mund und Augen hinterlassen. Seine hellblauen Augen blickten extrem wach. Wie Suchscheinwerfer, die einen nächtlichen Himmel absuchten, dachte sie. Unheimlich war, dass er stets genau zu wissen schien, was sie gerade dachte.

„Oh, ich bin von Haus aus Psychologe. Das ist auch einer der Gründe, warum ich hier jetzt sitze.“, sagte er immer noch lächelnd und einmal mehr beweisend, wie sehr er sie durchschauen konnte. Anne registrierte es mit einer Mischung aus Unbehagen und einem seltsam positiven Gefühl. Irgendwie tat es gut, so verstanden zu werden.

„Haben sie sich eigentlich nicht über die Fragen unseres Tests gewundert?“, wollte er jetzt wissen.

„Wie meinen sie das?“, fragte Anne perplex.

„Nun ja, wir haben sie zum Beispiel gefragt, ob sie Gewalt- und Unterwerfungsphantasien haben, wenn sie masturbieren.“

Anne erstarrte.

„Wir wollten wissen, ob sie sich gerne Vergewaltigungsszenen in Filmen anschauen.“

„Ich weiß nicht, was…“, stammelte sie. Jetzt war nur noch reines Unbehagen da.

„Sie wissen sogar recht viel.“ Abner plauderte ungerührt weiter und warf dabei hin und wieder einen Blick auf den Bildschirm seines Laptops. „Sie konnten im Test sogar die Bezeichnung 24/7 erklären, also eine dauerhafte Rund-um-die-Uhr-Herr-Sklave-Beziehung. Das wissen nicht einmal zwei Prozent aller Mädchen, die wir befragen.“

Die Suchscheinwerfer glitten wieder in ihre Richtung. Hastig presste sie ihre Beine zusammen und zog den Saum ihres Rockes so weit wie möglich über die Oberschenkel. Was für eine dumme Kuh sie war, ihren knappsten Rock als Reisedress anzuziehen, nur weil er so gut zur graublauen Strick-Strumpfhose passte.

„Dein Rock harmoniert ausgezeichnet mit der Strumpfhose. Eine gute Wahl.“ Wieder dieses feine Lächeln. Wieder dieses unheimliche Gedankenleser-Kunststück. Und seit wann, war er zum Du übergangen?

Abner fuhr fort: „Nun, ich will es kurz machen. Uns geht es nicht um ein dummes Parfüm. Wir haben mit unserem Fragebogen, den übrigens ein großartiger Psychologe namens Friedrich Magnus entwickelt hat. Ich durfte mich zu seinen Schülern zählen, wenn du mir diese Abschweifung erlaubst…“

Er begann den Satz von neuem. Ganz der zerstreute Professor, der den Faden verloren hatte. Nur das er dabei über Ungeheuerliches plauderte: „Wir haben mit diesem Fragebogen deine sexuelle Präferenz ausgelotet. Und ich darf dich beglückwünschen. Du bist überaus stark masochistisch und devot veranlagt. In unserem Sprachgebrauch bist du eine Beta, im Gegensatz zu den Alphas. Damit bezeichnen wir eher dominante Machtmenschen. Die einen möchten die Peitsche spüren, die anderen sie schwingen, wenn du diese saloppe Ausdrucksweise erlaubst. Alphas und Betas sind wie Schraube und Mutter, wie Schloss und Schlüssel. Da hat uns die Natur eine ganz wunderbare und kluge Einrichtung beschert, nicht wahr?“

Anne spürte, wie ihr Mund auf und zu klappte, aber es wollten einfach keine Worte hinauskommen.

„Und genau deswegen bist du hier. Wir schummeln nämlich ein bisschen bei den Gewinnern. Eingeladen werden nur die Personen, die sich beim Test als mindestens achtzigprozentig veranlagt erweisen. Du bist es zu 96 Prozent. Eines, der höchsten Ergebnisse, dass wir jemals hatten. Außerdem sagt der Test, dass du einen gewaltigen Sexualtrieb hast. Wusstest du das?“

Er erwartete offensichtlich keine Antwort, sondern fuhr fort: „Eine ausgeprägte Libido ist nämlich auch eine Voraussetzung für eine Einladungen von unserer Seite.“

„Sie sind ja verrückt“, brachte Anne endlich hervor. „Ich werde jetzt aufstehen und gehen.“

„Oh bitte, gib mir noch eine Minute Zeit. Es geht auch um dein Wohlergehen.“

Anne kam halb von ihrem Stuhl hoch. Abners nächster Satz ließ sie wieder zurücksinken: „Ich weiß, dass du unglücklich bist. Mit 12, 13 oder 14 Jahren fing es an, dieses Gefühl, auf der Suche nach etwas zu sein, ohne zu wissen wonach eigentlich. So vieles hast du angefangen und nicht zu Ende gebracht. Ja, du bist wankelmütig, unbeständig und launenhaft, aber nur weil du dir sicher bist, dass da noch etwas sein muss. Etwas, dass sich einfach nur richtig anfühlt.“

„Und das wäre?“ Anne versuchte ein ironisches Grinsen, spürte aber, dass sie nur eine klägliche Grimasse hinbekam. Abner hatte es geschafft, sie in größtmögliche Verwirrung zu stürzen.

Er sprach weiter: „Nun kommen wir ins Spiel. Wir geben dir jetzt für vier Wochen die Gelegenheit, etwas auszuprobieren. Du bist ein Mensch, der sich nach strengen Regeln und Ritualen sehnt. Du möchtest dienen und demütig sein, Schmerz und Strafe erfahren. Und du hast vollkommen recht damit. Es wird dir Lust bereiten, wie du sie noch nie zuvor kennengelernt hast. Sogar mehr als das. Es wird dich glücklich machen.“

In Anne bäumte sich alles auf. „Ich mache mich doch nicht zum Spielball ihrer perversen Gelüste. Ich…, ich bin eine moderne Frau. Ich lass mich nicht zur Sexsklavin machen“, fauchte sie. Jetzt war sie richtig wütend. Auch über sich selbst. Sie hätte das Gespräch längst beenden müssen, und hatte sich dennoch nicht vom Fleck gerührt.

Mit unerschütterlicher Gelassenheit redete Abner weiter: „Weißt du was, jetzt ist es Zeit für unser Glöckchen. Ich glaube, dass wird dir die Entscheidung erleichtern.“

Er griff nach dem Gegenstand. Ein überraschend lauter silbrig-heller Ton erklang. Auf der anderen Seite des Zimmers öffnete sich eine Tür. Mit lächerlich kurzen Schritten trippelte ein Geschöpf herein, das geradewegs den erregten Träumen einer dunklen Nacht entsprungen schien. Anne war abgestoßen, hingerissen, fasziniert und entsetzt. Um nichts in der Welt hätte sie ihren Blick abwenden können.

Es war eine junge Frau. Anne schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie trug eine Art Dienstmädchenkleidung. Ein Hauch von einem schwarzen Kleid bedeckte ihren Körper, ließ aber die Brüste frei, ja drückte sie auf geradezu herausfordernde Weise nach vorne. Unten reichte das Kleidungsstück gerade einmal knapp bis über die breiteste Stelle ihren Hüften. Den Schoß bedeckte ein rüschenbesetztes blütenweißes Schürzchen. Die Beine steckten in weißen Strapsen, die Füße in flachen Lackschuhen. Darüber verband ein dünnes silbriges Kettchen ihre beiden Fußknöchel. Das Mädchen hielt seinen Kopf, auf dem ein weißes Häubchen die Dienstmädchentracht vervollständigte, demütig gesenkt und bewegt sich auf Abner zu. Die winzigen Schritte, zu denen es gezwungen war, ließen es aufreizend langsam vorankommen.

Das Mädchen war mollig, hatte breite Hüften und große Brüste, die das Mieder des Kleides in ihrer ganzen Fülle nach vorne drückte. Annes Blick schien ihr sehr bewusst, denn eine leichte Röte begann ihr Gesicht zu überziehen und sie schaute immer verschämter zu Boden. Dabei hatte ihre Zurschaustellung noch längst nicht ihren Höhepunkt erreicht. Denn als sie endlich vor Abner stand, vollführte sie einen etwas unbeholfenen Knicks. Mit Daumen und Zeigefinger lüftete sie dabei ihre Schürze so weit nach oben, dass sie deutlich sichtbar ihre unbedeckte und rasierte Scham präsentierte.

„Herr Dr. Abner haben geläutet“, hauchte sie nun mit knallrotem Kopf.

Abner nahm sich jetzt Zeit. Seine Augen wanderten zwischen dem Mädchen und Anne hin und her.

„Platz“, befahl er und schon kniete das Mädchen folgsam wie ein Hund vor ihm auf den Boden nieder.

„Steh“, lautet sein nächster Befehl. Das Mädchen sprang eilig auf und ging in eine Art Habachtstellung. Die Arme nahm sie nach hinten. Die Hände legte sie oberhalb des Pos übereinander. Gleichzeitig bog sie ihre Wirbelsäule nach vorne, so dass die Brüste noch stärker hervortraten und ihr Po nach hinten herausgedrückt wurde.

Mit seinem Zeigefinger machte Abner nun eine kreisende Bewegung und schon drehte sich die junge Frau langsam um ihre Achse, ohne dabei ihre aufreizende Haltung aufzugeben. Als sie Anne dabei den Rücken zukehrte, wurden auf ihren Hinterbacken mehrere dunkelrosa Striemen erkennbar.

„Sie haben sie ja geschlagen“, hörte sich Anne, wie aus weiter Ferne sagen. Sie war wie in Trance.

„Sag uns, warum du bestraft wurdest“, forderte Abner das Mädchen auf.

„Ich habe beim Essen auftragen genascht“, antwortete es.

Abner lachte. „Unsere kleine Jennifer ist ein wenig hungrig, weil wir sie auf Diät gesetzt haben. Du siehst ja selbst, dass sie Magerkost ganz schön nötig hat. Dabei hat sie schon ordentlich abgespeckt, seit sie hier ist. Sag uns, woher du kommst und was du machst?“

„Ich bin Kosmetikerin und wohne in Frankfurt“, hauchte das Mädchen.

„Ist sie nicht entzückend? Sie ist jetzt seit vier Wochen bei uns, und ich habe einen richtigen Narren an ihr gefressen. Ich liebe einfach dieses prächtige Hinterteil. Ich glaube, es ist der größte Arsch, der bei uns derzeit herumläuft“

Abner ließ seine Hand auf ihren Po gleiten und begann ihn sanft zu streicheln. Anne sah, wie das Mädchen ihm ihre Backen noch weiter entgegenreckte als es ihre Habachtstellung ohnehin vorsah. Mit halb geschlossenen Augen und halb geöffneten Lippe schien es Abners Zuwendung zu genießen, trotz seiner derben Ausdrucksweise.

Ohne seine Liebkosung zu unterbrechen, wandte sich Abner wieder Anne zu, die mit großen Augen auf die Szene vor ihr starrte: „Du siehst, wir haben sozusagen eine recht sexualisierende Umgebung hier. Die Mädchen sind furchtbar liebesbedürftig. Sie haben aber auch so viel nachzuholen. Jetzt will ich dir aber etwas über unsere Organisation Magnus erzählen. Sie ist übrigens sehr groß, und erstreckt sich nahezu über den ganzen Erdball. Das Schloss hier ist eine von unseren 22 Einrichtungen in Europa und von 136 auf der ganzen Welt. Magnus heißt die Organisation nach ihrem Gründer Friedrich Magnus, ich erwähnte ihn ja bereits. Nun, unsere Organisation hat es sich zum Ziel gemacht, …“

Anne konnte unmöglich zuhören, denn Abners Hand war unterdessen zwischen die Schenkel des Mädchens gewandert, was dieses mit einem leisen Aufstöhnen beantwortete. Erstmals wagte sie, Anne mit einem vor Erregung verschleierten Blick anzuschauen. Sie hatte blaue Augen, die jetzt vor Lust geradezu überflossen. Ihr Atem ging stoßweise. Immer wieder stieß sie kleine Seufzer aus. Einmal hielt Abner inne und ließ seine Hand ein wenig ihre Schenkel herabgleiten. Da ging das Mädchen selbst in die Knie, um mit ihren Schoß nach seinen Fingern zu suchen. Die erneute Berührung brachte sie noch einmal zum aufstöhnen.

Plötzlich aber nahm Abner seine Hand weg. „Platz“, kommandierte er kurz. Schon kniete das Mädchen heftig keuchend vor ihm, und Anne wurde mit einem Mal bewusst, wie erregt sie selbst war. Auch ihr Atem hatte sich beschleunigt. Ihre Schenkel waren nicht mehr zusammengepresst, sondern leicht geöffnet und ihre rechte Hand hatte sich auf ihren Oberschenkel in verdächtige Nähe zu ihren Schoß geschoben.

„Nun?“, Abners kurze Frage hing schwer in der Luft.

Anne fühlte sich wie ein kleines Tier, dass man in die Enge getrieben hatte. Ein kleines Kaninchen, das nicht wusste, ob man es streicheln oder schlachten würde.

„Woher weiß ich, dass mir nichts passieren wird?“. hörte sie sich sagen. Ihre Stimme klang etwas schrill.

„Oh, ich kann dir versichern, dass dir jede Menge zustoßen wird und zwar Dinge, von denen du jetzt noch nicht einmal zu träumen wagst. Aber du meinst, ob du verletzt wirst oder gar ernsthaften Schaden nehmen könntest? Da kann ich dich beruhigen. Wir wissen deine Veranlagung zu schätzen. Du bist uns sehr kostbar.“

Abner setzte wieder sein feines Lächeln auf: „Wenn du es so willst, ist es ein Abenteuerurlaub für Pauschaltouristen. Einhundertprozentige Sicherheit inklusive. Ein Disneyland für deine erregendsten Phantasien.“

Er griff jetzt nach dem Blatt Papier auf dem Schreibtisch. Als er es umdrehte, sah sie, dass ein kurzer, förmlich aussehender Text darauf stand. Darunter war Platz für eine Unterschrift.

„Wenn du den Vertrag unterschreibst, wirst du gleich im Anschluss gründlich medizinisch untersucht, damit nichts geschieht, was deiner Gesundheit abträglich sein könnte. Ich kann dir jetzt schon sagen, dass du nach den vier Wochen sehr viel fitter und besser in Form sein wirst als jetzt.“

Abner lehnt sich gemächlich in seinem Stuhl zurück. „Wie wagemutig bist du also, Anne?“

Er hatte langsam gesprochen und jedes einzelne Wort betont. In der darauffolgenden Stille schien es ihr, als ob die Worte immer noch herausfordernd um sie herum tanzten. Vorsichtig und mit spitzen Fingern angelte sie sich das Dokument von der Tischplatte. Sie las:

 

Hiermit bestätige ich, dass ich mich für die Dauer von vier Wochen in die Obhut der Organisation Magnus begebe. Der Magnus-Test (durchgeführt am 24. April 2012) hat mich als stark masochistisch und devot veranlagt ausgewiesen (Beta). Meiner Veranlagung entsprechend, werde ich in dem unten angegebenen Zeitraum als Magnus-Zögling behandelt und zu einer Magnus-Zofe erzogen. Das bedeutet:

1) Ich werde lernen, den neun Zofen-Kommandos zu folgen.

2) Ich werde lernen, den zehn Benimm-Regeln zu folgen.

3) Ich werde den aktiven Mitgliedern der Organisation Magnus (Alphas) in allen Belangen zu Diensten sein.

4) Ich werde bestraft werden, wenn man es für richtig hält.

Diese Vereinbarung gilt vom 8. 08. 11.30 Uhr bis zum 8. 09. 2012 11.30 Uhr.

 

 

Gezeichnet Anne Ludwig

„Das Ganze ist vollkommen idiotisch“, erklärte sie. Aber ihre Stimme klang dabei so matt, dass sowohl Anne als sicherlich auch Abner klar war, dass sie nur noch ein schwaches Rückzugsgefecht führte.

„So, dann horche doch noch einmal in dich hinein“, antwortete Abner ruhig.

Aber das musste sie nicht. Sie wusste, was sie dort wahrnehmen würde, und da griff sie zu dem schweren Füllfederhalter. „Anne Ludwig“, setzt sie unter das Dokument und war erstaunt, wie wenig ihre Hand dabei zitterte.

„Bravo, kleine Anne“, Abners Stimme war jetzt seidenweich. „Falls Du übrigens denken solltest, deine Unterschrift sei unter einem derartigen Vertrag nicht rechtsgültig, kann ich dich beruhigen. In Deutschland wäre es so. Aber hier in diesem schönen Lande gilt eine Unterschrift noch etwas. Vor allem da wir sehr enge Beziehungen zum Präsidenten pflegen. Er ist ein häufiger Gast im Schloss. Vielleicht wirst Du ihn sogar kennenlernen. Sein Ego ist genauso gewaltig wie sein Schwanz. Gut möglich, dass du sowohl das eine als auch das anderen bauchpinseln wirst.“

Er lachte meckernd wie eine Ziege und griff nun zum zweiten Mal nach dem Glöckchen. Wieder klang es silbrig hell durch den Raum. Wieder ging die Tür auf. Diesmal allerdings explodierte sie geradezu. Zwei Frauen in normaler Krankenschwesterntracht stürmten herein und steuerten auf Anne zu. Ungeheuer massig und kräftig waren sie. Wie die Kugelstoßerinnen, die Anne manchmal mit wohligem Grusel in Leichtathletiksendungen des Fernsehens bestaunt hatte, sahen sie aus.

„Hat sich ja ganz schön geziert die Kleine, was?“, schmetterte die eine in Richtung Abner. Ihre Stimme klang tief wie bei einem Mann. „Wir haben uns fast die Beine in den Bauch gestanden, aber der werden wir das zickige Getue gründlich austreiben.“

Dann waren sie heran. Anne wurde bei den Armen gepackt und vom Stuhl hochgerissen. Während die eine sie mit ihren Schraubstock-Händen fest im Griff hatte, machte sich die andere an ihrer Kleidung zu schaffen. Sie begann Anne auszuziehen! Schon glitt ihr Rock zu Boden und sie stand untenherum nur noch in Strumpfhosen da. Das geknöpfte Oberteil riss die Schwester – es war die mit der Männerstimme – mit einem kräftigen Ruck ihrer Hände einfach entzwei. Jetzt begann sich Anne zu sträuben. Sie versuchte sich loszureißen und wand sich hin und her, um den Griff der zweiten Schwester zu entkommen. Eine schallende Ohrfeige war die Antwort.

Der brennende Schmerz auf ihrer linken Wange und die Verblüffung zum ersten Mal, seit sie denken konnte, geschlagen worden zu sein, ließen sie erstarren. Tränen schossen ihr in die Augen. Wie durch einen Schleier sah sie, wie sich die Schwester an ihrem BH zu schaffen machte. Sekunden später hatte sie ihre Brüste entblößt. Grob wurden ihr jetzt die Hände auf den Rücken gezwungen und dort mit irgendetwas gefesselt, dass scharf in ihre Haut schnitt, sobald sie versuchte ihre Handgelenke zu bewegen. Schließlich wurde ihr die Strumpfhose mitsamt Slip heruntergezogen. Sie war nackt und schämte sich plötzlich sehr. Vor Verlegenheit schossen ihr noch mehr Tränen in die Augen. Verzweifelt schaute sie auf den Vertrag, der immer noch auf dem Tisch lag.

„Bitte, ich möchte das nicht. Ich möchte gehen“, brachte sie hervor. Ihre Augen huschten zu Abner. Der hatte sich sehr bequem in seinem Stuhl zurückgelehnt. Seine rechte Hand tätschelte inzwischen die Brüste des vor ihm knienden Mädchens in der Dienstmädchenuniform. Anne sah, dass sie ihm ihr Oberteil so eifrig entgegenreckte, wie sie es vorher mit ihren Po getan hatte. Zudem war ihre eigene rechte Hand unter ihrer Schürze verschwunden und schien dort ganze Arbeit zu leisten, denn das Mädchen schaute sie mit dem gleichen verklärten Blick an wie vorhin. Nein, etwas war anders, begriff Anne plötzlich. Abners leichtbekleidete Favoritin weidete sich offensichtlich an Annes misslicher Lage und ließ sich davon erregen. Irgendwie war diese Erkenntnis fast genauso demütigend wie die Behandlung durch die Krankenschwestern.

„Bitte, ich möchte gehen“, stammelte sie noch einmal. Abner musterte sie kühl. Alles an ihm strahlte jetzt Macht und Arroganz aus. Er hob seine Hand und schnippte mit den Fingern. Dann, als er die Aufmerksamkeit der beiden Schwestern hatte, erklärte er: „Die Kleine muss als erstes lernen, dass sie nicht ungefragt reden darf. Also stopft ihr den vorlauten Mund.“

Trotz ihrer massigen Statur, bewegten sich die Schwestern unglaublich flink. Eine hob Annes Slip vom Boden auf. Die andere hielt ihr mit zwei Fingern die Nase zu und als Anne nach Luft schnappte, wurde ihr das Stück Stoff in den Mund gestopft.

„Wenn du es ausspuckst, stopfen wir dir deine Strumpfhose ins Maul. Daran wirst du noch mehr zu knabbern haben“, kommentierte die Schwester mit der Männerstimme Annes reflexartige Bemühungen ihren Mund wieder freizubekommen. Anne unterdrückte einem Würgereflex und hielt den Mund weit offen, um so wenig wie möglich, mit dem Stoffknäuel in ihrem Rachen in Berührung zu kommen.

Unterdessen meldete sich auch die andere Schwester zu Wort. Sie hatte ein rundes, pausbäckiges Gesicht. Ihre braunen Haare trug sie in einer Frisur, die Anne unter anderen Umständen verächtlich als Hausfrauen-Dauerwellen-Look abgetan hätte. Jetzt strahlte die Pausbäckige förmlich vor Vergnügen. Mit unangenehm schriller Stimme wandte sie sich an Abner: „Für mich sieht sie ja aus wie ein Weihnachtskarpfen, Herr Doktor. Das aufgesperrte Mäulchen, die aufgerissenen Augen und wie ihr das eigene Höschen noch halb aus dem Mund schaut, einfach herrlich.“ Sie lachte gackernd und am lautesten über ihren eigenen Witz. „Soll sie jetzt untersucht werden, Herr Doktor?“, fragte sie dann.

„Ja, bringt sie zu den anderen in die Praxisräume“, antwortete Abner, und schon scheuchten die beiden ihre nackte Gefangene aus dem Raum. Mit lauten klatschenden Schlägen auf ihr Hiterteil wurde Anne durch einen langen Flur getrieben. Wie eine Puppe stolperte sie voran. Ein Teil ihres Bewusstseins hatte sich wie eine kleine Maus irgendwo in einer dunklen Ecke ihrer selbst zusammengekugelt, und sie hütete sich davor, an diesem gnädigen Zustand etwas ändern zu wollen.

Dann hatten sie ihr Ziel erreicht. Anne wurde in ein Behandlungszimmer geschoben. Stinknormal sah es aus. Die Praxis eines Hausarztes mit Schreibtisch, Liege, Medikamenten und medizinischen Fachbüchern in den Regalen. Auf dem Schreibtisch stand ein kleiner Kaktus. An der Wand hingen beschriftete Lehrtafeln. Eine zeigte eine weibliche Brust im Querschnitt.

Die Schwestern zerrten ihr das Höschen aus dem Mund und lösten ihre Fessel. Eine Ärztin erschien. Eine Sekunde lang erhoffte sich Anne von ihr Hilfe, dann sah sie den gelangweilten Blick der Frau und wusste, dass sie genauso gut den Kaktus um Rettung hätte anflehen können,

Die Ärztin mochte etwa 50 Jahre alt ein. Sie war schlank und klein, wirkte sehr gepflegt. Assistiert von der pausbäckigen Krankenschwester untersuchte sie Anne mit nahezu emotionsloser Sachlichkeit. Blut wurde abgenommen. Man machte ein EKG, maß ihren Blutdruck sowie ihr Gewicht und ihre Größe. Nur einmal ließ sich die Ärztin zu einer Bemerkung hinreißen. An die Pausbäckige gewandt meinte sie: „Wussten sie, Frau Schröter, dass dies schon das 160. Mädchen ist, bei dem wir in diesem Jahr die Eingangsuntersuchung durchführen. Erstaunlich, bei wie vielen Menschen der Magnus-Test positive Ergebnisse zeigt und es werden von Jahr zu Jahr mehr.“