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KAZUO INAMORI

DER KOMPASS FÜR DAS LEBEN

KAZUO INAMORI

DER KOMPASS FÜR DAS LEBEN

Mit Leidenschaft und Spiritualität zu einem Leben mit außerordentlichem Erfolg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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1. Auflage 2020

© 2020 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Originally published in Japan as IKIKATA by Sunmark Publishing, Inc., Tokyo, in 2004. Copyright © 2004 KYOCERA Corporation. German translation rights arranged with Sunmark Publishing, Inc. through InterRights, Inc., Tokyo, Japan, Gudovitz & Company Literary Agency, New York, USA and Thomas Schlück GmbH, Hannover, Germany.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Martin Bayer

Redaktion: Annett Stütze

Korrektorat: Matthias Höhne

Umschlaggestaltung: in Anlehnung an das Cover der japanischen Originalausgabe, Laura Osswald, München

Illustrationen Innenteil: Shutterstock/languste

Satz: Carsten Klein, Torgau

Druck: CPI books GmbH, Leck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-292-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-542-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-543-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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INHALT

EINFÜHRUNG ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

EINFÜHRUNG ZUR ENGLISCHEN AUSGABE AUS DEM JAHR 2009

PROLOG

Der Sinn des Lebens – neu bewertet in einem chaotischen Zeitalter

Der Sinn des Lebens ist die Verfeinerung der Seele

Einfache Prinzipien als unerschütterliche Leitlinien

Die Wahrheit des Lebens durch harte Arbeit erkennen

Ändern Sie Ihr Denken und verwandeln Sie Ihr Leben

Was wir denken, wird Wirklichkeit: das Gesetz des Universums

Ein unerschöpflicher Schatz der Weisheit

Üben Sie ständige Selbstdisziplin, um dem Königsweg zu folgen

DER KOMPASS FÜR DAS LEBEN

Kapitel 1: Unsere Wünsche verwirklichen

Man bekommt nur das, worum man bittet

Sie müssen sich Tag und Nacht leidenschaftlich auf Ihr Ziel konzentrieren

Stellen Sie sich die Verwirklichung Ihrer Ziele in Farbe und 3-D vor

Träume werden wahr, wenn man sich jede Einzelheit vorstellt

Erfolg erfordert Sorgfalt in Bemühen und Vorbereitung

Aus Krankheiten lernen

Das Schicksal hängt von der Einstellung ab

Wenn man nie aufgibt, ist der Erfolg garantiert

Wiederholtes Bemühen macht das Gewöhnliche außergewöhnlich

Tägliche Innovationen bewirken dramatische Fortschritte

Auf die Stimme Gottes hören

Freiwillig immerwährend aufmerksam

Ehrgeizige Träume führen zum Erfolg im Leben

Kapitel 2: In Wahrheiten und Prinzipien denken

Einfache Wahrheiten und Prinzipien sind die besten

Eine Lebensphilosophie als Richtschnur

Stehen Sie zu Ihren Prinzipien, ohne auf Trends zu achten

Wissen allein genügt nicht: Lebe nach deiner Philosophie

Der Vektor der Einstellung bestimmt die Richtung des Lebens

Die Produktion des Dramas namens Leben

Ohne Fleiß kein Preis

Ernsthaft im gegenwärtigen Augenblick leben

Sich selbst entflammen, indem man lernt, seine Arbeit zu lieben

Selbstüberwindung, um das Leben zu verändern

Komplexe Probleme entwirren, um klar zu sehen

Einfaches Denken selbst in internationalen Problemen und Konflikten

Vernunft ist wichtiger als die übliche Praxis bei internationalen Verhandlungen

Kapitel 3: Den Geist erheben und verfeinern

In Leitungspositionen ist Tugend wichtiger als Talent

Tägliches Nachdenken und Charakterverfeinerung üben

Sechs shojin zur Verfeinerung der Seele

Dankbarkeit vom verborgenen Buddha lernen

Bereit sein, in jeder Lage Anerkennung auszudrücken

Offener Geist und freudiges Herz

Eine buddhistische Fabel über menschliche Gier

Sich von den Drei Giften lösen

Das Schwert der Rechtschaffenheit führt zum Erfolg

Arbeit bringt die meiste Freude

Die Sechs Vollkommenheiten

Durch tägliche Arbeit das Bewusstsein verfeinern

Die Bedeutung der Arbeit; durch Fleiß seinen Stolz zurückgewinnen

Kapitel 4: In einer Haltung selbstlosen Dienens leben

Begegnung mit dem Mitgefühl

Ihre Einstellung kann die Hölle in ein Paradies verwandeln

Anderen zu nützen ist der Anfangspunkt des Geschäfts

Selbstlosigkeit erweitert den Blickwinkel

Selbstlosigkeit als Motiv zur Firmengründung

Bereit sein, um anderer willen Verluste hinzunehmen

Unternehmensprofite sind ein Treuhandvermögen, das man zum Nutzen der Gesellschaft einsetzen sollte

Das Land braucht eine auf Tugend gegründete Politik

Haben wir grundlegende Tugenden vergessen?

Die Erziehung muss zur moralischen Charakterbildung werden

Aus Fehlern der Vergangenheit lernen; ein neues Japan aufbauen

Zufriedenheit aus den Naturgesetzen lernen

Wenn die Menschheit erwacht, wird eine Zivilisation der Selbstlosigkeit erblühen

Kapitel 5: Sich auf den Fluss des Universums einstellen

Zwei unsichtbare Mächte, die unser Leben beherrschen

Das Gesetz von Ursache und Wirkung verstehen und sein Schicksal verändern

Ursache und Wirkung gleichen einander aus

Das Universum fördert unaufhörlich das Wachstum aller Dinge

Eine große Kraft haucht allen Dingen Leben ein

Die Entscheidung, buddhistischer Priester zu werden

Unvollkommenheit ist normal; das Bemühen zählt

Die Schönheit des wahren Ich

Wenn das Schicksal zuschlägt, freue man sich, denn das Karma ist ausgelöscht

Anstatt Erleuchtung zu suchen, setzt man Vernunft und Bewusstsein ein, um den Geist zu verfeinern

Selbst das kleinste Ding spielt eine Rolle

Dem Ideal nachzueifern führt in eine strahlende Zukunft

NACHWORT

ÜBER DEN AUTOR

EINFÜHRUNG ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

Seit der Veröffentlichung von Erfolg aus Leidenschaft im Jahr 1996 ist dies nun das zweite meiner Bücher, das in Deutschland auf den Markt kommt. Allerdings sind die Beziehungen zwischen Kyocera, der Firma, die ich damals ohne einen Pfennig gründete, und die sich bis heute zu einem Umsatz von 1,6 Billionen entwickelt hat, und Deutschland sehr viel tiefer als man meinen könnte.

1971 gründete Kyocera mit dem großen deutschen Papierhersteller Feldmühle ein Joint Venture. Das Ziel war, durch die Kombination der Technologien beider Firmen nicht nur Keramik für die Elektronikindustrie, sondern auch Keramik für die Papier- und die Elektrikindustrie für den europäischen Markt zu entwickeln. Dieses Joint Venture hat während der Entwicklungszeit als Geschäftsstützpunkt in Europa einen großen Beitrag geleistet.

1984 begannen wir vom deutschen Silikonhersteller Wacker Chemie Technologien einzuführen und polykristalline Silizium-wafer selbst herzustellen. Dies trug zur stärkeren Verbreitung der Solarzellen bei und führte dazu, dass Kyocera lange Zeit Weltmarktführer auf diesem Gebiet war.

1988 wurde, durch die Aufteilung der Welt in vier Wirtschaftsblöcke, für den europäischen Markt die Europazentrale als Dachgesellschaft in Düsseldorf eingerichtet. Diese Dachgesellschaft übernahm die Funktion der Hauptniederlassung in Europa und trug viel dazu bei, dass Kyocera entsprechend der Gegebenheiten vor Ort schneller Entscheidungen treffen und sich als Global Player positionieren konnte.

So spielte Deutschland in der Entwicklung von Kyocera eine sehr große Rolle und dafür bin ich von tiefstem Herzen dankbar. Doch meine Gefühle für Deutschland beschränken sich nicht nur darauf.

Ich bin ursprünglich Ingenieur, der dann ins Management wechselte, und als solcher habe ich schon immer die kreativen und hochentwickelten Technologien, sowie die Anzahl der qualitativ hochwertigen Produkte bewundert. Gleichzeitig verehre ich die Haltung der Deutschen dem Leben gegenüber sehr.

Wie in dem Ausdruck »der Teufel steckt im Detail« so gut beschrieben wird, haben sich die konzentrierte Arbeitsweise und die aufrichtige Lebensweise der Deutschen im Laufe der langen Geschichte herausgebildet und führten meiner Ansicht nach zu dem Ergebnis von hoch entwickelten Technologien und qualitativ hochwertigen Produkten. Mit anderen Worten, spiegeln diese nichts anderes wider, als sich reinen Herzens ihrer Arbeit widmende Menschen.

In diesem nun zum ersten Mal in Deutschland erscheinenden Buch Der Kompass für das Leben habe ich deutlich meine Ansichten, wie Menschen wohl leben sollten, dargelegt. Ich begreife das Leben als eine Zeit, in der wir unsere eigene Seele polieren, mittels täglichem Rückblick den Geist schärfen, und niemals aufhören sollten, andere zu unterstützen. Und genau dies ist mein Menschenbild, das ich hier detailliert beschrieben habe.

Ich schätze mich glücklich, dass dieses Buch Der Kompass für das Leben seit seinem Erscheinen in Japan im Jahr 2004 immer wieder aufgelegt wurde und bis heute allein in Japan mehr als 1,3 Millionen Exemplare verkauft wurden. Es wurde in 15 Sprachen übersetzt und weltweit weit mehr als 5 Millionen Mal verkauft, hauptsächlich in der Ausgabe in Chinesisch in vereinfachten Zeichen.

Dass nun auch die Deutschen, die bereits ein rechtschaffenes Leben führen, dieses Buch lesen können, erfüllt mich mit größter Freude. Ich hoffe, dass es möglichst viele Menschen erreichen möge, um ein bisschen dazu beizutragen, ein noch reichhaltigeres, noch glücklicheres Leben zu verwirklichen.

6. August 2019

Kazuo Inamori

Ehrenpräsident von Kyocera

EINFÜHRUNG ZUR ENGLISCHEN AUSGABE AUS DEM JAHR 2009

Ich freue mich, dass Der Kompass für das Leben jetzt auch auf Englisch herauskommt. Dieses Buch erkundet, wie man als Mensch denken und leben sollte. Ich hoffe ernsthaft, dass die darin formulierte Philosophie die Schranken von Völkern, Sprachen, Kulturen und Religionen überwinden kann und sich auf einer universellen Ebene mitteilt.

Die japanische Fassung des vorliegenden Buchs ist seit ihrer Veröffentlichung mit über 600 000 verkauften Exemplaren zum Bestseller geworden. Auch in China, Taiwan und Korea sowie in Russland und Litauen ist das Buch herausgekommen. Spanische und portugiesische Fassungen sind in Arbeit. Die Briefe, in denen Leser aus anderen Ländern mir ihre Zustimmung zu meiner Philosophie ausdrücken, sind ein klares Anzeichen dafür, dass die hier vorgetragene Sichtweise auch für andere Kulturen, nicht nur für Japan, relevant ist.

Ich habe das große Glück gehabt, zwei erfolgreiche Firmen zu gründen – Kyocera und KDDI –, die beide unter den Fortune 500 gelistet sind. Während der sieben Jahrzehnte meines Lebens bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass der menschliche Geist nicht nur das Leben des Einzelnen verändern, sondern auch weitgehende und signifikante Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann.

Meiner Meinung nach werden die gegenwärtigen Probleme der Menschheit, etwa Umweltzerstörung, Terrorismus und internationale Konflikte, durch böse Gedanken verursacht, die der einzelne Mensch in seinem Geist hegt. Mit bösen Gedanken meine ich die selbstsüchtige, schrankenlose Gier, die als Triebkraft hinter dem beunruhigenden Irrweg steht, den die heutige Zivilisation eingeschlagen hat.

Diese moderne Zivilisation hat sich nach dem Beginn der industriellen Revolution vor etwa 250 Jahren rasch entwickelt. Sie entstand zwar teilweise durch den Forscherdrang des Menschen und seine Suche nach der Wahrheit, wurde aber durch unersättliche Gier und Egoismus getrieben: das Streben des Menschen nach Reichtum. Angetrieben von ihrer Gier, meisterte die Menschheit Weisheit und fortgeschrittene wissenschaftliche Technik und entwickelte die Wirtschaft weiter. Jetzt stehen wir den Folgen dieses Dranges nach Überfluss gegenüber: Umweltzerstörung, erschöpfte Energiequellen, Terrorismus und Kriege.

Trotz dieser negativen Auswirkungen ihres Handelns streben die Menschen nach immer mehr Reichtum und verbringen ihr Leben im verzweifelten Bemühen um die Erfüllung all ihrer Triebe und Wünsche. Können wir so weitermachen? Ich glaube nicht. Wenn die Menschheit überleben soll, müssen wir den menschlichen Geist verändern, die Triebkraft der Zivilisation, und eine andere Einstellung als Grundlage unserer Lebensweise finden.

Die Finanzkrise, die 2008 durch den Kollaps von Subprime- Krediten in den USA ausgelöst wurde, breitete sich über die gesamte Welt aus. Die Finanzmärkte stürzten ins Chaos, und das hatte ernsthafte Auswirkungen für die gesamte Weltwirtschaft. Die unmittelbare Ursache bestand zwar in schwerem Missmanagement von Finanzderivatprodukten, aber die zugrunde liegende Ursache war der rücksichtslose Drang des Kapitalismus nach Profitmaximierung – nach der Befriedigung der Gier also. In diesem Sinn ist die gegenwärtige Finanzkrise so etwas wie eine Warnung des Himmels an die Menschheit.

Es wird Zeit, dass wir uns ernsthaft damit befassen, wie wir auf diesem Planeten koexistieren können, indem wir unsere Lebensweise nicht auf Wirtschaftswachstum gründen, das von egoistischem Begehren getrieben wird, sondern auf Rücksichtnahme, Liebe, Zuneigung und Altruismus. Das vorliegende Buch beruht auf dieser Philosophie. Ich hege die brennende Hoffnung, dass es die Herzen vieler Leser erreichen und ihnen helfen möge, ein sinnvolleres Leben zu führen und zu einer besseren Welt beizutragen.

Geschrieben in Kyoto, der alten Hauptstadt Japans, an einem Apriltag 2009, in einem Schneesturm aus Kirschblütenblättern.

Kazuo Inamori

Ehrenvorsitzender der Kyocera Corporation

PROLOG

Der Sinn des Lebens – neu bewertet in einem chaotischen Zeitalter

Wir leben in einem Zeitalter der Angst und zunehmenden Verwirrung, die uns den Blick nach vorne genommen haben. Wir sind wohlhabend, aber unerfüllt; mit materiellen Annehmlichkeiten gesegnet, aber ohne Tugenden; obwohl äußerlich frei, fühlen wir uns gefangen. Wenn wir den Willen aufbringen und uns anstrengen, ist alles möglich, und wir können alles erreichen; dennoch fühlen wir uns machtlos und pessimistisch, und manche von uns sinken vielleicht bis in Verbrechen und Unmoral ab.

Wie sind wir in diese Sackgasse geraten? Liegt es daran, dass so viele keinen Sinn in ihrem Leben finden und es ihnen nichts mehr bedeutet, weil wir den inneren Kompass verloren haben, der uns durch das Leben leitet? Ich glaube, dass die Antwort darauf ja lautet und dass die gegenwärtige Verwirrung in der Gesellschaft auf das Fehlen einer konstruktiven Lebensphilosophie zurückzuführen ist. Der erste Schritt, den wir heute tun können, besteht darin, uns dieser grundlegenden Frage zu stellen – was ist der Zweck des Lebens? – und eine Philosophie zu entwickeln, ein System von Glaubens- oder Grundsätzen, die uns als Leitlinien im Leben dienen.

Herauszufinden, wozu wir am Leben sind, mag so sinnlos erscheinen, wie in der Wüste nach Wasser zu graben, oder so schwierig, wie einen reißenden Fluss einzudämmen, aber diese einfache Übung wird durch die allgemeine Neigung, jede ernsthafte Anstrengung zu belächeln, nur umso wichtiger. Wenn wir dem Nachdenken über den Zweck des Lebens aus dem Weg gehen, während sich das Chaos in der Gesellschaft ausbreitet, nimmt unsere Verwirrung zu, und die Zukunft wird immer unsicherer. Ich glaube, dass viele Menschen mein Gefühl der Dringlichkeit in dieser Sache teilen.

Ich möchte in diesem Buch nicht nur untersuchen, was es heißt, ein Mensch zu sein, sondern auch, wozu wir leben und wie man richtig lebt. Meine Hoffnung ist, dass die Philosophie, die ich im Folgenden vorstelle, wenigstens einen bescheidenen Pflock in den reißenden Strom der Zeit treiben wird. Es wäre für mich eine tiefe Befriedigung, wenn meine Worte Ihnen helfen könnten, dem Leben Freude abzugewinnen, und Sie zu einem glücklichen und erfüllten Leben führen könnten.

Der Sinn des Lebens ist die Verfeinerung der Seele

Was ist also der Sinn oder Zweck des Lebens? Meiner Meinung nach nichts weniger, als den Geist zu erheben und die Seele zu verfeinern.

Es liegt in der Natur des Menschen, sich von egoistischen Begierden ablenken zu lassen. Auf uns selbst gestellt würden wir beständig nach Reichtum, Status und Ruhm gieren und uns in hedonistischen Vergnügungen verlieren. Natürlich müssen wir genug Geld für ein bequemes Leben verdienen, und wir dürfen den Drang nach Erfolg nicht bedingungslos verdammen, da er uns das notwendige Durchhaltevermögen im Leben verleiht.

Allerdings ist all das auf die diesseitige Welt beschränkt. Wie viel wir auch an Reichtümern ansammeln, wir können sie nicht mitnehmen, wenn wir sterben. Am Ende müssen wir hier alle unsere Konten schließen. Alles, was uns bleibt, ist die Seele. Außer ihr können wir nichts auf die neue Reise mitnehmen, die beginnt, wenn der Tod uns all den Status, Ruhm und Reichtum nimmt, den wir in dieser Welt gesammelt haben.

Wenn Sie mich fragten, »Was wollen Sie in dieser Welt erreichen?«, so würde ich ohne zu zögern antworten, ich wolle ein besserer Mensch werden, als ich es bei meiner Geburt war. Dass ich mit einer edleren und reineren Seele sterben wolle als derjenigen, mit der ich geboren wurde, wie geringfügig auch immer die Verbesserung ausfallen mag. Das ist für mich der einzige Zweck des Lebens: Ganz in der diesseitigen Welt zu leben, alle ihre Freuden und Sorgen auszukosten, von den Wellen des Glücks und Pechs umspült zu werden und meine Zeit auf Erden als feinen Schmirgelsand zu nutzen, der mein Wesen als Mensch verfeinert und meinen Geist kultiviert, um diese Welt mit einer Seele zu verlassen, die eine höhere Ebene erreicht hat. Dieses ständige Streben, jeden Tag besser als den vorigen zu machen, diese einfache Suche nach der Wahrheit ist der wahre Zweck und Wert des Lebens.

Es stimmt zwar, dass das Leben oft mehr Schmerz als Freude bringt. Manchmal mögen wir uns fragen, warum wir so sehr leiden, und Gott oder Buddha Vorwürfe machen, aber eben weil wir in einer Welt des Leidens leben, können wir Nutzen daraus ziehen und den Schmerz als Prüfung der Seele betrachten, der ihrer Entwicklung dient. Leiden ist die beste Chance, unser wahres Wesen herauszuarbeiten. Wer Prüfungen als Chancen sehen kann, nimmt seine begrenzte Zeit hier auf Erden wirklich in Besitz. Das Leben ist die Zeit, die wir erhalten, um unseren Geist zu verfeinern und unsere Seele zu kultivieren, und den Zweck und den Wert des Lebens finden wir im Vorgang des Lebens selbst.

Einfache Prinzipien als unerschütterliche Leitlinien

Unsere Einstellung zum Leben wirkt sich unmittelbar auf uns aus. Sie läutert oder verunreinigt unsere Seelen, veredelt oder erniedrigt unseren Geist. Viele talentierte Menschen geraten im Leben auf Irrwege, weil ihre moralischen Maßstäbe nicht ebenso ausgeprägt sind wie ihre Fähigkeiten. Das gilt besonders in der Geschäftswelt. Hier kommt es häufig zu Betrügereien um des persönlichen Gewinns willen. Die Täter haben häufig Talent als Geschäftsleute, aber ihr Verhalten ist nicht leicht zu erklären. Vielleicht überschätzen sie sich gerade deshalb, weil sie um ihr Talent wissen, und schlagen daher den falschen Weg ein. Durch den Einsatz ihres Talents haben sie anfänglich Erfolg, aber sowie sie sich nur noch auf ihre Intelligenz verlassen, wird ihr Scheitern unvermeidlich.

Je außergewöhnlicher Ihre Begabung, desto mehr brauchen Sie einen Kompass, der Ihnen die Richtung weist. Stellen Sie sich diesen Leitkompass als Ihre Philosophie vor. Wenn Sie keine Philosophie haben und Ihr Charakter nicht gereift ist, wenn Sie Talent ohne Tugend haben, können Sie die Richtung nicht alleine finden, so begabt Sie auch sein mögen. Das gilt für jeden, nicht nur für Manager.

Ich habe eine einfache Formel für den Charakter: Persönlichkeit + Philosophie = Charakter. Unser Charakter, der das Edle an unserer Seele darstellt, besteht aus jener Philosophie, die uns angeboren ist, und aus derjenigen, die wir im Lauf des Lebens erwerben. Die Philosophie, auf der wir unser Leben gründen, bestimmt unseren Charakter. Wenn sie nicht tief verwurzelt ist, kann der Baum unseres Charakters nicht gerade und kräftig wachsen. Wir müssen nach jenen einfachen, grundlegenden Prinzipien leben, die uns lehren, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Prinzipien, die uns von alters her von einer Generation auf die nächste als die ethischen und moralischen Grundsätze der Menschheit weitergegeben werden.

Als ich mit 27 Jahren die Kyocera Corporation gründete, hatte ich Hilfe von vielen Beteiligten, aber kaum Erfahrung als Manager und nur eine vage Vorstellung, wie man erfolgreich ein Unternehmen leitet. Weil ich nicht wusste, wie ich als Geschäftsmann vorgehen sollte, handelte ich einfach so, wie es mir als Mensch richtig vorkam. Nicht lügen; niemandem schaden; nicht gierig oder selbstsüchtig handeln – ich griff diese einfachen Rezepte auf, die wir von unseren Eltern und Lehrern lernen, aber nur zu oft vergessen, wenn wir älter werden, und wandte sie direkt auf das Geschäft an, indem ich sie zu meinen Entscheidungskriterien machte. Ich wusste, wie gesagt, nur wenig über unternehmerisches Handeln, war aber überzeugt, dass man nicht erfolgreich sein kann, wenn man allgemein akzeptierte moralische Werte über den Haufen wirft.

Das war ein sehr einfacher Wertmaßstab, aber genau deshalb war er sinnvoll, und ich konnte unsere Firma auf dem richtigen Kurs halten. Die Ergebnisse waren ausgezeichnet. Wer den Schlüssel zum Erfolg sucht, hat ihn hier schon gefunden: Mir fehlte es zwar an Talent, aber ich folgte dem einfachen und dennoch wirkungsvollen Grundsatz, so zu handeln, wie es mir als Mensch richtig erschien. Das ist meine wichtigste Leitlinie im Leben, und ich ermahne mich ständig selbst, ihr zu folgen, indem ich mich frage: Ist diese Entscheidung mit dem, was ich als Mensch für richtig halte, vereinbar? Entspricht sie den grundlegendsten ethischen und moralischen Prinzipien?

Vielen Menschen in Japan erscheint die Vorstellung, Ethik oder Moral als Grundsätze im Leben anzuwenden, veraltet. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die moralische Erziehung in Japan missbraucht, um die Menschen zu manipulieren, und als Reaktion darauf ist es heute schon tabu, moralische Werte auch nur zu erwähnen. Aber diese moralischen Werte waren schließlich die Frucht einer allgemeinen menschlichen Weisheit und eine Grundlage für das Verhalten im täglichen Leben. Die Menschen im heutigen Japan haben einen Großteil der Weisheit vergangener Generationen verworfen, weil sie diese für veraltet halten, und in ihrem Streben nach Bequemlichkeit haben sie viel Wesentliches verloren, darunter auch Ethik und Moral.

Ich bin der Überzeugung, dass wir aufgerufen sind, zu diesen grundlegenden Prinzipien zurückzukehren und gemäß ihnen zu leben. Ich finde, es ist Zeit, dieses wertvolle Wissen zurückzugewinnen.

Die Wahrheit des Lebens durch harte Arbeit erkennen

Wie also geht man es an, den Charakter aufzubauen und die Seele zu verfeinern? Muss man dazu spezielle Übungen durchführen, sich in die Berge zurückziehen oder unter einen Wasserfall stellen? Die Antwort ist nein. Im Gegenteil, der Schlüssel liegt darin, jeden Tag in der materiellen Welt sein Bestes zu geben.

Wie wir später in diesem Buch noch sehen werden, hat Buddha die Wichtigkeit des shojin – der Einstellung, sich bei allem, was man tut, ehrlich Mühe zu geben – für das Erreichen der Erleuchtung gelehrt. Immer sein Bestes zu geben, sich vollständig auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren, ohne sich ablenken zu lassen – das ist shojin. Die vorherrschende Einstellung ist aber, dass man nur arbeite, um Geld zu verdienen, dass Arbeit nur ein notwendiges Übel sei. Und das Ideal lautet, so wenig wie möglich für so viel Geld wie möglich zu arbeiten, um den Rest der Zeit dann mit anderen Interessen oder Vergnügungen zu verbringen. Dies zu erreichen, ist für manche das Herzstück eines wohlhabenden Lebensstils.

Doch dass wir arbeiten, ist für uns Menschen noch sehr viel wichtiger und wertvoller, als dass es nur den Lebensunterhalt sichert. Arbeit hilft uns, über unsere selbstsüchtigen Wünsche hinauszuwachsen, und Arbeit ist die wirksamste Methode, unseren Geist zu entwickeln und unseren Charakter aufzubauen. Es ist unbedingt notwendig, dass wir uns mit Herz und Seele an jede Aufgabe machen, eine edle Übung, die uns zu besseren Menschen macht.

Nehmen wir zum Beispiel Ninomiya Sontoku (1787–1856), einen ungebildeten Bauern, der in Armut geboren wurde und