IMPRESSUM: Nelles Pocket: Ibiza – Formentera

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ISBN 978-3-86574-577-4

- F0620 -

HÖHEPUNKTE

xxDalt Vila (S. 36): Eivissas für den Verkehr gesperrte Oberstadt ist seit 1999 als UNESCO-Welterbe aus-gezeichnet. Wuchtige Mauern aus dem 16. Jh. prägen das Bild, in den steilen Gässchen lässt es sich wunder-bar flanieren. Das noch auf maurische Grundzüge zurückgehende Kastell wird derzeit aufwendig restauriert .

xxSes Salines (S. 47): Szene-Strand: Chillige Musik in den Bars, schöne Menschen und herrliches Wasser – hier relaxt das Partyvolk. Die nahen Salinen färben sich bei Sonnen-untergang dramatisch lila.

xxDie Buchten des Nordostens (S. 55): Eine dünn besiedelte, ländliche Region, Welten entfernt vom Disko-rummel – mit dem Mietwagen kann man hier einsame Buchten an der Fels-küste entdecken.

xxHippie-Märkte (S. 22, 70, 72, 84): Sowohl auf Ibiza (u. a. bei Es Canar und Las Dalias) als auch auf Formentera (auf der Hochebene La Mola im Osten) hat das Flair vergan-gener Zeiten überlebt, die Auswahl an bunten Strandtüchern, Schmuck und Strohtaschen ist riesig.

xxPlatja de Ses Illetes (S. 82): Schicke Jachten ankern im türkisfarbe-nen Wasser, dahinter Dünen, Wälder und Salinen – bis auf einige Strand-bars ist die Platja de Ses Illetes auf Formentera ein unverbautes Naturpa-radies mit Karibik-Feeling.

LAND UND LEUTE

Ibiza und Formentera, die beiden südlichsten Inseln der Balearen, wer-den auch Pityusen genannt. Diese Bezeichnung stammt von den see-fahrenden Griechen und bedeutet „die Pinienreichen“; die immergrü-nen Aleppokiefern gedeihen dort bis heute wie auch der Phönizische Wacholder. Fruchtbäume prägen die Kulturlandschaft; sie liefern Oliven, Mandeln, Feigen, Orangen, Zitronen und Johannisbrot. Brachland ist meist von großbuschiger Macchia oder Garigue-Kleingestrüpp bedeckt. Die ökologisch wertvollen Seegraswiesen zwischen Ibiza und Formentera sind UNESCO-Weltnaturerbe.

Ibiza ist mit einer Gesamtfläche von 570 km2 sechs Mal größer als die Nordseeinsel Sylt, bei 41 km Länge und durchschnittlich 20 km Brei-te. Formentera misst dagegen nur 82 km2. Im Bereich der drei Seemeilen zwischen beiden Inseln liegen viele kleine, unbewohnte Eilande. Geolo-gisch betrachtet sind alle diese Inseln nur die Spitzen eines unterseeischen Kalkgebirges. Dabei ist Formentera relativ karg, flach und regenarm, hat aber lange Sandstrände; Ibiza dage-gen zeigt sich hügelig und grüner und weist, abgesehen von den aus-gedehnten sandigen Stränden im Süden, überwiegend kleinere Strand-buchten (calas) auf – davon allerdings mehr als 50!

Die Meerwassertemperatur steigt von 15 °C im April bis auf 25 °C im Hochsommer. Im Mai reift schon das erste Korn auf den Feldern, ab Juni wird es eingeholt. Im Frühsommer liegt der Duft von Rosmarin und Thy-mian wie ein betörendes Parfüm über Teilen der Insel.

Der ibizenkische Sommer ist lang, aber nie richtig unangenehm heiß; nur selten steigt das Thermometer über

die 30-Grad-Grenze, oft weht eine fri-sche Brise von der See her.

Im Oktober geht die Strandsaison zu Ende, ab November streifen kühle Südwest-Winde die Inseln. Doch an windgeschützten Strandabschnitten kann man bei 21 °C Wassertempera-tur immer noch baden, was vor allem Mittel- und Nordeuropäer gern tun. Der Oktober hat zwar im Durchschnitt acht Regentage, doch mit kontinen-taleuropäischen Wassergüssen ist das, was hier vom Himmel kommt, kaum zu vergleichen. Der „Winter“ beschert bis Februar Tagestemperaturen um 15 °C (nachts um 8 °C). Dicke Mäntel brauchen in dieser Zeit nur die Insu-laner. Durchschnittlich gibt es pro Tag im Winter bei fünf, im Sommer zehn Sonnenstunden – mehr als auf Mal-lorca.

Mallorca und Menorca sind nahe, aber: „Mallorca ist für uns bereits wie ein anderer Kontinent“, erklärt Jorge Alonso, Chef des Tourismusverbands von Ibiza. „Und Europa erscheint uns wie ein anderer Planet. Wenn wir aufs spanische Festland reisen, sagen wir: Wir gehen nach Europa.“

Auf den Pityusen wird heute die eigene Sprache wieder gepflegt: Ei-vissenc, wie das Mallorquinische und das Menorquinische ein Dialekt des Katalanischen, einer eigenständigen romanischen Sprache. Bis zu Francos Tod 1975 war sie verboten, obwohl die spanische Amtssprache, das Kasti-lische, von älteren Insulanern oft nicht verstanden wurde. Seit 1991 gelten auf den Balearen offiziell nur noch die katalanischen Bezeichnungen für Orte, Straßen und Namen. Die Haupt-stadt heißt wieder Eivissa und nicht mehr wie früher Ibiza.

Die Ibizenker sind die etwas ande-ren Spanier – sie stammen u. a. von Phöniziern, Römern, Arabern, Berbern, Juden und Katalanen ab. Als Insulaner erlebten sie Fremde oft genug als Be-drohung: Die Piratenplage war an den Küsten über mehr als tausend Jahre eine permanente Gefahr; ganze Dör-fer wurden von muslimischen Seeräu-bern geplündert, Frauen und Kinder verschleppt. Im Gegenzug besserten die Ibizenker später mit Erlaubnis der spanischen Krone ihr Einkommen als Korsaren auf.

Die längste Zeit in der Geschich-te der niederschlagsarmen Pityusen war das Leben ihrer Bewohner hart, da die Mehrheit vorwiegend von der Landwirtschaft lebte und Formentera beispielsweise nur 384 mm Regen pro Jahr erhält. Fischfang diente als zweit-wichtigste Ernährungsquelle.

Die Einheimischen sind zwar eher zurückhaltend, dabei aber durchaus tolerant. Eile oder Drängeln gelten als unhöflich, Unangenehmes wird nicht

direkt ausgesprochen, sondern lieber verklausuliert mitgeteilt.

Heute leben rund 140 000 Men-schen auf den beiden Inseln. Auf Ibi-za beträgt der Ausländeranteil mehr als 20 Prozent. Von den knapp 10 000 Einwohnern Formenteras sind nur 27 % auf der Insel geboren, rund 40 % stammen von anderen Baleareninseln, der Rest kommt vom spanischen Fest-land oder aus anderen europäischen Ländern.

Heute bilden die Balearen eine der wohlhabendsten Regionen Spaniens – die Touristen waren die ersten „Ein-dringlinge“, die den Insulanern wirt-schaftliches Glück gebracht haben. Zugleich hat der Fremdenverkehr ei-nen sozialen Umbau auf den Pityusen bewirkt: von der bäuerlich geprägten zur offenen Gesellschaft.

Trotz aller rasanten Veränderungen im Leben der Ibizenkos und Formente-ros haben sich Jahrtausende alte Bräu-che und Traditionen erhalten, deren Entstehung in die punische, römische oder arabische Epoche zurück rei-chen. Die eivissenkischen Flachdach-Bauernhäuser (fincas) etwa, bei denen sich mehrere kubische Gebäudeteile um einen großen Wohnraum gruppie-ren, erinnern an den Baustil der Berber Nordafrikas.

Trachten werden nur noch zu Folk-loreabenden getragen; dann erklingt auch die orientalisch anmutende Musik mit Flöte, Trommel und Kas-tagnetten, man tanzt und singt die alten gaites-Lieder. Nachahmer der gefürchteten honderos (foners), der Steinschleuderer, die einst als Söldner u. a. in den Heerscharen Hannibals ge-gen die Römer kämpften, treten öfter bei Wettbewerben auf. Die alten Grie-chen nannten sie balearides, daher der Name des Archipels.

Dass die Inseln zum Urlaubsdorado wurden, verdanken sie der Flüster-propaganda der Hippies, die in den

1960er Jahren als Tourismuspioniere auf die Inseln übersetzten. Die Insula-ner wurden von dieser Invasion über-rascht, blieben aber ausgesprochen tolerant. So wuchsen im Lauf der Zeit auf Formentera und im Hinterland von Ibiza flippige Blumenkinder und Bau-ern, Hirten, Handwerker und Fischer zu einer bunten Gemeinschaft zusam-men.

Ökonomisches Rückgrat der Pityu-sen ist längst der pauschal gebuchte Strandtourismus, wobei die „Party-insel“ Ibiza mittlerweile größere An-strengungen unternimmt, ihre Hotels und ihr „Sangria-und-Disko“-Image aufzupolieren – schließlich hat sie ja auch viel Kultur zu bieten: Eivissas Alt-stadt steht auf der UNESCO-Liste, ihre Modeschöpfer, Maler und Kunsthand-werker sind ausgesprochen kreativ. Formentera hingegen, die kleine flug-hafenlose Insel mit ihrem rauen ländli-chen Charme, zieht eher Individualis-ten und Strandurlauber an, die Ruhe, Natur und Überschaubarkeit schätzen.

Vor- und Frühgeschichte

Um 2000 v. Chr. Frühester Besiedlungsbeleg auf den Pityusen (Ibiza und Formentera) ist das megali-thische Dolmengrab von Ca Na Costa.

Die Karthager auf Ibiza

Um 700 v. Chr. Die Karthager siedeln sich bei Sa Caleta im Südwesten von Ibiza an und richten sich auf Dauer ein, weil die Insel strategisch günstig gelegen ist.

654 v. Chr. Zu Ehren ihres Gottes Bes gründen die Karthager Ibosim – „Insel des Bes“ –, das heutige Eivissa; Salzhandel beschert der Insel Reichtum.

5. Jh. v. Chr. Die Karthager besiedeln das Inselin-nere, betreiben Landwirtschaft, Eisen- und Bleiver-hüttung.

247 v. Chr. Hannibal, der legendäre Feldherr Kar-thagos, soll auf einem Eiland vor Ibiza geboren worden sein.

218-201 v. Chr. Im Zweiten Punischen Krieg wer-den die Karthager von den Römern geschlagen, punische Kultur prägt aber weiterhin die Pityusen.

Römische Herrschaft

123 v. Chr. Die Römer erobern und kolonisieren die Balearen; aus Ibosim wird Ebusus.

70 n. Chr. Die Inseln werden ins Römische Reich eingegliedert. Wohlstand der Bevölkerung in der frühen und hohen Kaiserzeit durch zunehmenden Wirtschaftsaufschwung.

380 Das Christentum wird als römische Staats-religion auch offizielle Glaubensrichtung auf den Pityusen.

426 Vandalen erobern die Pityusen.

5./6. Jh. Nach Dauerangriffen der Germanen (West- und Ostgoten sowie Vandalen aus Nordafri-ka) zerfällt das römische Imperium in ein West- und Ostreich.

535 Die Inseln kommen nominell unter die Herr-schaft von Byzanz (Ostrom).

8./9. Jh. Die Pityusen sind zwei Jahrhunderte lang Spielball verschiedener Okkupanten. Invasoren sind unter anderem Araber, Franken und Normannen. Keinem Eroberer gelingt es jedoch zunächst, sich dauerhaft auf Ibiza festzusetzen.

Unter dem Banner des Islam

902 Mauren unter Führung des Kalifen von Córdoba erobern die Insel Ibiza, nennen den Hauptort Medi-

na Iabissa, verbreiten den Islam und führen Bewäs-serungstechnik und Terrassierung ein.

Ab 1076 operieren muslimische Piraten von den Balearen aus.

1114 Obgleich Katalanen und Pisaner 2 Jahre lang Mallorca besetzen, bleiben die Pityusen maurische Piratenstützpunkte.

Katalanische Rückeroberung

1235 Im Zug der Reconquista (Rückeroberung) ver-treiben katalanische Ritter die Muslime. Alle Orte werden nach christlichen Heiligen benannt, Katala-nisch wird Amtssprache.

1276 Gründung des Königreichs Mallorca, Ibiza und Formentera werden angeschlossen.

1299 Durch die Gründung der „Universidad“ erhal-ten die Balearen eine eigenständige Verwaltung.

1349 Jaume III. von Mallorca fällt im Kampf mit Truppen vom spanischen Festland, das balearische Königreich fällt dem König von Aragón zu und leidet fortan unter schweren Steuerlasten; Wirtschaftskri-se auf den Pityusen.