Henke, Sandra Angels and Devils - Die Macht der Berührung

Mehr über unsere Autoren und Bücher: www.piper.de

 

© 2019 Piper Verlag GmbH, München
Redaktion: Julia Feldbaum
Covergestaltung: © Traumstoff Buchdesign traumstoff.at
Covermotiv: Unter Verwendung von Bildmaterial von Photographee.eu/shutterstock.com

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1

Teaghan

Ich sollte die Finger davon lassen, aber ich tat es schon wieder. Heimlich schaute ich mir die Männer auf den Dating-Portalen im Internet an und träumte davon, mit ihnen in Kontakt zu treten und mich mit ihnen zu treffen. Mit ihnen herzhaft zu lachen, sich gegenseitig verliebte Blicke zuzuwerfen und … zu vögeln. Allein bei der Vorstellung prickelte mein Körper, als stünde ich nackt auf einem Podest – gleichzeitig vor all diesen attraktiven Unbekannten. Lüstern mustern sie meine Intimstellen und lecken sich über die Lippen, als wäre ich ein appetitliches Steak. Fleischbeschau, obszön, aber niveauvoll. Ihnen läuft das Wasser im Mund zusammen, und ihr Begehren lässt wiederum meine Säfte fließen.

Meine Hand glitt zwischen meine Schenkel. Sinnlich schoben meine Finger den blumenbedruckten Chiffonstoff des safranfarbenen Kleides beiseite und kreisten über das Höschen. Es war bereits feucht.

Himmel, bist du verzweifelt, Teaghan.

Seufzend strich ich mein Kleid wieder glatt, schloss die Seite mit dem Dating-Portal und auch die dahinter mit den appetitanregenden Fotos, die Menschen bei dem zeigten, wonach ich mich verzehrte: Bettenakrobatik, Ausschweifungen, Obszönitäten. Gern auch ein bisschen derb und verdorben, denn ich wollte es so richtig krachen lassen. Schließlich hatte ich Nachholbedarf. Meine Erregung hatte sich aufgestaut und drängte zunehmend nach Befriedigung.

Was willst du eigentlich: Sex oder Liebe? »In der Reihenfolge«, murmelte ich laut und kicherte.

Während ich die große geschwungene Treppe hinunterstieg, ließ ich meine Hand über das goldene Geländer gleiten. Herrje, ich war einundzwanzig Jahre alt und total ausgehungert nach Zuneigung und Körperkontakt. Ein bisschen schämte ich mich für meine Notgeilheit, aber seit einem halben Jahr igelte ich mich in der Sommerresidenz meiner Familie in den Hamptons ein. Lediglich meine Schwester Bronwyn nahm mich in den Arm, wenn sie die Zeit fand vorbeizukommen. Sie war die Geschäftsfrau von uns Schwestern, die mit beiden Beinen im Leben stand. Ich dagegen war nur das ehemalige It-Girl, das sich früher dafür hatte bezahlen lassen, Events zu besuchen, und das von heute auf morgen von der Bildfläche verschwunden war. Es konnte ja niemand wissen, dass ich heimlich davon träumte, Kunstgeschichte zu studieren. Bestimmt würden alle sagen, dass ein Studium schon nicht zu mir passte und Kunstgeschichte erst recht nicht. Viel zu intellektuell für ein Party-Animal. Mein Wunsch war durch meine Eltern, die Bilder und Skulpturen gesammelt und Künstler gefördert hatten, geweckt worden. Mom und Dad waren weg, aber der Traum lebte weiter.

Weil sie das Trauma nicht verkraftet, schrieben die Zeitungen und Magazine über mich. Vielleicht hatten sie recht. Die Tragödie hatte mich bis auf den Grund meiner Seele erschüttert und verändert.

Armes reiches Mädchen, hatten die Magazine nach dem Drama, das sich im Vanderbrook-Gebäude abgespielt hatte, getitelt.

Das Hochhaus in Manhattan, das meine Eltern hatten erbauen lassen, war von außen genauso imposant und von innen ebenso opulent wie der Trump Tower. Darin befanden sich neben den Firmenräumen unseres weltweit operierenden Beratungs- und Investmentunternehmens Luxusshops wie Tiffanys, Stella McCartney, Dolce & Gabbana und viele mehr.

Noch immer mieden viele Besucher das Atrium, dabei war das Unglück in der obersten Etage passiert, fernab der kaufkräftigen Kundschaft und der neugierigen Touristen.

Arme steinreiche Teaghan Vanderbrook. Ist sie zerbrochen und darum wie vom Erdboden verschluckt?

Vor dem Drama vor sechs Monaten hatte ich die Aufmerksamkeit der Yellow Press förmlich gesucht. Jetzt hasste ich es, wenn sie über mich schrieben, als würden sie mich kennen. Denn das taten sie nicht! Sonst wüssten sie, dass ich mit mehreren Therapeuten hart an mir arbeitete. Sicherlich würde ich noch lange nicht darüber hinweg sein, aber ich war dabei, mein inneres Gleichgewicht zurückzuerlangen. Wenn es mir nicht besser ginge, würde ich mich sonst schon wieder für Sex interessieren?

Meine Gedankengänge kannten die Journalisten natürlich nicht. Aber sie waren bedauerlicherweise vor zwei Wochen auf mein Profil auf einem der Dating-Portale aufmerksam geworden. Ich war so naiv gewesen zu glauben, die Medien hätten mich vergessen, doch da hatte ich mich getäuscht. Einer der Männer, den das Portal als »perfect match« für mich ausgewählt und den ich daraufhin angeschrieben hatte, hatte es in den sozialen Netzwerken verbreitet, und die Medien hatten sich auf das Thema gestürzt wie wilde Bestien.

Meine Libido war erwacht, und ich hatte kein Ventil dafür. Vielleicht wollte mein waidwundes Herz mich auch nur vom Kummer ablenken, in dem es sich obsessiv auf Lust konzentrierte. Allerdings kreisten meine Gedanken nicht nur darum, endlich wieder am ganzen Körper leidenschaftlich gestreichelt und geküsst, sondern auch liebevoll im Arm gehalten zu werden. Ich lechzte nach Geborgenheit in der gleichen Intensität wie danach, gevögelt zu werden.

Im Erdgeschoss blieb ich stehen und lauschte dem Wind, der um die Villa brauste. Heute schien eine unsichtbare Hand ihn über dem nordatlantischen Ozean zu packen und gegen die Küste von Long Island zu schleudern. Die Böen kamen in immer kürzeren Abständen, der April zeigte sich von seiner rauen Seite. Es war offensichtlich: Der Frühling kämpfte mit dem Winter um die Vorherrschaft.

Um meinen Kopf durchpusten zu lassen und weil die Einsamkeit in dem großen Haus in jedem Winkel lauerte, seit die Angestellten am frühen Nachmittag Feierabend gemacht hatten, zog ich meinen roséfarbenen Windbreaker an und trat ins Freie.

Ich schritt zu der Mauer mit der Stacheldrahtkrone, die die Villa und den riesigen Garten umgab. Meine Eltern hatten gern mit dem, was sie erreicht hatten, geprotzt, und all der Prunk zog gefährliche Leute an. Das Grundstück selbst war noch einmal mit einem Maschendrahtzaun, ebenfalls mit Stacheldraht on top, eingefasst. Mein persönliches Fort Knox. Hier fühlte ich mich sicher.

Ich gab den Zahlencode in das elektronische Schloss ein, damit der gute Walter keinen Alarm angezeigt bekam, als ich die Hintertür öffnete. Walter war der Sicherheitsmann, der bis zum Morgengrauen in seinem Wärterhäuschen am Tor saß und die Überwachungsmonitore im Blick behielt. Ein gutmütiger, dicker Kerl, der stets freundlich lächelte und während einer Schicht ein Bonbon nach dem anderen lutschte, vielleicht, um nicht einzunicken.

Laut der Wetter-App auf meinem Smartphone sollte es fünfzehn Grad warm sein, aber durch den Wind fühlte sich die Luft eher wie zehn an. Fröstelnd stand ich da und fragte mich, wohin ich spazieren sollte.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Im ersten Moment konnte ich es nicht genau zuordnen. Es klang wie das Klingeln von Glöckchen, aber das konnte kaum sein. Oder doch? Die steife Brise trug die Laute fort, bevor ich ausmachen konnte, wovon sie verursacht wurden. Immerhin war mir klar, woher sie kamen. Von unserem Privatstrand.

Aufgeregt, weil sich dort unten eigentlich nichts befand, lief ich in Richtung des kleinen Deichs, der die Vanderbrook-Sommerresidenz vom Meer trennte. Immer wenn ein Windstoß kam, wurde das Bimmeln kurzfristig lauter. Unrhythmisch mussten kleine Glocken aneinanderstoßen.

Das Unbekannte zog mich magisch an. Ich spürte die Frische der Luft gar nicht mehr, so schnell ging ich inzwischen, wodurch mir wärmer wurde. Die Neugier ließ das Adrenalin durch meine Adern fließen. Was war hinter dem Damm los? Ich sollte es wissen. Die Villa gehörte jetzt mir, der Herrin über Marmorböden, Diamantlüster und verdammt viel Leere.

Nachdem ich den Wall erklommen hatte, peitschte mir eine Böe die schulterlangen champagnerblonden Haare aus dem Gesicht. Instinktiv schloss ich kurz die Augen. Dann war der Moment vorbei, und ich ließ meinen Blick über den Strand gleiten.

Ich konnte kaum glauben, was ich da sah.

Unweit von mir stand ein rotes Campingzelt. Es war nicht sonderlich groß, aber es mochten trotzdem durchaus drei Personen hineinpassen, falls sie mit leichtem Gepäck reisten. Die ungestüme Brise rappelte gewaltig an der Kuppel, doch die Gestänge hielten ihr noch stand.

Dann erkannte ich, was mich angelockt hatte. Am Eingang des Iglu-Zeltes hing ein Windspiel. Silberfarbene Aluminiumröhren klapperten aneinander. Luftstöße fuhren hinein und erzeugten merkwürdige Klänge, die wild, ja, fast wütend klangen, weil das Mobile nicht frei hing, sondern von außen gegen die Zeltwand geschlagen wurde.

Mich würde das wahnsinnig machen! Wer tat sich das an? Was machten die Camper bei dem drohenden Sturm hier draußen? Und vor allen Dingen: Wie waren sie aufs Grundstück gelangt? Denn der Zaun ragte an beiden Seiten bis ins Meer hinein. Meine Handflächen wurden feucht.

»Hallo?«, rief ich aufgebracht, aber auch besorgt. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Sollte ich nicht besser Walter Bescheid geben? Er konnte sich darum kümmern. Wer wusste schon, wer sich in dem Iglu aufhielt. Möglicherweise drei Kerle, die ein ruhiges Plätzchen zum Kiffen und Saufen gesucht hatten und noch aufgeputscht von den Drogen waren.

Doch dann kam ich mir lächerlich vor. Das wohlhabende Mädchen, das für alles Angestellte brauchte und nichts allein hinbekam. Nein, so war ich nicht. Es lagen keine Bierflaschen im Sand, und es roch auch nicht nach Cannabis. Das mochte zwar nichts heißen, aber unter Umständen war das Zelt ja gerade verwaist, und ich würde bald denken: Keiner zu Hause, du hast dich umsonst gefürchtet.

Energisch klopfte ich an die Zeltwand. »Hey, ist jemand da?«

Als ich ein Ratschen vernahm, trat ich erschrocken zurück. Der Reißverschluss des Iglus wurde geöffnet. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich wünschte mir, ich hätte wenigstens mein Fernglas, mit dem ich gern die vorbeischippernden Boote und die Vogelwelt beobachtete, dabei, um es zur Not als Waffe einsetzen zu können – oder mein Handy. Aber ich hatte ja nicht ahnen können, dass ich Eindringlinge vorfinden würde. Wer immer gerade da herauskroch, durfte sich hier nicht aufhalten! Das würde ich demjenigen oder denjenigen in aller Deutlichkeit sagen müssen.

Ich verbarg das Zittern meiner Beine, in dem ich fortwährend mein Gewicht von einer Seite auf die andere verlagerte, als würde ich frieren. Aber das tat ich längst nicht mehr, sondern ich schwitzte.

Der Mann, der nun aufstand und sich den Sand von den schwarz-weißen Bermudas klopfte, wirkte tatsächlich gefährlich. Aber auf eine ganz und gar andere Weise, als ich es befürchtet hatte.

Sein entblößter Oberkörper war der Hammer. Braun gebrannt und schlank mit Muskeln an den richtigen Stellen, nicht zu viel und nicht zu wenig, sodass ich über meine Mundwinkel wischte, um herauszufinden, ob ich bereits sabberte. Tat ich nicht. Aber mein Innerstes war in Aufruhr. Der Fremde wirkte mit seinen blonden Locken und den aufgehellten Spitzen wie ein Surfer-Typ, doch ich sah nirgends ein Surfbrett. Merkwürdig. Außerdem wirkte er angespannt. Obwohl er mich anlächelte, kam es mir so vor, als sei er auf dem Sprung, um mich zu packen. Oder als würde er etwas zurückhalten und vor mir verbergen.

Vielleicht wurde ich auch nur langsam paranoid, wie meine Eltern es gewesen waren. Aber hatte ihr gewaltsamer Tod nicht bewiesen, dass sie mit ihrer Übervorsicht recht gehabt hatten?

»Ein bisschen zu frisch für nackte Füße«, lenkte ich mich selbst von seinem eindrucksvollen Brustkorb ab.

Der Mann, der nur wenige Jahre älter als ich sein konnte, durchkreuzte mein Ablenkungsmanöver, indem er sein Sixpack kraulte. »Durch meine Adern fließt flüssiges Feuer.«

»Klingt schmerzhaft.«

Er lachte sinnlich. »Was ich sagen wollte, ist, dass ich ein heißblütiger Typ bin.«

»Verstehe! Du hast eine eingebaute Heizung.«

»Und du machst dich lustig über mich.« Warnend blinzelte er mich an und sah dabei verteufelt sexy aus. In einer Sekunde klang seine Stimme wie das Schnurren eines Katers, in der anderen wie das Knurren eines Löwen.

Ich war auf der Hut! Doch gleichzeitig faszinierte mich diese Mischung aus spitzbübischem Charme und dunkler Aura.

Das sind nur deine Hormone, Teaghan!

»Das würde ich mir niemals erlauben.« Nicht, ohne Walter in meinem Rücken. Ich schwitzte noch ein bisschen mehr und presste die Oberschenkel zusammen, aber das Kribbeln in meiner Möse weigerte sich beharrlich zu verschwinden.

»Ich kann es dir beweisen.« Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte er auf mich zu. »Fass mich an!«

Verdutzt riss ich die Augen auf. Flirtete er etwa mit mir, oder bildete ich mir das nur ein? Mein Körper reagierte darauf wie ein ausgehungerter Tiger, der eine appetitliche Antilope ins Visier nahm. War der hochgewachsene Kerl mit den breiten Schultern nicht genau das, wonach ich mich gesehnt hatte? Meine Hände hoben sich wie von selbst, gierig darauf, den gebräunten Beachboy zu berühren.

Ich erschrak. War ich verrückt geworden? Im letzten Moment hielt ich ihm meine Hände wie Stoppschilder hin. »Halt! Keinen Schritt weiter!«

Denn mir war klar geworden, wer der Eindringling war.

Kapitel 2

Hawk

Sechs Stunden vorher

Statt der Hip-Hop- und Streetware-Klamotten, in die Toby sich üblicherweise kleidete, trug er heute alles in Grauschattierungen – zwei Nummern zu groß. Die Kleidung hing an ihm herab wie die Zweige einer Trauerweide. Verschleierungstaktik, um seine Statur zu verbergen, falls ihn jemand bei der An- und Abreise sah.

Verträumt schaute er den Strand hinunter, an dem sich die Villen wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen. »Ich werde mir von dem ganzen Zaster eine Jacht kaufen.«

»Was Besseres fällt dir nicht ein?« Mein Rucksack wog gefühlt eine Tonne, als ich ihn in das angemietete Ruderboot warf, dabei hatte ich nur Kleidung und Essen für drei Tage dabei. Mehr Zeit hatten wir für Plan A nicht vorgesehen.

»Eins von den Monsterbooten, wie sie im Hafen von Sag Harbour ankern.« Mit der flachen Hand rieb er über seinen fast kahlen Schädel. Extra für heute hatte er sich die Haare bis auf wenige Millimeter abrasiert, um sein Aussehen zu verändern.

»Du solltest das Geld sinnvoller investieren«, ermahnte ich ihn. Falls sie ihm überhaupt einen Cent lassen würden. Ich schleuderte das grellrote Zelt in die Nussschale. Eingepackt erinnerte es an eine riesige Frisbeescheibe und war erfreulich leicht. »Zum Beispiel in eine College-Ausbildung, falls für dich überhaupt noch etwas übrig bleibt, nachdem deine Schulden getilgt sind.«

Er prustete. »Wenn wir alles auf dem Schwarzmarkt verkauft haben, werden wir stinkreich reich sein und müssen nie wieder klotzen.«

»Red keinen Unsinn!« Schnaubend schüttelte ich den Kopf. Trotz seiner achtzehn Jahre war Toby noch ein Grünschnabel, und in erster Linie war er nicht hier, um sich zu bereichern, sondern um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

»Was sollte ich schon studieren?«, fragte er, als wir gemeinsam das Ruderboot vom Strand in den Atlantik schoben.

Als wir genug Wasser unterm Kiel hatten, sprang ich hinein und reichte ihm die Hand. »Nun, komm schon, Junge!«

»Nenn mich Poison Dart Frog!« Ungelenk kletterte die Bohnenstange hinein und setzte sich mir gegenüber in Fahrtrichtung hin.

»Pfeilgiftfrosch?« Mit den beiden Paddeln stieß ich uns ab. »Ernsthaft?«

»Er ist durch das Nervengift, das er durch die Hautdrüsen ausscheidet, eins der tödlichsten Tiere auf der Welt, weshalb Urvölker ihn als Pfeilgift benutzten.«

Clever war er ja, aber … »Das klingt wirklich einschüchternd.«

»Mach dich nicht lustig über mich, Hawk! Ich gehöre genauso zur Gang wie du.«

»Für meinen Geschmack findest du zu viel Gefallen an unserer Aktion.« Ich hielt ihm die Ruder hin und lehnte mich zurück. Mich an dem Privatstrand abzusetzen war seine Aufgabe, meine würde erst danach beginnen.

Die ersten Meter kosteten ihn Mühe, aber dann legte er sich in die Riemen. »Was ist falsch daran?«

Ich lehnte mich vor und schaute ihn warnend an. »Ist es etwa dein Ziel, im Knast zu landen, so wie dein Dad?« Der hatte Luxuskarossen gestohlen, bevor er und andere Bandenmitglieder von den Cops geschnappt worden waren. Entweder hatte er die Fahrzeuge über dubiose Wege nach Südamerika verschifft und dort verscherbelt oder sie mit Kumpel zerlegt und die Einzelteile innerhalb der USA weiterverkauft. Ich hoffte inständig, dass Toby dessen kriminelle Energie nicht geerbt hatte.

»Man darf sich eben nicht erwischen lassen.«

»Irgendwann wird jeder erwischt.« Abschätzig fügte ich hinzu: »Frog.«

»Du nicht.«

»Noch nicht.« Plötzlich bekam ich Zweifel. Vielleicht beging ich gerade einen Fehler. Irgendwann stolperte man immer und wurde eingebuchtet, das hatte ich in meinem Freundeskreis oft genug erlebt. Möglicherweise stand mein eigenes Straucheln und Fallen kurz bevor. Angespannt betrachtete ich die Villen, an denen wir in einiger Entfernung lautlos vorbeizogen.

»Warum machst du dann hier mit?«, fragte der Junge.

»Das weißt du genau.« Vorwurfsvoll schaute ich ihn an, bis er meinem Blick auswich und betreten schwieg. Ich hatte neben meinen Jobs in Motorradwerkstätten bereits kleine krumme Dinger gedreht, das lag mir im Blut, aber diese Operation hier war ein anderes Kaliber. Danach sollte mit dem Scheiß endgültig Schluss sein. Am Anfang hatte ich nur zugestimmt, um Toby zu retten. Er hatte schon immer auf zu großem Fuß gelebt und gern einen auf dicke Hose gemacht, obwohl man seine Eier mit der Lupe suchen musste. Um mit seinen protzigen Freunden mithalten zu können, hatte er sich bei den falschen Leuten Geld geliehen. Diese gehörten unglücklicherweise nicht zu der Sorte Kredithaie, die zur Warnung einen Finger abschnitten oder die Schuldner zusammenschlugen. Sie waren im New Yorker Untergrund gefürchtet, und ich wollte Toby nicht eines Tages mit gebrochenem Genick in der Gosse finden.

Sollte ein Rest Zaster übrig bleiben, würden wir ihn behalten dürfen. Ich war mir da noch nicht so sicher. Solche Leute teilten nicht gern. Absprache hin oder her, Ansprüche zu stellen, dürfte riskant werden. Aber vielleicht hatten wir Glück. Die Hoffnung starb zuletzt.

Aber während die Vorbereitungen fortgeschritten waren, hatte ich mir eingestehen müssen, dass meine Sorge um das Greenhorn nicht der einzige Grund war, um mitzumachen. Ich wollte weg und irgendwo neu anfangen, wo niemand meinen familiären Hintergrund kannte und wusste, was ich alles schon auf dem Kerbholz hatte. Dazu brauchte ich Geld. Es würde dauern, mir eine neue Existenz aufzubauen, und diese Phase würde ich überbrücken müssen.

Als wir uns morgens auf dem Parkplatz eines Fast-Food-Restaurants getroffen hatten, um gemeinsam in die Hamptons zu fahren, hatte noch die Sonne geschienen. Jetzt, am Vormittag, nahm der Wind, der vom Atlantischen Ozean auf Long Island traf, zu und wühlte das Meer auf. Unsere Nussschale wurde hin und her geworfen.

Toby ächzte, weil er gegen die Wellen ankämpfen musste. Seine Ruderbewegungen wurden langsamer. »Wir hätten ein Motorboot mieten sollen.«

»Wir dürfen kein Risiko eingehen und müssen uns lautlos nähern, damit ich ungesehen an Land gehen kann.« Meine schwarz-weißen Surfer-Bermudas mit dem Maori-Muster würden bald zu kalt sein. Ich hatte mir die Haare wachsen und die Spitzen meiner braunen Haare blondieren lassen, auch war ich im Solarium gewesen, um den Verdacht in die falsche Richtung zu lenken, schließlich konnte ich bei meinem Vorhaben keine Maske tragen.

Wir waren fast an dem Maschendrahtzaun, der bis ins Meer hineinragte, angekommen. Eine Möwe wollte darauf landen, doch der Stacheldraht hinderte sie daran. Wie abgesprochen, holte ich mein Handy aus der Hosentasche und verschickte eine SMS an Weasel mit nur einem Wort: Jetzt!

Einige Sekunden verstrichen. Unentwegt schloss und öffnete ich meine Hände. Ich krauste meine Stirn so heftig, dass ich Kopfweh bekam, aber der Schmerz verschwand, sobald ich meine Gesichtsmuskulatur wieder entspannte.

Ein Summen war zu hören. Die beiden Überwachungskameras an den Außenzäunen drehten sich so, dass die Linsen von uns weg zeigten. In Seelenruhe schipperten Toby und ich zwischen ihnen hindurch. Keine digitalen Beweise. Sollten jemals Phantomfotos von uns angefertigt werden, würden wir anders aussehen, als wir es vorher getan hatten, weil wir unser Erscheinungsbild verändert hatten, und hinterher würden wir noch einmal unser Aussehen wandeln. Auf Phantomfotos erkannte man Täter ohnehin kaum wieder, fand ich. Falls doch, wären wir längst untergetaucht.

Das Ruderboot stieß gegen den Privatstrand der Vanderbrooks, worauf Tobys schlaksiger Oberkörper erst vor- und dann zurückgeschleudert wurde. Es wirkte, als würde er mir zunicken und stumm mitteilen: Ich habe den ersten Teil meiner Aufgabe erledigt, nun bist du dran.

Es kribbelte in meinem Nacken. Adrenalin floss durch meinen Körper und ließ mich kaum mehr spüren, dass die Böen frische Seeluft mitbrachten. Nach wochenlanger Vorbereitung war es endlich so weit.

Behände sprang ich aus dem Boot ins Wasser. Ich warf meinen Rucksack und das Zelt in den Sand. In der Ferne erspähte ich die Villa, die so groß wie eine Kathedrale und so gefüllt wie eine Schatzkammer war. Sie wurde von einer Mauer umgeben, die ebenso eine Stacheldrahtkrone besaß wie der Zaun und mit Überwachungskameras gespickt war, die sich allerdings von uns abwandten.

Alle Kameras auszuschalten oder gar das vordere Tor zu öffnen, hätte den Verdacht auf Weasel gelenkt, aber er hatte Frau und vier Kinder und wollte nicht abtauchen wie wir. Er schaffte tote Winkel, zu mehr war er nicht bereit gewesen.

Das machte alles komplizierter, aber ich bekam das schon hin. Wenn es nach Toby gegangen wäre, hätten wir den Schutzwall einfach weggesprengt. Aber ein brachiales Vorgehen würde die Cops alarmieren und die Flucht erschweren oder gar unmöglich machen.

Ich besaß mehr Fingerspitzengefühl und war wie die Zecke, die heimlich unter die Hose des Opfers kroch, sich an der Haut festsaugte und nicht mehr losließ, bis sie bekam, was sie wollte. Blut oder – wie in unserem Fall – Bargeld, Schmuck, Gemälde, Technikkram und mit Gold und Diamanten verzierte Gegenstände, eben alles, was nicht niet und nagelfest war und sich unkompliziert mitnehmen und verscherbeln lassen würde.

Mir gefiel Tobys überhebliches Lächeln nicht. Er hielt unser Verbrechen offenbar für einen Bubenstreich oder für ein großes Abenteuer und fühlte sich, als wäre er der König der Welt. Um ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen, sagte ich: »Ist dir klar, was wir hier gerade treiben?«

»Wir ziehen ein richtig fettes Ding durch.« Er rieb die Handflächen aneinander.

Ich hielt das Boot am Bug fest und fixierte ihn. »Bist du bereit, Angst und Terror zu verbreiten, Poison Dart Frog?«

Das Grinsen verschwand. »Wie meinst du das?«

»Wir kommen nicht als Freunde.« Sondern als Raubtiere.

Er blinzelte nervös. »Aber wir werden doch niemandem wehtun, nicht wahr?«

»Es könnte etwas Unvorhergesehenes passieren.« Tat es das nicht immer?

»Wir haben doch alles geplant«, sagte er schwach, während er sich das linke Auge rieb, als wäre ihm eine Mücke oder Sand hineingeflogen.

»Was nicht gleichbedeutend damit ist, dass wir die Situation jederzeit im Griff haben werden.«

»Wir haben die Kontrolle. Wir machen die Regeln. Wir bestimmen das Spiel.« Mit vor Unsicherheit zitternder Stimme fügte er hinzu: »Oder?«

»Noch haben wir die Sicherheitsvorkehrungen nicht einmal überwunden.«

»Du wirst das schon machen.«

Ja, das würde ich. Ich ließ das Ruderboot los. »Fahr jetzt! Das Zeitfenster wird sich gleich schließen und die Kameras wieder ihre alte Position einnehmen. Dann musst du fort sein.«

Mit aschfahlem Gesicht und gestutzten Federn ruderte Toby zurück aufs Meer hinaus.

Aufgewühlt über meine eigenen Worte baute ich das Iglu auf, das ich absichtlich in Signalrot gekauft hatte, damit man es von weit her sehen konnte. Ich brachte das Windspiel an, das mich schon nach wenigen Minuten nervte. Zwei Lockmittel.

Der Köder war ich selbst.

Kapitel 3

Teaghan

»Ha!« Begleitet vom Krächzen einiger Möwen, die über uns hinwegflogen und landeinwärts flüchteten, zeigte ich auf den Fremden. »Ich habe dich durchschaut.«

»Wie meinst du das?« Der verführerische Eindringling lächelte zwar weiterhin, mir entging das bedrohliche Funkeln in seinen Augen aber keineswegs.

Davon ließ ich mich nicht einschüchtern. »Ich weiß genau, wer du bist.«

»Du kennst meinen Namen?« Er stemmte die Fäuste in die Hüften und straffte die Schultern. »Das bezweifele ich.«

»Ich meinte, was du bist.« Spielte ich gerade mit dem Feuer? Hätte ich lieber meinen Mund halten und gehen sollen? Denn jedes Wort konnte später von ihm falsch ausgelegt werden. Ich sah schon neue Schlagzeilen vor meinem geistigen Auge: Das arme reiche Mädchen tickt völlig aus, Teaghan Vanderbrook ist noch immer ein Nervenwrack oder Sie hätte gegen ihre Aggressionen statt gegen ihre Trauer arbeiten sollen.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er mich. »Ach, ja?«

»Hast du gedacht, du könntest kompromittierende Fotos von mir schießen?« Wütend schüttelte der Wind das Dünengras. Er zog seine Stirn in Falten. »Bist du davon ausgegangen, dass ich mich in Sicherheit wiege und unvorsichtig werde?«

Lässig zuckte er mit den Achseln. »Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest.«

»Du bist ein Paparazzo, habe ich recht?« Eine Böe wirbelte Sand vor meinen Espadrilles auf. »Nun, gib es schon zu! Du bist entlarvt.«

Entspannt ließ er die Arme hängen. »Du irrst dich.«

»Du hast dich auf mein Grundstück geschlichen, um mich abzulichten – am liebsten, wie ich heule oder saufe, um zu vergessen, oder wie ich hüllenlos sonnenbade – und dir mit den Bildern eine goldene Nase zu verdienen. Wolltest dir einen Namen unter den Paparazzi machen, hm? Aber daraus wird nichts werden.«

Der Surfer-Typ grinste unverschämt sexy. »Du legst dich nackt in die Sonne?«

Ich errötete doch glatt. Warum nur? Ich war alles andere als prüde. Der Beachboy musste mir besser gefallen, als mir bisher klar gewesen war. Reiß dich zusammen, Teaghan, ermahnte ich mich.

»Das hätte ich schon gern gesehen.« Er musterte mich anzüglich von oben bis unten.

Was mich wohlig erschauern ließ. »Also, gibst du es zu?«

»Dass ich eine dieser Schmeißfliegen bin?«, fragte er, während er zum Eingang des Campingzelts ging, sich hinhockte und ins Innere griff.

Im ersten Moment dachte ich, er würde seine Kamera greifen und blitzschnell einige Schnappschüsse von mir machen, bevor ich ihn rauswerfen ließ. Doch er holte nur einen Sweater heraus. Nachdem er sich erhoben hatte, streifte er ihn über. Auf schwarzem Stoff stand in weißer Schrift: U cannot tame me – Du kannst mich nicht zähmen. Über dem Druck schwebten rote Teufelshörner.

Ich hatte bereits eine dunkle Aura an dem Sunnyboy wahrgenommen, die er zwar zu verbergen versuchte, was er aber nicht sonderlich gut schaffte, da sie vermutlich ein zu starker Teil von ihm war. Durch die schwarze Kleidung und den Spruch auf dem Sweater trat sie weiter zum Vorschein.

Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, selbst an den Innenseiten der Oberschenkel. Ein zartes Pulsieren erwachte zwischen meinen Beinen. Ich war schon immer auf Bad Boys abgefahren.

»Ich kann dich beruhigen«, sagte er in samtig weichem Ton. »Ich bin nur ein Rucksacktourist, der einen schönen und zugleich sicheren Ort zum Übernachten gesucht hat.«

»Paparazzi sind skrupellos und ausgezeichnete Lügner.«

»Durchsuche ruhig mein Zelt. Nur zu!« Er nahm meine Hand, führte mich zum Eingang und hielt sie fest. »Du wirst keine Fotoausrüstung finden.«

Es brachte mich durcheinander, dass er mich nicht losließ. »Wie bist du überhaupt auf das Privatgelände gekommen?«

»Das bleibt mein süßes Geheimnis.«

Diese ausweichende Antwort wollte ich ihm nicht durchgehen lassen, aber sein Daumen streichelte meinen Handrücken, und das lenkte mich ab und machte mich schwach. Ich sehnte mich so sehr nach Zuneigung, dass mir das Atmen und erst recht das Denken schwerfielen. Mühevoll brachte ich hervor: »Nun, sag schon!«

»Ich kann übers Wasser gehen.«

»Unsinn! Ich will die Wahrheit wissen.«

»Nein, willst du nicht«, wisperte er und trat dicht an mich heran. »Du findest alles Rätselhafte anziehend, stimmt doch, nicht wahr?«

Mein Puls beschleunigte sich. Hatte er etwa mein Profil auf der Dating-Seite gelesen, als es noch aktiviert gewesen war? Ich hatte es sofort gelöscht, nachdem es von der Presse entdeckt worden war.

Der Kerl passte perfekt in mein Beuteschema. Wie gut er mich durchschaute, imponierte mir, aber es machte mir auch Angst, weil ich zu Wachs in seinen Händen werden konnte, wenn er es darauf anlegte und ich mich auf ihn einlassen würde.

Ich riss mich von ihm los, bevor ich verloren war. »Du kannst hier übernachten, aber morgen früh musst du gehen.«

Er schenkte mir einen Welpenblick, der mich beinahe schwach machte. Um ihm nicht doch noch zu erliegen, stieg ich rasch die kleine Düne hoch. Ich musste dringend Abstand zwischen uns bringen. Doch ich machte den Fehler und drehte mich noch einmal zu ihm um.

Wie gut er aussah! Zum Anbeißen. Der Wind zerzauste ihm die tabakbraunen Haare. Mein höllisch attraktiver Surfer – hatte ich gerade »mein« gedacht? – wirkte, als wäre er gerade erst aus dem Bett aufgestanden. Nach einer leidenschaftlichen Nacht. In der er nicht viel Schlaf bekommen hatte.

»Wie heißt du eigentlich?«, rief er mir zu.

»Teaghan.«

Eine kräftige Böe wehte seine Worte zu mir herüber und den Saum meines Chiffonkleids hoch. Eilig drückte ich den Stoff gegen meine Beine, um nicht im Slip vor dem Backpacker zu stehen. »Woher kommt der Name?«

»Er ist walisisch und bedeutet ›die Blonde‹ oder auch einfach nur ›die Helle‹.«

»Wow!« Der Beau kam auf mich zu, blieb jedoch am Fuße der Düne stehen und schaute zu mir herauf. »Stammen deine Eltern aus England?«

»Nein, ihnen gefiel nur der Klang.« Ich merkte ihm an, dass er darauf wartete, dass ich ihn fragte, wie er hieß, doch ich wollte es gar nicht erfahren, denn das würde nur neue Sehnsüchte in mich hineinpflanzen.

»Nenn mich Hawk!«, sagte er schließlich und schenkte mir zum Abschied ein sinnliches Lächeln, das mich den Weg zurück ins Haus wärmte. Nun hatte mein Begehren einen Namen. Ich träumte nicht mehr nur mit offenen Augen davon, das Kamasutra auszuprobieren, sondern davon, es mit Hawk zu tun.

Die Villa kam mir mit einem Mal noch größer und leerer vor. Ich fühlte mich einsam. Aber das musste ja nicht so bleiben. Er hatte schließlich eindeutig Interesse an ihr gezeigt.

Wenn es nur so einfach wäre.

Hätte ich ihn in einem der VIP-Klubs in New York getroffen, hätte ich nicht gezögert, mich mit Hawk einzulassen. Aber unter den gegebenen Umständen war es etwas anderes. Ich kannte ihn nicht. Auch wenn er kein Paparazzo war, konnte er unsere gemeinsame Nacht an die Medien verkaufen, nachdem wir uns vergnügt hatten. Das war der Preis dafür, dass man die Tochter eines wohlhabenden Paares war. Mit wem ich mich auch einließ, ich ging jedes Mal das Risiko ein, dass mein Partner der Presse detailliert erzählte, was zwischen uns geschehen war, darunter all die kleinen Geheimnisse, die ich unbedingt für mich behalten wollte, weil sie intim oder peinlich waren. Mein Bekanntheitsgrad machte mich verletzlich, das hatte ich erst nach dem Drama im Vanderbrook-Tower realisiert.

Unruhig lief ich von einem Raum in den anderen. Draußen heulte der Wind um die Villa. Die Mauer, die Haus und Garten umgab, war zu weit weg, um Schutz zu bieten. Sie hinderten nur den armen Hawk daran, sich am Gebäude unterzustellen. Schon im Garten würde er die Nacht besser überstehen können. Aber am Strand? Selbst schuld, hätte er sich eben nicht auf ein Privatgrundstück schleichen dürfen. Außerdem konnte er ja jederzeit gehen, um sich eine Unterkunft zu suchen. Allerdings überstiegen die Hamptons gewiss sein Budget.

Jetzt tat er mir schon wieder leid. Dabei brauchte ich mich nicht verantwortlich für ihn zu fühlen. Ich tat es dennoch, immerhin campierte er auf meinem Grund und Boden und ich war die Einzige, die von seiner misslichen Lage wusste und ihn daraus befreien konnte.

Ich setzte mich auf die Armlehne der weißen Couch im Wohnzimmer wie auf einen Pferdesattel und spähte hinaus. Es wurde immer ungemütlicher draußen. Ein heftiger Sturm zog auf.

Wie von selbst bewegte sich mein Unterleib vor und zurück. Mein Höschen glitt über das kühle Leder. Es kribbelte dort unten, wo mich schon viel zu lange kein Mann mehr berührt hatte. Meine Schamlippen schwollen an. Seufzend hielt ich mich am Rückenteil fest, beugte mich mit dem ganzen Körper vor und rieb meinen Kitzler schneller über die Lehne. Mit geschlossenen Lidern stellte ich mir Hawk vor, wie er unter mir lag und sich meine Möse an die Wölbung in seinen Bermudashorts schmiegte.

Wie groß mochte sein Schwanz wohl sein? Wie kraftvoll konnte der Surfer-Typ damit zustoßen? All das würde ich auf diese Weise niemals erfahren.

Seufzend blieb ich sitzen und öffnete die Augen. Ich war noch immer allein. Hawk war nicht bei mir, sondern dem Unwetter ausgeliefert, und es kam mir bedauernswert vor, dass ich es mir selbst besorgte. So erregend, wie diese Mischung aus Fantasie und Reiterspiel auch war, sie fühlte sich nicht richtig an. Etwas fehlte. Jemand fehlte.

In den vergangenen Monaten hatte ich so oft masturbiert, dass es mittlerweile fad geworden war. Ich wünschte mir, warme Haut zu spüren, ebenso wie Hände, die nicht nur zärtlich streicheln, sondern auch kraftvoll zupacken konnten. Vor allen Dingen sehnte ich mich danach, um den Verstand gefickt zu werden. Meine Vibratorensammlung war nur ein trauriger Ersatz. Auf Sextoys hatte ich keine Lust mehr, sondern auf … Hawk.

Vor der großen Fensterfront, durch die man erst auf den Swimmingpool und dann in die weitläufige Grünanlage sah, ging langsam die Sonne unter. Erste Tropfen trafen auf das Glas und liefen an der Scheibe hinunter. Na toll, jetzt regnete es auch noch.

Bestimmt lief Hawk gerade um sein Iglu herum, weil der Sturm am Zeltstoff riss und der Sand die Heringe zu leicht freigab. Und der Orkan nahm gerade erst an Fahrt auf.

Mein schlechtes Gewissen wuchs. Ich saß im Trockenen allein in dieser Riesenvilla. Wie konnte ich ihn die ganze Nacht am Strand campieren lassen?

Glücklich, endlich eine Ausrede gefunden zu haben, die stärker als meine Bedenken war, zog ich meine Softshell-Jacke an, die nicht nur winddicht, sondern auch bis zu einem gewissen Grad wasserabweisend war, und rannte hinaus. Heftige Böen peitschten mir den Regen ins Gesicht.

Schon von Weitem nahm ich wahr, dass das signalrote Kuppelzelt nicht mehr am Strand stand. Hawk hatte es bereits hinter die Düne getragen und versuchte gerade verzweifelt, es im Boden zu verankern, doch der Sturm hatte etwas dagegen. Der Zeltstoff flatterte unkontrolliert hin und her. Das Windspiel war nicht mehr zu hören, Hawk musste es in den Rucksack gepackt haben.

Schnell lief ich zu ihm. Als er mich sah, wirkte er im ersten Moment überrascht, dann lächelte er übers ganze Gesicht.

Ich griff das andere Ende des Iglus. Ein Windstoß riss es mir fast wieder aus den Händen. Obwohl Hawk nur wenige Schritte von mir entfernt stand, musste ich meine Stimme erheben, damit er mich hören konnte: »Komm mit rein!«

»Bist du sicher?«, rief er über das Zelt hinweg.

Nein! »Ja.«

Kapitel 4

Teaghan

Mir war mulmig, aber dort über dem Atlantik braute sich ein Unwetter zusammen, dessen Ausmaße noch nicht einzuschätzen waren. Der Himmel über dem Ozean färbte sich zunehmend schwarz. In der kommenden Nacht würde es verdammt ungemütlich werden.

Hawk schulterte seinen Rucksack. Der Camouflage-Stoff am Rücken und Boden war verschlissen, die Lasche war ausgefranst, und das Vorderteil hatte hier und da kleine Löcher.

Mühsam schleppten wir das Zelt zur Mauer. Mit dem Körper verdeckte ich das Eingabefeld des elektronischen Schlosses, damit mein fremder Besucher den PIN-Code, den ich eintippte, nicht sah. Dann huschten wir durch die Tür. Nachdem wir sie geschlossen hatten, waren wir erst einmal geschützt.

Erleichtert strahlte er mich an, und das machte mich auf seltsame Art glücklich. Wasser tropfte von seinen Haaren, die nass so dunkel wie Espresso wirkten. Seine Kleidung haftete feucht an seinem durchtrainierten Körper. Trotz der Dusche von oben klebte Sand zwischen seinen Zehen. Trotzdem oder gerade weil er nicht so geleckt daherkam wie die Männer aus dem Jetset, mit denen ich sonst zu tun hatte, sah er für mich äußerst appetitlich aus. Sie waren Lackaffen, während er mich an einen Raubvogel erinnerte. Wild und animalisch.

Ob er wohl so rau und schmutzig vögelte, wie ich es mir ausmalte?

Während der Sturm heulend über unsere Köpfe hinwegfegte und wir kurz durchatmeten, neigte sich Hawk vor und küsste mich auf die Wange, fast auf meinen Mundwinkel. »Danke, dass du mich gerettet hast.«

Gierig saugte ich diese zärtliche Geste auf wie ein trockener Schwamm. Mein Herz schlug schneller. Ich glaubte, seinen Kuss immer noch zu spüren.

Dieser Unbekannte, der auf magische Weise von der Security unbemerkt auf das Gelände gelangt war, faszinierte mich. Wie hatte er das nur geschafft? Wenn er übers Wasser gehen konnte, welche Wunder vermochte er dann noch zu vollbringen? Es war zu verführerisch herauszufinden, wohin die nächsten Stunden führen würden.