Pema Chödrön

Es ist nie zu spät

Pema Chödrön

Es ist nie zu spät

Ein aktueller Reiseführer
für den Weg des Bodhisattva

Herausgegeben von Helen Berliner

Aus dem Amerikanischen von Michael Schaefer

Vor meinem Lehrer,
Chögyam Trungpa Rinpoche,
verneige ich mich

Inhalt

Leute wie wir können etwas bewirken

Eine klare Intention entwickeln

Die Grundlagen legen

Das Zögern überwinden

Intelligent vorgehen

Den Geist zähmen

Die drei Disziplinen

Mit Aggression umgehen

Besondere Situationen, um Geduld zu üben

Enthusiasmus

10 Herzzerreißendes Samsara

11 Die Barrieren abbauen

12 Widmung

Dank

Anhang

Glossar

Anmerkungen

Literaturhinweise

Leute wie wir
können etwas bewirken

„Der Weg des Bodhisattva“ wurde vor über zwölf Jahrhunderten in Indien verfasst und hat bis heute nichts von seiner Aussagekraft verloren. Dieser klassische Text, geschrieben von dem indischen Weisen Shantideva, gibt Menschen wie Ihnen und mir überraschend aktuelle Hinweise, wie man sogar in einer sehr unruhigen Welt auf vernünftige und großmütige Weise leben kann. Es ist der unverzichtbare Reiseführer für angehende bodhisattvas, für jene spirituellen Krieger, die Leiden lindern möchten, ihr eigenes und das anderer. Damit gehört es zum Mahayana, derjenigen Schule des Buddhismus, die die Entwicklung umfassenden Mitgefühls und die Hervorbringung unseres flexiblen, vorurteilslosen Geistes der Weisheit zum Ziel hat.

Der Tradition zufolge muss man, um einen Kommentar zu einem Text wie dem „Weg des Bodhisattva“ (in Sanskrit: Bodhicharyavatara) zu schreiben, über fortgeschrittene spirituelle Erkenntnis verfügen oder in einem Traum aufgefordert worden sein, solch eine Abhandlung zu verfassen. Da ich leider keine dieser beiden Voraussetzungen erfülle, biete ich diese Lehren einfach an mit dem aufrichtigen Wunsch, dass dadurch neue Leser von Shantidevas Text genauso profitieren mögen wie ich.

Meine eigene Wertschätzung für den „Weg des Bodhisattva“ entwickelte sich langsam und erst, nachdem ich mit Patrul Rinpoche, dem großen tibetischen Wander-Yogi des 19. Jahrhunderts, vertraut geworden war. Durch seine Schriften und die unglaublichen Geschichten, die man sich über ihn erzählte, erwuchsen in mir großer Respekt und große Liebe zu diesem Mann. Er hatte keinen festen Wohnsitz, besaß nichts und war ausgesprochen ungezwungen und unkonventionell. Trotzdem war er ein eindringlicher und sehr weiser Lehrer, dessen spirituelle Erkenntnis sich in allen Lebenssituationen manifestierte. Er war äußerst mitfühlend und zärtlich zu den Menschen, aber auch rückhaltlos ehrlich.

Als ich entdeckte, dass Patrul Rinpoche diesen Text Hunderte von Malen gelehrt hatte, wurde ich hellhörig. Er wanderte also in Tibet umher und unterrichtete jeden, der zuhörte: Reiche und Arme, Nomaden und Adlige, Gelehrte und einfache Leute, die nie buddhistische Lehren studiert hatten. Als ich das hörte, dachte ich: „Wenn dieser exzentrische Mann, dieser kompromisslose Yogi den Text so geliebt hat, muss etwas dran sein.“ Also fing ich an, ihn ernsthaft zu studieren.

Manche Menschen lieben den „Weg des Bodhisattva“ von der ersten Lektüre an, aber zu denen gehörte ich nicht. Ganz ehrlich, wäre meine Bewunderung für Patrul Rinpoche nicht gewesen, hätte ich nicht durchgehalten. Als ich aber angefangen hatte, mich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen, rüttelte mich der Text aus einer zur Gewohnheit gewordenen Selbstgefälligkeit auf, und ich begann die Dringlichkeit und die Relevanz dieser Lehren zu erkennen. Unter Shantidevas Anleitung erkannte ich, dass Leute wie wir etwas bewirken können in einer Welt, die Hilfe bitter nötig hat.

Zudem verspürte ich den Wunsch nach einem Kommentar, der nicht so gelehrt sein sollte wie die bisherigen, einem Kommentar für ein breiteres Publikum, zugänglich auch für Menschen, die nichts von den buddhistischen Lehren wissen.

Aus diesen Gründen war ich durchaus neugierig, es selbst einmal zu versuchen, als ich gebeten wurde, den „Weg des Bodhisattva“ am Studieninstitut des Klosters Gampo Abbey zu unterrichten. Die Transkripte jener Vorträge bilden die Basis dieses Buches. Mein Kommentar zu Shantidevas Lehren ist über weite Strecken die Sichtweise einer Lernenden und kein abgeschlossenes Werk. Zweifellos wird sich durch die Hilfe meiner Lehrer mein Verständnis dieser Verse im Lauf der Zeit beträchtlich weiterentwickeln; dennoch freue ich mich aufrichtig, dass ich meine Begeisterung für Shantidevas Ratschläge mit anderen teilen kann.

Shantideva wurde im 8. Jahrhundert in Indien als Prinz geboren und war als ältester Sohn zum Thronfolger bestimmt. Einem der verschiedenen Berichte hierüber zufolge hatte Shantideva in der Nacht vor der Krönung einen Traum, in dem ihm Manjushri, der Bodhisattva der Weisheit, erschien und ihm riet, dem weltlichen Leben zu entsagen und die letztendliche Wahrheit zu suchen. Auf der Stelle verließ Shantideva sein Zuhause und gab für den spirituellen Weg den Thron auf, wie es auch der historische Buddha getan hatte.

Einer anderen Version zufolge nahm Shantidevas Mutter für das zeremonielle Bad am Vorabend seiner Krönung kochend heißes Wasser. Als er sie fragte, warum sie ihn mit Absicht verbrühe, antwortete sie: „Mein Sohn, dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, was du als König wirst ertragen müssen“, und noch in derselben Nacht brach er hastig auf.

Was auch immer der Auslöser war, Shantideva verschwand und begann ein Leben der Entsagung zu führen. Irgendwann kam er an die Nalanda-Universität, das größte, einflussreichste Kloster zu jener Zeit in Indien, einen Ort höchster Gelehrsamkeit, der Studenten aus der ganzen buddhistischen Welt anzog. In Nalanda wurde er zum Mönch ordiniert und bekam den Namen Shantideva, wörtlich „Friedensgottheit“.

Im Gegensatz zu dem Ruf, den er später genoss, mochte man Shantideva in Nalanda nicht besonders. Anscheinend gehörte er zu der Sorte von Leuten, die sich nie blicken ließen, nicht lernten und nicht zur Praxis erschienen. Die anderen Mönche sagten über ihn, seine drei „Verwirklichungen“ seien Essen, Schlafen und Scheißen. Um ihm eine Lektion zu erteilen, luden sie ihn schließlich ein, vor der gesamten Universität einen Vortrag zu halten. Solch eine Ehre wurde nur den besten Studenten erwiesen. Man musste auf einem Thron sitzen und natürlich auch etwas zu sagen haben. Da man annahm, Shantideva wisse nichts, dachten die Mönche, er würde sich nach solch einer Demütigung beschämt von der Universität fortstehlen. Das ist die eine Geschichte.

Eine andere zeichnet ein etwas sympathischeres Bild von Nalanda. Ihr zufolge hofften die Mönche, sie könnten Shantideva durch solch eine peinliche Situation zum Lernen motivieren. Trotzdem empfanden sie wahrscheinlich, wie alle fühlenden Wesen, die jemandem eine Lektion erteilen wollen, eine gewisse Schadenfreude bei dem Gedanken, wie Shantideva sich winden würde. Es heißt auch, sie wollten ihn zusätzlich demütigen, indem sie den Thron ungewöhnlich hoch machten, aber die Treppe wegließen.

Zu ihrem Erstaunen hatte Shantideva keinerlei Schwierigkeiten, den Thron zu besteigen. Selbstsicher fragte er dann die versammelten Mönche, ob sie traditionelle Lehren hören wollten oder etwas, was sie noch nie gehört hatten. Als sie antworteten, sie wollten etwas Neues, trug er ihnen das gesamte Bodhicharyavatara vor, den „Weg des Bodhisattva“.

Diese Lehren waren nicht nur sehr persönlich, voll nützlicher Ratschläge und relevant für ihr Leben, sie waren auch sehr poetisch und frisch. Der Inhalt selbst war nicht radikal. In den allerersten Versen sagt Shantideva, dass alles, was er nun lehren werde, auf die Überlieferungslinie des Buddha zurückgehe. Nicht sein Thema war originell, sondern die direkte und zeitbezogene Art und Weise, wie er die Lehren darstellte, und dazu die Kraft und Schönheit seiner Worte.

Gegen Ende seiner Präsentation begann Shantideva, über die Leerheit zu sprechen: das nicht von Bedingungen abhängige, unaussprechliche, traumartige Wesen allen Erlebens. Während er sprach, wurden diese Lehren immer bodenloser. Es gab immer weniger, woran man sich hätte festhalten können, und das Bewusstsein der Mönche wurde immer offener. Es heißt, dass Shantideva an diesem Punkt zu schweben begann. Er levitierte so stark, dass die Mönche ihn nicht mehr sahen, sondern nur noch seine Stimme hörten. Vielleicht soll das nur besagen, wie hingerissen sein Publikum war. Wir wissen es nicht. Was wir jedoch wissen, ist, dass Shantideva nach seinem Vortrag über die Leerheit verschwand. Mittlerweile waren die Mönche wahrscheinlich eher enttäuscht deswegen, aber er kehrte nie mehr nach Nalanda zurück und blieb zeit seines Lebens ein umherwandernder Yogi.

„Der Weg des Bodhisattva“ ist in zehn Kapitel aufgeteilt. Patrul Rinpoche fasste sie in drei Hauptteilen zusammen, wobei er sich am folgenden Vers des großen buddhistischen Meisters Nagarjuna orientierte:

Möge Bodhichitta, kostbar und vortrefflich,

erscheinen, wo es noch nicht entstanden ist;

und wo es erschienen ist, möge es nicht schwinden,

sondern immer mehr wachsen und gedeihen.

Das Sanskritwort bodhichitta wird oft als „erwachtes Herz“ übersetzt und bezeichnet den intensiven Wunsch, Leiden zu lindern. Auf der relativen Ebene zeigt sich Bodhichitta als Sehnsucht. Genauer gesagt, ist es das dringende Verlangen, sich von dem Schmerz der Ignoranz und der Gewohnheitsmuster freizumachen, damit man anderen helfen kann, dasselbe zu tun. Diese Sehnsucht, das Leiden anderer zu lindern, ist der zentrale Punkt. Wir fangen vor unserer eigenen Haustür an, um denen zu helfen, die wir kennen und lieben, aber die grundsätzliche Inspiration ist global und alles umfassend. Bodhichitta ist eine Art „mission impossible“: der Wunsch, das Leiden aller Wesen zu beenden, einschließlich derer, denen wir nie begegnen werden, und auch derer, die wir verabscheuen.

Auf der absoluten Ebene ist Bodhichitta nicht-duale Weisheit, die grenzenlose, unparteiische Essenz des Geistes. Und das Wesentliche ist: Es ist unser Geist – Ihrer und meiner. Er scheint vielleicht weit weg, aber er ist es nicht. Ja, Shantideva verfasste diesen Text sogar, um sich daran zu erinnern, dass er mit diesem Geist in Berührung kommen und ihn zum Blühen bringen konnte.

Patrul Rinpoches Dreiteilung zufolge erläutern die ersten drei Kapitel von „Der Weg des Bodhisattva“ die Anfangszeilen von Nagarjunas Vers – „möge Bodhichitta, kostbar und vortrefflich, erscheinen, wo es noch nicht entstanden ist“ – und beziehen sich auf unsere ursprüngliche Sehnsucht, uns um andere zu kümmern. Wir sehnen uns danach, dass diese transformative Qualität in uns selbst und in allen Wesen ans Licht kommt, sogar in denen, die sich vorher noch nie für das Wohlergehen anderer interessiert haben. Das erste Kapitel ist eine Lobeshymne auf die Wunderdinge von Bodhichitta. Das zweite Kapitel bereitet den Geist darauf vor, diese Bodhichitta-Sehnsucht zu nähren: Wir bereiten unseren Geist vor wie ein Gartenbeet, damit der Same von Bodhichitta darin wachsen kann. Das dritte Kapitel führt uns in das Bodhisattva-Gelübde ein, die Selbstverpflichtung, das eigene Leben zu nutzen, um anderen zu helfen.

Leider sind wir normalerweise so auf unsere eigene Bequemlichkeit und Sicherheit fixiert, dass wir kaum einen Gedanken darauf verschwenden, was andere durchmachen. Während wir unsere eigene Wut und unsere Vorurteile rechtfertigen, fürchten wir diese Eigenschaften bei anderen und prangern sie an. Wir wollen nicht, dass wir oder diejenigen, an denen uns etwas liegt, leiden, aber die Rache an unseren Feinden billigen wir. Wenn wir allerdings die katastrophalen Folgen dieses „Jeder ist sich selbst der Nächste“ in den täglichen Nachrichten sehen und hören, sehnen wir uns vielleicht danach, dass in den Herzen der Menschen auf der ganzen Welt Bodhichitta entstehen möge. Statt auf Rache aus zu sein, wünschten wir dann vielleicht, dass auch unsere Feinde Frieden erfahren.

Martin Luther King jr. verkörperte diese Sehnsucht in beispielhafter Weise. Er wusste, dass Glück von der Heilung der gesamten Situation abhängt. Partei zu ergreifen – schwarz oder weiß, Täter oder Opfer – verlängert nur das Leiden. Damit ich geheilt werden kann, müssen alle geheilt werden.

Die Menschen, die in dieser Welt wirklich etwas zum Guten verändern, haben ein großes Herz. In ihrem Denken ist Bodhichitta sehr lebendig. Mit den geeigneten Mitteln, um mit einer großen Zahl von Menschen zu kommunizieren, können sie enorme Veränderungen bewirken, sogar bei denen, die vorher noch nie auf die Bedürfnisse anderer geachtet haben. Das ist das Thema der ersten drei Kapitel: das erste Aufschimmern des erwachten Herzens.

Die nächste Zeile von Nagarjunas Vers – „und wo es erschienen ist, möge es nicht schwinden“ – entspricht den nächsten drei Kapiteln im „Weg des Bodhisattva“ und betont, wie wichtig es ist, das Bodhichitta zu stärken. Wenn wir sie nicht fördern, kann unsere Sehnsucht, Leiden zu lindern, wieder einschlafen. Obwohl sie nie völlig verschwindet, kann unsere Liebes- und Empathiefähigkeit definitiv abnehmen.

Dasselbe trifft auf unsere Einsichten zu. Schon eine bloße Ahnung von der Offenheit unseres Geistes kann uns tief berühren. Sie inspiriert uns vielleicht, Bücher wie dieses hier zu lesen und ein Gefühl der Dringlichkeit zu wecken, dass wir mit unserem Leben etwas Sinnvolles anfangen sollten. Wenn wir diese Inspiration aber nicht verstärken, schwindet sie. Der Alltag gewinnt die Oberhand, und wir vergessen, dass wir das Ganze einmal aus einer größeren Perspektive gesehen haben. Deshalb müssen wir wissen, wie wir vorzugehen haben, sobald wir die Bodhichitta-Sehnsucht spüren.

In den Kapiteln vier, fünf und sechs beschreibt Shantideva, wie man mit emotionaler Impulsivität und der Wildheit unseres Denkens geschickt umgeht. Dies sind zentrale Instruktionen, damit wir uns von unserer Ichbezogenheit freimachen können, von diesem engstirnigen Bezugspunkt, den mein Lehrer Chögyam Trungpa Rinpoche den „Kokon“ nannte.

In diesen Kapiteln werden uns auch die sechs paramitas vorgestellt. Das sind sechs grundlegende Methoden, wie man die falsche Sicherheit der Gewohnheitsmuster hinter sich lässt und sich mit der fundamentalen Bodenlosigkeit und Unberechenbarkeit des Lebens anfreundet. Das Wort paramita bedeutet wörtlich „das andere Ufer erreichen“, die üblichen vorgefassten Meinungen hinter sich lassen, die einen für das unmittelbare Erleben blind machen.

Im fünften Kapitel präsentiert Shantideva die Paramita der Disziplin, in Kapitel sechs die Paramita der Geduld. Es handelt sich aber nicht um Disziplin und Geduld in der gewöhnlichen Bedeutung von Selbstbeherrschung und Nachsicht; es geht um die Disziplin und die Geduld, die unser Herz aufwecken, indem sie unseren eingefleischten Negativismus und Egoismus auflösen.

Die Kapitel sieben, acht und neun beleuchten die letzte Zeile in Nagarjunas Vers und enthalten Lehren, die Bodhichitta unterstützen, damit es „immer mehr wächst und gedeiht“. Das siebte Kapitel befasst sich mit der Paramita des Enthusiasmus, das achte mit der Paramita der Meditation und das neunte mit der Weisheit der Leerheit.

In diesem dritten Abschnitt zeigt uns Shantideva, wie Bodhichitta zu einer Lebenseinstellung werden kann. Mit seiner Unterstützung könnten wir uns auf Situationen einlassen, die uns aufs Äußerste herausfordern, ohne unser Verständnis oder unser Mitgefühl zu verlieren. Das ist natürlich ein schrittweiser Lernprozess, in dem es auch Rückschritte geben kann. Aber auf unserem Weg von der Angst in die Furchtlosigkeit hat Shantideva immer Weisheit und Ermutigung für uns, wenn wir sie brauchen.

Nach reiflicher Überlegung bin ich der Meinung, dass ein Kommentar zum neunten Kapitel ein eigenes Buch erfordert. Zwar sind diese Lehren über die Paramita der Weisheit wichtig im Gesamtzusammenhang des Werkes, aber sie sind im Vergleich zum restlichen Text geradezu furchteinflößend anspruchsvoll. Sie präsentieren eine philosophische Debatte zwischen Shantidevas „Mittelweg“-Auffassung von der Leerheit und den Auffassungen anderer buddhistischer und nicht-buddhistischer Schulen. Wegen der Komplexität dieser Thematik halte ich es für besser, sie separat und zu einem späteren Zeitpunkt zu präsentieren. Für den Moment verweise ich auf die hervorragende Erläuterung, die sich in der Einleitung zur Padmakara-Übersetzung von Shantidevas Text findet, und auf das Buch Transcendent Wisdom von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama.1

Im zehnten und letzten Kapitel widmet Shantideva den Nutzen seiner Lehren – mit großem Nachdruck und aus tiefstem Herzen – allen leidenden Wesen, wer sie und wo sie auch immer sein mögen.

Ich betrachte diesen Text als ein Handbuch, wie man sich für andere öffnet, eine Anleitung für mitfühlendes Handeln. Wir können es lesen, um uns von Verwirrung zu befreien und von Gewohnheiten, die uns deformieren. Wir können es lesen, um damit unsere Weisheit und unser Mitgefühl zum Wachsen zu ermutigen. Und wir können es mit der Motivation lesen, den daraus entstehenden Nutzen mit jedem zu teilen, dem wir begegnen.

Das ist die richtige Einstellung: Lesen Sie den „Weg des Bodhisattva“ mit der Absicht, all das anzunehmen und zu verarbeiten, was sich richtig anhört. Nicht alles wird Sie inspirieren. Vielleicht finden Sie die Sprache gewöhnungsbedürftig, und manchmal fühlen Sie sich vielleicht provoziert oder angegriffen. Aber denken Sie daran, dass es Shantidevas beharrliche Absicht ist, uns Mut zu machen. Er zweifelt nie daran, dass wir die Kraft und das grundlegend Gute in uns haben, um anderen zu helfen, und wie man das macht, darüber sagt er uns alles, was er gelernt hat. Und dann liegt es natürlich an uns, diese Informationen zu nutzen und sie umzusetzen.

Persönlich fühle ich mich Shantideva für seine Entschlossenheit zu Dank verpflichtet, mit der er diese Botschaft vermittelt: Menschen wie Sie und ich können unser Leben ändern, indem wir die Sehnsucht des Bodhichitta wachrufen. Und ich bin ihm tief dankbar, dass er unaufhörlich ausspricht, dass das dringend, sehr dringend ist. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wenn ich mir den heutigen Zustand der Welt anschaue, weiß ich, dass es keine aktuellere Botschaft geben könnte.

Und nun, solange der Weltraum besteht,

solange es irgendwo Lebewesen gibt,

solange möge auch ich bei ihnen sein,

um den Kummer der Welt zu vertreiben.

Der Weg des Bodhisattva, Strophe 10.55