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Helmut Mauch

KLEINE

HUBSCHRAUBER
SCHULE

Fliegen leicht gemacht

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Impressum

Verantwortlich: Lothar Reiserer

Schlusskorrektur: Manuel Miserok

Satz: Helen Garner

Repro: Cromika, Verona

Herstellung: Anna Katavic

Printed in Slovenia by Florjancic

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 GeraMond Verlag GmbH

ISBN 978-3-86245-030-5

eISBN 978-3-96453-001-1

Vorwort

Den Hubschrauber fliegen – ohne Formeln

Jeder, der sich mit dem praktischen Hubschrauberfliegen befasst hat, musste sich auch an einem Berg von Theorie hocharbeiten. Diesen zu bewältigen, erfordert viel Geduld und Durchstehvermögen. Hier sind die Fächer Aerodynamik und Fluglehre am meisten fordernd, da sie auch viel Vorstellungsvermögen verlangen. Die alte Absicht, dass ein Lernprozess mit simultan verlaufender Praxis und Theorie die größte Effizienz erreicht, lässt sich aus verschiedenen Gründen nicht immer verfolgen. So bieten zumindest gezielte Vorbereitungen gewisse Erleichterungen, wenn bei scheinbar hochkomplexen Abläufen von einigen Flugmanövern das Verständnis streiken will.

Mit zunehmender Erfahrung erweitert sich aber die Erkenntnis der Notwendigkeit auch des theoretischen Wissens. Vieles erscheint anfangs als Ballast, den man nur durch die Prüfung „hindurchschleppen“ möchte. Aber es gibt auch Flugzustände, besonders jene im aerodynamischen und strukturellen Grenzbereich, wo die Theorie auf bestimmte Warnsymptome aufmerksam macht und so den Beginner wie auch den Professionellen auf der sicheren Seite hält.

Dieses Buch soll auch auf diese Flugsituationen neugierig machen. Der Text ist bewusst leicht verständlich gehalten und soll die Skizzen ergänzen – und umgekehrt. Schwierige Abläufe sind leichter zu erfassen. Die aerodynamischen Probleme werden so weit behandelt, wie sie zur Erklärung der fliegerischen Handhabung erforderlich sind. Die Zeichnungen sind aus Platzgründen nicht immer maßstäblich und deshalb zum besseren Verständnis übertrieben. Das stets präsente „Strömungsdreieck“ soll die aerodynamischen Vorgänge besser veranschaulichen.

Der flugpraktische Teil spricht nur die wichtigsten Manöver an, die man trotz der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des Hubschraubers prinzipiell anwenden muss.

Für Flächenflugzeugpiloten werden bei für Hubschrauber typischen Vorgängen einige fachdienliche Vergleiche angeboten.

Helmut Mauch
Oktober 2016

Inhalt

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Auftrieb und Strömungen

Ein paar aerodynamische Erklärungen und Flugzustände

Rund ums Profil, vom Medium Luft, in der wir fliegen

Der Strömungsabriss

Druckpunktwanderung

Die Tangentialkraft

Die Steuerung

Die Kontrolle

Die Seitensteuerung

Rund um den Rotor

Schub, Leistung und Drehzahl

Induzierter Widerstand

Gelenkiges und ähnliche Bewegungsfreiheiten

Der Drehmomentausgleich

Kampf gegen das Drehmoment

Momente des Heckrotors und ihre Wirkung

Drehmoment des Heckrotors und weitere Wirkungen

Weitere Möglichkeiten des Drehmomentausgleichs

Der Schwebeflug

Die Kunst des Schwebens, Bodeneffekt

Drehung unter Windeinfluss

Der Bodeneffekt

Hovern

Flug mit Fahrt, Kurvenflug, Übergangsauftrieb

Vorwärtsflug des Hubschraubers

Übergangsauftrieb

In Zeitlupe

Grenzen des Vorwärtsfluges

Kurvenflug

Landung

Die Autorotation

Die Eigendrehung – der Natur abgeschaut

Anströmrichtungen

Darstellung der Kräfteverschiebung im schrägen Autorotationsflug

Die „Dead man’s curve“

Die richtige Entscheidung

Besser mit Fahrt

Das Wirbelringstadium

Der verlorene aerodynamische Biss

Der Heckrotor im WRS

Ein vermeidbarer Teufelskreis: Die Rezirkulation

Der Strömungsabriss

Der „Der Blade Stall“ – Strömungsabriss des Hubschraubers

Einwirkung der Fahrtkomponente auf das vorlaufende Blatt

Typische Manöver

Typische Flugmanöver

Der Wiederstart

Start aus begrenzten Räumen

Landung auf hochragenden Flächen

Hanglandung

Die Technik

Warum sieht der Hubschrauber so aus?

Verbindungen

Der Antrieb

Die Kommandozentrale

Gewichte & Schwerpunkt

Gewichtiges

Im Gleichgewicht

Übungen zur Schwerpunktberechnung

Die Flugleistung

Pilot & Hubschrauber – ein Gespann

Leistungstabellen

Notverfahren

Verhalten bei Notfällen

Heckrotorausfall

Heckrotor-Totalausfall

Vereisung

Unkalkulierte Risiken

Register

Kleine Wissensprüfung

KAPITEL 1

Auftrieb und Strömungen

Zu Anfang der Luftfahrtgeschichte standen Versuche mit Ballons, Drachen und verschiedenen Apparaten, die oft eine Mixtur aus unterschiedlichen Konstruktionen darstellten. Häufig wurde auch die reine Vogelform nachempfunden und bereits ein Luftsprung galt als Erfolg. Was im Besonderen für den Senkrechtstart fehlte, waren außer einem effektiven Antrieb die fundierten Kenntnisse der Aerodynamik.

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Abb. 1: Im motorgetriebenen Flugzustand wird der Rotorstrahl von oben nach unten durch die Rotorkreisebene beschleunigt.

Ein paar aerodynamische Erklärungen und Flugzustände

Anfänge

Schon vor langer Zeit begann der Mensch, sich mit den Voraussetzungen für den Menschenflug zu befassten. Sagen und Überlieferungen berichten von Versuchen, die Schwerkraft zu überwinden.

Es lässt sich nicht mehr genau feststellen, wie alt die Idee ist, statt wie die gefiederten Vorbilder mit ihren soliden Flügeln und den erforderlichen Bewegungen einfach mit waagerecht rotierenden Luftschrauben Auftrieb zu erzeugen. Schon lange gibt es Skizzen von verschiedenen Konstruktionen. Bereits damals unterschied man zwischen Apparaten mit starren Flügeln und solchen mit Drehflügeln. Da man aber noch keine brauchbare Kraftquelle gefunden hatte, blieb es vorerst nur bei Entwürfen und enttäuschenden Versuchen. Erst als der Mensch eine Kraftmaschine entwickelt hatte, konnte man endlich verschiedene Konstruktionsrichtungen verfolgen.

Während vielen Flugbegeisterten der Bau von Luftfahrzeugen leichter als Luft vorteilhafter erschien, befasste sich manche mit Geräten schwerer als Luft. Hier begannen ernsthafte Versuche, statt mit notwendiger Geschwindigkeit gegenüber der Luft einfach senkrecht vom Boden abzuheben. Doch beim Bau von Flugmodellen erkannte man die Kompliziertheit der Konstruktion. Das fliegerische Verhalten des Drehflüglers bereitete erheblich mehr Probleme als der fast stabile Flug des Starrflüglers. Besonders die aerodynamischen Eigenarten des Helikopters gaben noch viele Rätsel auf, die erst Jahrhunderte später befriedigend gelöst werden konnten.

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Abb. 2: Viele Hoffnungen schmolzen anfangs dahin.

Auf geht’s

Bei jedem Luftfahrzeug dient ein Hauptbauteil der Auftriebserzeugung. Während beim Starrflügelflugzeug die Tragflächen eine dem Gewicht entgegengerichtete Kraft erzeugen, indem das gesamte Fahrzeug gegenüber der Luftmasse bewegt werden muss, setzt man beim Drehflügler zunächst nur die tragflächenähnlichen Rotorblätter gegenüber der Luftmasse in Bewegung. Der Antrieb für die Vorwärtsbeschleunigung wird auf verschiedene Art erzeugt. [Abb. 4]

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Abb. 3: Die Strömungen und Steuerbarkeit boten wiederholt Probleme und Überraschungen.

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Abb. 4: Was des Starrflüglers Fahrt – ist des Drehflüglers Drehzahl.

Arten von Schraubern

Zunächst verfolgte man auch innerhalb der Drehflügler-Familie drei verschiedene Baurichtungen. Der Tragschrauber weist noch die meisten tragflächenflugähnlichen Eigenschaften auf.

Das Fluggerät wird solange gegen den Luftstrom beschleunigt, bis dessen Kräfte den Rotor antreiben. Ein Propeller dient der Vorwärtsbewegung. Der Tragschrauber kann mit sehr geringer Geschwindigkeit gestartet und gelandet werden. Der feste Flügel ist durch den Drehflügel ersetzt. Der Flugschrauber besitzt einen vom Motor angetriebenen Rotor, einen Heckrotor und einen Zug- oder Druckpropeller. Der Rotor erzeugt den Auftrieb, der Propeller die Vorwärtsbewegung. Hierdurch können höhere Geschwindigkeiten erreicht werden, da der Hauptrotor nur den Auftrieb liefern muss. Beim Hubschrauber wird der Rotor zur Auftriebserzeugung und der Heckrotor zum Drehmomentausgleich vom Motor angetrieben. Zur Fahrtaufnahme wird der Hauptrotor in die beabsichtigte Richtung geneigt. Man hatte unzählige Versuche angestellt und lange studiert, bis man die für den Bau der einzelnen Rotorelemente entscheidenden Faktoren fand und beherrschte. [Abb. 5]

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Abb. 5: Aus der Drehflüglersparte hat sich neben Tragschrauber und Flugschrauber der Hubschrauber herauskristallisiert.

Profilsuche [Abb. 6]

Es wurden Profile und Formen erprobt, bis man die für den jeweiligen Hubschraubertyp günstigsten Komponenten ge- und erfunden hatte. Denn um Auftrieb zu erzeugen, muss ein Rotorblatt ähnliche Eigenschaften wie eine Tragfläche aufweisen.

Der Querschnitt durch einen Flügel oder durch ein Rotorblatt – das Profil – soll möglichst viel Auftrieb und wenig Widerstand erzeugen. Zur Auftriebsbildung muss ein Körper derart geformt sein oder so im Luftstrom bewegt werden, dass an seiner Oberseite die Strömung beschleunigt und an der Unterseite verlangsamt wird. Da nach dem Gesetz von Bernoulli in schneller Strömung der Druck abnimmt und in langsamerer ein Überdruck entsteht, ergibt sich daraus eine nach oben gerichtete Kraft.

Der Auftrieb [Abb. 7]

Die Größe des Auftriebs ist von mehreren Faktoren abhängig. Um erst einmal die erforderlichen Strömungsverhältnisse zu schaffen, muss ein Profil die notwendige Anströmungsgeschwindigkeit erreichen und beibehalten. Solange die Strömung am Profil anliegt, kann der Anstellwinkel – Winkel zwischen der Profilsehne und der Anströmrichtung – verändert werden. Mit Zunahme dieses Winkels wächst der Auftrieb, aber auch der Widerstand, zuletzt reißt die Strömung ab. Dies kann zum Zusammenbruch der Rotordrehzahl führen und im Verlust des Hubschraubers enden. Es muss deshalb die richtige Betriebsdrehzahl ohne größere Änderung eingehalten werden. Denn: Was des Starrflüglers Fahrt – ist des Drehflüglers Drehzahl.

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Abb. 6: Wie für Tragflügel wurden verschiedene Profilformen versucht und entwickelt: Möglichst wenig Widerstand bei hoher Auftriebsleistung.

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Abb. 7: Mit der Änderung der Anstellung eines Profils verändert sich auch die Umströmung und Auftriebserzeugung.

Rund ums Profil, vom Medium Luft, in der wir fliegen

Entgegen der Behauptung, Luft hätte keine Balken, ist diese durchaus in der Lage, tragende Kräfte zu entwickeln. Bei vielen Erscheinungen kann man beobachten, dass die Luftmasse unter bestimmten Voraussetzungen Kräfte ausübt, die man nicht nur in der Luftfahrt ausnutzt. Schon der normale Luftdruck ist imstande, auf Meereshöhe eine Quecksilbersäule um 760 Millimeter anzuheben. Das entspricht 1.013,25 Hektopascal. [Abb. 8]

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Abb. 8: Auch die Luftdichte hat einen wichtigen Einfluss auf die gesamte Aerodynamik.

Bei Flüssigkeiten oder Gasen bleibt das Volumen einer Menge gleich, wenn diese durch verschiedene Querschnitte in der gleichen Zeiteinheit tritt. Bei diesem Vorgang erhöht sich die Geschwindgkeit, wenn der Querschnitt abnimmt. [Abb. 9]

Da die an der Nase des Profils ankommenden Luftteilchen nach der Verteilung nach oben und unten auf der Profiloberseite eine größere Strecke als die Teilchen auf der Unterseite zur gleichen Zeit zurücklegen müssen, erhöhen sie ihre Geschwindigkeit. Erhöhte Geschwindigkeit bedeutet Unterdruck, verlangsamte Überdruck – der Profilkörper hebt sich.[Abb. 10]

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Abb. 9: Hier zeigt sich bei erhöhter Geschwindigkeit der Oberseite des Profils verringerter Druck, auf der Unterseite Stau und Überdruck.

Strömung am Profil [Abb. 11]

1 der Staupunkt: Ankommender Luftstrom verteilt sich auf Profilober- und Unterseite 2, Grenzschicht: verändert sich von einem gleichlaufenden (laminaren) in ein turbulentes Verhalten. Mit Abstand vom Profil nimmt die Geschwindigkeit zu, der Umschlagpunkt. 3, turbulente Grenzschicht hebt von der Profiloberfläche ab, Ablösungspunkt. 4, sich vom Profil ablösende Wirbel, auch der Anfahrwirbel schwimmt mit der Strömung fort. 5, auf der Profiloberseite beschleunigte Strömung – Unterdruck. 6, an der Profilunterseite verlangsamte Strömung – Überdruck.

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Abb. 10: Kontinuitätsgesetz und die Bernoulli’sche Gleichung sind Grundlagen der Strömungsverhältnisse in und um unterschiedlich geformte Körper.

Die Grenzschicht [Abb. 12]

Sie stellt die Verbindung zwischen der Profiloberfläche und der Parallelströmung dar. Sie bewegt sich quasi wie ein Ölfilm um das Profil. Sie beeinflusst die Hauptströmung, indem sie an der Vorderseite des Profils noch parallel verläuft, weiter hinten am Umschlagpunkt verändert sich die Laminarität in Turbulenz, sodass sich am Ablösepunkt die Strömung vom Profil entfernt. Das Verhalten der Grenzschicht hängt von der Profilbeschaffenheit sowie der Anströmrichtung- und Geschwindigkeit ab. Die untersten Luftteilchen haften an der Profilhaut, nehmen zur Hauptströmung hin deren Geschwindigkeit an. Hinter dem Ablösepunkt erhöht sich die Grenzschicht und ermöglicht sogar eine Gegenströmung, die aber mit zunehmendem Abstand vom Profil die Richtung und Geschwindigkeit der Primärströmung annimmt.

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Abb. 11: An Position 1 Staupunkt, 2 zeigt die Umschlagpunkte, 3 die Ablösungspunkte, 4 den turbulenten Nachlauf, 5 die homogene Strömung der Oberseite und 6 die der Unterseite.

Der Strömungsabriss

Beim turbulenten Profil verläuft die Grenzschicht sehr weit vorn laminar, schlägt sehr früh in Turbulenz um und löst sich vor der Hinterkante ab. Beim Überziehen des maximalen Anstellwinkels reißt die Strömung bei großem Nasenradius allmählich ab. Umschlag- und Ablösepunkt wandern nach vorne. Der Turbulenzkeil schiebt sich von der Hinterkante her unter die Strömung der Oberseite und bringt sie zum Abriss. Für höhere Geschwindigkeiten wurde das Laminarprofil entwickelt. Das Dickemaximum wurde rückverlegt, dadurch wird der vordere Profilbereich sehr schlank, der Nasenradius klein. Durch glatte Oberfläche wird der Auftriebskörper widerstandsärmer. Umschlag- und Ablösepunkt liegen weit hinten. Beim Überziehen reißt die Strömung plötzlich ab, da der kleine Nasenradius eher wie eine runde Kante wirkt. [Abb. 14]

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Turbulentes und Laminarprofil

Abb. 12: Am oberen Profil liegt die Strömung noch an, darunter löst sie sich weitgehend ab, wodurch sich von der Hinterkante her auch eine Gegenströmung bildet.

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Abb. 13: Kleine Profilkunde, t = Profiltiefe, d = max. Dicke, xd = Dickenrücklage, r= Nasenradius, PS = Profilsehne, Sk = Skelettsehne, f = Wölbung, xf = Wölbungsrücklage, Phi = Hinterkantenwinkel.

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Abb. 14: Unterschiedliches Abreißverhalten der Strömung am turbulenten und am Laminarprofil.

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Abb. 15: Eine Art „Steckbrief“ des Profils: das Lilienthal’sche Polardiagramm. Es zeigt Auftriebs- und Widerstandsbeiwert unter verschiedenen Anstellwinkeln. Und auch bei speziellen Flügelkonfigurationen.

Dem Lilienthal’schen Polardiagramm [Abb. 15] kann man Auftriebsund Widerstandsbeiwerte bei verschiedenen Anstellwinkeln entnehmen. Wichtig ist auch das Abreißverhalten im maximalen Anstellwinkelbereich. Dieses kann durch entsprechendes Klappensystem verbessert werden, ist aber im Drehflüglerbereich nicht realisierbar. Auf der Suche nach geeigneten Profilen haben sich bestimmte Kombinationen herauskristallisiert. So kann z. B. der Nasenradius bei schlanken Profilen vergrößert werden und führt insgesamt zu einer Wölbung.

Das „orthodoxe“ oder turbulente Profil mit turbulenter Grenzschicht besitzt gute Auftriebsleistung und gutmütiges Strömungsabreißverhalten, ist aber widerstandsreicher. Das Laminarprofil mit überwiegend laminarer Grenzschicht zeigt wesentlich geringeren Widerstand, verhält sich jedoch am Anstellwinkelmaximum weniger gutmütig.

Wird die Anströmgeschwindigkeit erhöht oder der Anstellwinkel vergrößert, wird die Oberseitenströmung noch mehr beschleunigt, der Druck auf der Unterseite nimmt zu – der Widerstand auch.

Druckpunktwanderung [Abb. 16]

Bei gewölbten (unsymmetrischen) Profilen kommt es bei einer Veränderung des Anstellwinkels zu einer Lageveränderung des aerodynamischen Druckmittelpunktes. An diesem greift die resultierende Luftkraft an. Diese Verschiebung wird beim Starrflügler durch das Leitwerk kontrolliert, beim Drehflügler durch Hydraulik-Unterstützung verhindert. So werden beim Hubschrauber ohne diese Anlage vorwiegend symmetrische Profile verwendet, da diese überwiegend druckpunktfest sind. Der aerodynamische Druckpunkt, an dem sämtliche Luftkräfte angreifen, sollte mit dem Drehpunkt des Profils zusammenfallen, da sonst bei einer Druckpunktwanderung zu starke Verwindungskräfte auftreten können. Die Rotorblätter sind so gestaltet, dass sie im Ruhezustand nicht gestützt zu werden brauchen. Im Betrieb werden sie durch die Zentrifugalkraft gestreckt und bestreichen eine kreisförmige Fläche, Rotorkreisfläche genannt. [Abb. 17] Die Lage dieser Drehebene ist entscheidend für die Schubrichtung des Gesamtauftriebs des Rotors. Will man z. B. beim Starrflügler die Flughöhe ändern, so muss man zunächst die Fluglage um die Querachse verändern, so dass sich der Anstellwinkel [Abb. 19] vergrößert oder verkleinert. Der Auftrieb erhöht sich auch durch Fahrtzunahme, er nimmt bei deren Verringerung entsprechend ab.

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Abb. 16: Bei einem gewölbten Profil wandert unter verschiedenen Anstellwinkeln der aerodynamische Druckmittelpunkt.

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Abb. 17: Mit Vergrößerung des Einstellwinkels entsteht auch der effektive Anstellwinkel – der Auftriebslieferant.
Die Propellerverstellung des Rotors soll ohne eigenmächtige Veränderung des Einstellwinkels geschehen.

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Abb. 18: Die Rotorblätter müssen genügend Steifigkeit besitzen, damit innerhalb der Struktur keine Verformung entsteht.

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Abb. 19: Zu jeder Auftriebsvergrößerung muss entweder die Fahrt oder der Anstellwinkel erhöht werden – wie beim Starrflügler.

Beim Drehflügler wird zum Wechseln der Flughöhe ohne Vorwärtsgeschwindigkeit der Gesamtauftrieb innerhalb der Rotorkreisfläche verändert. Hierbei wird nach dem Prinzip eines verstellbaren Propellers verfahren. Es werden alle Blätter gleichzeitig um den gleichen Betrag verstellt. Dieser Ausschlag wird als Einstellwinkel „E“ bezeichnet, Winkel zwischen Profilsehne „PS“ und Rotornormalebene oder Drehebene „DE“. Die Steuerung dieser Einheit wird mit dem kollektiven Blattverstellhebel (Pitch) vorgenommen. Solange sich der Rotor mit einem Einstellwinkel Null dreht, wird er zunächst nur aus der Drehebenenrichtung angeströmt – parallel zur Profilsehne. Sobald der Pitch angehoben wird, vergrößert sich der Einstellwinkel. [Abb. 20] Ähnlich einer Luftschraube kommt es neben der o. a. Anströmung aus der Drehebene zu einer Anströmung durch die Drehebene hindurch. Aus diesen beiden Vektoren – aus der Drehebene und aus der senkrechten Durchtrittsgeschwindigkeit – ergibt sich die effektive Anströmung „Veff“. Der Winkel zwischen Profilsehne und Veff ist der effektive Anstellwinkel. Die drei Vektoren bilden das Strömungsdreieck. Der Anstellwinkel hängt also von der Resultierenden dieser beiden Anströmungen ab. So erklärt sich, dass mit dem Anheben des Pitch der Auftrieb aller Rotorblätter gleichzeitig zunimmt. Die Gesamtschubrichtung steht dabei senkrecht auf der Rotorkreisfläche. Je größer der Auftrieb wird, desto mehr nimmt der Widerstand zu. Wie beim Starrflügler muss bei Anstellwinkelvergrößerung die Antriebsleistung erhöht werden, damit die „Fahrt“ der Rotorblätter erhalten bleibt. Denn bei deren Anstellung wächst der Widerstand und „frisst“ Drehzahl. Die Motorleistung muss entsprechend manuell oder automatisch angeglichen werden.

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Abb. 20: Die drei Winkel bilden das aerodynamische „Image“: Einstellwinkel, induzierter Anstellwinkel und effektiver Anstellwinkel. Der Einstellwinkel wird auch als geometrischer Anstellwinkel bezeichnet.

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Abb. 21: Dieses „Schablönchen“ kann stets am Druckpunkt angelegt werden und kann im motorgetriebenen wie auch autorotativen Zustand die Kräfterichtungen zeigen.

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Abb. 22: