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Johann Kreuzer

Augustinus zur Einführung

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Wissenschaftlicher Beirat
Michael Hagner, Zürich
Dieter Thomä, St. Gallen
Cornelia Vismann, Frankfurt a.M. †

Junius Verlag GmbH

© 2005 by Junius Verlag GmbH

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Inhalt

1. Einleitung

2. Ausgangspunkte

3. Erbsünde, Prädestination und Gnade: Augustins ›Logik der Angst und des Schreckens‹

4. Selbsterkenntnis als Gotteserkenntnis: Confessiones

4.1 Schuld und Gnade als Selbstreflexion der Erinnerung

4.2 Erinnerung als Sorge. Erinnerung als Dank. Schönheit als Gotteserkenntnis

4.3 Ewigkeit – Zeit: Augustins Analyse der Zeit

5. Trinitätslehre als Theorie des Geistes: De trinitate

5.1 Trinitätsspekulation als durchgängiges Motiv

5.2 Trinitätslehre als Bewusstseinsanalyse: Von der Erinnerung als dem Grund des Denkens

5.3 Intentionalität – Relationalität – Sprachlichkeit des Geistes

6. Die Aporie des Geschichtlichen: De civitate dei

6.1 Apologie und Kritik

6.2 Geschichtsdualismus: Dualität der Geschichte

6.3 Zweierlei Eschatologie

7. Stichworte zur Fortwirkung

Nachwort

Anhang

Anmerkungen

Literatur

Zeittafel

Über den Autor

1. Einleitung

Eine Einführung in Augustinus ist die Einführung in ein widerspruchsvolles Denken. Sein Werk enthält eine in sich antagonistische Vielfalt an Denkmotiven, in der sich zugleich die Ursprünge des europäischen Denkens spiegeln. Eine Einführung in dieses Werk stellt insofern eine Einführung in die Geschichte – und in die ›innere‹, vielleicht verdrängte, vielleicht ängstigende oder auch nur gleichgültig bleibende ›Fremde‹ – dieses Denkens dar. Dabei handelt es sich nicht um den Blick in einen fernen Spiegel entrückter Ideengeschichte. Es geht vielmehr um eine Einladung zur Auseinandersetzung mit Fragestellungen, die unser Denken bis heute prägen.

Die Widersprüchlichkeiten, von denen Augustins Werk gekennzeichnet ist, lassen sich nicht um eines monolithischen ›Gesamtbildes‹ willen glätten. Sie zeigen die Verschiedenheit der Ausgangspunkte ›christlichen‹ Denkens in der Epochenzäsur des Endes von Antike.1 Sein Werk dokumentiert in originärer Weise einen sowohl bewusstseinsgeschichtlichen wie soziokulturellen Übergangsprozess.2 Augustin hat diesen Transformationsprozess entscheidend mitgeprägt.3 Zugleich ist sein Werk in gewisser Hinsicht der Ausdruck des Nicht-Gelingens und Nicht-gelingen-Könnens einer ›Synthese‹ der dabei in Frage stehenden Denkmodelle und Denkalternativen. Etwas über die Verwerfungen wie Disharmonien und gleichsam Sollbruchstellen in den Ursprüngen des europäischen Denkens und seiner Geschichte zu erfahren dürfte deshalb nicht der geringste Nutzen einer Einführung in Augustinus und sein Werk sein. Dabei geht es nicht um eine die historischen Differenzen überspringende ›Aktualisierung‹, sondern um die Aktualität von Themen und Fragestellungen, die Augustinus quer zu den üblich gewordenen Epocheneinteilungen stehen lassen. Auf sie, auf die Impulse, die von seinem Denken ausgehen und oft im direkten Widerspruch zu Dogmen stehen, die mit seinem Namen verbunden und traditionsmächtig geworden sind, wird sich die folgende Einführung konzentrieren.4 Problemstellungen und Fragen, die immer noch reizen, gilt es vor manchen Antworten – ›Denkverboten‹ – zu schützen. Eine Einführung in Augustinus ist insofern eine Einführung in eine bestimmte Art, Augustinus zu lesen.

Nötig ist ein Perspektivismus der Deutung. Ihm soll die Einzelinterpretation ausgewählter Texte entsprechen.

Das zweite Kapitel (»Ausgangspunkte«), in dem die Frühschriften (bis 396) thematisch sind, beschreibt die anfänglichen Einflüsse. Neben dem Studium der Rhetorik (d.h. antiker ›ästhetischer‹ Theorie) sind dies in erster Linie die Stoa, der Manichäismus und der Neuplatonismus, insbesondere Plotins. Die Frühschriften zeigen eine Verschmelzung dieser Motive: ›innerweltliche Skepsis, manichäischer Dualismus, Denken der Transzendenz‹. Der erste Schritt über diese Endpunkte antiken Denkens hinaus ist in philosophischer Hinsicht ein Skandalon, kulturgeschichtlich jedoch nicht nur in Augustins eigener Epoche, sondern auch später – man denke nur an Luther – enorm wirkmächtig geworden. Es handelt sich um den Theoremkomplex der Erbsünden-, Prädestinations- und Gnadenlehre. Insbesondere das Prädestinationstheorem stellt in seiner Rigidität die christliche Fassung eines manichäischen Dualismus dar. Die Verbindung mit dem Mythologem der Erbsünde macht es zum Dokument eines sich radikal verschuldet denkenden Bewusstseins. Als dieses Dokument ist es zu deuten und philosophisch relevant (vgl. Kap. 3 »Erbsünde, Gnade und Prädestination: Augustins Logik der Angst und des Schreckens«). Im Zentrum der folgenden Einführung soll aber nicht dieser ›dunkle‹ Zug in Augustins Denken stehen – so sehr er für die Ablösung vom antiken Paradigma des Glaubens an ein Sich-selbst-Genügen der Vernunft wichtig ist und die Säkularisierung theologischer Denkformen gleichsam von innen heraus initiiert. Im Zentrum dieser Einführung sollen jene Analysen und Einsichten stehen, die sich in den Hauptwerken erarbeitet finden – in den Confessiones (Kap. 4): dem am stärksten rezipierten, De trinitate (Kap. 5): dem theoretisch bedeutsamsten, und De civitate dei (Kap. 6): dem Grundlagentext geschichtsphilosophischer Reflexion und deshalb vielleicht wirkmächtigsten Werk. Mit den Confessiones versucht Augustin, die ca. 396 konzipierte Gnadenlehre literarisch umzusetzen. Das Bekenntnis des Glaubens setzt sich aus dem Bekenntnis der Schuld und dem Bekenntnis des Dankes zusammen (vgl. Kap. 4.1). In diesem Doppelbekenntnis artikulieren sich die ›Nacht‹- und die ›Tagseite‹ des Erinnerungsvermögens. Die Transzendenz der Erfahrung göttlicher Sinnevidenz, die Augustin aus dem Platonismus und von Plotin übernimmt, wird mit der Erinnerung und der Annahme der Endlichkeit faktischen Daseins verbunden (vgl. Kap. 4.2). Dabei kommt die – wie fragil auch immer – sich bildende Identität des Bewusstseins als Geschichte eines individuum ineffabile in epochal neuer Weise zur Sprache. Gotteserkenntnis heißt Erkenntnis und Selbstgegenwärtigkeit des Erinnerungsvermögens. Dass uns am Grund ästhetischer Erfahrung – der »pulchritudo tam antiqua et nova« (Conf. X.27.38) – bewusst wird, was Erinnern heißt und was es als ›Kraft des Lebens im sterblich lebenden Menschen‹ bedeutet, stellt Augustin in den Confessiones in singulärer Weise dar. Der ›Grund liebender Erinnerung‹ ist der Augenblick der Ewigkeit in der Zeit.5 Aus der Bestimmung dieses Augenblicks der Ewigkeit in der Zeit resultiert Augustins – seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts vielfältig rezipierte – Antwort auf seine Frage nach der Zeit (vgl. Kap. 4.3). De trinitate, Augustins theoretisches Hauptwerk, ist der Versuch einer rationalen Rekonstruktion des Theologumenons der Trinität. Die spekulative Erläuterung dieses innersten Kerns christlichen Glaubens bildet eine Konstante in seinem Werk (vgl. Kap. 5.1). Augustin macht hier den Grundgedanken der Fleischwerdung des göttlichen Logos in philosophischer Hinsicht fruchtbar. Insbesondere in den Büchern IX, X und XI von De trinitate führt das zu einer Theorie des tätigen und sich in seiner Endlichkeit begreifenden Geistes (vgl. Kap. 5.2). Zu den Innovationen, die Augustin hier formuliert, zählt die Einsicht in die ›Relationalität‹ und ›Intentionalität‹ unserer Bewusstseinsakte sowie die ›Sprachlichkeit‹, d.h. Sprachgebundenheit des Geistes (vgl. Kap. 5.3). Die Lehre vom ›inneren Wort‹ (De trin. XV) wird zur Grundlage einer das Sprachdenken bis in die Neuzeit bestimmenden ›Logosmetaphysik‹. An De civitate dei wird wie an den Confessiones die Heterogenität der Denkmotive und Denkmodelle deutlich, die Augustins Werk repräsentiert. Die Apologie einer christlichen ›civitas‹ (vgl. Kap. 6.1) führt auf einen in sich mehrdeutigen Dualismus der Geschichtsbetrachtung (vgl. Kap. 6.2). Im Dualismus der beiden ›civitates‹ in De civitate dei kehrt zum einen der manichäische Dualismus von Augustins Jugendzeit wieder. Zum anderen aber folgt aus diesem Dualismus – sofern aus ihm nicht ein überzeitliches Modell eines Verlaufs von Geschichte gefolgert wird – sozusagen der methodische Imperativ der Kritik profaner, d.h. realer Geschichte. Das Gleiche gilt für die Auffassungsweise ihres ›Endes‹. Dieses Ende, der ›siebte Tag‹, lässt sich konventionell eschatologisch verstehen: als ein Heilsgeschehen, das nach dieser Welt und Geschichte auf diese folgt. Die populär-platonische Trennung zwischen der sinnlichen und einer geistigen Welt wird dabei in ein zeitliches (heilsgeschichtliches) Abfolgemodell ›Diesseits – Jenseits‹ projiziert. Der ›siebte Tag‹ lässt sich aber auch als innerweltliches Eschaton verstehen: als Aufhebung der Aporie des Geschichtlichen, die sich in der Sphäre von Geschichte selbst – das gedachte Futurum des Endes der Geschichte vorwegnehmend – erfüllt (vgl. Kap. 6.3).

Im abschließenden siebten Kapitel (»Stichworte zur Fortwirkung«) geht es weder um die Geschichte eines ›Augustinismus‹ noch um Systematisierungen seiner Lehre.6 Hingewiesen werden soll vielmehr auf Einsichten und Theoreme, die Augustins Werk zum produktiven Ort der Unruhe in der Geschichte des europäischen Denkens haben werden lassen und bis heute, wenn man so will, ›reizen‹. Zunächst ist dies seine Betonung des Vorrangs der ratio. Auf dieses methodische Postulat der Rationalität etwa wird sich Anselm von Canterbury mit der Formel »fides quaerens intellectum« berufen. Zweitens hat der Kern von Augustins Trinitätslehre, der Grundgedanke der trinitarischen Vermittlung von göttlicher und menschlicher Natur, das weitere Denken bestimmt. Dies betrifft nicht nur die Selbstreflexion des sich in seiner Endlichkeit begreifenden Geistes, sondern ebenso das Insgesamt einer als Schöpfung zu begreifenden Natur. Hier wird vor allem Johannes Scottus Eriugena an Augustin anknüpfen. ›Schöpfung‹ ist zu denken als Natur, die Relationalität bedeutet. Drittens ist Augustin eine der entscheidenden Quellen der Bereitschaft und der Versuche der Vernunft, sich als Moment gelebter Endlichkeit zu begreifen. Dabei rücken – vornehmlich in soziokulturellen Umbruchssituationen – die Ränder reflexiver Selbstvergewisserung in den Blick. Das Sensorium, das Augustin für diese ›Ränder‹ des Bewusstseins zeigt, dürfte der Grund für das gegenwärtige Interesse an ihm sein. Das gilt aber auch z.B. für andere Epochenschwellen – namentlich die des 14. Jahrhunderts. Hier sind es vor allem Meister Eckhart und Tauler, die mit ihrer Lehre von der ›Gottesgeburt in der Seele des Menschen‹ auf Augustins Entdeckung und Analyse der Erinnerung als Bewusstseinsgrund Bezug nehmen. Aber auch die nominalistische Neubegründung des Wissens bei Wilhelm v. Ockham hat den augustinischen Zweifel am Sichselbst-Genügen der Vernunft zur Voraussetzung. Relevant ist schließlich viertens Augustins Geschichtsdenken. Es ist zum Gegenstand produktiver Auseinandersetzung geworden durch die Einsicht in die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des Geschichtlichen. Das gilt nicht nur für ›die‹ Geschichte, sondern auch und gerade für eine jede individuelle Lebensgeschichte: als Einsicht in die Unwiederbringlichkeit gelebter Existenz, die sich durch intelligible Konstruktionen weder ersetzen lässt, noch durch sie gerechtfertigt werden müsste. Dies ist die ›Unruhe des Herzens‹, die durch die Synthesen, mit denen Augustin sie zu schlichten suchte, hindurch fortzittert und ihn zum Gesprächspartner der Gegenwart werden lässt.

Augustin ist eine der zentralen Instanzen der christlichen Adaptation antiker Philosophie und Theologie, insbesondere der neuplatonischen. Nietzsche hat hierfür in der Vorrede zu Jenseits von Gut und Böse die einprägsame – wenn auch abschätzig gemeinte – Formel vom ›Platonismus fürs Volk‹ geprägt. Für Augustin war das durchaus Programm, wenn er schreibt, dass nur ›wenige Wörter verändert‹ werden müssten, um zur Übereinstimmung zwischen Platonismus und Christentum zu gelangen. (De vera rel. 4.7) Zugleich finden sich bei ihm irritierende Ansätze eines ›umgedrehten Platonismus‹. Sein Werk zeugt von der Spannung nicht zuletzt zwischen diesen beiden Aspekten. Die folgende Einführung will diese Spannung nicht auflösen. Sie soll ihr vielmehr gerecht werden. Denn es ist neben anderen nicht zuletzt gerade diese Spannung, aus der Augustins Werk lebt.

2. Ausgangspunkte

Die frühen Texte Augustins repräsentieren eine Dekade des Übergangs. Nach der ersten religiösen Krise bzw. ›Bekehrung‹ (386) entstanden, sind sie ein Gemisch spätantiker Lehren. Die akademische Skepsis, stoische Lehren, der Neuplatonismus Plotins und manichäisches Denken sind die entscheidenden Einflüsse. Die Phase zwischen der ›Bekehrung‹ und der zweiten religiösen Krise (ca. 396/97) ist eine Auseinandersetzung mit diesen Einflüssen. Dabei steht die Kritik bzw. Abwehr des eigenen Manichäismus der Jugendzeit, d.h. die Kritik eines radikalen Dualismus manichäischer Art im Mittelpunkt. In dieser Kritik an einem manichäischen Dualismus sollen Platonismus und Christentum in Einklang gebracht werden. Deren harmonisch gedachtes Ineinander – das Christentum verstanden als ›Platonismus fürs Volk‹ (De vera rel. 4.7) – wird erst nach der Krise 396/97 fragwürdig. Allerdings bleibt das Ineinander von Platonismus – bei aller Kritik an ›den Philosophen‹ – und Christentum eine bestimmende Konstante in Augustins Werk. Leitmotivisch heißt es, dass »Philosophie als Studium der Weisheit und Religion nicht verschieden seien«: »Non aliam esse philosophiam, id est studium sapientiae, et aliam religionem.« (De vera rel. 5.8) ›Jeder Philosoph sei ein Liebhaber Gottes‹, schreibt Augustin im achten Buch von De civitate dei unter Berufung auf Platon: »verus philosophus est amator dei.« (vgl. Civ. 8.1; 8)

Die erste Wende in Augustins Entwicklung geht auf die Lektüre des (nicht erhaltenen) Hortensius von Cicero zurück. Augustin bekennt, dass diese – in der Tradition von Platons Euthydemos und des (wie der Hortensius nicht erhaltenen) Protreptikos von Aristoteles – zur Philosophie werbende Schrift in ihm die ›Liebe zur Weisheit‹ entzündet habe. ›Philosophie‹ wird zum Namen für den Wunsch nach ›unvergänglicher Weisheit‹, zum Inbegriff einer Lehre der ›Rückkehr zu Gott‹, die in der ›Abwendung von allem Irdischen und Veränderlichen‹ das ›glückselige Leben‹ bedeute (vgl. Conf. III.4.7-8; De beata vita 1.1-5, insbes. 1.4). Dies – ebenso wie die Formel, dass das glückselige Leben im Erreichen eines ›höchsten Guts‹ und in der Vereinigung mit ihm sich erfülle, oder die Definition, dass ›Weisheit‹ sich im Wissen der ›göttlichen und menschlichen Dinge‹ zeige – sind wenig originelle Versatzstücke hellenistischen Denkens. Für den frühen Augustin vor der Krise 396/97 scheint sich dieses spätantike Weisheitsideal bruchlos mit der eigenen geschichtlichen Existenz zusammenzufügen. Die ›Welt‹ ist (in der Bildersprache der frühen Dialoge) das ›trügerische Meer‹, dem Philosophie als der ›sichere Hafen‹ gegenübergestellt wird. ›Glück‹ schließlich sei das Festland, zu dem es, in Abkehr von dieser Welt, zurückzukehren gelte.

Dieses Weisheits- und Lebensführungsideal, in dem spätantike Philosopheme und Christentum im Postulat der Abkehr von dieser Welt harmonisiert werden, war für Augustin selbst allerdings nicht die unmittelbare Folge der Lektüre von Ciceros Hortensius. Es folgte vielmehr eine Phase des Manichäismus, die sich vom 19. bis zum 28. Lebensjahr erstreckte.1 Was zog Augustin am Manichäismus an? Es ist das Faktum des malum. Ein Weisheitsideal, das die Faktizität des Bösen oder Schlechten im Sinne des Missglückten und des Leids leugnet, ist trügerisch. Gibt es ein ›Woher des Übels‹? Diese Frage – das unde malum – lässt sich auf zwei verschiedene Weisen stellen. Augustin fragt anfänglich – und der Manichäismus wird ihm zur Antwort – nach einem eigenständigen Grund des Bösen, nach einer causa mali. Was er sucht, ist eine Antwort auf die Frage nach der Ursache innergeschichtlicher Entzweiung (Disharmonie und Scheitern). Manichäisch ist es, die Frage nach dem Grund von Entzweiung dadurch zu beantworten, dass man Entzweiung selbst zu einem übergeschichtlichen Prinzip macht. Augustin erteilt jedem Versuch, die Frage nach dem ›Woher des Bösen‹ prinzipientheoretisch – es selbst somit ontologisierend – zu beantworten, im Rückblick auf seinen Manichäismus folgende Mahnung: »Ich fragte, woher das Böse sei, und fragte schlecht und sah in dieser meiner Nachforschung selbst nicht das Üble.«2

Die Antwort, die Augustin am Manichäismus anzieht, ist ein Dualismus von ›Geist – Licht – Gutem‹ auf der einen und ›Materie – Finsternis – Bösem‹ auf der anderen Seite. Der Dualismus wird zur Welterklärung, die der Welt der Verdammung die Hoffnung der Rettung entgegensetzt. Nicht um eine Erlösung der Welt geht es – weil sie prinzipiell verdammt und ›böse‹ ist, wird ihr jede Möglichkeit der Veränderung abgesprochen –, sondern um eine Erlösung von Welt. Die Aufspaltung zwischen Verdammung und Rettung selbst ist dualistisch. Psychische Entlastung ist die Funktion des manichäischen Dualismus. ›Nicht wir seien es, die Verantwortung für das eigene Tun trügen‹, schreibt Augustin im Rückblick, nicht wir seien es, die Schuld trügen, sondern ›es sündige eine andere, unbekannte Natur in uns‹. (Conf. V.10.18) Diese Aufspaltung der Seele gewährt die Möglichkeit, sich selbst zu entschuldigen (»excusare se«), um eine unbekannte Instanz anzuklagen (»accusare nescio quid aliud«). Wird die Seele zum Ort des Kampfes zwischen einem guten und einem bösen Prinzip, bedarf es des Bekennens des eigenen Tuns und zum eigenen Tun nicht. Der Theoremkomplex von ›Erbsünde, Prädestination und Gnade‹ wird diese die Seele zugleich be- und entlastende manichäische Bewusstseinsspaltung durch eine andere ersetzen (vgl. Kap. 3).

Was drückt sich in den pathologisch anmutenden Fabelgeschichten, die in De vera rel. 9.16 rekapituliert werden und in denen einer in Gut und Böse unterteilten Welt Rettung konterkarikiert wird, aus? An einem Bericht in Buch V der Confessiones wird deutlich, was Augustin an dem Prinzipiendualismus ontologischer, kosmologischer und psychologischer Art anzog, deren Ausdruck die manichäischen Lehren sind. Er stellt eine kosmische Projektion der Angst dar. Er habe daran geglaubt, dass auch ›das Böse ein substantielles Sein habe‹, das als Erde das überall Drohende und von überall her Bedrückende und Beengende, d.h. Beängstigende ist. Der Dualismus manichäischer Lehren erklärt Angst, indem er sie zum kosmischen Prinzip macht. Aus einer solchen Welt, die als geschlossenes System des Kampfs zweier Prinzipien verstanden wird, lässt sich nur ›fliehen‹. Für die Freiheit und die Verantwortung willentlichen Tuns ist in ihr kein Platz. Welt wird zur Phantasmagorie der Angst, in der jede geschichtliche Existenz nicht mehr bedeutet als den Schauplatz des Kampfes zweier Prinzipien. Augustin argumentiert gegen die manichäische Prinzipiendualistik damit, dass nicht ›es‹ es ist, was das menschliche Tun übermächtigt. Er betont, dass jedes Tun in der Selbstverantwortung der Willensfreiheit gründet. Jedes Tun ist Produkt, nicht Schicksal. Es ist die Freiheit des Willens, die Augustin gegen den manichäischen Dualismus wendet. Das Faktum des Übels (des »defectus«, der ›Sünde‹ genannt wird) beweist – und dies ist der Kernpunkt von Augustins Argument gegen die Manichäer – die Wirklichkeit des freien Willens. »Die Sünde ist so sehr ein freigewollt Böses, dass auf keine Weise Sünde wäre, wäre sie nicht freiwillig. Deshalb ist entweder zu verneinen, dass es Sünde gibt, oder man muss bekennen, dass sie freiwillig geschieht. Mit Wille wird gesündigt. Und da kein Zweifel besteht, dass gesündigt wird, ist nicht daran zu zweifeln, dass die Seelen freie Willensentscheidung haben.« (De vera rel. 14.27) Das Faktum des Übels hat keinen ontologischen oder prinzipientheoretischen Grund, als dessen unveränderliche Strafe das Dasein in dieser Welt zu denken ist. Das malum ist keine ontologische Macht. Das Faktum des Übels ist hervorgebracht. Die Frage nach seinem Woher weist auf die lebensgeschichtliche und lebensweltliche Verantwortung für das, was prinzipienlogisch als Schöpfung gedacht wird und als Geschichte keineswegs verdammt ist, zurück. Aus der Willensfreiheit resultiert eine Verantwortlichkeit für das eigene Tun. Das Theorem der Willensfreiheit, das Augustin gegen die Manichäer kehrt, bedeutet eine radikale Kritik dualistischer Denkweisen, die die Welt der Geschichte quasi negativ rechtfertigen.3

Neben der Betonung der Willensfreiheit spielt in der Überwindung des Manichäismus die Abkehr von verdinglichten Gottesvorstellungen die entscheidende Rolle. Nicht ›draußen‹ ist Gott zu suchen, sondern ›drinnen‹ zu finden – »Noli foras ire, in te ipsum redi, in interiore homine habitat veritas«: »Geh nicht nach draußen, kehre zu dir selbst zurück, im inneren Menschen wohnt die Wahrheit.« (De vera rel. 39.72) Dieser viel zitierte – im Übrigen auf Plotin zurückgehende4 – Satz ist aber nicht (zumindest nicht nur) eine Aufforderung zu welt- und geschichts- entrückter Innerlichkeit. Er ist vielmehr das gleichsam methodische Postulat der Abkehr von kosmologischen oder ontologischen (und letztlich personalen) Gottesvorstellungen.

Auf zwei Aspekte, die mit der Abkehr Augustins vom Manichäismus und seiner Hinwendung zur neuplatonischen Philosophie – zu den »libri Platonicorum«, in erster Linie Plotin (ca. 205-270) in der Übersetzung von Marius-Victorinus (4. Jh., gest. vor 386) und Porphyrios (234-301/05) – einhergehen, ist noch hinzuweisen. Die Geschichten des Alten Testaments, die Schriften des jüdischen Gesetzes und der Propheten, scheinen Augustin – das ist der erste Aspekt – nun nicht mehr absurd (vgl. Conf. VI.4.6). Er trennt nicht mehr zwischen einem jüdischen und einem christlichen Teil der Bibel und beginnt, den biblischen Text allegorisch zu lesen und zu deuten. Insbesondere dem Buch Genesis gilt sein Interesse. An die in ihrem Kern immer dualistisch bleiben müssende – anthropomorphe, demiurgische, kosmologische oder sonstige – Vorstellung eines Gottes, der choristisch einer ›Schöpfung‹ gegenübersteht, die bloße Welt der Erscheinung ist, tritt das Denken eines Zusammenhangs von ›Prinzip‹ und ›Erscheinung‹, ›Grund‹ und ›Wirkung‹. Wohl ist das ›göttlich Eine‹ unveränderlich gegenüber dem geschichtlich Veränderlichen. Das betont Augustin in De vera religione, der Schrift, mit der er, um den manichäischen Dualismus zu überwinden, Plotin am nächsten steht, gewissermaßen selbstverständlich. Das ›göttlich Eine‹ ist aber schöpferisch erst und nur in Beziehung auf das Veränderliche. Seine Einheit zeigt sich als Beziehung. Daraus ergibt sich der zweite Aspekt von Augustins Rezeption des Neuplatonismus. Er betrifft das Denken schöpferischer Einheit. An ihn wird die Trinitätslehre anknüpfen (vgl. Kap. 5.1). Nicht gehören Einheit und Rationalität des Geistes auf die eine und Entzweiung und Irrationalität des Lebendigen auf die andere Seite. Auf seine manichäischen Denkschritte zurückblickend, schreibt Augustin (Conf. IV.15.24), dass er in der ›Tugend den Frieden liebte, den Konsens, im Laster hingegen die Zwietracht, den Dissens‹. In jener habe er ›Einheit‹, in diesem ›Entzweiung‹ gesehen. In Einheit und Rationalität schien ihm die ›Natur der Wahrheit und des höchsten Guts‹ zu bestehen im Unterschied zur ›Entzweiung des unvernünftigen Lebens‹. Das Leben wäre so das Übel der Entzweiung im Gegensatz zur Einheit des Intelligiblen. Der ›Fehler‹, den Augustin an sich kritisiert, besteht darin, dass er Entzweiung selbst zu einem Prinzip erhob, wenn er Einheit als Gegensatz von Entzweiung dachte. Es kommt offenkundig darauf an, Einheit (unitas) zu denken als etwas, das in Entzweiung (divisio) wirklich ist. Hat die Einheit des Geistes die Vielheit des Lebendigen bloß zum Gegensatz, ist sie nicht wirklich Einheit. Damit ist der manichäische Prinzipiendualismus überwunden. In der Rezeption der neuplatonischen Einheitsmetaphysik Plotins tritt an seine Stelle ein Prinzipienmonismus. Die Einheit von Entzweiung und Einheit ist die Erscheinungsweise schöpferischer Natur. An die Stelle der Frage nach einer Ursache des Bösen tritt die Einsicht, dass Übereinstimmung (convenientia) die Erscheinungsweise schöpferischer Einheit ist – und dies die Übereinstimmung von in sich Verschiedenem bedeutet. An die Stelle des manichäischen Blicks auf eine ›böse‹ und zu verdammende bzw. zu fliehende Welt tritt ein gleichsam ästhetisch-harmonisierender Blick, der das malum als Unebenmäßigkeit (iniquitas) im Universum der Kreatur, das vom Einen seinen Namen hat, erklärt und ›rechtfertigt‹ (vgl. De ord. I.2.3; 7.18). Das malum ist nicht Prinzip, sondern Produkt menschlichen Tuns. Der manichäische Dualismus ist damit abgelöst. Er wird durch den neuplatonischen Gegensatz von Intelligiblem und Sinnlichem ersetzt.

Es ist die ratio, aufgrund derer sich Augustin von den Manichäern abkehrt. Es ist ein – anders gesagt – aufklärerischer Impuls in der Betrachtung der ganzen, unseren Sinnen zugänglichen Natur, der die Machwerke und Einbildungen, in denen gnostische Erlösungslehren von Welt mit krude-materialistischen Bildern einhergehen, zergehen lässt. Einleuchtender scheint Augustin, was er als die skeptische Haltung der Akademiker bezeichnet. Sie lässt sich in dem Imperativ zusammenfassen, dass »an allem zu zweifeln ist«: »de omnibus dubitandum est« (vgl. Conf. V.10.19; 14.25). In diesem Zweifel geht die Vorstellung dualistischer Hinterwelten, die der sichtbaren Welt zugrunde lägen und sie (und unser Handeln) ›eigentlich‹ bestimmen, zugrunde. An die Stelle solcher Eigentlichkeiten tritt allseitiger und jederzeitiger Zweifel. Aus ihm folgert Augustin umgekehrt, dass der Zweifel an allem zumindest eine Gewissheit nicht nur nicht bestreitet, sondern geradezu belegt: die der eigenen Existenz. An allem zweifeln zu können setze zweifellos die eigene Existenz voraus. ›Dubito ergo sum‹, könnte man sagen.5Dies Zweifeln kann nicht gedacht werden, ohne ›zu sein‹. Sein selbst wiederum setzt voraus ›zu leben‹. Die Erkenntnis dieser Bedingungen der Möglichkeit des Zweifelns ist ›Einsicht‹. Die ›Einsicht‹ in das eigene ›Sein‹ und ›Leben‹ führt als unhintergehbare Voraussetzung des Zweifelns selbst auf eine Gewissheit, die sich im Akt des Zweifels immer von neuem belegt. Die Zusammengehörigkeit von ›Sein, Leben und Einsicht‹ – Einsicht ist nur möglich, insofern ›ich bin und lebe‹, Sein und Leben sind nur, insofern ich sie einsehe (usw.) – wird Augustins ›Gewissheitsargument‹, das er der Skepsis der Akademiker entgegenstellt und das seinem ›Gottesbeweis‹ zugrunde liegt (vgl. De lib. arb. II.3.7.) Dieses Argument ist eine Anwendung des Postulats, dass an allem zu zweifeln ist, auf sich selbst. Es ist, mit Hegel zu reden, ein sich selbst vollbringender Skeptizismus. Augustin hat an ihm festgehalten und es verschiedene Male wiederholt. »Wer möchte jedoch zweifeln, dass er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, sieht man ein, dass man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Gewissheit haben; wenn man zweifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiß man; wenn man zweifelt, urteilt man, dass man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln, dass, wenn es all dies nicht gäbe, er an keiner Sache zu zweifeln vermöchte«, heißt es in De trinitate X.10.14 (vgl. Kap. 5.3). Dem skeptischen Hauptargument – dass wir jederzeit keine Gewissheit haben, uns nicht zu täuschen – wird keine Gewissheitsbehauptung entgegengesetzt. Augustin betrachtet vielmehr dessen logische Implikationen. ›Sein‹ (im Sinne von: ›zu sein‹) ist die unhintergehbare Voraussetzung, die einzige Gewissheit, die sich im Faktum des Zweifels und gerade in der Möglichkeit der Täuschung bezeugt: »Wenn ich mich täusche, bin ich«, heißt es in Civ. 11.26. Aus dem Nachdenken des »Si enim fallor, sum« ergibt sich die selbstbezügliche Struktur von ›Sein, Wissen und Lieben‹.

Das gegen die Skepsis der Akademiker gerichtete ›Dubito ergo sum‹ ist ein weiterer Schritt Augustins auf dem Weg des Denkens desjenigen, was gedacht wird, wenn desjenigen gedacht wird, was er als das glückselige Leben definiert: Gott (vgl. De lib. arb. II.16.41; Conf. X.20.29). Noch in De civitate dei wird es heißen, dass Gott, das ›glückselige Leben des Menschen‹, der einzige Grund des Philosophierens sei (vgl. Civ. 19.1; 26). Es ist eine Umkehr des Denkens nach ›innen‹. Diese Umkehr des Denkens zum Denken seiner selbst drückt sich in dem bereits zitierten Satz ›Geh nicht nach draußen, kehr in dich selbst zurück! Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit‹ aus (De vera rel. 39.72). De vera religione ist eine Werbeschrift gegen die Manichäer. In ihr nennt Augustin die wichtigsten Argumente gegen den Prinzipiendualismus, der ihn bei den Manichäern gleichwohl angezogen hatte. Zusammengefasst lauten sie: 1) Welt ist nicht der Schauplatz oder Spielball eingebildeter (intelligibler) ›Mächte‹. Die Menschen haben die Freiheit des Willens und Verantwortlichkeit für ihr Tun. Die Tatsache des scheiternden freien Willens ist kein Ausdruck eines Prinzips. In der Faktizität auch und gerade des Scheiterns, des zum Unglück sich wendenden Handelns beweist sich via negationis die Freiheit des Willens. 2) Das malum ist kein Prinzip eigener Art. An die Stelle der prinzipientheoretischen Konstruktion eines ›substantiell Bösen‹ tritt die neuplatonische Privationsthese bezüglich des malum. Es ist ›Mangel und Beraubung des Guten‹. Es besteht im ›Schaden‹ freiwilliger Abkehr – und wird zur Erfahrung von ›Strafe‹, die im Unglück und in ›Mühen‹ besteht (De vera rel. 40.76). 3) ›Im Ganzen‹ betrachtet ist das Universum des Geschöpflichen ›schön‹. Das ist die Abkehr von der manichäischen Verdammung dieser sichtbaren Welt. Weil ihm vieles missfallen habe, habe er zwei Prinzipien – ein gutes und ein böses – seine Vorstellung von Welt bestimmen lassen. Die erfahrene Disharmonie des Schlechten war für Augustin der Grund dafür, die sinnenfällige Welt zu verdammen. Einheitsmetaphysisch denkt er sie in Harmonie. Die Welt des geschöpflich Erscheinenden ist als Überein- und als Zusammenstimmung von Verschiedenem Ausdruck eines göttlich Einen. Sofern sich die Dinge der sinnenfälligen Welt als Erscheinung dieses unum principale (vgl. De vera rel. 43.81) verstehen lassen, sind sie nicht – oder vielleicht genauer gesagt: nicht nur – radikal schlecht. 4) Augustin bringt in De vera religione Platonismus und christliche Religion in einer Weise zusammen, die zu einer harmonisierenden und harmonistischen Weltsicht führt. Das Universum wird gedacht als ein von der göttlichen Kunst hervorgebrachtes Phänomen, das in der Zeit erscheint.6 Die Welt der Schöpfung wird zu einem ästhetischen Phänomen. Sie erscheint als erschaffenes Phänomen ewig gerechtfertigt. Sie wird so ›übergerechtfertigt‹: Was malum war, ist seiner geschichtlichen Bedeutung nach depotenziert. Die Faktizität des Unglücks hat in dieser dissonanzlosen Harmonie keinen Platz mehr. Der Schrecken der Geschichte, ihr Elend, kehrt in der Krise der Prädestinations- und Gnadenlehre mit Macht zurück. 5) ›Alles, was ist, ist, insofern es ist, gut‹, lautet die These, mit der Augustin die Denkgebilde einer wesenhaft oder eigenständigen ›Natur des Bösen‹ negiert. Mit dieser These setzt Augustin einer dualistischen Weltvorstellung ein Einheitsdenken entgegen. Das ›Eine‹ ist zu denken als Einheit, die sich als das schöpferische Prinzip der in der Zeit erscheinenden Phänomene erweist. Das unum ipsum ist trinitas creatrix (vgl. De vera rel. 7.13). Damit setzt in De vera religione die Transformierung der plotinischen Henologie in das Denken von Trinität als schöpferischer Beziehung ein. 6) Platonisierend rechtfertigt Augustin seine Abkehr vom Manichäismus und die Hinwendung zu einem nicht-dualistischen Christentum philosophisch. ›Nichts gibt es, wodurch die Seele nicht ihrer ersten Schönheit zu gedenken vermöchte, die sie verließ‹, beginnt er den Abschnitt De vera rel. 39.72. In welchem Verhältnis steht diese alles – vom ›Höchsten bis zum Niedersten‹ anerkennende – ästhetisch-rechtfertigende Sicht des Universums als eines in sich stimmigen, weil ›geordneten Ganzen‹, zu dem anderen Aspekt des Programms eines platonisierenden und platonisierten Christentums, der, wie Augustin gleich am Anfang von De vera religione festhält, sich darin erweist, dass die ›sinnliche Welt zu verachten, die Seele durch Tugend zu reinigen‹ sei, um sie ›dem höchsten Gott zu unterwerfen‹ (De vera rel. 4.6)? In welchem Verhältnis stehen, anders gesagt, platonisierender Panästhetizismus und radikale Absage an die Welt, die gleichfalls platonisch motiviert ist, da diese doch nur eine des Sinnlichen, des Veränderlichen und ›Niedrigen‹ ist, aus der es, in der Abkehr von ihr, zum ›Höchsten‹ aufzusteigen gilt?