image

Branded As Trouble –
Colts Rettung

Rough Riders 6

Lorelei James

image

© 2018 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt
© Covergestaltung Andrea Gunschera
Aus dem Englischen von Sylvia Pranga
Englische Originalausgabe © Lorelei James 2016

Für alle schwarzen Schafe – jeder verdient ein Happy End

Inhalt

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Kapitel Fünfundzwanzig

Kapitel Sechsundzwanzig

Die Autorin

Kapitel eins

Zur Feier seiner einjährigen Abstinenz stieg Colt McKay auf den Rücken eines Bullen und blieb volle acht Sekunden oben.

Zur Feier seiner zweijährigen Abstinenz stieg Colt McKay in ein Flugzeug und sprang mit einem Fallschirm ab.

Zur Feier seiner dreijährigen Abstinenz hatte Colt McKay gehofft, auf eine Frau zu steigen und seine selbst auferlegte sexuelle Enthaltsamkeit, die er sechsunddreißig Monate durchgehalten hatte, zu beenden.

Er stellte sich sanftes Kerzenlicht vor, zärtliche Küsse, die weiche Haut einer Frau und ein bequemes Bett unter sich. Zumindest dieser Teil seiner Fantasie war wahr geworden. Colt war im Bett. Mit dem Gesicht nach unten lag er auf einer dicken Batikdecke und neben ihm war eine Frau. Allerdings schwelgte er nicht im Nachglühen von heißem Sex. Stattdessen verzog er vor Schmerz das Gesicht, weil ihm zum gefühlt millionsten Mal ein glühender Schürhaken in den Hintern stach.

„Verdammt. Das tut weh.“

„Fast fertig. Nur noch zwei kleine Stiche, dann kannst du gehen“, trillerte Doktor Monroe mit ihrer schrecklich gut gelaunten Stimme.

Gehen. Klar. Und wohin, zur Hölle, sollte er gehen?

Schnipp, schnipp. Gemurmel. Vor seinen Augen verschwamm alles. Da er früher Drogen genommen hatte, hatte er die Schmerzmittel von der ihn quälenden Ärztin verweigert. Jetzt sank wahrscheinlich der Adrenalinspiegel in seinem Blut und er würde gleich zusammenbrechen. Heftig.

Toll. Genau das, was er noch brauchte. Noch armseliger, hilfloser und schwächer zu wirken.

„Na also. War doch gar nicht so schlimm, oder?“

Colt hob den Kopf und starrte die Frau mit der whiskeyrauen Stimme, die es wagte, ihn anzusprechen, wütend an. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte die Reue, die in diesen erstaunlichen Saphiraugen schimmerte, ihn veranlasst, sanft und freundlich zu ihr zu sein.

Nicht jetzt. Und vielleicht nie wieder.

Er behielt einen kühlen Ton bei, obwohl er sie am liebsten aus voller Kehle angeschrien hätte. „Nicht so schlimm? Für wen? Himmel, Indy, du hast mir in den Hintern geschossen. Sehr viel schlimmer als das kann es nicht werden.“

Kapitel zwei

„Es war ein Unfall.“

Colt grunzte.

„Warum bist du auch so hereingeplatzt?“ Indias Pulsschlag beschleunigte sich, als er ihr den Kopf zuwandte und sie wütend anstarrte. Schon wieder.

„Ist das dein Ernst? Drei Dreckskerle haben dich bedrängt. Und du warst allein. Nachts.“

„Und? Das war nicht das erste Mal und wird nicht das letzte Mal sein. Außerdem hatte ich alles unter Kontrolle.“

„So sah es aber nicht aus. Warum hast du mit der Nagelpistole nicht auf sie geschossen?“

„Hätte ich, wenn ich dran gedacht hätte.“

Dr. Monroe sagte: „Was auch immer ihre Absichten waren, du kannst dich glücklich schätzen, dass sie aus einem ungünstigen Winkel geschossen hat. Der Nagel hat nur die Hautschicht durchdrungen, den Knochen aber nicht getroffen.“

„Ich hab Glück gehabt. Klar.“

„Fertig.“ Eine Sekunde lang lag der Geruch nach einer Desinfektionslösung scharf in der Luft. Das Geräusch von reißendem Papier wurde gefolgt von dem schnappenden Entfernen von Latexhandschuhen. Dr. Monroe fragte: „Bist du sicher, dass du kein Schmerzmittel willst, Colt? Die lokale Betäubung wird in etwa zwei Stunden nachlassen.“

„Mir geht’s gut.“

„Ich dachte mir, dass du das sagst.“ Sie tätschelte seine Schulter. „Ich komme morgen vorbei, um nach dir zu sehen. Ich will sicher sein, dass du keine Infektion bekommst.“

„Habe ich dafür nicht die Tetanusspritze gekriegt?“

„Nein. Der einzige Grund dafür, dass ich dich nicht ins Krankenhaus einweise, ist die … heikle Stelle der Verletzung. Die Klatschmäuler dieser Stadt hätten wegen dieses Zwischenfalls ihren großen Tag, besonders, weil du früher den entsprechenden Ruf hattest. Ich verstehe, warum dein Bruder meinte, es wäre am besten, wenn ich dich hier behandle.“ Ihre Augen verengten sich. „Wenn du also in den nächsten Stunden Fieber bekommen solltest oder starke Schmerzen hast, solltest du deinen Hintern in die Notaufnahme bewegen. Und zwar umgehend.“

India fragte: „Was sollte er jetzt tun?“

„Schlafen. Er sollte so viel Schlaf bekommen wie möglich. Alle sechs Stunden ein Schmerzmittel, wenn er es nimmt.“ Doktor Monroe stand auf und schloss die Metallschnalle an ihrem schwarzen Arztkoffer. Leise sagte sie: „Ich schlage vor, dass du ihn in Ruhe lässt, India. Kann jemand anderes ein Auge auf ihn haben?“

„Warum? Er ist in meinem Gästezimmer.“

„Ich weiß. Aber du scheinst ihn … aufzuregen, und er braucht Ruhe.“

Hitze stieg ihr in die Wangen. Verdammt. Sie war nicht völlig unfähig, wenn es darum ging, sich um jemand anderen zu kümmern. Sie hatte diesen Florence Nightingale Kram drauf.

Cam McKay kam herüber. „Nachdem ich Doktor Monroe abgesetzt habe, kann ich zurückkommen und heute Nacht auf ihn aufpassen, wenn du magst.“

„Hört auf zu flüstern. Ich bin hier im Zimmer“, blaffte Colt.

India und Cam tauschten einen Blick. Als Colt versuchte, sich hochzustemmen, legte Cam eine Hand auf seinen Rücken und hielt ihn zurück. „Whoa. Immer langsam.“

„Ja, ich will dich nicht noch mehr aufregen, als ich es schon getan habe“, warf India süßlich ein.

Colt sah ihr in die Augen. Sie unterdrückte ein Erschauern, so herrisch war der Blick aus den dunkelblauen Tiefen.

„India bleibt. Sie ist diejenige, die durchgedreht ist und mir einen Nagel in den Hintern gejagt hat. Dann kann sie sich auch um mich kümmern.“ Er schenkte ihr ein Lächeln, das sie an einen Hai kurz vor dem Zubeißen erinnerte. „Irgendwie gefällt mir der Gedanke, dass du meine Bedienstete spielst, Süße.“

„Das kann ich mir vorstellen.“

„Da das nun geklärt ist, fahren wir los.“ Cam legte Colts Handy in seine Reichweite. „Ich sehe später nach dir.“ Zu India sagte er: „Wenn du etwas brauchst, ruf mich auf dem Handy, nicht auf dem Festnetz an, okay?“

„Okay.“ Sie folgte Cam und Doktor Monroe die Treppe hinunter, die zum hinteren Parkplatz führte.

Mann. Was für eine verrückte Nacht. India atmete tief ein, um ihre plötzliche Nervosität zu unterdrücken. Es ergab keinen Sinn, dass sie nervös war. In den vergangenen drei Jahren war sie Hunderte von Malen mit Colt McKay allein gewesen.

Aber nicht, nachdem du ihm in den Hintern geschossen hast.

Die ganze Sache war fast surreal. Drei Typen waren hereingestolpert und hatten identische Tattoos gefordert. Sie hatte sie zum Gehen aufgefordert und auf das Schild gezeigt, auf dem stand, dass sie keine alkoholisierten Kunden tätowierte. Als Schmeicheleien nichts nützten, wurden die Kerle angriffslustig. India hatte schon mit so vielen Betrunkenen zu tun gehabt, dass sie gelassen blieb, als sie ihr mit ihrem Macho Bullshit kamen. Glaubten sie, dieses Neandertalerverhalten würde ihre Meinung ändern? Also bitte.

Sie hatte sie fast überzeugt zu gehen, als Colt und Cam hereingestürmt kamen. Colts feindselige Haltung war schon schlimm genug, aber Cam war gerade vom Dienst beim Crook County Sheriff Department gekommen und trug noch seine Uniform. Und seine Waffe.

Die Typen gerieten in Panik, rannten zur Hintertür und stießen einen behelfsmäßigen Tisch um, auf dem eine Menge Werkzeug lag.

Cam nahm die Verfolgung auf, so gut es ein Cop mit einer Prothese eben konnte.

In dem Durcheinander bückte sich Colt, um die Werkzeuge aufzuheben, und India griff nach dem großen Streifennagler. Während sie sich bemühte, nicht auf Schrauben für Rigipsplatten zu treten, die sich überall wie Reißnägel verteilt hatten, stolperte sie über den Kompressorschlauch und fiel … direkt gegen Colt. Genauer direkt auf Colts Hintern. Bei dem Kontakt mit einer festen Oberfläche schoss die Nagelpistole einen sieben Zentimeter langen Nagel ab. Er ging glatt durch Colts Jeans und grub sich in seine linke Hinterbacke.

Colt schrie nicht vor Schmerz auf. Er sank nur auf Hände und Knie und bat sie, die Nagelpistole auf den Ladentisch zu legen.

Als Cam zurückkam, blutete Colts Wunde stark. Cam, der immer einen kühlen Kopf behielt, versuchte Colt zu überzeugen, ins Krankenhaus zu gehen.

Colt weigerte sich.

Nach einigen Minuten vergeblichen Diskutierens machte Colt etwas Schreckliches. Er rappelte sich hoch, nahm eine Zange von dem unordentlichen Haufen Werkzeuge und lief die hintere Treppe zu Indias Apartment hoch, fast im Sturmlauf.

Cam und India rasten hinterher und rangen ihn auf der nächstbesten horizontalen Fläche nieder – dem Bett im Gästezimmer. Dann rief Cam seine gute Freundin Doktor Monroe an. India fragte sich, wie gut die beiden eigentlich befreundet waren, denn die Ärztin war nach kaum zehn Minuten bei ihnen.

Nachdem Doktor Monroe den Nagel herausgezogen hatte, verpasste sie ihm eine lokale Betäubung und eine Tetanusspritze, was Colt größeres Unbehagen zu bereiten schien als seine Verletzung.

India zwang sich zuzusehen, wie er genäht wurde, wenn es auch nur drei Stiche waren. Blut und Nadeln gehörten zum Tätowieren und hatten sie nie gestört. Warum also zog sich ihr Magen beim Anblick von Colts Blut zusammen?

Du hättest nicht fast gekotzt. Du hast nur zu viele Red Bulls getrunken, das ist alles.

Wenn das stimmte, warum druckste sie dann vor dem Zimmer herum?

Schuldgefühle? Angst, dass er sie anschnauzen würde, weil sie jetzt allein waren?

Scheiß drauf. Colt konnte es nicht schaffen, dass sie sich noch schlechter fühlte, als es schon der Fall war.

Sie schlüpfte wieder ins Zimmer und setzte sich auf die Kante des Klappstuhls neben dem Bett, den Doktor Monroe freigemacht hatte.

Colts Haare waren feucht und zerzaust. Die Muskeln in seinem Kiefer waren angespannt. Seine Brust hob und senkte sich schnell bei seinen flachen Atemzügen. Sein gesamter Körper machte in seiner Starre dem Nachttisch Konkurrenz.

India wünschte, dass sie seinen Schmerz lindern könnte. Würde es ihn entspannen, wenn sie glättend über seine gerunzelte Stirn strich? Wenn sie mit den Fingern durch sein glänzend schwarzes Haar fuhr, würde er dann genüsslich die Augen schließen? Wenn sie seine breiten Schultern massierte, würde er dann zufrieden seufzen? Wenn sie ihre Lippen auf seine drückte, würde er dann ihren Kuss erwidern?

Ihn küssen? Wo, zum Teufel, kam denn dieser Gedanke her? Colt war ein guter Freund, ihr bester Kumpel, ihr Resonanzboden, ihr Kunde. Ganz davon abgesehen war sie seine Sponsorin bei den Anonymen Alkoholikern. Sie warf ihm einen schnellen Blick zu.

Manchmal war das eine wahre Schande.

Colt McKay war zweifellos ein sehr attraktiver Mann. Zu gut aussehend, um ehrlich zu sein. Er hatte das Gesicht eines Engels – allerdings das eines gefallenen Engels – und ein sündiges Lächeln, das in puncto Versuchung dem Teufel Konkurrenz machte. Dazu kamen der muskulöse Körper eines disziplinierten Sportlers und mehr körperliche Vorzüge, als man aufzählen konnte. Kurz gesagt, er war perfekt.

Und absolut verboten. Außerdem war es ja nicht so, dass er ihr jemals Hinweise gegeben hätte, dass er an mehr als einer Freundschaft mit ihr interessiert war.

Und das ist wirklich ein Grund zum Weinen.

Colts feurige blaue Augen richteten sich auf sie.

Sie hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging, wenn er sie so ansah, aber es gefiel ihr. Sie legte eine Hand auf seine Schulter, riss sie aber zurück, als er zusammenzuckte. „Tut mir leid.“

„Muss es nicht. Es hat mich einfach nur überrascht. Du berührst mich sonst nie so.“

Möchtest du, dass ich dich so berühre? „Ich …“ India ließ frustriert den Atem entweichen. „Verdammt, Colt. Es tut mir leid. So verdammt leid. Ich bin so ein Tollpatsch. Ich wollte dir bestimmt nicht in den Hintern schießen.“

Er sah sie nur an.

„Was?“

„Du könntest die Stelle küssen, damit es besser wird.“

„Sehr lustig. Tut es weh?“

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie.“

Sie zuckte zusammen. „Tut mir leid.“

„Wenn ich nicht geküsst werde, wäre ich für etwas Motrin dankbar.“

India sprang auf. „Kein Problem.“ Sie eilte zum Nachtschrank, nahm zwei orange Pillen aus der Packung und reichte sie ihm zusammen mit einer Wasserflasche. „Hier, bitte.“

„Danke.“ Colt warf sich die Tabletten in den Mund und nahm einen großen Schluck Wasser. Dann verschluckte er sich, hustete und Wassertropfen verfingen sich in seinen Bartstoppeln.

Ohne nachzudenken, wischte sie die Tropfen weg.

„Gott, sind deine Hände kalt.“

„Tut mir leid.“ India wollte ihre Hand wegziehen, aber Colt hielt sie fest.

„Hör nicht auf. Das fühlt sich gut an.“

„Wirklich?“

„Ja. Mein Gesicht glüht.“

Als sie über sein Gesicht strich, von seiner Stirn bis zum Kinn, stieß er ein tiefes Seufzen aus. Sie konnte den Blick nicht von seinen kantigen Zügen wenden, die einen Kontrast zu seinen vollen Lippen bildeten. Eine ganze Weile berührte sie ihn nur, betrachtete ihn fast so, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen.

Schließlich sagte er: „Du bist so still.“

„Du klingst überrascht.“

„Das bin ich. Du bist sonst nie still.“

„Stimmt.“

„Dann rede mit mir.“

„Worüber?“

„Irgendwas.“

„Glaubst du, dass du bis zum Treffen der Anonymen Alkoholiker wieder fit bist?“

„Rede über alles, nur nicht die Anonymen Alkoholiker.“ Er verlagerte seine Position. „Erzähl mir von dem letzten Tattoo, das du gemacht hast.“

„Nichts Aufregendes. Noch ein Mädchen vom College, die ein chinesisches Symbol wollte, das ihre Freundin im Internet gefunden hat. Es soll etwas Bedeutendes heißen.“

„Mit anderen Worten …“

„Absoluter Blödsinn. Soweit ich weiß – und sie auch – könnte ich das chinesische Schriftzeichen für Plumpsklo über ihren Hintern tätowiert haben.“

Colt lachte leise.

Ermutigt von seinem Lachen erzählte sie weiter. „Vor ein paar Tagen kam ein großer, kräftiger Biker rein und wollte, dass ich ihm eine Biene auf beide Oberschenkel, direkt über der Kniescheibe, tätowiere.“

„Warum?“

„In einem Ausbruch von Leidenschaft hat eine heiße Biene geschworen, dass er zum Niederknien ist. Also verlangte er, dass dieser Moment auf seiner haarigen Haut unsterblich gemacht werden sollte.“

„Du verarschst mich.“

„Natürlich tue ich das. Verdammt, bist du leichtgläubig, McKay.“

Er warf ihr einen komischen Blick zu. „Leichtgläubig ist ein Wort, das noch nie zu mir gepasst hat, Indy.“

„Das glaube ich dir.“ Sie legte ihre Handfläche an seine Wange. Während der drei Jahre, die Colt jetzt bei den Anonymen Alkoholikern war, hatte er ihr einige Dinge erzählt, die er getan hatte, als er betrunken, high oder beides war. Doch seine Vergangenheit war im Vergleich zu dem Mist, den sie gemacht hatte, harmlos. Allerdings erzählte sie das Schlimmste niemandem und sie vermutete, dass in seiner unglaublichen Brust auch einige Geheimnisse ruhten.

„Ich hasse es, wenn du mich so ansiehst“, sagte er.

„Wie denn?“ Als ob ich dich von oben bis unten ablecken will?

„Als wäre ich eine Laborratte.“

India strich mit dem Daumen über seinen Wangenknochen. „Keine Laborratte. Ein Meerschweinchen.“

„Toll. Das ist ja so viel besser.“

„Ich habe ein neues Tattoo-Motiv, das ich gerne an dir ausprobieren würde.“

„Ja? Sobald mein Hintern verheilt ist, könntest du die Narbe in eins dieser coolen Kugellöcher verwandeln, die man auf Motorrädern und den Heckklappen von Pick-ups sieht.“

„Also bitte. Ich bin eine Künstlerin. Ich habe etwas viel Besseres im Sinn. Etwas, das hip, lustig, sexy und cool ist.“

Misstrauen breitete sich auf Colts Gesicht aus. „Ich habe dir schon gesagt, dass du den Bereich um meine Nippel nicht tätowieren darfst. Niemals.“

„Aber dieses neue Muster ist so toll. Türkis und orange, eingefasst von schwarz und rot, sodass es wie Flammen wirkt …“

„Auf gar keinen Fall.“

„Hör mir doch erst mal zu.“

„Verdammt, Indy, ich habe Nein gesagt. Warum bist du so scharf darauf, das zu machen?“

„Weil du tolle Nippel hast.“

Colts glühender Blick senkte sich zu ihrer Brust. „Da wir gerade davon reden, deine Nippel habe ich noch nicht gesehen. Ich fürchte, dass ich dein Kompliment deswegen nicht erwidern kann, Süße. Aber das könnten wir jetzt nachholen. Zieh dein Shirt aus.“

„Ha ha.“ Um zu verbergen, dass er sie aus dem Konzept gebracht und sein heißer Blick ihre Nippel zum Stehen gebracht hatte, sagte sie schnippisch: „Gut. Dann probiere ich mein supercooles neues Motiv bei deinem Cousin Blake aus. Ich bin sicher, dass er einverstanden ist. Besonders, weil er schon hier ist, um ein paar Regale zu bauen.“

„Wenn ihr über Farben diskutiert, könntest du dem Chaoten vielleicht sagen, dass er seine verdammten Werkzeuge wegräumen soll, damit unschuldigen Unbeteiligten keine Nägel in den Hintern geschossen werden.“

Immer wenn India Blake Wests Namen erwähnte, bekam Colt schlechte Laune. Diese Reaktion verstand sie nicht, weil Colt und Blake verwandt waren und manchmal zusammen abhingen.

„Wenn du schon mal mit Blakes Nippeln beschäftigt bist, könntest du sie piercen. Mit kleinen, klingelnden Goldglöckchen. So kann er sich nicht an seine Schafherde ranschleichen, wenn er gerade nicht so tut, als wäre er Tischler.“

Warum war Colt plötzlich nicht mehr nur mürrisch, sondern stinksauer? „Hör mal, es tut mir leid. Ich war …“

„Vergiss es. Ich bin müde. Mein Hintern tut weh wie sonst was, und ich sollte mich besser ausruhen. Mach bitte das Licht aus, wenn du rausgehst.“

„Wenn du irgendwas brauchst …“

„Werde ich nicht.“ Colt forderte sie zum Gehen auf, indem er sich zur Wand drehte.

Blödmann. Sie war in Versuchung, die Nagelpistole zu holen, um ihm den frechen Mund zuzunageln.

Du hast kein Recht, empört zu sein.

Trotzdem versetzte ihr Colts launisches Verhalten einen Stich. Normalerweise war er so ausgeglichen. So süß und rücksichtsvoll zu ihr. India zog sich in ihr Zimmer zurück.

Sie betrachtete die im Dunkeln leuchtenden Klebesterne an ihren Wänden und fragte sich, ob Colt ausrasten würde, wenn sie ihm von ihrer Verabredung mit Blake morgen Abend erzählte.

image

Du hast dich wie ein eifersüchtiger Idiot benommen. Wenn Indy nicht schon vorher gewusst hat, dass du wie verrückt verknallt in sie bist, weiß sie es jetzt ganz sicher.

Colt schnaubte. Klar. Er würde seinen Hut fressen, wenn das passierte. India hatte keine Ahnung, was er für sie empfand. Sie würde seine Reaktionen dem Stress zuschreiben. Oder dem Schmerz. Oder Frustration.

Das war okay für ihn. Besser sie glaubte an einen dieser Gründe, als dass sie die Wahrheit erfuhr: Er hatte sich so sehr in sie verliebt, dass er, seit sie vor drei Jahren in sein Leben getreten war, keine andere Frau mehr angesehen hatte.

Er wusste, wie dumm das war. India war seine beste Freundin. Ihre Freundschaft war das Wichtigste in seinem Leben, und er wäre ein Dummkopf, wenn er sie aufs Spiel setzte.

Dass sie die Freundschaft aufrechterhielt, nachdem sie von seiner schmutzigen Vergangenheit gehört hatte, ließ ihn noch mehr darauf achten, diese Beziehung nicht zu verderben, so wie er es mit allen anderen gemacht hatte. Und da sie seine Sponsorin bei den Anonymen Alkoholikern war, würde es sie in eine heikle Situation bringen, wenn sie miteinander schliefen. India war für die örtliche Organisation zu wichtig, als dass sie riskieren sollte, mit dem ehemals berüchtigten Playboy und Verlierer Colt McKay eine Beziehung einzugehen.

Wenn du so ein Verlierer bist, warum verbringt India dann so viel Zeit mit dir?

Gute Frage. Sie trafen sich mindestens drei Mal in der Woche – und nicht immer ging es dabei um die Anonymen Alkoholiker. Colt wusste, dass ihr Liebesleben genauso armselig wie seins war. Schreckte ihre temperamentvolle, direkte Art die Männer ab? Oder hielten ihre Tattoos, die Piercings und ihre harten Augen die Männer fern? Zum Teufel, er konnte sich nur schwer entscheiden, welche dieser Eigenschaften ihm am besten gefiel.

Ja, sie waren schon zwei.

Colt lag auf dem ungewohnten Bett ausgestreckt und analysierte, warum sein Leben ein Chaos war, obwohl er clean und trocken war, als sein Handy vibrierte. Er blickte auf die Nummer. „Hey, Cam. Was ist los?“

„Ich wollte mich nur melden. Wie geht es dir?“

„Mies.“

„Habe ich mir gedacht. Ich habe übrigens Dad angerufen und ihm erzählt, dass ich dich im Diner getroffen habe und du das Wochenende nicht in der Stadt bist. Also hast du bis Montag Ruhe.“

„Was hat Dad gesagt?“

„Nichts was wiederholenswert ist.“

Bei den Familienproblemen, die er in letzter Zeit gehabt hatte, war es eine Erleichterung, dass Cam ihm den Rücken freihielt, da seine anderen Brüder wahrscheinlich etwas Abfälliges über seinen Wochenendausflug sagen würden. „Danke.“

„Kein Problem. Morgen habe ich eine ZwölfstundenSchicht von Mittag bis Mitternacht. Brauchst du irgendwas?“

„Ja. Frische Kleidung. Bring mir eine Jogginghose. Die, die in meiner Sporttasche war, stinkt.“

„Mach ich. Noch was?“

„Wo ist mein Truck?“

„Ich habe ihn auf den umzäunten Parkplatz hinter dem Gebäude gefahren. Warum?“

„Ich wollte nur sicher sein, dass er außer Sicht ist.“

„Ich bin ein Cop. An solche Dinge denke ich.“

„Tut mir leid.“

„Ruh dich aus.“

„Das ist so ungefähr das Einzige, was ich tun kann.“ Sobald er die Worte gesagt hatte, wollte Colt sie zurücknehmen. Seine mickrige Verletzung war nichts im Vergleich mit dem, was Cam erlitten hatte. Im Gefecht. Auf der anderen Seite des Planeten. Allein. Oder mit dem, was er jeden Tag durchmachte, weil er mit seiner Behinderung fertigwerden musste, physisch und emotional. „Mist, Mann. Es tut mir leid.“

„Dir muss nichts leidtun, Bruder. Wir sehen uns morgen.“

Kapitel drei

Colt langweilte sich zu Tode.

Er versuchte zu schlafen. Aber jedes Mal, wenn er eindöste, kam die ach so hilfsbereite India herein, um nach ihm zu sehen. Und aus irgendeinem bizarren Grund bedeutete das, dass sie ihn berühren musste. Sie legte ihre kühle Hand auf seine Stirn. Auf seine Wange. Dann auf seinen Nacken. Das letzte Mal, als sie hereinkam, konnte er sich kaum zurückhalten, sie aufzufordern, ihre Hand um seinen Schwanz zu legen, weil er sie sich dort am meisten ersehnte.

Ja, er stand definitiv unter Druck.

Colts Handy vibrierte. Er sah auf die Nummer. Cam. Schon wieder. „Hey. Hältst du draußen den Frieden aufrecht?“

„Ich bemühe mich. Später wird es schwierig werden, weil es Samstagabend ist. Letztes Wochenende hat es mehr als genug betrunkene Cowboys gegeben, die sich prügelten.“

„Das ist Teil deiner Pflichten und wird nie aufhören. Vielleicht hättest du Dads Angebot, mit uns zu arbeiten, annehmen sollen.“

„Hör bloß auf.“

Er lächelte, obwohl Cam es nicht sehen konnte. Es machte ihm Spaß, seinen jüngeren Bruder zu provozieren, einfach weil er es konnte.

„Das ist der Dank dafür, dass ich deine Demütigung unter Verschluss halte?“

„Komm schon, Cam. Rancharbeit mit der Familie ist gar nicht so schlimm.“

Cam schnaubte. „Das sagt grad der Richtige. Wie fühlst du dich?“

„Wund.“

„Könnte schlimmer sein.“

„Stimmt. Hätte ich andersherum gestanden, dann hätte sie mir in den Schwanz geschossen.“

„Autsch. Übrigens will ich dich vorwarnen. Blake wird heute Abend da sein.“

„Wo wird er sein?“

„In Indias Apartment.“

„Warum? Renoviert er nach Feierabend etwas für sie?“

„Nein. Sie, äh, haben ein Date.“

Colts Bauchmuskeln spannten sich an. „Zapft der Sonnyboy heute Abend kein Bier im Rusty Spur?“

„Ich denke nicht.“

„Wo hast du das Gerücht gehört? Im Diner?“

„Ich war heute nicht im Diner.“

„Warum denn nicht? Sonst bist du drei Mal am Tag da.“ Cam hatte eine Schwäche für die süße, schüchterne Domini, die als Köchin, Kellnerin und Hostess im Dewey’s Delish Dish arbeitete, dem Restaurant direkt neben dem Tattoo-Studio.

„Es gibt andere Restaurants in der Stadt, in denen ich zu meinem morgendlichen Kaffee böse Blicke bekomme“, sagte Cam humorlos. „Ich habe Blake zufällig im Super-Value getroffen. Er kaufte Blumen. Ich fragte ihn, wofür die wären, und er erwähnte sein Date mit India.“

Genau das, was Colt gar nicht brauchen konnte: Indy und Blake lachen zu hören, während sie Spaß hatten, und er sich in der Zwischenzeit im Gästezimmer versteckte. Oder schlimmer, sich wie ein Perverser zu fühlen, wenn sie die Bettfedern quietschen ließen.

„Warum erzählst du mir das?“, schnappte Colt.

Eine bedeutungsschwere Pause folgte. Schließlich seufzte Cam. „Colt, Mann, ich bin’s. Kein Quatsch zwischen uns, weißt du noch? Ich weiß, wie verknallt du in sie bist. Wahrscheinlich schon seit Jahren, was? Ich wollte nicht, dass es dich unvorbereitet trifft. Ich dachte, dass du es vielleicht vorziehst abzuhauen.“

Also gut. Colt beschloss, dass er sich lieber nicht wilden Fantasien darüber hingeben wollte, was Blake und Indy trieben, sondern aus erster Hand erfahren wollte, was sie machten. „Danke. Ich weiß die Warnung zu schätzen, aber ich bleibe hier.“

„Bist du sicher, dass das eine kluge Entscheidung ist?“

„Nein. Aber egal, was zwischen ihnen passiert … es gibt mir einen Grund, mich in Bewegung zu setzen, auf welche Art auch immer. Es ist Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.“

„Na gut. Mach nur nichts Dummes, sodass ich heute Abend in meiner Funktion als Cop zu dir kommen muss, okay?“

„Einverstanden. Und danke.“

„Kein Problem. Denkst du, dass du diese Woche trainieren kannst?“

„Solange ich mich nicht auf ein Rudergerät setze, müsste es gehen. Warum? Du willst doch nicht etwa den Schwanz einziehen, Freundchen?“

Cam lachte. „Keine Chance, Saufnase. Ich kann mit deinem angeschossenen Hintern immer noch das Laufband aufwischen, selbst mit einem Holzbein.“

„Versuch’s doch.“ Colt legte auf. Er drehte sich langsam auf die Seite und sah auf die Uhr. In ungefähr einer Stunde schloss India den Laden. Wenn er Glück hatte, bekam er bis dahin etwas Schlaf.

Zehn Minuten später klappte die Wohnungstür, gefolgt vom Quietschen der Zimmertür, als diese geöffnet wurde. „Colt? Schläfst du?“

„Nicht mehr.“

„Tut mir leid. Hör mal, ich denke, du solltest …“

„Mich ausruhen. Ja, ich weiß. Du bist hier heute ungefähr hundert Mal reingekommen. Du allein hältst mich davon ab, etwas Schlaf zu kriegen.“

India blinzelte. „Aber das ist nicht, was ich …“

„Ich bin sicher, dass Dr. Monroe erwähnt hat, dass, wenn ich nicht genug Ruhe bekomme, ein größeres Risiko für Infektionen und Komplikationen besteht.“ Colt rieb über die Bartstoppeln auf seiner Wange. „Sobald du mir also Essen gebracht hast, wäre ich dankbar, wenn du still bist, damit ich eine Weile pennen kann.“

„Ich muss dir heute das Abendessen hochbringen?“

„Ich kann nun mal nicht kochen.“ Er benahm sich wie ein Blödmann, aber Colt liebte ihre schreckgeweiteten Augen. Es war nicht seine Schuld, dass er liegen musste, sondern ihre. Und er hatte nicht die Absicht, sie so leicht vom Haken zu lassen. Besonders, wenn es um Blake ging.

„Äh, ich habe heute Abend etwas vor.“

„Wirklich? Ich hoffe, dass du mir etwas Gutes zum Essen machst, denn ich bin halb verhungert.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Nein. Ich meine, ich will weggehen.“

„Weggehen, weil du uns Essen holen willst?“

„Ähm, nein. Ich will weggehen, weil ich ein Date habe.“

Er schwieg kurz. „Du hast ein Date?“

„Ja, ich habe ein Date.“

„Heute Abend?“

„Ja, heute Abend.“

Colt lachte. Und lachte immer weiter.

„Was ist so verdammt lustig?“

„Du. Whoa.“ Er hielt sich den Bauch. „Eine Sekunde lang habe ich dir wirklich geglaubt.“

„Mir geglaubt? Was soll das heißen?“

„Komm schon, Indy, hör auf rumzualbern. Es tut weh, wenn ich lache.“

India stampfte tatsächlich mit dem Fuß auf. „Du findest es lustig, dass ich ein Date habe?“

„Ja.“ Er lachte noch lauter.

„Das ist nicht lustig!“

„Doch, Süße, ist es.“

„Hör auf zu lachen.“ India verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin Single, man kann Spaß mit mir haben, und es ist Samstagabend. Es ist nicht so absolut abwegig, dass ein Mann mit mir ausgehen und eine schöne Zeit mit mir verbringen will.“

Sofort wurde Colt ernst. „Wohin bringt dich der mysteriöse Mann, der dich zu einer supertollen Zeit in der Metropole Sundance ausführen will?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Wir gehen aus.“

„Wohin? Nicht tanzen, denn du tanzt nicht. Nicht etwas trinken, denn du trinkst nicht.“

„Es gibt viele andere Möglichkeiten.“

„Wirklich? Nenn mir eine.“

Sie öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder. Sie sah wie eine Forelle außerhalb des Wassers aus, aber diesen Vergleich würde er nicht laut äußern.

„Hast du dich nicht letzten Samstagabend bei mir beschwert, dass man in dieser Stadt nichts unternehmen kann?“

„Und?“

„Ich bin neugierig, was sich in den letzten sieben Tagen geändert hat.“

Ihre schönen saphirfarbenen Augen funkelten gefährlich. „Warum? Was geht dich das an?“

Colt konnte sein Temperament gerade noch zügeln. „Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens hast du dich während der letzten zweieinhalb Jahre fast jeden Samstagabend beklagt, wie wenig Unterhaltungsmöglichkeiten es hier gibt. Ich habe dir angeboten, dich zu Rodeos, Kirchenveranstaltungen, Tanzabenden der Gemeinde, zum Demolition Derby, ins Kasino, zu Ausritten, zum Angeln, Campen, Jagen und zu Konzerten mitzunehmen. Und was haben wir letztlich fast jeden Samstagabend gemacht?“

Sie hielt ihren störrischen Mund geschlossen.

„Wir haben Filme geguckt, Karten gespielt oder gekocht. Und deswegen interessiert es mich, was für eine Art von Spaß dir dieser Mann angeboten hat, auf den ich nicht gekommen bin.“

India warf ihm einen bösen Blick zu.

„Ich warte.“

„Also gut. Er kocht das Abendessen, und wir sehen uns bei ihm einen Film an.“

Er grinste, obwohl er dachte, was für ein verdammter Bastard sein Cousin Blake war und wie gerne er ihm in den Hintern treten würde.

„Oh, spar dir dieses Lächeln, McKay. Du hast gesagt, es gibt zwei Gründe. Was ist der andere Grund, dass du so neugierig auf mein Privatleben bist?“

„Du denkst, ich bin neugierig?“

„Entweder das, oder du lebst stellvertretend durch mich.“

Colt öffnete den Mund, um zu protestieren, biss dann die Zähne aufeinander und starrte sie lieber böse an.

„Was ist los? Bin ich der Wahrheit zu nahe gekommen?“

„Vergiss es.“

Sie kam näher. „Nein. Du meintest, es wäre so verdammt lustig, dass ein Mann tatsächlich Zeit mit mir verbringen will …“

„Und was genau habe ich in den letzten zweieinhalb Jahren jedes Wochenende mit dir gemacht?“ Außer mich vergeblich abstrampeln.

„Du hast Zeit mit mir verbracht, aber das ist nicht dasselbe.“

„Warum nicht?“

„Weil wir keine Dates haben.“ Sie zog beide gepiercten Augenbrauen hoch, was seine Aufmerksamkeit auf die sexy Silberringe lenkte. „Oh mein Gott, Colt. Du hast doch nicht die ganze Zeit gedacht, dass wir beide …“

„Nein, so dumm bin ich nicht“, konterte er. „Ich finde es nur ironisch. Nachdem du mir in den Hintern geschossen hast und ich mit Schmerzen in deinem Haus liege, hast du kein Problem damit, mich allein zu lassen, um zu einem verdammten Date zu gehen.“

India gab wieder das Bild einer Forelle auf dem Trockenen ab.

Jesus. Du klingst wie ein bedürftiger, verbitterter Bastard, McKay.

„Hör mal, ich habe nicht darüber nachgedacht …“

„Nein, du hast nicht nachgedacht, was typisch für dich ist, Miss Impulsiv. Also bin ich nicht überrascht.“

„Colt …“

„Geh einfach. Ich bin müde.“ Colt schloss die Augen und drehte sich auf die Seite, sodass er ihr den Rücken zuwandte.

„Aber …“

„Geh einfach“, wiederholte er. „Mach die Tür von draußen zu. Oh, und ich wünsche dir ganz viel Spaß auf deinem Date.“

Er hörte ihren flachen Atem, während sie darüber nachdachte, ob sie ihn beschimpfen oder gehen sollte.

Und was wählte sie?

Die Tür klickte leise ins Schloss, als sie ging.

Colt fühlte sich weder bestätigt noch erleichtert.

image

Er sollte verdammt sein. Ihr erstes echtes Date seit ewigen Zeiten, und Colt McKay hatte ihr jeglichen Spaß daran verdorben, noch bevor sie das Haus verlassen hatte.

India warf die Haarbürste ins Waschbecken. Sie riss das Gel aus dem Schrank und drückte etwas von dem orangen Glibber auf ihre Handflächen und rieb es energisch in ihr Haar. Bah, das half auch nicht. Sie sah immer noch wie ein Stachelschwein aus, das einen Kampf mit einem Rasentrimmer verloren hatte. Außerdem musste sie die Spitzen nachfärben lassen. Das Fuchsia war zu einem grässlichen Kaugummirosa verblasst.

War es wichtig, wie zur Hölle ihr Haar aussah? Es war ja nicht so, dass sie in die Öffentlichkeit gingen.

Sie erstarrte. Wollte Blake deshalb bei ihm zu Hause für sie kochen? Weil die farbigen Tattoos und Piercings das Erste waren, was die Leute bemerkten und ihm das peinlich war?

Colt ist es nicht peinlich.

Warum musste alles auf ihn zurückführen?

Weil du ihn verletzt hast. Und nicht nur, weil du ihm mit der Nagelpistole in den Hintern geschossen hast.

Die dumme Stimme in ihrem Kopf hatte unrecht. Sie hatte Colt McKays Gefühle nicht verletzt, als sie dem Date mit Blake zustimmte. Sie und Colt waren Freunde. Das war alles.

Richtig?

Falsch. Colt ist mehr als ein Freund für dich, egal, wie du es drehst und wendest. Und er verdient Besseres, als dass du zu einem Date mit seinem Cousin abhaust – ein Date, das du von Anfang an nicht gewollt hast.

Verdammt. Warum hatte India Ja zu Blake West gesagt? Sicher, er war süß, hatte goldene Locken, einen muskulösen Körper und ein strahlendes Lächeln. Er erinnerte sie an die Surfer mit zerzausten Haaren, mit denen sie in Kalifornien aufgewachsen war. Blake war ein fröhlicher Typ, der gerne seinen Cousins Chet und Remy West aushalf, wenn sie in ihrer Baufirma nicht genug Personal hatten. Blake war süß. Er hatte nicht den Ruf eines geilen Bocks. Er war maßvoll, genau das, was India wollte.

Da gab es nur ein klitzekleines Problem: Wenn sich Blake West nicht um seine Schafe kümmerte, dann arbeitete er in einer Bar.

India mied Bars und Nachtclubs, auch wenn sie inzwischen acht Jahre trocken war. Also war es nicht klug, sich auf den Barkeeper Blake einzulassen. Außerdem hatte sie den leisen Verdacht, dass sich der so locker wirkende Blake nicht auf eine flüchtige Beziehung einlassen würde. Er war die Art von Mann, der Exklusivität und Versprechen erwartete. Versprechen, die sie weder für ihn noch für einen anderen Mann halten konnte.

Könntest du diese Versprechen Colt geben?

Ja.

Nein.

Verdammt noch mal! Sie hörte den Stimmen, die sich in ihrem Kopf stritten, nicht zu. Colt war ihr Freund. Und sie würde ihr Date nicht wegen eines störrischen Cowboys absagen, der eine Nervensäge war. Er war Gast in ihrem Haus. Ihr Haus, ihre Regeln. Sie konnte tun, was immer sie wollte.

Sie nahm ihr Handy und wählte Blakes Nummer. „Hi Blake. Nein, Alfredo Sauce klingt toll. Hör mal, ich habe mich gefragt, ob du nach dem Abendessen zu mir rüberkommen willst? Warum? Nun …“ India lachte. „Du hast mich erwischt. Es wäre schön. Ich habe sogar ein paar frische Apple Dumplings aus dem Diner.“ Sie hoffte, dass sie noch Zeit genug hatte, um nach unten zu flitzen und den Kuchenstand zu plündern, bevor Domini alles verkauft hatte. „Ich könnte vielleicht ein bisschen später kommen, ich wollte dich nur vorwarnen. Gut. Ich freue mich auch schon. Tschüss.“

India schnappte ihr Portemonnaie und rannte zum Diner hinunter, um Klöße zu kaufen. Dabei konnte sie gleich Abendessen für Colt holen.

Mit vier Dumplings, einer Portion Hühnersuppe mit Wildreis sowie einem gegrillten Tomaten-Käse-Sandwich für später lief India wieder nach oben in ihr Apartment.

Sie stürmte ins Gästezimmer, und Colt schreckte aus dem Schlaf hoch.

„Himmel, India. Musst du mich jedes Mal, wenn du diese verdammte Tür aufmachst, halb zu Tode erschrecken?“

„Tut mir leid. Ich wollte dir das Essen bringen, solange es noch heiß ist.“ Sie stellte alles auf der Kommode ab, drehte sich um und sah ihn an. „Suppe kann man schlecht im Liegen essen. Lass mich dir aufhelfen.“

„Du brauchst nicht …“

„Oh, doch. Halt dich einfach fest.“ Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und zog ihn in eine sitzende Position. „Siehst du. So schlimm war das gar nicht. Bringen wir dich zum Stuhl. Bei drei stehst du auf. Bereit? Eins. Zwei. Drei.“ India zog kräftig, weil sie hoffte, ihm so etwas von der Anstrengung abzunehmen. Aber sie zog zu fest, und er stolperte gegen sie.

„Mist. Zu schnell. Ich …“

„Warte mal.“ Sie spannte die Beinmuskeln an und drückte ihr Gesicht an seine Brust, während sie weiterhin seinen oberen Rücken ganz fest hielt. Er war so ein schwerer Mann.

„Warum ist mir so schwindelig?“

„Zu niedriger Blutzucker. Alles in Ordnung. Ich habe dich.“

Colts Hand landete zögernd auf ihrer Hüfte. Wie gegen seinen Willen erlaubte er ihr, ihn aufrecht zu halten.

Indias Nase rieb über Colts Brustmuskulatur, ihre Hände lagen auf seinem unglaublich muskulösen Rücken ausgebreitet, und sie fühlte, wie seine Finger ihre Hüften drückten. Ein mächtiges Gefühl überkam sie – Sehnsucht. Er war so fest und warm und duftete nach Moschus. Genau so sollte ein Mann sein, und sie wollte ihn nicht loslassen. Nie mehr.

„Indy?“, flüsterte er rau ihren Namen.

„Hmhm?“

„Ich denke, dass ich es jetzt zum Stuhl schaffe.“

„Oh, klar.“ Sie ließ ihn los und begleitete ihn zu seinem Platz. „Brauchst du noch ein Kissen für deinen Hintern?“

„Nein.“

„Ich hole das Tablett, bin sofort zurück.“ Nachdem sie die Suppe und das Sandwich vor ihn gestellt und das Wasser nachgefüllt hatte, bemerkte sie, dass er sie ansah. „Was?“

„Du musstest das alles nicht machen.“

Ihr Pulsschlag raste, als sie in seine unwiderstehlichen blauen Augen sah. „Ich wollte es. Es tut mir leid, dass ich dich heute Abend hier allein lasse. Ich hätte das Date absagen sollen …“

„Ich bin derjenige, der sich entschuldigen sollte. Ich war so ein Idiot. Mit wem du ausgehst und was ihr unternehmt, geht mich nichts an.“ Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Du siehst übrigens toll aus. Dieses Oberteil hat mir an dir schon immer gefallen. Es betont deine Augenfarbe.“ Er lächelte. „Und manchmal passt es zu deiner Haarfarbe.“

Sie richtete befangen den knallblauen Satinträger ihrer Babydollbluse. „Danke. Ich dachte mir, dass ich die Haarspitzen morgen blau färbe.“

„Das mag ich am liebsten.“ Colt rührte seine Suppe um und blies auf einen Löffel voll, bevor er ihn in den Mund steckte.

Was mochte er am liebsten? Die Farbe in ihrem Haar? Oder die Suppe? Wahrscheinlich die Suppe. „Möchtest du Cracker?“

Er schüttelte den Kopf.

„Willst du Ketchup für dein Sandwich?“

„Igitt.“ Er erschauderte. „Hast du wieder für Eliza gekocht?“

„Ja, und wir wissen beide, dass meine Kochkünste nicht mehr als gegrilltes Käsesandwich umfassen.“

„Häng nicht hier rum, mach dich fertig. Du willst doch nicht zu spät kommen.“

Sie sagte leichthin: „Klingt so, als wolltest du mich loswerden.“

Sein laserscharfer Blick fand wieder ihren. „Niemals.“

Sie sahen einander an, und die Luft knisterte vor Energie.

Colt räusperte sich. „Nur, damit du es weißt, ich werde morgen früh wahrscheinlich nicht hier sein, wenn du beschließt, äh, nicht nach Hause zu kommen. Du musst dir keine Sorgen machen, dass ich etwas aus deinem Privatleben ausplaudere, und ich schließe für dich ab, da ich ja einen Schlüssel habe.“

Indias Unterkiefer sank hinunter. „Oh mein Gott. Du glaubst doch nicht, dass ich beim ersten Date mit Blake schlafe, oder?“

Pause. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du gehst mit Blake aus? Mit meinem Cousin Blake? Mit dem Typ, dessen Nagelpistole mir einen Teil meines Hinterns weggeschossen hat?“

Sie zuckte zusammen. Mist, sie hatte vergessen, ihm das zu erzählen. „Ja.“

„Hast du dem Date zugestimmt, bevor oder nachdem mich sein Gerät verstümmelt hat?“

„Davor. Er hat mich gefragt, während er die Regale im Laden aufgestellt hat. Ich habe ihm schon zwei Mal abgesagt, deswegen kann ich das heute Abend nicht wieder machen.“

„Du musst mir das nicht erklären.“

„Aber ich will es. Er möchte ein Tattoo auf sein …“

Colt hob eine Hand. „Um ehrlich zu sein, will ich gar nicht wissen, wo du ihn tätowieren wirst.“

Verdammt.

„Du gehst jetzt aus und hast Spaß. Auch wenn ich mich oft über Blake beklage, er ist wirklich ein guter Kerl. Er wird dich anständig behandeln.“

Sie war in Versuchung zu blaffen: Wie schön, dass ich deine Zustimmung habe. Aber das hätte zickig geklungen, und sie hatte sich schon zickig genug verhalten. Und um die Wahrheit zu sagen, wollte sie seine Zustimmung nicht. Sie hätte seine überhebliche Missbilligung oder seine … Eifersucht vorgezogen. Was sie wahrscheinlich dazu brachte, halb im Scherz zu sagen: „Warte nicht auf mich.“

„Mach dir keine Gedanken. Wenn du ein paar Stunden weg bist, schlafe ich wahrscheinlich endlich wie ein Toter. Ich werde es nicht mal merken, wenn du mitten in der Nacht nach Hause kommst.“

Ein paar Stunden später knallte India die Tür härter als nötig zu, als sie und Blake in ihr Apartment zurückkehrten.

Sie aßen die karamellisierten Apple Dumplings in ihrer Essnische. Coldplay erklang aus der Stereoanlage. Eine Zitronenduftkerze verbreitete ihren starken Geruch.

„Ich weiß zu schätzen, dass du einen Blick darauf wirfst, Blake.“

„Ist mir ein Vergnügen.“ Blake kratzte mit der Gabel über seinen leeren Teller. „Obwohl ich gehofft hatte, dass die Einladung in dein Schlafzimmer einen anderen Zusammenhang haben würde, India.“

Sie lächelte. „Das kann ich mir vorstellen. Aber ich bin nicht auf der Suche nach …“

„Einer festen Beziehung, ja, ja.“

„Woher weißt du, dass ich das sagen wollte?“

Blake beäugte sie unter unglaublich langen schwarzen Wimpern hervor. „Weil es immer dieselbe alte Platte ist, nur mit einer anderen Sängerin.“

„Du hast dieses Problem schon öfter gehabt?“

„Ja.“

„Und wenn ich jetzt sagen würde, ‚Blake, lass uns eine Nacht lang die Laken zum Glühen bringen‘?“

Er sprang so schnell auf, dass sein Stuhl krachend umfiel.

India lachte.

„Was? Glaubst du, ich würde dich abweisen?“

„Nein. Aber ich muss zugeben, dass du nicht wie der Typ für einen One-Night-Stand wirkst.“

„Falsch. Ich bin absolut dieser Typ. Es ist nur, dass die Frauen mir nie die Chance geben, diese Art von Typ zu sein. Ich sehe wohl wie ein Mann für eine Beziehung aus, statt wie ein Hengst, der für einen wilden One-Night-Stand geeignet ist“, brummte er.

„Es gibt Schlimmeres.“

„Ja? Nenn mir etwas.“

Verdammt. Ihr Hirn ersann nicht so schnell Ermutigungen. „Dass Frauen dich für einen Aufreißer halten.“

„In meinem Alter gehört Aufreißer-Gehabe in Bars zum Hörnerabstoßen.“ Er wackelte mit den Augenbrauen.

„Wie alt bist du?“

„Sechsundzwanzig. Und du?“ Er drohte ihr mit dem Finger. „Und erzähl mir nichts von dem Mist, dass man eine Frau nicht nach ihrem Alter fragt.“

„Ich bin dreißig … und ein paar Jahre.“

„Und trotzdem siehst du nicht älter als zwanzig aus.“

„Hast du dieselbe Charmeschule für Cowboys besucht wie dein Cousin Colt? Oder ist das angeboren?“

„Der Cowboycharme ist Teil unserer DNS, Süße. Keiner von uns kann was dafür.“ Blakes Lächeln verblasste. „Da wir gerade von Colt reden … Kann ich dich etwas fragen?“

„Sicher“, log sie.

„Warum seid ihr beiden nie miteinander ausgegangen? Ich meine, ihr seid doch die ganze Zeit zusammen.“

Die ganze Zeit war übertrieben, oder etwa nicht? „Wir sind nur Freunde.“

„Vielleicht klingt es so, als wollte ich dich verkuppeln, aber wir haben ein Date, und darum ist es wahrscheinlich besser, dass ihr nur Freunde bleibt.“

Das ließ sie zurückzucken. „Warum?“

„Sture Menschen wie ihr beide würden sich gegenseitig umbringen.“ Er lächelte. „Colt ist ein guter Kerl. Er ist wirklich ein guter Freund, aber ich bin sicher, dass ich dir das nicht sagen muss.“

Nein, das wusste sie bereits. India lächelte und wechselte das Thema. „Also, wie willst du es machen? Ich habe alle Sachen in meinem Schlafzimmer.“

„Gut. Dann lass uns hingehen.“

Kapitel vier

Rumms, rumms, rumms.

Stille.

Rumms, rumms, rumms. Dann: „Fuck!“

Weibliches Kichern.

Rumms, rumms, rumms.

Murmelnde Stimmen.

Rumms, rumms, rumms.

Colt schloss die Augen, um die Bilder von India und Blake zu verdrängen. Nackt. Auf der anderen Seite der Wand. Nackt. Direkt hinter seinem Kopf. Wie sie zusammen auf dem Bett herumrollten. Nackt. India und Blake, die es wie die Tiere miteinander trieben. Nackt.

Verflucht.

Denk an etwas anderes. Denk an Wasser, das an deinen Lieblingsangelplatz plätschert.

Rumms, rumms, rumms.

Ruhige, gelassene Gedanken halfen nicht. Vielleicht sollte er sich ein Chaos vorstellen.

Denk an brüllende Kälber und das antwortende Muhen der verzweifelten Mutterkühe während der Brandmarkung.

Rumms, rumms, rumms.

Nein, damit klappte es auch nicht.

Denk daran, wie sich Indias schweißbedeckte Haut unter deiner anfühlen würde, während sie ihre Fersen in deinen Hintern bohrt und du sie so hart nimmst, dass das verdammte Bett bricht, statt nur zu klappern.

Ja, das half … nicht.

Rumms, rumms, rumms.

Er wusste nicht, wie lange er das noch ertragen konnte. Er hätte gehen sollen, als er noch die Chance dazu hatte. Jetzt war es zu spät. Es war zu spät gewesen, als er die Tür des Apartments knallen hörte. Als er Blakes tiefe Stimme hörte, die sich mit Indias Lachen mischte. Als er die verführerische Melodie aus dem CD-Player hörte. Als er einen Hauch der Duftkerze roch, die im Wohnzimmer brannte. Als er Indias Schlafzimmertür klappen hörte.

Rumms, rumms, rumms. Rumms, rumms, rumms.

Lieber Himmel.

Während der vergangenen zwanzig Minuten war das Klappern des Bettes ständig lauter geworden. Zwanzig sehr, sehr lange und sehr laute Minuten.

Es schien so, dass sein kleiner Cousin ein richtiger Hengst war.

Ja? Warum hörst du India dann nicht beim Orgasmus schreien? Das würde sie, wenn du mit ihr im Bett wärst.

Um Himmels willen. Er war nicht nur pervers, sondern auch armselig. Und das Traurige dabei war, dass er nicht nur an diese Nacht dachte. Er dachte an all die Nächte während der vergangenen Jahre, in denen er sich nach einer Frau verzehrt hatte, die nichts weiter in ihm sah, als einen Alkoholiker auf seinem lebenslangen Weg zur Genesung. Oder schlimmer, einen guten Freund.

Genug war genug.

Zusammenzuckend rollte sich Colt auf die Füße und zog seinen MP3-Player von der Kommode. Er stellte ihn auf volle Lautstärke und legte sich mit den Füßen zum Kopfende aufs Bett zurück. Die Nine Inch Nails übertönten alles, und er konnte schlafen.

Früh am nächsten Morgen stolperte Colt aus seinem Zimmer. Trotz seiner Absicht, in seinen Truck zu krabbeln und nach Hause zu fahren, war eine Dusche unbedingt nötig.

Als er den Wohnbereich durchquerte, bemerkte er, dass die Tür von Indias Schlafzimmer nur angelehnt war. Er spähte durch den Spalt und sah India, die in der Mitte des Bettes ausgestreckt lag. Allein. Allein und offensichtlich splitternackt. Rote Satinlaken waren um ihre langen Beine und Arme geschlungen, bedeckten ihren Körper, aber ließen ihre Kurven erahnen.

Colt nahm ihren Körper nicht genauer in Augenschein, um zu sehen, ob sie tatsächlich an den Stellen gepierct war, über die sie Andeutungen gemacht hatte. Ein Mann konnte der Versuchung nur bis zu einem gewissen Grad widerstehen. Er zog sich ins Badezimmer zurück.

Das heiße Wasser reichte gerade mal für fünf Minuten. Und besaß diese Frau jede Lotion und jedes Wässerchen, das der Menschheit bekannt war? Er zählte vierzehn verschiedene Flaschen Pflegeprodukte – nachdem er sie alle versehentlich in die Wanne gestoßen hatte. Zwei Mal.

Trotzdem fühlte er sich nach der eiskalten Dusche tausend Mal besser. Seine Wunde juckte, was er als Zeichen der Heilung wertete.