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WOLFGANG EICHELMANN

DAS HOCHSTIFT FULDA VON 1714 BIS 1814

IM SPEGEL SEINER MÜNZEN UND MEDAILLEN

WOLFGANG EICHELMANN

DAS HOCHSTIFT FULDA VON 1714 BIS 1814 IM SPIEGEL SEINER MÜNZEN UND MEDAILLEN

Dr. Wolfgang Eichelmann,»Das Hochstift Fulda von 1714 bis 1814

im Spiegel seiner Münzen und Medaillen«

überarbeitete Neuauflage der Ausgabe von 2012

©2017 Dr. Wolfgang Eichelmann

Alle Rechte vorbehalten

Satz und Layout: Dr. Wolfgang Eichelmann

Umschlaggestaltung: OOOGrafik, Corina Witte-Pflanz, 78256 Steißlingen

Bildarchiv Fotolia, Datei: 77179920, Urheber esdras 700

Verlag: tredition GmbH, 20144 Hamburg

ISBN 978-3-7439-2333-1 (Paperback)

ISBN 978-3-7439-2334-8 (Hardcover)

ISBN 978-3-7439-2335-5 (e-Book)

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Konstantin von Buttlar, Fürstabt von Fulda, 1714 – 1726

Die Herren von Buttlar

Heraldik

Der Werdegang des Konstantin von Buttlar und seine Wahl zum Abt

Die Regierungszeit Konstantins von Buttlar

Der Griff Konstantins von Buttlar nach dem Kardinalshut

Das Münzwesen der Fürstabtei Fulda im Barock

Literatur

Anhang: Auflistung der Münzen und Medaillen des Fürstabtes Konstantin von Buttlar

Adolph von Dalberg, Fürstabt von Fulda, 1726 – 1737

Die Kämmerer von Worms genannt von Dalberg

Heraldik

Der Werdegang Adolphs von Dalberg

Die Konsekrationsmedaille Adolphs von Dalberg

Der Kreuzorden

Fürstabt Adolph als Landesherr

Alma Mater Adolphiana

Das Geldwesen unter Fürstabt Adolph

Silber- und Scheidemünzen

1/32- und 1/48- Dukaten

Karoline

Literatur

Anhang: Auflistung der Münzen und Medaillen des Fürstabtes Adolph von Dalberg

Amandus von Buseck, der erste Fürstbischof von Fulda, 1737 – 1756

Die Herren von Buseck

Die katholische Linie Buseck zu Alten-Buseck

Bonifatius von Buseck (*1628 — †1707)

Die Linie Buseck zu Eppelborn

Amandus von Buseck (*1685 – †1756)

Die geistliche Laufbahn des Amandus von Buseck

Amandus, Fürstabt von Fulda, Erläuterung seiner Titulatur

Amandus als Landesherr

Der Dermbacher Krieg

Das barocke Fulda

Die Milleniumsfeierlichkeiten

Amandus, Fürstbischof von Fulda

Stammtafelder Herren von Buseck zu Eppelborn

Die Wappen der Busecker

Die Fuldaer Münzen unter Amandus von Buseck

Eine Medaille zum Dermbacher Krieg

Literatur

Anhang: Auflistung der Münzen und Medaillen des Fürstbischofs Amandus von Buseck

Adalbert II. von Walderdorff, Fürstbischof von Fulda, 1757 – 1759

Die Herren von Walderdorff

Heraldik

Adalbert II. von Walderdorff

Der Werdegang des Adalbert II. von Walderdorff

Die Regierungszeit Fürstbischof Adalberts II

Das Münzwesen in Fulda unter Adalbert II

Die Kriegsprägungen

Die Monogramme Fürstbischof Adalberts II. von Fulda auf seinen Kriegsprägungen

Die Münzprägungen Adalberts II

Das Ende der Prägung der Kriegssechstel

Literatur

Anhang: Auflistung der Münzen des Fürstbischofs Adalbert II. von Walderdorff

Heinrich VIII. von Bibra, Fürstbischof von Fulda, 1759 – 1788

Die Herren von Bibra

Heinrich VIII. von Bibra

Der Werdegang Heinrichs VIII. von Bibra

Die Regierungszeit Heinrichs VIII. von Bibra

Fulda und der Siebenjährige Krieg
CONSILIO ET ÆQUITATE

Die Bemühungen Heinrichs VIII. zur Neuordnung und Sanierung des Münzwesens

Die Finanzverwaltung des Hochstifts Fulda

Die Hofkammer
Die Landesobereinnahme

Die Sanierung der Wirtschaft und des Geldwesens

Wirtschaft und Landwirtschaft

Das Geldwesen

Die letzten Jahre des Fürstbischofs

Heraldik

Literatur

Anhang: Die Münzen und Medaillen des Fürstbischofs Heinrich VIII. von Bibra

Sedisvakanz 1788 – das Domkapitel von Fulda

Das Fuldaer Domkapitel

Lothar von Breidbach zu Bürresheim

Die Domkapitulare im Jahr 1788 und ihre Wappen

Die Münzen und Medaillen des Fuldaer Domkapitels

Literarur

Anhang: Auflistung der vom Domkapitel zu Fulda geprägten Medaillen

Adalbert III. von Harstall, der letzte Fürstbischof von Fulda, 1788 – 1802

Die Herren von Harstall

Heraldik

Adalbert III. von Harstall, Fürstbischof von Fulda

Werdegang Adalberts III. von Harstall

Der 1. Koalitionskrieg

Die 1790er Jahre in den hessischen Landen

Die Landgrafschaft Hessen-Kassel

Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt

Das Hochstift Fulda

Das Hochstift während des Krieges

Die Kontributionstaler

Die Säkularisation des Hochstifts Fulda

Die Inbesitznahme des Fürstbistums durch die Oranier

Die Oranier und das weitere Schicksal des Fürstbistums Fulda

Literatur

Anhang: Auflistung der Münzen und Medaillen des Fürstbischofs Adalbert III. von Harstall

Carl von Dalberg, Fürstprimas des Rheinbundes, und die Zeit von 1792 bis 1814

Ein Überblick über die Zeit der Koalitionskriege 1792 – 1814

1792 –1805, die Zeit von der Ersten bis zur Dritten Koalition

Der Rheinbund

Die 4. Koalition 1806 – 1807

Carl Theodor Anton von Dalberg, Fürstprimas und Großherzog von Frankfurt

Die Kämmerer von Worms genannt von Dalberg

Dalberg in Mainzer Diensten

Der Reichsdeputationshauptschluss

Dalberg als Fürstprimas des Rheinbundes

Die fürstprimatischen Münzprägungen in Frankfurt und Regensburg

Das Großherzogtum Frankfurt

Die Kontinentalsperre und ihre Folgen

Der spanische Befreiungskrieg

Die Hessen in Spanien

Der Russlandfeldzug

Die Kassenscheine des Departements Fulda

Das Ende des Großherzogtums Frankfurt

Münzen mit einem Napoleonkopf als Gegenstempel – Monnayage énigmatique

Literatur

Anhang: Auflistung der Münzen und Medaillen des Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg

Münzen sind nicht stumm, man muss sie nur ausgiebig betrachten, dann beginnen sie zu reden. Sally Rosenberg

VORWORT

Wer sich mit der fuldischen Numismatik beschäftigt, muss sehr schnell feststellen, dass ein erheblicher Mangel an Literatur zu diesem Thema besteht. Die erste umfassende Darstellung der Fuldaer Münzen erfolgte in Joseph Schneiders „Buchonia – eine Zeitschrift für vaterländische Geschichte, Alterthums-Kunde, Geographie, Statistik und Topographie“, die in den Jahren 1827 bis 1829 erschien. Hier beschreibt ein ungenannter Fuldaer in mehreren Artikeln die Münzen Fuldas vom Beginn der Fuldaer Münztätigkeit bis zum Ende des Fürstbistums Fulda „Des ehemaligen Hochstifts Fulda Münzen und Medaillen aus dem Mittelalter und der jüngeren Zeit, gesammelt und beschrieben von einem Fuldaer“. Hinter diesem ungenannten Fuldaer versteckt sich der Numismatiker Dr. Ignaz Hinkelbein. In seinen Artikeln listet er das Wissen um die Fuldaer Münzen zu seiner Zeit auf. Er beschreibt auch Münzen, die er nur als Abbildungen aus anderen Schriften kennt. Die heutige Schwierigkeit ist, dass wir die Sammlungen, auf die er sich bezieht nicht mehr kennen und auch so gut wie keine Unterlagen über sie besitzen und dass auch viel alte Literatur als verschollen gelten muss, wahrscheinlich infolge von Kriegseinwirkungen auf die hessischen Staatsarchive. Eine Kritik an seiner lobenswerten und äußerst bedeutenden Arbeit sei dennoch erlaubt, nämlich dass der Variantenreichtum besonders der Fulder Kleinmünzen, den er beschreibt, auch durch Stempelverschleiß mitbedingt ist. Es ist daher schwer, viele Münzen nach seinen Beschreibungen zu bestimmen. Auch muss die Existenz mancher Münzen in Frage gestellt werden, vor allem jener, die nach Bildvorlagen aus dem zeitgenössischen Schrifttum beschrieben wurden, wo sogar der Autor selbst die Ungenauigkeit der Beschreibung oder der Abbildung beklagt und die Originalstücke nicht gesehen hat.

Die Zeit der mittelalterlichen Münztätigkeit wurde in exzellenter Weise von Dr. Richard Gaettens in seinem Buch „Das Geld und Münzwesen der Abtei Fulda im Hochmittelalter (1019 – 1249)“ beschrieben. Der ausführliche Münzkatalog von Claus Gehrling und Rainer Erdmann „Die Fuldaer Münzen vom Spätmittelalter bis zur Barockzeit“ bezieht sich auf die Zeit von 1372 – 1714. Prof. Niklot Klüßendorf verfasste zwei Arbeiten über das fuldische Münzwesen , „Das Münzwesen des Hochstifts Fulda unter Adalbert II. von Walderdorff /1757 – 1759)“, 1998 , und „Fulda in der kurhessischen Münz- und Geldgeschichte“, 1980. Es zeigt sich, dass für den Zeitraum von 1714, dem Beginn des Pontifikats Konstantins von Buttlar bis 1814 , dem Todesjahr Adalberts von Harstall, des letzten Fürstbischofs von Fulda, keine zusammenhänge Beschreibung des Fuldaer Münzwesens vorhanden ist.

In meinem vorliegenden Buch beschreibe ich das Leben und Wirken der Fuldaer Fürstäbte und Fürstbischöfe von 1714 bis zur Säkularisation des Fürstbistums Fulda im Jahr 1802. Es folgt noch eine Darstellung des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg, der als Großherzog von Frankfurt auch die Herrschaft über das Departement Fulda inne hatte. Auf die Zeit Fuldas unter dem Haus Nassau-Oranien, unter französischem und unter alliiertem preußisch-österreichischem Gouvernement wird nicht weiter eingegangen, weil es davon keine numismatischen Zeugnisse gibt.

In Anhängen zu den Beschreibungen des Lebens und Wirkens der jeweiligen Fürstäbte und Fürstbischöfe werden deren Münzen und Medaillen noch einmal aufgeführt und beschrieben. Die Münzen und Medaillen werden nach dem Nominal und der Jahreszahl geordnet, was den Vorteil hat, dass die jeweiligen Typen und Varianten in Folge stehen und leicht überschaubar sind. Die Beschreibungen der Münzbilder folgen unserer gewohnten Sichtweise und nicht der heraldischen. Der Versuch, eine Übersicht über die benutzten Stempel und Stempelkopplungen zu erstellen, wurde aufgegeben, weil dazu das nötige Vergleichsmaterial und auch die entsprechenden schriftlichen Zeugnise fehlen oder nur äußerst bruchstückhaft vorhanden sind.

Bei der Bestimmung von Varianten wurde Wert darauf gelegt, prägnante Merkmale im Münzbild oder der Schrift zu benutzen, die eine Zuordnung auch ohne Vergleichsmaterial zulassen. Zwangsläufig musste unter Anwendung dieser Kriterien das bei Buchonia angewandte System verlassen werden. Auch wurden in Buchonia nicht sicher bestimmbare Münzvarianten nicht in meiner Auflistung berücksichtigt. Einige bei Buchonia unbekannte Münzen wurden in die Auflistungen aufgenommen. Auch fand die Auflistung von Varianten dort ihre Grenzen, wo die Unterschiede so gering waren, dass sie sich nicht mehr exakt beschreiben ließen.

Wichtige Quellen für den Nachweis Fuldaer Münzen waren vor allem Auktionskataloge der Münzhandlungen Dr. Busso Peus, Frankfurt, Sally Rosenberg, Frankfurt (Sammlung Alexander Fiorino), Rudolf Künker, Osnabrück, Gießener Münzhandlung Schramm und Gorny, Gießen, Münzhandlung Möller, Espenau, und einige andere.

Mein Dank gilt Herrn Christoh Raab und vor allem den privaten Sammlern, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen und mir durch die Bereitstellung geeigneten numismatischen Materials bei der Gestaltung der Artikel behilflich waren. Mein Dank gilt auch Herrrn Dr. Thomas Heiler, dem Leiter des Fuldaer Stadtachivs, der mir bei der Lösung verschiedener heraldischer und historischer Fragen behilflich war.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Alexander Fay für seine Recherchen, seine auf einem profunden numismatischen Wissen beruhenden Anmerkungen und Hilfen und die kritische Durchsicht des Manuskriptes.

Buseck, im Herbst 2012 Dr. Wolfgang Eichelmann

VORWORT ZUR NEUAUFLAGE

Durch verschiedene, äußere Umstände bedingt erschien mir eine Neuauflage dieses Buches als gegeben. Weder am Inhalt noch an dem Bildmaterial wurden Änderungen vorgenommen.

Buseck, im Januar 2017 Dr. Wolfgang Eichelmann

KONSTANTIN VON BUTTLAR
FÜRSTABT VON FULDA
1714 – 1726

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DIE HERREN VON BUTTLAR

Der Sage nach stammt das Geschlecht derer von Buttlar von den normannischen Herzögen und den Grafen von Brionne ab. Mit diesen kamen sie nach England. Dort hatten sie das Amt des Mundschenks des Königs inne und zogen den Weinzehnten für die englische Krone ein. Die Amtsbezeichnung „Boteler“ übertrug sich als Name auf das Geschlecht. 1164 wurde Achilles Botelir zusammen mit vierhundert Anhängern und Angehörigen des Thomas Becket (1118 – 1170), Erzbischof von Canterbury, aus England vertrieben. Er ließ sich im Fuldaer Gebiet nieder, erbaute das Stammhaus Buttlar und benannte das Flüsschen Ulster im Grabfeldgau nach dem Fluss Ulster in seiner englischen Heimat.

Schon im 13. Jahrhundert teilte sich das Geschlecht in mehrere Linien auf. Eine davon war die kurländische, die auf Berthold von Buttlar zurückging, der in Livland für den Schwertorden kämpfte. Schon früh hatten sie Verbindungen zum Kloster Fulda. 1246 wird Hartung de Buttlar als Mitstifter des fuldischen Klosters Marienthal erwähnt. Die Angehörigen dieser Linie besaßen den Stammsitz Buttlar, die Rittergüter Feldeck bei Dorndorf, Leimbach, Wildprechtsrode und Grumbach und gehörten zur Burgmannschaft der fuldischen Burgen Neuerburg und Völkershausen oder waren fuldische Ministeriale.

Die Linie zu Völkershausen hatte ihre Besitzungen um Vacha. Vor 1386 erwarben die Herren von Buttlar Besitzanteile in Völkershausen. Aus dieser Linie stammen Günter von Buttlar († 1466) der Ordensmeister der Johanniter in Deutschland war, und der spätere Fuldaer Fürstabt Konstantin von Buttlar, dessen Bruder Johann Anton Franz 1726 in Wien in den Reichsgrafenstand erhoben wurde.

HERALDIK

Das Stammwappen der Freiherren von Buttlar zeigt auf einem roten Schild eine silberne Butte mit zwei goldenen Reifen und zwei goldenen Tragriemen. Als Helmzier steht auf dem Helm eine mit drei Straußenfedern (rot-weiß-rot) besteckte Säule, an der ein rechtsgekrümmtes silbernes mit Gold beschlagenes Jagdhorn an einem gekreuzten, goldenen Tragband hängt. Die Helmdecken sind rot und weiß.

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Abb. 1. Stammwappen der Freiherren von Buttlar, Johann Siebmachers Wappenbuch 1605

Das Wappen der thüringischen/Wildprechtsroder Linie als auch das der Nebenlinie zu Marienthal unterscheidet sich von dem Stammwappen nur in der Helmzier. Auf einem Helm mit rot-weißen Helmdecken ruht ein rotes mit Gold beschlagenes Jagdhorn mit einem gekreutzen, aufwärts geschlungenen Tragband. Im Mundstück des Horns stecken drei Straußenfedern (rot-weiß-rot). Aus dem Stammbuch der Althessischen Ritterschaft geht hervor, dass diese Wappendifferenzierung nach 1527 zur Unterscheidung der hessischen Ziegenberger, der thüringischen Wildprechtsroder und der Brandenfelser Linie erfolgte.

Nach seiner Wahl zum Fürstabt von Fulda führte Konstantin von Buttlar folgendes Wappen (Abb.2): In einem Geviert in Feld 1 und 4 das Wappen der Freiherren von Buttlar und in Feld 2 und 3 auf Silber das schwarze durchgehende Kreuz des Stifts Fulda. Die Helmzier besteht aus drei Helmen:

1. Aus einer goldenen Laubkrone aufsteigend ein schwarzes Kreuz (Stift Fulda),

2. Auf einer Laubkrone eine Bischofsmütze aus der seitlich Fähnchen herausragen, die vorn einen Lilienstock und hinten einen gespaltenen Reichsadler zeigen.

3. Auf einer goldenen Laubkrone ein ruhendes rotes mit Gold beschlagenes Jagdhorn mit einem gekreuzten, aufwärtsgeschlungenen Tragband. Im Mundstück des Horns stecken drei Straußenfedern (rot-weiß-rot)

Die Helmdecke ist links rot und weiß und rechts rot. Hinter dem Wappen schräg gekreuzt links das Schwert und rechts das Abtspedum. An das Wappen angelehnt ist rechts in einer einfachen Kartusche in einem ovalen gespaltenen Schild vorn ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Stift Fulda) und hinten auf Rot ein grüner Lilienstock mit drei weißen Blüten (Domkapitel Fulda), links ebenfalls in einer einfachen Kartusche in einem ovalen gespaltenen Schild vorn auf Gold der gespaltene schwarze Reichsadler (Reichsunmittelbarkeit) und hinten auf Rot ein grüner Lilienstock mit drei weißen Blüten (Domkapitel Fulda).

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Abb. 2, Wappen des Fürstabtes Konstantin von Buttlar, Supraporte im Stadtschloss Fulda: silberne Butte mit goldenen Reifen auf Rot. 1.Helm in einer Laubkrone ein schwarzes Kreuz 2. Helm Bischofsmütze mit Fähnchen, 3. Helm gekrönt mit aufliegendem Jagdhorn mit Band, im Mundloch drei rotsilbern-rot tingierte Straußenfedern. Inschrift auf einem Band CONSTANTINE TVA CRUCE CONTVTARE SENATVM CIVIBUS VT VIVAS CONSVLIBVSQVE PATER. in Rot Chronogramm 1715 AD

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Abb. 3. Wappen des Fürstabts Konstantin von Buttlar, kolorierte Zeichnung des Wappens im Dreiecksgiebel der Orangierie in Fulda

Typisch für den Barock ist die nachfolgende Wappendarstellung, wie man sie an der Orangerie in Fulda sehen kann. In ihr wird die weltliche von der geistlichen Herrschaft abgehoben, was besonders deutlich an der Stellung der Fürstenkrone in dem Wappen deutlich wird (Abb. 3): Unter einer großen Fürstenkrone mit einem Kreuz in einer verzierten Kartusche in einem ovalen Schild das gevierte fürstäbtliche Wappen: In Feld 1 und 4 das Wappen der Freiherren von Buttlar und in Feld 2 und 3 auf Silber das schwarze durchgehende Kreuz des Stifts Fulda. Hinter dem Wappen schräg gekreuzt Krummstab und Schwert.

DER WERDEGANG DES KONSTANTIN VON BUTTLAR UND SEINE WAHL ZUM ABT

Der spätere Fürstabt Konstantin von Buttlar wurde am 29. September 1679 in Fulda geboren und auf den Namen Johann Otto Friedrich getauft. Seine Eltern waren Johnann Christoph von Buttlar, Oberwachtmeister der Truppen des oberrheinischen Kreises, und Maria Renata von Freyberg. Ab 1691 besuchte er das Fuldaer Jesuitengymnasium und wechselte 1696 zum Collegium Germanicum nach Rom. 1702 kehrte er nach Fulda zurück. Zuvor hatte er noch in Siena Vorlesungen der Rechtswissenschaft besucht. Es wird immer wieder hervorgehoben, dass er sich mit großem Fleiß und Energie seinen wissenschatlichen Studien gewidmet habe und ein gelehrter und geschliffener Lateiner war. Der am Collegium Germanicum lehrende Jesuiten-Kardinal Johann Baptist Ptolemais soll mehrfach zu Konstantin gesagt haben: „Du wirst groß unter den Großen sein.“ In Fulda trat er dem Benediktinerorden bei, seine Einkleidung erfolgte am 4. November 1703 und am 9. November 1704 legte er seine Profess ab. Sein Ordensname war von nun an Konstantin. Am 11. April 1707 wurde Konstantin zum Priester geweiht und hatte im Konvent das Amt des Lektors der Theologie inne. 1710 wurde Konstantin als Kapitular in das Fuldaer Stiftskapitel aufgenommen.

Am 4. Oktober 1714 starb Fürstabt Adalbert von Schleifras. Um eine länger andauernde Sedisvakanz zu vermeiden, setzte Benedikt von Rosenbusch, der Dekan des Fuldaer Domkapitels, die Wahl des neuen Abtes auf den 14. Oktober 1714 fest. Diese Wahl war für eine Überraschung gut. Als Folge der Personalpolitik des früheren Fürstabtes Placidus von Droste gab es im Fuldaer Domkapitel eine starke und einflussreiche westfälische Fraktion. Am Wahltag versammelten sich die sechzehn Fuldaer Kapitulare nach der heiligen Messe zur Wahl. Nachdem das „Veni Creator Spiritus“gesungen worden war, ließ Benedikt von Rosenbusch das Domkapitel über den Wahlmodus abstimmen, wobei sich dieses einhellig für die geheime Wahl mit Stimmzetteln entschied. Aus dieser Wahl ging völlig überraschend Konstantin von Buttlar als neuer Abt hervor. Dies war insofern bemerkenswert, weil sich zum einen die Fraktion der einheimischen Kapitulare gegen die westfälische durchgesetzt hatte, zum anderen weil man einen mit 35 Jahren sehr jungen, aber auch unerfahrenen Priester, wenn auch erst im dritten Wahlgang, zum Abt erwählt hatte – „Capitularium fere ultimus“, fast den letzten/jüngsten des Kapitels. Konstantin war offensichtlich ein Verlegenheits- oder Kompromisskandidat. Bevor die päpstliche Bestätigung der Wahl erfolgte, musste sich Konstantin, wie von Papst Urban VIII. 1627 vorgeschrieben, einem Informativprozess unterziehen, in dem verschiedene Zeugen zur Person und zum Wesen des neuen Abtes, aber auch über den Zustand der Abtei befragt wurden. Dieser Prozess erfolgte im November 1714 in der päpstlichen Nuntiatur in Köln. Alle Befragten äußerten sich lobend über den neuen Abt und man hielt ihn für einen guten Regenten der Abtei – „Indicio ipsum idoneum ad bene regendum Abbatiam.“

Auch für Papst und Kaiser war das Ergebnis dieser Wahl eine Überraschung. Keiner hatte es eilig, den neugewählten Abt zu bestätigen – wer kannte schon diesen 35jährigen Priester? Der Papst ließ sich mit seiner Bestätigung Konstantins bis zum 15. Februar 1715 Zeit, und er hätte diese möglicherweise auch noch weiter hinaus gezögert, wenn nicht, so munkelt man, der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn seinen Einfluss geltend gemacht hätte. In einem Schreiben zur Bestätigung Konstantins äußert sich Papst Clemens XI. nicht zur PersonKonstantins. Er formuliert vage ein paar Erwartungen an den neuen Abt: „Im übrigen haben Wir Deine Wahl zum Abte jenes berühmten Klosters, nach Zahlung der üblichen Gebühren, schon in aller Form gebilligt, wie es aus einer folgenden Tages auszufertigenden Urkunde hinreichend hervorgehen wird. Überhaupt werden Wir darauf vertrauen, daß Du die Meinung, die Wir von Deinen Tugenden gefaßt haben, in verstärkter Weise aufrechterhälst und behütest; damit es Dir um so leichter gelingen möge, erteilen Wir als gute Vorbedeutung und gleichzeitig als Zeugnis väterlichen Wohlwollens Dir, geliebter Sohn, liebevoll den Apostolischen Segen.“ Die Konsekration Konstantin von Buttlars erfolgte dann am 26. Mai 1715 durch den Erfurter Weihbischof Johannes Jakob und die Äbte Bernhard von Neustadt am Main und Johann von Rommersdorf bei Neuwied.

Noch länger Zeit ließ sich Kaiser Karl VI. mit seiner Antwort. Dreimal, am 22. Oktober 1714, am 8. Juni 1715 und am 9. September 1715, teilte Konstantin dem Kaiser seine Wahl zum Abt des Stiftes Fulda mit und bat um seine Bestätigung. Schließlich, ein Jahr nach der Abtswahl, am 7. Oktober 1715, kam aus Wien die kaiserliche Bestätigung. Der Kaiser ließ Konstantin von Buttlar spüren, dass ihm seine Wahl nicht eben willkommen war: „... Es ist aber fast vor ein Zeichen eines mißlichen, gegen Uns hegenden Vertrauens zu deuten, daß von denen dortigen Capitularen mit der Wahl so eylig, und fast zu gleicher Zeit, als man Uns vorgedachten Todtfall berichtet, fürgefahren worden, ohne Uns als obristen advocaten und Schutzherrn der Kirche auch Ewern obristen Lehen Herrn, oder Unsern reichs-väterlichen getreuen Rath vorhero nach dem Beyspiel anderer wohlgearteter Ertz- und Stiftern im Reich, welche gegen denselben in dergleichen Fällen eine andere Sicht und Ehrerbietigkeit zu erweisen pflegen, der Gebühr nach zu vernehmen.“ Der Kaiser erteilte dann doch noch in wenigen Worten Konstantin die Bestätigung, verbunden mit dem Hinweis, dass er, der Kaiser, ihm bei seiner Bestätigigung durch den Papst behilflich war: „... haben demnach dero geistl. Confirmation zu Rom befördern helfen, und werden die reichs-fürstlichen Lehenschaft ihro der Ordnung nach nicht minder in allerhöchsten Gnaden angedeihen lassen. Gastalten Wir zu deroselben das gnädigste Vertrauen setzen, dem nun anvertrauten fürstl. Stifts, und dessen Unterthanen getreu und nützlich vorstehen, auch sonst alles mit angenehm und Beytrag helfen werden, was Unser, und des gesamten heyl. Röm. Reichs, Unser geliebtesten Vaterlandes beste, und Dienst erfordern mag...“ Am 18. Oktober 1715 schrieb er einen wenig aussagekräftigen Dankesbrief an den Kaiser, in dem er ihm versicherte, ihm immer ein getreuer Gefolgsmann zu sein. Zugleich entschuldigte er sich dafür, dass er nicht persönlich zur Regalieninvestitur in Wien erscheinen könne, weil er das Stift Fulda vor seinem Nachbarn – er meinte hier Landgraf Karl von Hessen-Kassel – schützen müsse: „... und weilen dann indessen Dero Päpstliche Heiligkeit die Bullam confirmatoriam über die, auf mich ausgefallene Canonische Wahl nunmehro würklichen erteilet haben, mithin mir die tiefschuldigste recognition der von Ewer Kayl. Mayt. und den Heil. Römischen Reich zu Lehen rührenden weltlichen Herrlichkeiten, recht und Gerechtigkeiten dieses Fürstlichen Stifts und Abtei Fulda, und was demselben anklebend ist, Reichsüblichermaßen oblieget, welches ich auch mit so tiefer Submission als großen Freuden vor Ewer Kayl. Mayt. höchsten Gnaden Thron eigenpersönlich vollziehen würde, wann nicht das gefährliche Aussehen der anliegenden Nachbarschaft und andere wichtige Ursachen, meine Gegenwart in diesem mir von Gott anvertrauten Fürstlichen Stift und Abtei, dermahlens ohnumgänglich erforderten.

Als habe Ewer Kayl. Mayt. nebst der demütigen Bitte, diese meine unterlassende eigenpersönliche Erscheinung in keinen Ungnaden zu vermerken, allergehorsambst hiermit belangen wollen, meine, zu diesem vollziehenden Lehensactum auf das ehest benamsende Gevollmächtigte zu den gewöhnlichen Lehenseid an meiner Stell allermildest zuzulassen und mir durch dieselbe, da bei Ewer Kayl. Mayt. höchstpreißlichen Reichshofrat, Reichshofkanzlei, alle praestanda praestiert [Obliegenheiten erfüllt] haben werde, die Investituram allergnädigst zu erteilen...“ Mit diesem Schreiben umging Konstantin von Buttlar das Erscheinen vor dem Kaiser, empfahl sich ihm aber zugleich als ein zuverlässiger Pateigänger, denn er stellte sich gegen Landgraf Karl von Hessen-Kassel, dem es zwar zu verdanken war, dass durch die Verteidigung der Festung Rheinfels das Mosel- und Mittelrheingebiet nicht unter französische Hoheit kam, dem aber dennoch der Kaiser misstraute, weil Karl die Festung nicht so einfach herausgeben wollte. Die feierliche Belehnung des Fürstabts von Fulda, zu der dessen Bevollmächtigte in die Wiener Rerichshofkanzlei fuhren, erfolgte wiederum mit fast einem Jahr Verzögerung im September 1716.

DIE REGIERUNGSZEIT KONSTANTINS VON BUTTLAR

Schon bald nach seiner Wahl zum Abt und dem Erhalt der päpstlichen Bestätigung seiner Wahl im Februar 1715, begann er den Besitz der Fuldaer Abtei zu mehren. Andererseits unterließ er noch alles, was die Regalieninvestitur zur Voraussetzung hatte, wie die Emission von Münzen. Aus dem Informativprozess Konstantins von Buttlar ist bekannt, dass der Abtstisch über jährliche Einkünfte in Höhe von 70.000 rheinische Gulden verfügte, das Domkapitel hingegen nur über 10.000. Als Landesherr verfolgte Konstantin von Buttlar eine gezielte Finanz- und Zollpolitik, die deutliche Züge des in jener Zeit aufkommenden Merkantilismus trug. Er erreichte eine Steigerung der Staatseinnahmen durch eine Straffung und Reorganisation des Verwaltungsapparates seines Stiftes. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehörten aber Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft, was zumeist nur seine eigenen Betriebe betraf. Zu diesen Maßnahmen gehörte auch der Aufkauf ritterschaftlicher Güter oder von Beteiligungen wie bei den Schlirfer Salinen.

Schon im Jahr 1715 kaufte er das Gut Eichenzell für 46.480 Gulden. Dieses Gut hatte der frühere Fürstabt Placidus von Droste von den Erben der Familie von Berlepsch gekauft. 1701 wurde seinem Nachfolger Adalbert von Schleifras vom Fuldaer Domkapitel „der Kaufschilling remittiert“ und zwar als Geschenk für Johann Ludwig von Schleifras, der fuldischer Oberforstmeister und kurmainzischer Truchsess war. Damit wollte sich das Domkapitel das Wohlwollen des Fürstabtes erhalten. Nach dem Tod des Fürstabtes Adalbert von Schleifras ging dessen Bruder nach Mainz und übte in Fulda kein Amt mehr aus. Konstantin von Buttlar nahm dies zum Anlass, das Gut Eichzell wieder zu kaufen und dem fürstäbtlichen Besitz hinzuzufügen.

Eines der besten Geschäfte, die je ein Fuldaer Fürstabt gemacht hat, war der Kauf des Johannesberges im Rheingau. Für den Ankauf dieses Schlosses samt der zugehörigen Weinberge von dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn bewilligte Konstantin von Buttlar 1716 eine Summe von 81.150 Gulden und 12 Kreuzern. Benötigt wurde aber nur eine Kaufsumme von 75.392 Gulden, die an die Mainzer Hofkammer und andere private Anwohner des Johannesberges entrichtet wurde. Konstantin von Buttlar ließ das alte Schloss abreißen und ein neues, dreiflügliges als Sommerresidenz errichten. Außerdem wurden neue Wirtschaftsgebäude und ein großer Weinkeller erbaut. Desweiteren ließ er 1720 die Weinberge mit Rieslingreben neu bestocken. Die Kosten für alle diese Maßnahmen beliefen sich auf 147. 955 Gulden. Der jährliche Reingewinn aus dem Weinhandel des Johannesberges belief sich auf ca. 15.000 Gulden.

Eine andere wichtige Einnahmequelle für den Fürstabt war die Salzgewinnung in Salzschlirf. Hier wurden seit dem 13. Jahrhundert drei Solequellen wirtschaftlich genutzt. Diese Solequellen waren natürliche Soleaustritte an die Erdoberfläche, die sich alle im Flusstal der Altefeld befanden. Das Salz wurde durch Gradierwerke gewonnen. Die alte Sode, die später Bonifatiusbrunnen hieß, wurde ausschließlich von der Fürstabtei Fulda genutzt, die mittlere Sode, der Tempelbrunnen, und die untere Sode, der Kleubersborn, hatten als Lehen oder Pfänder wechselnde Besitzer, so die Grafen von Schlitz, die Herren Riedesel und das Kloster Blankenau. Im Jahr 1725 gab es insgesamt 100 Sodenanteile, von denen die Fürstabtei Fulda 46, Salzschlirf 29 und eine Erbengemeinschaft aus Fulda 25 Anteile besaßen. In den beiden Jahren 1725 und 1726 kaufte Konstantin von Buttlar von den anderen Eignern alle 54 Anteile für 16.200 Gulden auf, so dass von nun an die Fürstabtei Fulda die Alleinbesitzerin der Solequellen in Salzschlirf war. Die Ergiebigkeit der Solequellen belief sich auf etwa 3000 Zentner Salz pro Jahr und Konstantin von Buttlar drückte dazu seine Zufriedenheit aus: „Der gute Betrieb unserer Saline Schlierf gereicht uns zu gnädigstem Wohlgefallen.“

Als Nachfolger Adalberts von Schleifras gehört Konstantin von Buttlar zu den Fürstäbten, die wesentlich dazu beitrugen, Fulda zu einer der bedeutendsten Barockstädte zu machen. Durch den Mainzer Kurfürst und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn konnte Konstantin von Buttlar den kurmainzischen Baudirektor Maximilian von Welsch für seine Vorhaben in Fulda gewinnen. Nach seinen Plänen wurde der barocke Schlossgarten in Fulda zwischen 1719 und 1738 gestaltet. Ebenfalls nach den Plänen von Maximilian von Welsch wurde zwischen 1721 und 1724 die Orangerie, die den nördlichen Abschluss des Schlossgartens bildet, gebaut. Für die Bauausführung war Andreas Galassini verantwortlich, der seit 1720 fürstäbtlicher Bauinspektor war. Zu Lebzeiten des Fürstabts Konstantin von Buttlar konnte noch der Außenbau der Orangerie fertiggestellt werden. Die Innenausstattung erfolgte dann unter seinem Nachfolger Adolph von Dalberg. Die Orangerie hatte eine doppelte Funktion. In der kalten Jahreszeit diente sie der Aufbewahrung der frostempfindlichen Zitrugewächse, die in Kübeln gezogen wurden und im Sommer als besondere Elemente der barocken Gartengestaltung eingesetzt wurden. In der warmen Jahreszeit diente die Orangerie als Kulisse für Feste des Fürstabtes. Mit dem Schlossgarten und der Orangerie besitzt Fulda ein Juwel barocker Gartenbaukunst. Eine ganz besondere Änderung ließ Konstantin von Buttlar im Fuldaer Dom vornehmen. Der Fürstabt wird als wohlgestaltet von Gesicht und Körper beschrieben, aber er war nicht groß. Darum ließ er, um die Messe bequem lesen zu können, den Sturmiusaltar seiner Körpergröße anpassen und entsprechend erniedrigen.

Ganz im Sinne seiner Vorgänger setzte Fürstabt Konstantin die Politik fort, den Einfluss des Würzburger Bischofs auf das Kloster Fulda einzudämmen. 1604 hatte die Abtei Fulda von Rom die quasi-episkopale Jurisdiktion erhalten, welche die Fuldaer Äbte aufgrund eines Vertrages im Jahr 1613 mit dem Bistum Würzburg auch tatsächlich ausübten. Auch ein weiterer Jurisdiktionsvertrag mit Würzburg schaffte keine endgültige Lösung der strittigen Fragen, so dass ein Jurisdiktionsprozess 1688 an der Rota Romana eingeleitet wurde, den Fulda schließlich gewann. Es bedurfte dennoch vieler weiterer zäher Verhandlungen, um die Rechtsansprüche des Fuldaer Klosters durchzusetzen. 1722 gelang es Konstantin von Buttlar im Kalstädter Vertrag, die Kirchspiele Batten mit Thaiden und Seiferts von Hilders abzutrennen und sie direkt Fulda zu unterstellen. 1727 wurde Batten eine eigenständige Pfarrei mit den Filialen Thaiden und Seiferts.

Langsam erholte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg das Stift Fulda. Die Bevölkerungszahl nahm zu. Aber dem von der Landwirtschaft lebenden Stift waren Grenzen im Landausbau gesetzt, so dass es zu einer wachsenden Arbeitslosigkeit kam. Hinzu kam, dass hohe Abgaben das Leben schwer machten und viele Zölle den Handel und die Wirtschaft erschwerten und auch beeinträchtigten. Die Folge war eine permanente Auswanderung, die sich im Zusammenhang mit Kriegen noch verstärkte. Ein beliebtes Land zur Auswanderung war Ungarn. Die Auswanderungen nach dort begannen mit den ungarischen Befreiungskriegen gegen die Türken. Der Fürstabt von Fulda hatte gemäß dem Reichstagsbeschluss von 1664 eine Kompagnie zu Fuß und eine zu Pferd zu stellen, die unter dem Markgraf von Baden-Durlach, dem Türken-Louis, und unter Prinz Eugen kämpften. Zuständig für die Ansiedlung Siedlungswilliger in Südungarn, besonders im Komitat Baranya, des um Pécs/Fünfkirchen gelegenen Verwaltungsbezikes, waren der Bischof von Pécs und der Abt von Pécsvárad. Sie fragten bei zurückbleibenden, siedlungswilligen Soldaten nicht nach deren Herkunft und Vermögen. Die Ansiedlung erfolgte unter der politischen Maßgabe, die Grenzen durch die Ansiedlung von Wehrbauern sicherer zu machen.

Wer aus dem Stift Fulda auswandern wollte, musste, um aus dem Verband der fuldischen Untertanen legal auszuscheiden, den zehnten Teil seines Vermögens als Auswanderungsgeld an die Staatskasse entrichten. Nicht jeder konnte das zahlen, so dass es eine hohe Zahl illegaler und damit auch nicht registrierter Auswanderungen gab. Der Auswanderungsstrom blieb aus dem gesamten Gebiet des Fürstbistums dennoch bis zum Ende des Fürstbistums Fulda ungebrochen. Das Problem der Auswanderungen war für das Stift keineswegs unbedeutend, denn die Auswanderer waren in aller Regel des Lesens und Schreibens kundig, hatten also eine Schulausbildung, waren meist nicht ganz unvermögend und sie waren jung, arbeitswillig, risikobereit und flexibel. Einblick in die Gründe, die fuldische Untertanen zur Auswanderungen bewogen haben, gibt ein Bericht des Amtes Bieberstein, in dem auch gewisse kuriose Gründe stehen: „Joseph Hohmann will mit seiner Geliebten Franziska in Ungarn jene Unterkunft suchen, die er wegen Mangel an Vermögen dahier nicht erhalten kann, und die Elisabeth Gutmann ist bös über das ganze Fuldaer Land, weil niemand sie lieben will und glaubt daher in Ungarn eher einen Liebhaber zu finden. Weiterhin gibt sie an, daß sie nur 120 fl. Erbgeld erhalten habe, die erst von 5 bis 6 Jahren zielweis abgetragen wurden. Hier im Fuldaschen, wollen die Burschen lauter reiche Mädchen heiraten, in Ungarn dagegen, wie sie so oft gehört, nehme man mehr auf körperliche Eigenschaften des weiblichen Geschlechts Rücksicht und glaubt daher für Herz und Mund ihr Glück zu machen.“ Nicht jeder machte jedoch in der Ferne sein Glück und so gab es auch eine ganze Reihe von verarmten Rückkehrern, die dann dem Stift zur Last fielen. Dies veranlasste Fürstabt Konstantin von Buttlar zur folgenden Verfügung: „Untertanen, die aus Ungarn zurück gekehrt sind, haben uns hinterbracht, dass obwohl die Leibeigenschaft dortselbst nicht eingeführt sei, doch kein Deutscher dortselbst leben könne. Nach dem der Zurückgekehrte vor der Abreise sein Hüttlein verkauft, und nun mittellos ist, hat er gebeten, ihn wieder als Untertan aufzunehmen. Deshalb sind alle zu warnen, dass jeder es wohl bedenken und nicht unüberlegt handeln möge.

Wer auf eigene Faust weggeht und zurückkehrt soll in Zukunft für einen Landfremden gehalten werden und ein Unterhalt ihm nich mehr gestattet werden, er bringe denn 200 Gulden wiederum ins Land,

Fulda, den 28. März 1718

Nach gehaltener Predigt von der Kanzel verlesen.“

DER GRIFF KONSTANTINS VON BUTTLAR NACH DEM KARDINALSHUT

Was Konstantin von Buttlar knapp drei Jahre nach seiner Abtswahl dazu bewogen hat, nach dem Kardinalshut zu greifen, ist nicht bekannt. Es hat aber den Anschein, dass er die Gunst der Stunde nutzen wollte, in dieses Amt aufzusteigen. Längst hatte es Konstantin geschafft, die verspätete Meldung seiner Abtswahl an den Kaiser vergessen zu machen und den damaligen Unmut des Kaisers durch sein diplomatisches Geschick in Wohlwollen zu verwandeln.

Das Pontifikat von Papst Clemens XI. (1700 – 1721) war aus politischer Sicht schwierig. Von 1701 – 1714 war die Politik vom Spanischen Erbfolgekrieg bestimmt, in dem die Wittelsbacher Kurfürsten von Bayern und Köln von König Ludwig XIV. von Frankreich auf die französische Seite gezogen wurden, was zur Erklärung der Reichsacht gegen die beiden Wittelsbacher führte. Hinzu kam, dass Kaiser Karl VI. 1713 die Pragmatische Sanktion durchsetzte, also das habsburgische Erbfolgesetz, das den Vorrang seiner Kinder in der Erbfolge vor denen seines 1711 verstorbenen Bruders Kaiser Joseph I. festschrieb. Außerdem herrschte zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem osmanischen zwischen 1716 und 1718 wieder Krieg, der 1718 mit dem Frieden von Passarowitz endete, mit dem aber auch die Besiedlung des Banats, Nordserbiens und der Kleinen Wallachei begann. 1718 bildete sich im Westen eine Allianz zwischen Kaiser Karl VI., Frankreich und Großbritannien gegen Spanien. Diese Verhältnisse führten dazu, dass Papst Clemens XI. zu verschiedenen Kardinalsernennungen genötigt wurde, so 1717 auf Drängen der spanischen Krone die des Kardinals Alberoni. Offensichtlich sah sich Konstantin von Buttlar als ein deutsches Gegengewicht gegen den spanischen Kardinal und er hatte ein Interesse daran, die Ernennung des ungarischen Erzbischofs von Kalocsy zum Kardinal zu verhindern. Also schrieb Fürstabt Konstantin von Buttlar an seinen Gesandten am Wiener Hof, Christoph Heinrich Zeller Freiherr von Ettmanndorf: „Edler, besonders lieber Herr Resident[Gesandter].

Ich will mit recapitulation[Wiederholung] dessen, was untern 13t currentis [am 13. des laufenden Monats] an mich weitläufig und Verträulich zu erlassen beliebig gewesen, nicht molest [lästig] fallen, weilen dessen inhalt, seiner importanz [Wichtigkeit]nach, annoch in unentfallenen gedanken ruhen wird.

Belangend demnach die Cardinalats affaire, so betaure wohl Von Herzen, daß bey der sich angezeigter reüßirungs hoffnung [Hoffnung auf Erfolg], solche nicht früher in proposition [zur Sprache] gekommen seye, indeme jedannoch, des Von dem Erzbischoffen zu Colozza [Emericus Csáky, Erzbischof von Kalocsa-Bács] bezeigten geringen Lustens halber, man das werck für ganz erloschen annoch nicht anzusehen hatt, also wolle der Herr Resident nebst Vermeldung meiner unbekannten Empfehlung bey des Herrn Hoff-Cantzlers von Sinzendorff Excellenz die Versicherung thuen, dafern Ihro keyserlich Majestät allergnädigstes absehen dahin grichtet sey sollte, den promotum [die Beförderung] in ihren geschäften zu adhibieren [hinzuziehen, anwenden], mithin bey dessen erfahrung ernanter Erzbischoff desistieren [von etwas Abstand nehmen] und ich zu allerhöchster nomina [Stelle, Rang] gelangen würde, das ihro Majestät sodan, an mich einen aller-unterthänigstgehorsambsten diener zugewertigen hätten, der vor ein hohes glück und allergröste gnad achten würde, sich in allem und überall in so weit die capacität [Fähigkeit] hinreichete, aller-mildigsten gefallen nach brauchen zulassen, sindemahlen die gelegenheit dardurch überkäme ad exemplum [am Beispiel] meiner Vor- und Elteren, die in militaribus [im Militärdienst] dem Durchl. Erzhaus und dem Reich ihr Blut geopferet, nemlichen meine treu-Devoteste diensten in politicis zu sacrificiren [opfern]. Es Dörften auch seine päpst. Heyligkeit, so ihro keyserl. Majestät mich praesentiren und allergnädigst denominiren[benennen] solten, sich leichtlich ergeben, dan gegen die antiquität, nobilität und Meriten meines geschlechts/: vanior è nostris discedat gloria verbis :/ [Ein allzu eitler Ruhm spricht aus unseren Worten= in aller Bescheidenheit] nichts auszusetzen, und wiewohlen meine Eygene Verdiensten und qualitäten schlecht, so hatt sich doch die Familie von Buttlar wegen des thomae cantuarensis [Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury], so daraus entsprossen, bey dem Römischen Stuhl wohl meritirt [verdient] gemacht. Die erkäntlichkeit, so im Fall erlangten Zwecks gegen ermeldete seine Excellenz mihr obliegen wird, solle nicht ohne proportionierte realität belassen, sondern darin des Herrn Residenten vorläuffige Zusag erfüllet, auch Dero person zu keiner Zeit in Vergess diesfals gesetzet werden; und weilen an der recommendirten [anempfohlen] Verschwiegenheit mihr sonderbar gelegen ist, so darff man sich darauf kühnlich verlassen, wie man solche Ebenfals Dero seits auf das genaueste zu beobachten, hiermit will gebetten haben, damit, wan aus der sach nichts werden mögte, mich keiner nachred oder ungleichem judico exponiren [einem Urteil aussetzen] dörfte.

Die Neu-kirchische [Verhandlungen mit dem Landgraf von Hessen-Kassel über die fuldische Landeshoheit im Gericht Neukirchen]und götzische handlungen [Verhandlungen mit den Grafen von Schlitzgenannt von Görtz] concernirend [betreffend], habe ich in der ersten der Zuversicht, das endlichen selbige gestalten sachen nach eine gute Endschafft nehmen, die letztere aber noch vielen difficultäten[Schwierigkeiten] unterworfen seyn werde; ich habe die nechst-vorige wochen seine Chur-Lbd. von meynz Besucht in gleicher absicht, wie auch geschehen, den Herrn Reichs Kanzlern aus der letzteren sach zu sprechen; Er hatt meine Vorstellungen Begrieffen, und mihr die Zusag möglichster assistence[Hilfe] gethan; Mus es also, da meines orts nichts diensames unterlassen, auf den Erfolg lassen beruhen: Er rathet, das der Hofrath Thorwesten, dessen Ideé der Herr Resident acurat und gerecht Verfasset, bis zu seiner rückkunft und eingelangten Cammer-Bericht zu wien hätte zu verbleiben; Ihm Hern Reichs-Kanzlern habe kein einziges wort von der Cardinalsangelegenheit gesprochen, wiewohlen Derselbe motu proprio[durch päpstlichen Erlass] mich flatiret [flach schlagen, platt machen], das er von meiner person gegen ihro keyserliche Majestät meldung thun wolte, Maasen seine Excellenz glaubten, weilen wenig unter den Reychsfürsten zu appliciren [veranlassen, bewegen] wären, das in deren Vorfallenheiten auf mich künftige reflexion [in Betracht ziehen] gemacht werden dörffte; ich habe aber dieses, als ein compliment per generalia [allgemein] beantwortet, mich gegen seine bishero Bezeigte gewogenheit Bedancket, und fernere dero propension [Neigung] Nachtrücklichst ausgebetten; Dieses ist, was ich dermahlen auf angezogenes Dero schreiben zuantworten weis, sonsten, curiositas gratia [dank der Merkwürdigkeit] was zumelden, wan dermahlen per chronicum sollte gefragt werden.

sI DeVs pro Caesare, qVIs Contra eVM?

[Chronikum: Wenn Gott für den Kaiser ist, wer ist dann gegen ihn? Die Majuskeln ergeben die Jahreszahl 1717]

Mögte wohl, wan das zu meine gespräch eintrift, kürzlich und chronice an widerumb können geantwortet werden

CLeMens phILIppVs et saba VDVs.

[Chronikum: Clemens Philipp et Sabaudus = Sebaldus. Gemeint sind hier Clemes Philipp von Schönborn, Kardinal seit 1715 und der Erzbischof von Trier als Nachfolger des heiligen Sebaldus auf dem Bischofsstuhl von Trier. Die Majuskeln ergeben die Jahreszahl 1715]

wiewohlen nur der erstere und Letztere sich heftig entschuldigen, so wird jedoch von Vielen dafür gehalten; Es seye keinem zutrauen, und das Breve apostolicum, so an philippum abgeloffen, in seinem werth zu lassen. Man könnte zwar hierauf antworten

Ne Dubites quod verba brevis sint seria, papae ambiguus sermo. Longior esse solet. [Zweifle nicht daran dass die kurzen Worte ernst gemeint sind, dieser rätselhafte

Ausspruch des Papstes, Er ist sonst länger.]

Doch lasse dieses alles an sein richtiges ort gestellet seyn, und Übrigens das weitere erwartend, verbleibe Hammelburg, d. 26. septembris 1717 Des Herr Residenten wohl-affectionirter von Herzen Constantinus Princeps fuldensis manu propria .“

Die Bemühungen des Fuldaer Fürstabtes, den Kaiser für seine Ambitionen auf den Kardinalshut zu gewinnen blieben erfolglos. Emericus Csáky, der Erzbischof von Kalocsa-Bács wurde von Papst Clemens XI. zum Kardinal ernannt, was letztlich der Festigung der habsburgischen Macht in Ungarn diente, und die Bemühungen des Kaisers, die Erhöhung des Bistums Wien zu einem Erzbistum in Rom zu erlangen, 1722 erfolgreich machte. Insofern musste der Wunsch Konstantins von Buttlar, Kardinal zu werden, hinter den Interessen des Kaisers zurückstehen.

Aber Konstantin von Buttlar gab seinen Traum vom Kardinalshut nie auf. Im Winter 1725/1726 machte er einen neuen Versuch, dieses Mal nicht mit Geheimdiplomatie, sondern mit einem Staatsbesuch in Wien, den er sich einiges kosten ließ – 50.000 Gulden. Nach eingehender Vorbereitung brachen der Fürstabt und seine Delegation am 3. Oktober 1725 von Fulda nach Wien auf. Dort wurden sie vom Kaiser und der Kaiserin empfangen, besuchten Füüüäß„Seht dameinen schönen Kanzler.“