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ADDICTED FOR NOW - VEREINT

Abhängig 3

Krista und Becca Ritchie

Aus dem Englischen von Jutta E. Reitbauer

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© 2017 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© 2017 Umschlaggestaltung: Andrea Gunschera

Aus dem Englischen von Jutta E. Reitbauer

Englische Originalausgabe © 2013 by Krista and Becca Ritchie

Bookcase Literary Agency

ISBN Taschenbuch: 9783864436741

ISBN eBook-Mobi: 9783864436758

ISBN eBook-Epub: 9783864436765

www.sieben-verlag.de

Inhalt

Teil eins

1 LILY CALLOWAY

2 LOREN HALE

3 LILY CALLOWAY

4 LILY CALLOWAY

5 LOREN HALE

6 LOREN HALE

7 LILY CALLOWAY

8 LOREN HALE

9 LOREN HALE

10 LILY CALLOWAY

11 LILY CALLOWAY

12 LOREN HALE

13 LOREN HALE

14 LOREN HALE

15 LILY CALLOWAY

16 LOREN HALE

17 LILY CALLOWAY

18 LILY CALLOWAY

19 LOREN HALE

20 LOREN HALE

21 LOREN HALE

Teil zwei

22 LILY CALLOWAY

23 LILY CALLOWAY

24 LOREN HALE

25 LOREN HALE

26 LILY CALLOWAY

27 LILY CALLOWAY

28 LOREN HALE

29 LILY CALLOWAY

30 LILY CALLOWAY

31 LOREN HALE

32 LILY CALLOWAY

33 LILY CALLOWAY

34 LOREN HALE

35 LOREN HALE

36 LILY CALLOWAY

37 LILY CALLOWAY

38 LOREN HALE

Teil drei

39 LOREN HALE

40 LILY CALLOWAY

41 LILY CALLOWAY

42 LOREN HALE

43 LILY CALLOWAY

44 LOREN HALE

45 LILY CALLOWAY

46 LILY CALLOWAY

47 LILY CALLOWAY

48 LOREN HALE

49 LOREN HALE

50 LILY CALLOWAY

51 LILY CALLOWAY

52 LOREN HALE

53 LOREN HALE

54 LOREN HALE

55 LILY CALLOWAY

56 LOREN HALE

57 LILY CALLOWAY

58 LOREN HALE

59 LOREN HALE

60 LILY CALLOWAY

61 LILY CALLOWAY

62 LOREN HALE

63 LOREN HALE

Danksagung

Teil eins

„Die Leute reden über dich, als seist du Jesus, aber das bist du nicht. Du wirkst nur Wunder, um dich selbst zu retten. Was dich zum Gegenteil von Jesus macht, nicht wahr?“

– Hellion (Julian Keller) X-Men: Legacy Vol. 1 242

1

LILY CALLOWAY

Von allen Tagen des Monats muss ich ausgerechnet an dem im Verkehr feststecken, der mir am meisten bedeutet. Ich versuche, Nola, die Chauffeurin unserer Familie, nicht mit Fragen zur Ankunftszeit bei dem Haus, das ich mir mit Rose teile, zu nerven. Stattdessen rutsche ich nervös auf dem Ledersitz herum und schreibe meiner Schwester schnell eine SMS.

Ist er schon da?

Bitte sag Nein, bitte sag mir, dass ich seine Rückkehr nach Hause nicht verpasst habe. Ich sollte auf der weißen umlaufenden Veranda unseres abgeschotteten Hauses in Princeton, New Jersey warten: viele Morgen fruchtbaren Landes, ein kristallblauer Teich, schwarze Fensterläden. Das Einzige, was zur perfekten Idylle fehlt, ist der Lattenzaun. Ich sollte ihn durch das gemütliche Wohnzimmer und die Granitküche führen, hinauf zu den Schlafzimmern, wo mein Zimmer liegt. Er wird nicht in einem der beiden Gästezimmer leben. Nein, er wird zum ersten Mal mit mir in meinem Zimmer zusammenwohnen.

Und vielleicht wird uns die Vorstellung, sich Tag und Nacht ein Bett und eine Badezimmer und mehr als nur eine Küche miteinander zu teilen, merkwürdig erscheinen. Unsere Beziehung wird zu einhundert Prozent echt sein, und es wird keine nächtlichen Gläser mit Bourbon oder Whiskey geben. Ich werde imstande sein, mach das nicht zu sagen. Und er wird imstande sein, meine Handgelenke zu umklammern und mich davon abzuhalten, zwanghaft zum Orgasmus zu kommen, bis ich vor Erschöpfung einschlafe.

Wir sollen uns gegenseitig helfen.

Während der vergangenen drei Monate haben wir das geplant. Und wenn ich nicht da bin, um ihn zu begrüßen – dann habe ich es bereits irgendwie versaut. Nach drei ganzen Monaten, die wir körperlich getrennt waren, dachte ich, dass ich in der Lage sei, das hier hinzukriegen – die Feier anlässlich seiner Rückkehr aus der Entzugsklinik. Ich will ihn verzweifelt berühren, will, dass er mich in seinen Armen hält, doch darüber hinaus spüre ich eine plötzliche Welle an Schuldgefühlen. Bitte sei genauso spät dran wie ich, ist alles, was ich denken kann.

Die SMS summt, und ich öffne die Nachricht mit einem Knoten im Bauch.

Er packt gerade aus – Rose

Mein Gesicht verzieht sich, und ein Kloß entsteht in meiner Kehle. Ich kann mir genau sein Gesicht vorstellen, als er die Autotür geöffnet und erwartet hat, dass ich meine Arme um ihn schlinge und mich bei seiner Ankunft weinend in seine Schulter vergrabe. Und ich bin nicht da.

War er sauer?, schreibe ich zurück. Ich kaue auf meinen Nägeln, und mein kleiner Finger fängt ein wenig zu bluten an. Diese Angewohnheit hat in den letzten neunzig Tagen meine Finger grauenerregend aussehen lassen.

Er scheint okay zu sein. Wie lange brauchst du noch? – Rose

Sie muss es hassen, mit ihm allein zu sein. Sie sind nie gute Freunde gewesen, seit ich beschloss, mehr Zeit mit Lo als mit ihr zu verbringen. Aber sie ist nett genug, ihm zu erlauben, bei uns zu wohnen.

Vielleicht zehn Minuten. Nachdem ich ihr die SMS geschrieben habe, scrolle ich durch meine Kontakte und lande bei Lo. Ich zögere, bevor ich eine weitere schnelle Nachricht tippe. Tut mir so leid. Ich bin bald da.

Fünf langsame Minuten ohne Antwort vergehen, und ich winde mich so sehr auf meinem Sitz, dass Nola fragt, ob sie irgendwo anhalten soll, damit ich auf die Toilette kann. Ich lehne ab. Ich bin so nervös, dass meine Blase vermutlich ohnehin nicht richtig funktioniert.

Das Handy summt in meiner Hand und schubst mir das Herz aus der Brust.

Wie war’s beim Arzt? – Lo

Rose muss ihn über den Grund meiner Abwesenheit aufgeklärt haben. Vor vier Monaten schon hatte ich einen Termin bei meiner Gynäkologin ausgemacht, weil sie immer ausgebucht ist, und ich hätte ihn abgesagt, wenn ich in naher Zukunft einen neuen hätte ergattern können. Aber das ist kaum möglich. Und es half nicht, dass meine Gynäkologin in Philadelphia in der Nähe der University of Pennsylvenia ist und nicht in Princeton, wo ich jetzt lebe. Hierher zurückzufahren hat meine ganze Zeit aufgefressen.

Ich musste eine gute Stunde warten. Sie war mit den Terminen hinterher, tippe ich.

Nach einem langen Moment leuchtet eine neue SMS auf. Aber es ist alles okay? – Lo

Oh, deshalb hat er gefragt. Ich hab mich so darin verbissen, seine Rückkehr verpasst zu haben, dass ich nicht daran dachte, dass er besorgt sein könnte. Ich schreibe zurück: Yep, sieht gut aus. Ich erschauere und frage mich, ob das eine merkwürdige Antwort war. Ich sagte im Prinzip gerade, dass meine Vagina gut aussieht – was irgendwie seltsam ist.

Bis gleich – Lo

Er war immer der Typ für kurze SMS, und gerade jetzt verfluche ich ihn dafür. Meine Paranoia wächst und der Druck auf meiner Brust lässt nicht nach. Ich klammere mich an den Türgriff und bin kurz davor, den Kopf aus dem fahrenden Auto zu halten, um mich zu übergeben. Dramatisch, wie mir klar wird, aber in unserer Situation – trockener Alkoholiker und um Heilung bemühte Sexsüchtige – sind wir alles andere als gewöhnlich.

Ganze neunzig Tage sind vergangen und ich bin Lo treu geblieben. Ich bin zu einer Therapeutin gegangen. Aber durch Sex fühle ich mich noch immer besser, weil er andere Gefühle überdeckt und eine tiefe Leere in mir ausfüllt. Ich versuche, eine gesunde Art von Sex zu finden und nicht die zwanghafte Art von „ich muss jeden Tag vögeln“ Sex. Ich fühle mich noch immer nicht wohl dabei, darüber zu reden, aber immerhin machte ich Fortschritte, genauso wie Lo in der Entzugsklinik.

In meinem Kopf dreht sich alles, bis Nola in unsere Einfahrt einbiegt. Alle Gedanken fliehen schlagartig in eine andere Dimension, und ich bedanke mich benommen und gleite aus dem Wagen. Violette Hortensien rahmen das zweistöckige Haus ein, Schaukelstühle stehen in einer Reihe auf der Veranda, und eine amerikanische Flagge hängt an einer Metallstange neben einer Trauerweide.

Ich versuche, die friedliche Stimmung einzuatmen und dadurch meine Nervosität zu begraben, aber es endet damit, dass ich wegen der Frühlingspollen einen Erstickungsanfall bekomme und in meinen Arm huste. Warum muss die hübscheste Jahreszeit zugleich auch die schlimmste sein?

Ich sollte nicht im Vorgarten zögern. Ich sollte geradewegs hineinstürmen und endlich den Mann berühren, der meine Fantasien dominiert. Aber ich frage mich, wie anders er sein wird, wenn ich ihn persönlich sehe. Ich habe Angst wegen der Verlegenheit, die sich vielleicht einstellt, weil wir so lange getrennt waren. Werden wir genauso gut zusammenpassen, wie immer? Werde ich in seinen Armen das Gleiche fühlen? Oder wird alles irreparabel verändert sein?

Ich kratze ein bisschen Mut zusammen, um weiterzugehen. Und als ich die Veranda erreiche, öffnet sich die Tür. Ich erstarre auf der obersten Stufe und sehe zu, wie die Fliegengittertür klappernd gegen die Seite des Hauses schlägt. Dann erscheint er, in einem Paar dunkler Jeans, einem schwarzen T-Shirt und mit der Pfeilspitzenkette, die ich ihm an seinem einundzwanzigstem Geburtstag geschenkt habe.

Ich öffne dem Mund, um etwas zu sagen, aber ich kann nicht aufhören, jeden Zentimeter von ihm in Augenschein zu nehmen. Die Art, wie sein hellbraunes Haar gestylt ist, oben füllig, kürzer an den Seiten. Die Art, wie seine Wangenknochen scharfkantig hervortreten, was ihn gleichermaßen tödlich und hinreißend aussehen lässt. Die Art, wie er die Hand nach oben hält und sich über die Lippen reibt, als ob er hofft, dass sie gleich meine berühren werden. Er lässt seinen Blick mit der gleichen Ungeduld über meinen Körper schweifen, und dann neigt sich sein Kopf auf die Seite, und unsere Blicke treffen sich endlich.

„Hi“, sagt er und strahlt mich mit einem atemberaubenden Lächeln an. Seine Brust senkt sich schwer, nahezu synchron mit meinem eigenen unregelmäßigen Atemrhythmus.

„Hi“, flüstere ich. Eine große Entfernung trennt uns und erinnert mich an den Augenblick, als er sich auf den Weg in die Entzugsklinik gemacht hat. Den Fuß zu heben und die Lücke zu schließen fühlt sich an, als würde ich auf einer Neunziggradsteigung nach oben kriechen. Er muss mir helfen, die Spitze zu erreichen.

Er macht einen Schritt auf mich zu und bricht dadurch die Spannung. All diese Empfindungen wallen in meinem Bauch auf. Ich liebe ihn so sehr. Ich habe ihn so sehr vermisst. Drei Monate lang spürte ich den Schmerz, von meinem besten Freund getrennt zu sein, während ich versuchte, gegen meine sexuellen Zwänge anzukämpfen. Ich wollte von ihm hören, dass alles in Ordnung kommen wird.

Ich brauchte ihn an meiner Seite, aber ich hätte ihn nie nur zu meinem eigenen Wohl aus der Klinik geholt, nicht, wenn es sich negativ auf seine Genesung ausgewirkt hätte. Mehr als alles andere will ich, dass Lo gesund wird. Und ich will, dass er glücklich ist.

„Ich bin zurück“, murmelt er.

Ich versuche, die Tränen zurückzuhalten, aber sie fließen ohne mein Zutun und rinnen aus meinen Augenwinkeln. Ich sollte aus der Tür treten, um ihn zu begrüßen, und er sollte derjenige sein, der auf den Verandastufen steht. Warum läuft bei uns immer alles falsch rum?

„Es tut mir leid“, erkläre ich ihm und wische mir langsam über die Augen. „Ich hätte schon vor einer Stunde hier sein sollen …“

Er schüttelt den Kopf und seine Brauen ziehen sich zusammen als wolle er Mach dir deshalb keine Sorgen sagen.

Ich sehe wieder seine ganze Gestalt an, diesmal mit einem zuversichtlichen Nicken. „Du siehst gut aus.“ Ich könnte nicht genau sagen, dass er nüchtern ist. Er hat diesen Ausdruck in seinen Augen nicht verloren – der, der meine Seele zu küssen und mich ganz gefangen zu halten scheint. Aber er ist nicht besiegt oder ausgezehrt oder abgemagert. Tatsächlich hat er an Muskeln zugelegt, sein Bizeps ist hervorragend ausgebildet. Und seit einer Skype-Sitzung vor einiger Zeit weiß ich, dass sein ganzer Körper zu diesen Armen passt.

Ich warte darauf, dass er Du auch sagt, aber sein Blick überprüft mich ein weiteres Mal, und ich beobachte die Weise, wie seine Brust zusammenfällt und sich sein Gesicht vor Schmerz verzieht.

Ich blinzle. „Was ist?“ Ich sehe an meinem Körper hinab. Ich trage Jeans und ein legeres V-Shirt, nichts Außergewöhnliches. Ich frage mich, ob ich Kaffee auf meine Jeans verschüttet habe oder so was in der Art, aber ich sehe nicht, was er sieht.

Statt dass er mir sagt, was ihn beunruhigt, nähert er sich mir. Der tiefe Schmerz in seinen Augen macht mir Angst. Was habe ich falsch gemacht? Ich weiche zurück – eine Reaktion, die ich für heute kaum vorausgesagt hätte. Fast stolpere ich die Stufen hinunter, aber sein Arm legt sich um meine Taille, zieht mich an seine Brust und rettet mich davor, mit dem Hintern auf dem Gras am Fuß der Treppe zu landen.

Seine Wärme hüllt mich ein, und ich umklammere seine Arme, weil ich Angst habe ihn loszulassen. Er starrt mich eindringlich an, ehe sein Blick zu meinen Armen schweift … zu meinen Händen. Er löst eine von seinem Bizeps, und seine Finger streifen über meine. Die Geste raubt mir den Atem. Er zieht meine Hand zwischen uns und hebt dann meinen Ellenbogen an, was ihm eine gute Sicht auf meinen ganzen Arm verschafft.

Meine Brust senkt sich, als ich den Grund seiner Verwirrung und seines Schmerzes erkenne.

„Was zur Hölle, Lil?“, sagt er.

Während der letzten Therapiesitzung gestern hatte ich mir böse den Arm aufgekratzt, und der hässliche rote Striemen wird morgen wahrscheinlich verschorft sein. Selbst mit meinen ekligen, abgekauten Fingernägeln schaffte ich es, meine Haut zu verletzen.

Lo inspiziert meine Nägel, und seine Nasenflügel blähen sich, als er noch mehr Emotionen zurückhält.

„Mir geht’s gut. Ich war gestern einfach nur … nervös. Die Therapie war schwerer. Dass du nach Hause …“ Ich will jetzt nicht darüber reden. Ich will, dass er mich hält. Ich will, dass unser Wiedersehen episch wird – wie in Nicholas Sparks Wie ein einziger Tag. Und meine dumme Nervosität und schlechte Angewohnheit zerstörte das perfekte Treffen, das ich mir ausgemalt hatte. Ich übernehme wieder die Herrschaft über meine Hand und berühre sein Kiefer, zwinge ihn dazu, sich nicht weiter auf meine Probleme zu konzentrieren. „Mir geht es gut.“

Die Worte fühlen sich ein wenig falsch an. Es geht mir nicht hundert Prozent gut. Die vergangenen drei Monate waren ein Test, den ich leicht hätte vermasseln können. Es gab Zeiten, da dachte ich, dass aufgeben besser sei als kämpfen. Aber ich hab’s geschafft. Ich bin hier.

Lo ist hier.

Das ist alles, was zählt.

Seine Arme legen sich plötzlich um meinen Rücken, und er drückt seinen Körper an meinen. Seine Lippen streifen meine Ohrspitze und jagen Schauer über meinen Hals. Er flüstert: „Bitte lüg mich nicht an.“

Mein Mund klappt auf. „Ich hab nicht …“ Aber ich kann den Satz nicht beenden, weil sich Tränen sammeln und brennende Spuren auf meiner Wange hinterlassen. Ich klammere mich an seine Schultern und halte ihn fester, weil ich Angst habe, dass er vorhat, sich von mir zu lösen und zerstört auf der Veranda zurückzulassen. Ohne ihn werde ich fallen.

„Hey.“ Er umfasst mein Gesicht mit beiden Händen. Seine verschleierten Augen bringen mich in die Wirklichkeit zurück. Zurück zu der Tatsache, dass er meinen Schmerz genauso spürt wie ich seinen. Das ist das Problem. Wir fühlen so sehr die Schmerzen des anderen, dass es schwer ist, Nein zu sagen. Es ist schwer, das Laster wegzunehmen, das die Agonie des Tages betäubt. „Ich bin hier“, sagt er, und eine stumme Träne läuft über seine Wange. „Wir werden es zusammen besiegen.“

Ja. „Darfst du mich küssen?“ Ich frage mich, ob das erlaubt ist. Meine Therapeutin hat mir einen weißen Umschlag gegeben, gefüllt mit meinen sexuellen Einschränkungen – was ich tun soll und was nicht. Sie riet mir, die Liste nicht zu lesen und sie stattdessen Lo zu geben. Da ich nach Intimität und nicht nach Enthaltsamkeit streben soll, muss ich meine Kontrolle im Bett an ihn abgeben. Er wird die Grenzen setzen und mir sagen, wann ich aufhören muss.

Ich habe das Kuvert gestern Rose gegeben und sie gebeten, dass sie es Lo geben solle für den Fall, dass ich Schiss bekomme und kneife. So besorgt, wie Rose wegen meines Heilungsprozesses war, bin ich mir sicher, dass es das Erste war, was sie gemacht hat, als Lo durch die Tür kam.

Ich habe keine Ahnung, wie oft ich ihn küssen darf. Wie oft ich zum Orgasmus kommen oder ob ich woanders als im Schlafzimmer Sex haben darf. Ich habe so viele Zwänge, wenn es um Geschlechtsverkehr und Vorspiel geht, dass mir Grenzen gesetzt werden müssen, aber sie einzuhalten wird der schwerste Teil meines Weges sein.

Sein Daumen wischt meine Tränen weg und ich seine. Ich warte auf seine Antwort, mein Blick klebt an seinen Lippen, die ich küssen will, bis sie anschwellen und wehtun. Seine Stirn nähert sich meiner, und ich werde mir der Art bewusst, wie seine Finger in meine Hüften drücken, wie hart sich sein Körper an meinem anfühlt. Ich will, dass er diese Lücke zwischen uns schließt. Ich will, dass er mich ausfüllt und wieder ganz macht.

Rasch presse ich meine Lippen auf seine. Ich erwarte, dass er mich auf seine Mitte setzt, mir seine Zunge in den Mund stößt und meinen Rücken gegen die Wandverkleidung donnert.

Aber er gibt meinem Verlangen nicht nach.

Er weicht zurück und unterbricht den Kuss nach nur wenigen Augenblicken. Mein Magen sackt nach unten. Lo sagt selten Nein zu mir, wenn es um Sex geht. Er spielt sonst mit meinen Sehnsüchten, bis ich ganz feucht und begierig bin. Mir wird klar, dass die Dinge dabei sind, sich wirklich zu ändern.

„Meine Bedingungen“, flüstert er. Seine Stimme klingt rauchig und tief.

Mein ganzer Körper vibriert aufgrund seiner Nähe. „Bitte“, bettle ich. „Ich hab dich so lange nicht berührt.“ Ich will meine Hände über ihn gleiten lassen. Ich will, dass er in mich stößt, bis ich schreie. Ich stelle es mir wieder und wieder vor, quäle mich selbst mit diesen fleischlichen Gedanken. Aber ich will auch stark sein und mich ihm nicht an den Hals werfen, als sei er nur ein Körper, der mir gefehlt hat. Er bedeutet mir so viel mehr. Vielleicht verletzt ihn meine Hartnäckigkeit, ihn küssen zu wollen? Vielleicht sieht er das als schlechtes Zeichen?

„Tut mir leid“, entschuldige ich mich wieder. „Es ist nicht so, dass ich dich für Sex will … Ich meine, ich will schon Sex, aber ich will dich, weil ich dich vermisst habe … und ich liebe dich, und ich brauche …“ Ich schüttle den Kopf. Meine Worte klingen so dumm und verzweifelt.

„Lil“, sagt er langsam. „Entspann dich, okay?“ Er klemmt mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Glaubst du, ich weiß nicht, wie schwer das für dich ist? Ich wusste, dass dieser Moment kommen würde.“ Sein Blick fällt auf meine Lippen. „Ich wusste, dass du mich küssen wollen wirst und dir wünschst, dass ich dich schnell und hart nehme. Aber das wird heute nicht passieren.“

Ich nicke schnell. Zwar hasse ich diese Worte, aber ich versuche sie einsickern zu lassen und zu akzeptieren. Unkontrollierbare Tränen beginnen zu fließen, weil ich Angst habe, dass ich vielleicht nicht fähig sein werde, meine Zwänge zu kontrollieren. Ich dachte, dass die Trennung von Lo der schwere Teil sei, aber zu lernen, wie man eine gesunde, intime Beziehung mit ihm führt, scheint plötzlich unmöglich zu sein. Er ist ein Mann, mit dem ich mich jeden Augenblick des Tages vergnügen möchte. Wenn ich es nicht tue, dann stelle ich es mir vor. Wie soll ich damit aufhören?

Sein Atem wird flacher, als ob meine Tränen Knoten in seinem Bauch entstehen lassen. Mein Magen ist bereits verkrampft. Ich fühle mich völlig zerstört durch Schuld und Scham und Verzweiflung.

Seine Finger graben sich härter in meine Seiten, als ob er mich erinnern will, dass er hier ist und mich berührt. „Was passieren wird“, sagt er leise, „ist, dass ich dich durch diese Tür tragen werde. Ich werde jeden einzelnen Moment hinauszögern, bis du völlig verausgabt bist. Und ich werde mich so langsam bewegen, dass sich drei Monate wie gestern anfühlen. Und morgen wird es sich wie heute anfühlen, und niemand in diesem verfickten Universum wird deinen Namen sagen können, ohne gleichzeitig meinen zu sagen.“

Und dann küsst er mich, so drängend, so leidenschaftlich, dass ich keine Luft mehr bekomme. Seine Zunge gleitet sanft in meinen Mund, und ich genieße jede einzelne Berührung. Er massiert meinen Hinterkopf, fasst in meine Haare, zieht daran und bringt meine Nerven zum Flattern.

Seine Hände senken sich auf meinen Hintern, und er hebt mich mühelos hoch. Ich schlinge die Beine um seine Mitte und presse sie fest an ihn, um mich festzuhalten. Er trägt mich hinein, genau wie er versprochen hat. Ich hake meine Arme unter seine und drücke meine Wange an seine harte Brust, wo ich seinen unregelmäßigen Herzschlag vernehme. Wir sind uns so nah, aber ich sehne mich nach noch mehr Nähe. Mein Atem wird noch flacher.

Er haucht mir einen Kuss auf den Kopf und trägt mich in mein Schlafzimmer im ersten Stock. Gut – unser Schlafzimmer. Mein Bettvorhang aus Netzstoff ist zurückgezogen. Die schwarz-weiße Bettdecke liegt auf roten Laken. Lo legt meinen Rücken auf die Matratze, und ich greife nach oben, um mir eine Faustvoll seines Shirts zu greifen und ihn auf mich zu ziehen. Aber er macht einen Schritt zurück und schüttelt den Kopf.

Langsam, erinnere ich mich. Richtig.

Meine Beine baumeln über der Kante, und ich richte mich auf den Ellenbogen auf, während er vor mir steht.

„Ich gehöre dir“, erklärt er mir. „Ich werde immer dir gehören, Lily. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass du es sagst.“

Ich setze mich auf und mein Blick erfasst seine ganze Gestalt. In seinem ganzen Leben hat er noch kein einziges Mal zu mir gesagt, du gehörst mir. Er hat mich nie so genommen wie ich ihn. Er hat sich mir geschenkt. Und ich erkenne, dass ich an der Reihe bin, es richtig zu machen und mich ihm zu schenken.

„Ich gehöre dir“, flüstere ich.

Die Muskeln in seinem Kiefer zucken, was fast wie ein Lächeln aussieht. „Ich glaube das erst, wenn ich es sehe.“

Ich kneife die Augen zusammen. „Warum hast du es mich dann sagen lassen?“

Er beugt sich nach vorn, seine Lippen ganz nah an meinen. Seine Handflächen landen neben meinem Oberkörper und zwingen mich dazu, mich ein wenig zurückzulehnen. Ich zögere, ihn zu küssen. Er testet mich, glaube ich. „Weil ich diese Worte liebe.“

Meine Lippen teilen sich. Küss mich, bitte ich stumm. „Ich gehöre dir“, hauche ich.

Sein Blick fällt auf mein Gesicht. Er beobachtet mich und zieht den Moment in die Länge. Die Stelle zwischen meinen Beinen sehnt sich nach ihm. Ich will den Druck seines Körpers spüren, will, dass er sich an mir reibt, mich ausfüllt, wieder und wieder meinen Namen sagt.

Küss mich. „Ich gehöre dir“, presse ich hervor, meine Augen groß vor lauter Anspannung.

Und dann saugt er an meiner Unterlippe, beißt neckend hinein und senkt sein Becken auf mich. Ich stoße ihm meine Hüften entgegen, um Kontakt herzustellen, und er lässt es zu.

Lo ergreift den Saum seines T-Shirts, zieht es über seinen Kopf und wirft es beiseite. Ehe ich meine Hände über seine straffe Brust und noch besser definierten Bauchmuskeln fahren lassen kann, verwebt er seine Finger mit meinen. Gleichzeitig setzt er sein Knie auf die Matratze und zieht mich auf dem Bett nach oben, bis mein Kopf auf dem Kissen liegt.

Er klettert aufs Bett und hält meine Hände mit seinen gefangen. Dann streckt er meine Arme nach oben, und unsere Fingerknöchel berühren das Kopfende des Bettes.

Sein Körper schwebt über mir, nicht länger mit mir verschmolzen. Ich winde mich unter diesem Zwischenraum, den ich eindeutig hasse, mit hämmerndem Herzen und dem wilden Verlangen, ihm näher zu kommen. „Lo …“ Ich halte es nicht länger aus. Mein Rücken biegt sich durch, als ich versuche, wieder seinen Körper zu spüren, und er neigt missbilligend den Kopf.

Also halte ich still. Ich versuche, ihn die Kontrolle übernehmen zu lassen, da ich es langsam angehen muss. Seine Lippen senken sich, berühren meine aber nicht. Er behält diese Distanz bei, als er meine Jeans aufknöpft, und verstärkt den Halt um meine Hand. Er benutzt seine andere Hand, um meine Handfläche zu seinem Reißverschluss zu führen.

Ja.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis ich Knopf und Reißverschluss aufgemacht habe und ihm die Jeans mit vertrauten Bewegungen ausziehe. Ich schäle mich aus meinen, und er zieht mir das Shirt über den Kopf, bis ich nur noch einen schwarzen Spitzen-BH und den passenden Slip anhabe. Ich wusste ja schließlich, dass er nach Hause kommt.

Er saugt die Kurven meines Körpers in sich auf und fängt an, sein letztes Kleidungsstück auszuziehen. „Augen auf mich“, sagt er mit rauchiger Stimme.

Sie sind starr auf die Beule in seinen engen Boxershorts gerichtet. „Sind sie doch“, murmle ich. Eigentlich ist das ein Teil von ihm.

„Auf meine Augen, Liebes, nicht meinen Schwanz“, sagt er, und ein Lächeln versteckt sich hinter den Worten.

Ich hebe den Blick, als er seine Boxershorts auszieht. Die Art, wie er mich ansieht, lässt mich beinahe die Kontrolle verlieren. Ich schlucke und kann nicht widerstehen, einen Blick nach unten zu werfen. Oh Gott, ich brauche ihn jetzt. Er ist hart und genauso erregt wie ich, aber dennoch verfügt er über Zurückhaltung.

Ich nicht.

Er könnte meinen Eifer leicht ausnutzen. Die meisten Männer würden das tun. Aber um mir zu helfen, muss er meine Ungeduld kontrollieren und meinen Zwang, es wieder zu tun. Und wieder. Weil meine Sucht keine völlige Einbahnstraße wie seine ist. Ich brauche seinen Körper, um dieses ungesunde Verlangen zu befriedigen.

Also muss er an irgendeinem Punkt Nein sagen. Ich will nur nicht, dass dieser Punkt bald erreicht ist.

Er beugt sich wieder nach vorn, und seine Lippen beginnen ihren Abstieg von meinem Hals zu meinem Nabel, saugend, knabbernd – neckend. Meine Hände halten sich an seinem Rücken fest, während ich ein tiefes Stöhnen in meiner Kehle ersticke.

Er küsst meinen Hüftknochen und schiebt mir zärtlich das Höschen hinunter. Kalte Luft beißt in meine empfindlichsten Körperteile. Ich erwarte, dass seine Lippen die Stelle erwärmen, aber er löst sich von mir, öffnet meinen BH und schiebt die Träger unglaublich langsam von meinen Schultern. Die leichte Berührung stellt meine Nerven und meine Zurechnungsfähigkeit auf die Probe. Seine Zunge fährt zwischen meinen Brüsten hindurch und gleitet dann zurück in meinen Mund. Und das ist der Moment, wo sich seine Arme um mich legen und mich in eine enge Umarmung ziehen. Meine Brüste verschmelzen mit seinen Muskeln, meine Gliedmaßen verwickeln sich mit seinen. Ich schlinge die Beine um seine Taille und sehne mich danach, mich auf seinen Schwanz zu setzen. Aber er hält seine Arme um meine Brust geschlossen und zwingt mich über seinen Schoß.

„Setz dich auf deine Beine“, sagt er zu mir.

„Aber …“

Er küsst mich leicht und reißt sich los, während ich versuche, mir einen richtigen Kuss zu holen. „Setz dich auf deine Beine, Lil. Oder ich mache es für dich.“

Das klingt besser. Er sieht den Schimmer in meinen Augen, hebt mein rechtes Bein hoch und beugt mein Knie, sodass meine Ferse unter meinem Hintern ist. Als er sich dem linken zuwendet, streift seine Hand meinen Oberschenkel und gleitet zu meiner Gesäßspalte. Heilige …

Okay, ich sitze jetzt auf meinen Fersen und versuche nicht zu kommen, ehe er in mich eindringt. Was, wenn meine Therapeutin aufgeschrieben hat, dass ich nur einen einzigen Höhepunkt haben darf? Abgesehen davon, dass das nach Folter klingt, hoffe ich, heute mit Lo Sex zu haben. Ich werde das nicht ruinieren, indem ich beim Vorspiel den Verstand verliere.

Ich sitze noch immer aufrecht, und sein Körper hat sich nicht von mir wegbewegt. Sein Herz klopft an meiner Brust, und er umfasst mein Gesicht mit seiner Hand.

„Atme“, befiehlt er mir. „Denk daran zu atmen.“

Und dann lässt er nach und nach meinen Rücken geruhsam auf die Decke sinken und gleitet langsam in mich hinein. Die Position erlaubt ein so tiefes Eindringen, dass ich aufschreie und nach seiner Schulter greife, um mich festzuhalten.

Seine Stirn ist dicht vor meiner, und er hebt mein Kinn und küsst mich kraftvoll, genauso wie ich es mag, ehe er anfängt, sich quälend langsam in mir zu wiegen. Jede Bewegung spiegelt unsere schweren Atemzüge wider. Meine geteilten Lippen streifen seine, als er tiefer in mich eindringt. Ich wimmere, meine Zehen krümmen sich bereits, und mein Kopf löst sich gleich von meinem Körper.

Seine Hand streichelt meine Brust, aber sein Blick bleibt immer auf meine Augen gerichtet. Heiße Tränen tropfen aus meinen Augenwinkeln. Die Intensität und Emotion treiben mich auf einen Gipfel, der so hoch ist, dass jedes Mal, wenn ich ausatme, er einatmet, als ob er mich für diesen Moment am Leben erhält. Ich gebe mich seiner langsamen Bewegung hin, der Art, wie er in mir verschwindet, und dem Tempo, das meinen Körper in Flammen stehen lässt.

„Hör nicht auf …“, rufe ich. „Lo …“ Ich zittere, und seine Arme legen sich wieder um meinen Rücken und halten mich fester.

Er erhöht das Tempo ein wenig, und ich fühle den Gipfel des Berges vor mir. Ich sehe, wie wir ihn gemeinsam erklimmen.

Und dann stößt er in mich und hält still. Ich werfe mich ihm schreiend entgegen und kralle mich in seinen Rücken. Mein ganzer Körper pulsiert, mein Herz hämmert – ich gehöre ihm.

Ich sinke aufs Bett zurück, zu erschöpft, um auch nur einen Arm oder ein Bein zu heben. Er kümmert sich um mich, beugt meine Knie, löst meine Beine aus der letzten Position und streckt sie aus. Er stützt seine Hände auf meine Knie und beugt sich vor, um mich wieder zu küssen. Ich schmecke das Salz unseres Schweißes und hebe meine Hand, um in sein Haar zu fassen. Mein plötzlicher Eifer ersetzt die Müdigkeit nach unserem emotionalen Sex. Aber er verwebt seine Finger mit meinen und stoppt mich.

Ich runzle die Stirn. „Nein?“ Nur einmal?

Er schüttelt den Kopf und küsst dann meine Schläfe. „Ich liebe dich“, flüstert er, und sein Atem kitzelt an meinem Ohr.

„Ich liebe dich auch“, sage ich ihm. Aber ich will wirklich meine Beine um ihn schlingen, ihm keine andere Wahl lassen, als hart zu werden und mich wieder zu nehmen. Er mustert mich eindringlich und muss meine Ungeduld auf Runde zwei sehen.

Seine Augen werden schmal. „Nicht jetzt.“

Ich beiße mir auf die Lippe. „Wirst du mir sagen, was in dem Umschlag war?“ Was hat meine Therapeutin eingeschränkt? Die Antwort bringt mich gerade um.

„Nein“, sagt er. „Du wirst es sonst nur noch mehr wollen, wenn du weißt, dass es verboten ist.“

Ich sehe ihn mit schmalen Augen an. „Wusste nicht, dass du so schlau bist.“

Er grinst. „Nur wenn es um dich geht.“ Er küsst die Außenseite meiner Lippen. Ich liebe und hasse es, wenn er das macht. „Nur damit du es weißt“, wispert er, „ich würde nichts lieber tun, als dich wieder auszufüllen. Ich würde es eine Million Mal am Tag tun, wenn ich könnte.“

„Ich weiß“, murmle ich.

Er streicht mir eine verschwitzte Strähne aus der Stirn.

Ich hole tief Luft. „Ich freue mich nur so, dass du zu Hause bist.“ Ich habe Lo wieder. Das ist alles, was im Moment zählen sollte. Nicht Runde zwei oder drei, sondern dass er bei mir ist, auf dem Weg gesund zu werden und in mich verliebt. Das ist alles, was ich brauchen sollte.

Ich kann es nicht abwarten, diesen Punkt zu erreichen. Ich hoffe nur, dass es ein erreichbares Ziel ist.

Er entspannt sich neben mir, und ich lege den Kopf auf seine Brust, höre seinem Herzschlag zu, während er mir mit einer Hand durch die Haare streicht. Das ist schön.

Ich gleite langsam in den Schlaf, aber das Zirpen eines Handys lässt meine Augen auffliegen. „Wessen Handy ist es?“

Er greift zum Nachttisch hinüber. „Meins.“ Er dreht das Handy in seiner Hand um, und ich strecke den Hals, um über seine Schulter auf ein Textfeld zu sehen.

Ich kenne das Geheimnis deiner Freundin. – Unbekannt

Ich fahre hoch und kalte Angst durchzuckt mich. Hab ich das falsch gelesen? Ich reiße ihm das Handy aus der Hand, und er holt es sich zurück.

„Lil, beruhig dich“, sagt er und versucht, das Display vor mir zu verbergen, als er eine Antwort tippt.

„Wer ist das?“ Ich war so vorsichtig. Ich habe nie jemandem gesagt, dass ich sexsüchtig bin, außer Lo, und jetzt wissen es auch Rose, Connor und Ryke. Haben sie mein Geheimnis vor jemand anderem ausgeplaudert?

Ich kaue auf meinem Fingernagel, und Lo umschließt meine Hand, während er mit der anderen eine SMS schreibt. Sein Blick huscht zu mir, und seine Augen verengen sich missbilligend.

Als wieder das Piepen ertönt, klettere ich quasi auf Lo, damit er die Nachricht nicht verstecken kann. Ich lese schnell.

Wer zum Geier bist du? – Lo

Jemand, den du hasst. – Unbekannt. Okay, das engt jetzt gar nichts ein. Los Feinde aus der Privatschule und dem College sind zahlreich und weit verstreut. Es passierte, als er sich an all den Leuten rächte, die dachten, sie könnten ihn tyrannisieren, bis er sich ihnen unterwirft.

Lo versucht mich wegzuschieben, aber ich habe meinen Arm um seinen Hals geschlungen und erwürge ihn fast, also lässt er mir meinen Willen. Wir sind noch immer nackt, aber ich bin zu sehr in Panik, um erregt zu sein.

Verpiss dich – Lo

„Das ist deine Antwort?“ sage ich mit geweiteten Augen. „Du provozierst diese Person nur.“

„Wenn es dir nicht gefällt, dann solltest du nicht meine privaten SMS lesen oder wie ein Koalabär an mir hängen.“

Stimmt.

Und all das Geld verlieren, das mir die Klatschmagazine bezahlen werden, wenn ich ihnen sage, dass Lily Calloway sexsüchtig ist? … Niemals – Unbekannt

Ich blinzle. Lese die SMS noch einmal. Und mein Unterkiefer klappt auf. Nein.

„Lil“, sagt Lo und schaltet sein Handy aus. „Alles ist gut. Das wird nicht passieren. Sieh mich an.“ Er hält mein Gesicht mit beiden Händen und zwingt mich dazu, ihn anzusehen. „Das wird nicht passieren. Ich werde es nicht zulassen. Ich werde jemanden engagieren, der dieses Arschloch finden wird. Ich werde ihm mehr bezahlen, als er von der Klatschpresse bekommen kann.“

Er vergisst eine Sache. „Du bist pleite“, sage ich. Sein Vater hat ihm seinen Treuhandfonds weggenommen, weil er das College geschmissen hat. Seit dem Aufbruch in die Entzugsklinik hat Lo nicht mit ihm geredet. Er ist allein und arm, und mein ganzes Geld hängt bei meiner Familie fest. Und sie wissen auch noch nichts von meiner Sucht. Ich möchte es ihnen nicht erzählen. Niemals.

Seine Miene verdunkelt sich, als es ihm wieder einfällt. „Dann denke ich mir was anderes aus.“

Die Scham, die meine Familie fühlen wird, wenn sie es herausfinden – der Schmerz und die Enttäuschung – ich ertrage es nicht, auch nur daran zu denken. Eine weibliche Sexsüchtige? Eine Schlampe. Ein männlicher Sexsüchtiger? Ein Held. Wie sehr werde ich die Firma meines Vaters mit diesen Neuigkeiten schädigen? Klar, nicht viele Leute außerhalb unseres sozialen Umfelds kennen meinen Namen oder wissen wer ich bin, aber könnte das für Schlagzeilen sorgen? Warum sollte es das nicht? Lily Calloway: Tochter des Gründers von Fizzle, eine Sexsüchtige und Hure.

Es ist pikant genug, um überall Klatschreporter zufriedenzustellen.

„Lo“, sage ich, als Tränen zu fallen drohen. „Ich hab Angst.“

Er umarmt mich und zieht mich an sich. „Alles kommt in Ordnung. Ich gehe nirgendwo hin.“

Ich klammere mich an seine Worte und wiederhole sie immer wieder, in der Hoffnung, dass das wirklich genug sein wird.

2

LOREN HALE

Ich umklammere die Flasche mit dem billigen Wodka am Hals. Ich kann nicht richtig denken. Meine Emotionen sind schwarz. Mein Herz auch bald. Meine langen Schritte sind mit unsäglichem Hass gefüllt. Ich laufe nicht. Ich gehe schnell die steile Auffahrt hoch, den Alkohol in der Hand, und ein millionenschweres Haus blickt mir entgegen.

Die Tür. Alles, was ich sehe, ist diese schwarze Tür und der Türklopfer aus Bronze.

Ich schlage hämmernd mit der Faust dagegen. Keine Antwort. Ich höre nicht einmal Schritte. „Aufmachen!“, brülle ich. Ich hämmere wieder und wieder gegen die Tür. Scheiß drauf.

Ich nehme die Flasche und schwinge sie. Das Glas zerbricht. Der Inhalt ergießt sich über die Tür, die Flüssigkeit tropft über den Türklopfer das schwarze Holz hinunter und läuft unter meine Schuhe.

„Verfickte Hölle“, flucht Ryke hinter mir. „War das nötig?“

Die Tür fliegt auf.

„Ja.“

Ich sagte Ryke, dass er im Auto warten soll, und ich erwähnte, dass die einzige Möglichkeit, wie Aaron Wells aus dem Haus seiner Eltern kriechen würde (wie die Ratte, die er ist), darin besteht, dass ich damit beginne, seine Sachen kaputtzumachen. Angefangen mit dieser Tür. Ich war darauf vorbereitet, mit seinem BMW weiterzumachen – eine Glasscherbe, um damit die Motorhaube zu verzieren. Jetzt muss ich nicht so weit gehen.

Aber ich bin nicht überrascht, dass Ryke am Straßenrand parkte und mir den Hügel hinauf folgte. Er macht das gern – rennt mir nach und stellt sicher, dass ich mich nicht selbst zerstöre. Das ist normalerweise Lilys Aufgabe, und an jedem anderen Tag hätte ich sie bevorzugt. Aber nicht heute.

Nicht, wenn ein alter Scheißkerl von unserer Privatschule eineinhalb Meter vor mir steht.

Er hat dunkelblonde, praktisch braune, Haare, blaue Augen und dieses selbstgefällige Dalton Academy-Lächeln, an das ich mich so gut erinnere. Er ist der erste Kerl, der mir einfiel, als wir die SMS erhielten. Was ich ihm damals auf der Privatschule angetan habe, war ziemlich mies, aber unsere Rivalität hätte niemals Lily inkludieren sollen. Und er sollte sie jetzt nicht schikanieren.

Aaron begutachtet das zerbrochene Glas. „Ich sollte nicht überrascht sein. Das Zeug stinkt genauso wie du.“

Ryke ist dabei, einen Schritt nach vorn zu machen, und ich ergreife ihn am Arm, um ihn aufzuhalten. Wir werden Wells nicht schlagen, so gern ich das auch möchte. Das hier ist nicht diese Art von Kampf.

„Ich hab dich schon mal getroffen“, sagt Aaron und mustert Ryke von seinen dunklen Haaren bis zu seinen schlanken Muskeln, die meinen so ähnlich sind. „Wo war das noch mal?“ Er täuscht Verwirrung vor.

Ryke starrt ihn finster an. „Ich hätte deine verfickte Fresse polieren sollen.“

Als ich hörte, was während meiner Abwesenheit passiert ist, wünschte ich mir wirklich, dass Ryke das getan hätte.

Lilys Mutter hat sie auf einer Firmenfeier mit Aaron zusammengetan, und er bedrohte Lily den ganzen Abend über und sagte ihr im Prinzip, dass er sie fertigmachen würde, um sich an mir zu rächen. Warum? Weil er mich hasst. Es gibt keinen anderen Grund dafür. Und ich musste diese Nachricht in der verdammten Entzugsklinik hören, wo ich nicht das Geringste dagegen unternehmen konnte. Jetzt, wo er zu Phase zwei übergegangen ist – irgendwie hat er von ihrer Sexsucht erfahren und will Geld –, bin ich hier, bereit, mich mit ihm auf die gleiche Art anzulegen, wie er es mit ihr getan hat.

„Oh richtig“, sagt Aaron ohne Zeit zu verlieren, „ich war Lilys Date bei dieser Fizzle-Veranstaltung, und du bist wie ihr strahlender Ritter aufgetaucht, während der hier auf Entzug war.“ Er zeigt mit dem Kinn auf mich. Und ich verziehe innerlich das Gesicht bei der Erinnerung, dass Ryke in den vergangenen drei Monaten für Lily da war und nicht ich.

Aber das hier ist genau der Grund, weshalb ich weiß, dass Aaron diese SMS geschickt hat. Er machte vor kurzem deutlich, dass er mit mir herumspielen will, indem er es über Lily versucht und damit unsere alte Rivalität wieder heraufbeschwört.

Dieses Spiel können auch zwei spielen.

„Danke, dass du sie begleitet hast“, erkläre ich ihm. „Sie hat gesagt, dass es furchtbar war, den ganzen Abend deine hässliche Fratze anzuschauen, aber ich denke, wir wissen alle, dass du nicht da warst, um sie zufriedenzustellen.“ Meine zweischneidigen Worte lassen sogar mich zusammenzucken. Ich denke nicht gern daran, dass ein anderer Mann Lily zufriedenstellt. Nicht einmal, bevor wir ein echtes Paar wurden. Und ganz bestimmt nicht danach.

Mein Herz schlägt so verflucht schnell. Glas knirscht, als ich einen Schritt auf ihn zumache.

Er versteift sich, und ich warte ab, ob er die Eier hat, mich zurückzustoßen.

Nö. Ich ergreife meine Chance und quetsche mich zwischen den Türrahmen und seinen erstarrten Körper. Er sieht mich direkt an. Auge in Auge. Und ich lasse mich selbst in sein Haus.

„Wow, hier hat sich gar nichts verändert“, sage ich und gehe weiter. Ich betrachte die hohen Decken und den Marmorfußboden. Ryke folgt mir, und Aaron schließt mit einem hochgezogenen Mundwinkel die Tür hinter uns. Ich zeige auf die Kellertür neben der Küche. „Sollen wir eine Flasche Wein aufmachen?“

Seine Augen blitzen mörderisch.

„Vielleicht auch nicht.“

Ryke bleibt zurück, doch falls Aaron auch nur eine Faust hebt, wird er an meiner Seite sein. Diese Art von Unterstützung fühlt sich gut an. Ich hatte so etwas noch nie. In meiner Kindheit ertrug ich entweder die Schläge oder fand einen Ausweg. Bei Schlägereien war es immer ich gegen eine Million. Niemand stand in meiner Ecke. Ich ließ nicht zu, dass Lily sich einmischte, und wenn sie es doch tat, lag es an Typen wie Aaron, die sie in dem Wissen, dass sie meine beste Freundin war, hineinzogen.

Sie wollten ihr das Leben schwer machen, nur um an mich heranzukommen.

Und das wird nicht passieren.

Aaron beobachtet mich genau.

„Wer ist noch zu Hause?“, frage ich ihn.

„Niemand“, sagt er mit ausdrucksloser Miene.

Ich glaube ihm nicht. „Deine Eltern sind übers Wochenende in Barbados.“ Danke, Connor Cobalt, dass du technisch so bewandert bist.

Aaron stieß ein trockenes Lachen aus. „Hat dein Vater das für dich herausgefunden?“

Oh ja, Ryke war nicht derjenige, der Aaron auf der Fizzle-Veranstaltung verscheuchte. Wie mir Lily sagte, hatte sie den ganzen Abend lang versucht, Aaron auszuweichen, bis mein Vater kam und sie rettete. Das muss man meinem Dad lassen, er ist hervorragend darin, jemandem lähmende Angst einzujagen. Lily sagte, dass Aaron danach fluchtartig die Veranstaltung verließ. Er machte nie wieder einen Mucks. „Mein Vater hat mir nicht geholfen herauszufinden, wer bei dir zu Hause ist“, sage ich, „aber ich sollte ihn anrufen und dafür danken, dass er dich mit seinen Worten belästigt hat.“

„Du bist ein verdammt kranker Mann“, sagt Aaron. „Weißt du das?“

Ich fange gerade erst an. „Julie!“, rufe ich. „Julie, komm raus, komm raus!“

Ryke steht unschlüssig hinter mir. Er hat mich bereits in dieser Stimmung erlebt. Für gewöhnlich griff ich ihn an. Mache ich noch immer. Die ganze Zeit. Aber das hier ist anders. Ich werde von einem so tiefen Hass angetrieben, dass ich kaum Luft bekomme.

Aaron schaut zögerlich zur Galerie über der Doppeltreppe. Das Haus wurde nur aufgrund dieser Eingangshalle für Debütantinnenbälle ausgesucht.

„JULIE!“, brülle ich.

Aaron macht einen Schritt auf mich zu, die Hand ausgestreckt, als ob er in Frieden kommen würde. „Hey, ich hab deinem Vater gesagt, dass ich Lily in Ruhe lasse, okay? Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Ich halte mich daran. Seit der Veranstaltung hab ich absolut nichts mit ihr zu schaffen.“

„JULIE!“

Oben knallt eine Tür.

Aaron redet schneller: „Ich war an dem Abend total sauer. Ich hatte mich für einen Job beworben, und sie haben meine Bewerbung abgelehnt. Wegen dir bekam ich nicht einmal ein Vorstellungsgespräch.“

„Du gibst mir die Schuld?“ Ich sehe ihn finster an. Mit der Hilfe meines Vaters hatte ich sein Traumcollege angerufen und brachte den Dekan dazu, sich Wells genauer anzusehen. Ehe er sich versah, ging er aufs College seiner zweiten Wahl, weil er nicht mal auf der Warteliste von der Schule gelandet war, wo er glaubte, ganz sicher einen Platz zu haben. Wir lenkten seine Zukunft in eine neue Bahn.

„Ich kann mit den Absolventen der Eliteunis nicht mithalten. Jetzt muss ich für meinen Vater arbeiten.“

Ein Paar Füße trippeln über den ersten Stock.

„Mach das nicht“, sagt Aaron mit einem höhnischen Grinsen, aber er bettelt bereits. „Ich hab Lily nur ein bisschen erschreckt. Ich hätte sie nie zu etwas gezwungen. Das schwöre ich.“ Gott sei Dank hatte er nie Sex mit ihr. Falls ich auf einen ihrer ehemaligen Liebhaber treffe, weiß ich nicht, wie ich reagieren würde.

„Das machst du doch dauernd, nicht wahr?“, sage ich. „Du erschreckst sie. Nun, besorg dir eine Mitgliedskarte für diesen Club, Aaron. Bald wirst auch du verfluchte Todesangst haben.“

Wie aufs Stichwort umklammert ein Mädchen mit denselben dunkelblonden Haaren das Geländer der Galerie und beugt sich darüber, um mich anzustarren. „Loren Hale.“

„Julie, geh wieder auf dein Zimmer“, befiehlt Aaron ihr mit Angst in der Stimme.

„Was bin ich, vier?“, faucht sie. Sie trägt dunklen Lippenstift und eine Tonne Kajal. Sie ist sein Zwilling. Und ein Mädchen, das ich mit sechzehn wohl ein oder zwei Mal gevögelt habe, kommt auf den Tag drauf an. Der Unterschied zwischen Lily und mir ist, dass ich tatsächlich mit Julie zusammen war (ganze zwei Wochen lang), zu einem Zeitpunkt, als ich mich nicht in einer vorgetäuschten Beziehung mit meiner besten Freundin befand.

Lily hingegen fickt einen Typen ein einziges Mal und zieht dann weiter.

Und nach einem langen, langen Kampf wurde ich schlussendlich ihre einzige Ausnahme.

„Hi, Julie“, sage ich. „Kannst du kurz herunterkommen?“

„Worum geht’s?“ Sie sieht zwischen Aaron und mir hin und her, bemerkt Aarons steife Haltung. „Aaron, es ist Jahre her, dass ich mit Lo zusammen war. Ernsthaft, komm drüber weg.“ Aber sie liegt falsch. Unser Streit fing nicht an, weil ich kurz mit ihr zusammen war. Sie war nur Munition in meiner Waffe. Eines der Dinge, die ich benutzte, um ihm wehzutun. Seine Schwester zu vögeln – das war der leichteste Trick, mit dem ich arbeitete. Etwas, was mein Vater getan hätte. Etwas, was ich hasste. Ich ertrage die Erinnerung kaum.

Ich danke einfach Gott, dass Julie genauso erbärmlich wie ihr Bruder und ich ist. Sie benutzte mich genauso wie ich sie benutzte – sie wollte sich an ihrem Ex-Freund rächen. Es machte ihm nicht so viel aus, wie sie gehofft hatte.

„Julie“, fahre ich sie an. „Komm her. Sofort.“ Ich mach hier nicht lange rum. Naja, irgendwie doch, aber ihr solltet Aarons Gesicht sehen. Er macht sich gleich in die Hosen. Er hat keine Ahnung, was ich tun werde. Zum Teufel, nicht mal ich selbst weiß, was ich tun werde. Ich weiß nur, dass seine Familie sein wunder Punkt ist, genauso wie Lily meiner ist.

Sie kommt barfuß die Treppe herunter. Ihr neugieriger Blick landet auf Ryke. „Du bist heiß.“

„Julie“. Aaron erschauert.

„Kann ich dein Handy sehen?“, frage ich Aaron. Jetzt, wo Julie da ist, wird er mehr als nur gewillt sein, es mir zu geben. Sie ist eine Ablenkung und eine Warnung.

Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen. „Wozu?“

„Gib’s mir einfach.“

Julie seufzt schwer, als ob sie das alles langweilt. „Jetzt gib ihm schon das Handy, Aaron.“

Aaron holt das Handy aus seiner Tasche und überreicht es mir. Ich scrollte durch seine alten SMS und versuche herauszufinden, ob meine Nummer irgendwo gespeichert ist. Aber das ganze Ding ist leer.

„Warum hast du alle SMS gelöscht?“

„Das mache ich immer“, sagt Aaron. „Meine Mutter überprüft gern mein Handy.“

„Du bist zweiundzwanzig.“ Er ist kein Teenager mehr, der Erlaubnis braucht, um bei einem Freund zu übernachten. Er ist erwachsen.

„Und? Das ändert nichts daran, dass sie neugierig ist.“

Ich glaube ihm nicht. Ich kann nicht.

„Wie heißt du?“, fragte Julie Ryke und beißt sich auf die Lippe, als ob ihn das in die Knie zwingen wird.

„Ryke“, sagt er.

„Ryke, woher kennst du Loren?“

„Er ist mein Bruder.“

Ihre Brauen schießen hoch. „Wow, ich wusste nicht, dass er einen Bruder hat.“

„Ich auch nicht“, sage ich und drücke Aaron das Handy wieder in die Hand. „Hast du ein anderes Handy benutzt? Ein Wegwerfhandy?“

„Wovon zum Teufel redest du?“, sagt Aaron mit großen Augen. „Ich hab weder dir noch Lily irgendwas getan. Ich hab dir doch gesagt, dein Vater …“

„Ich glaube dir nicht“, sage ich, auch wenn ich mir nicht sicher bin, was ich glauben soll. Er könnte lügen. Von allen, die ich kenne, ist er der wahrscheinlichste Kandidat, um Lily zu bedrohen. Wenn ich es hier und heute beenden kann, dann werde ich das tun.

„Du hast deinen verfickten Verstand verloren!“, schreit Aaron.

Ryke tritt zu meiner Verteidigung vor. „Sagt der Mann, der zwei Stunden damit zubrachte, ein Mädchen durch einen Ballsaal zu jagen und sie in Todesangst zu versetzen.“

„Wow“, sagt Julie, „du bist sexy, wenn du sauer bist.“

„Julie!“, brüllt Aaron. „Verschwinde. Sofort. Hau endlich ab.“