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Nr. 670

 

Das Sonnen-Tabu

 

Der Befreiungskampf der Paudencer

 

von Peter Terrid

 

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Es geschah im April 3808. Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Atlan und seinen Helfern und Anti-ES ging überraschend aus. Die von den Kosmokraten veranlasste Verbannung von Anti-ES wurde gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti-ES entstand ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert.

Die neue Sachlage gibt Anlass zum Optimismus, zumal auch in der künstlichen Doppelgalaxis Bars-2-Bars endgültig der Friede einkehrt. Für Atlan jedoch ist die Situation alles andere als rosig. Der Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst, ohne die er nicht den Auftrag der Kosmokraten erfüllen kann, wird ihm nun durch Chybrain vorenthalten. Ob er es will oder nicht, der Arkonide wird verpflichtet, die Namenlose Zone aufzusuchen.

Inzwischen schreibt man den September des Jahres 3808. Trotz der Vernichtung des Junk-Nabels, des letzten Übergangs zwischen Normaluniversum und Namenloser Zone, gibt es mit Hilfe der BRISBEE-Kinder die Möglichkeit, dennoch in dieses Raumgebiet zu gelangen.

Dort – so weiß man inzwischen – verkörpern die Zyrtonier die eigentliche Macht. Und gegen diese negativen Wesen tritt Atlan erneut an. Der Arkonide führt eine beachtliche Streitmacht heran, denn er ist entschlossen, eine Wende zum Positiven herbeizuführen.

Im entgegen steht DAS SONNEN-TABU ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide durchlebt die Vision vom Ziel der SOL.

Ziir-Tinc – Emulator der Walgonier.

Raan-Mar und Ollon-Tur – Anhänger des Emulators.

Daan-Bar – Mitglied des Herrschaftsrats der Walgonier.

Daug-Enn-Daug und Borallu – Sie üben Einfluss in der Namenlosen Zone aus.

1.

 

»Der Tag wird kommen«, beteuerte Ziir-Tinc. »Ich schwöre es euch.«

Der Emulator betrachtete die Gesichter seiner Zuhörer. Es waren Freunde, die ihn ansahen, Walgonier, die durch zwei Bande zusammengehalten wurden – durch ihren unerschütterlichen Glauben an Paudenc und durch die Tatsache, dass sie Freiheit und Leben verlieren konnten, wenn es jemals ruchbar werden sollte, dass sie anderen Glaubens waren als ihre Mitbewohner des Systems der Doppelsonne.

Der Emulator konnte sehen, dass seine Zuhörer ihm nicht recht glauben wollten. Verwunderlich war es nicht.

Viele Generationen waren auf den beiden Walgon-Planeten aufgewachsen, hatten gelebt und gearbeitet und waren gestorben, ohne dass sich irgend etwas geändert hätte. Und nun sollten ausgerechnet sie den Tag der Befreiung erleben?

»Ich weiß, dass es unglaublich klingt«, sagte Ziir-Tinc. »Aber bedenkt, der Tag, von dem ich spreche, kehrt nur in Abständen von Jahrtausenden wieder. Was sich zugetragen hat in ferner Vergangenheit, wissen wir nicht mehr. Diese Geheimnisse werden vom Herrschaftsrat sorgsam gehütet, und selbst uns ist es nicht möglich gewesen, darüber etwas Genaues zu erfahren. Aber eines wissen wir alle sehr genau – bei der letzten Wiederkehr dieses Tages brach das Verhängnis über unser Volk herein. Seither sind wir gefangen, eingesperrt und unterdrückt. In sehr kurzer Zeit wird sich das Ereignis wiederholen, das jenen Tag kennzeichnet – und dieses Mal wird es das Ende unserer Sklaverei herbeiführen.«

Raan-Mar, eine Frau mittleren Alters, stand auf. »Ich glaube dir«, sagte sie mit lauter Stimme und sah sich dabei herausfordernd um. Einige Köpfe wurden zustimmend bewegt. »Aber wenn jener Tag tatsächlich kommt und eine Wende zum Guten bringt – wofür sollen wir uns dann anstrengen? Wofür gehen wir die Gefahren ein, die mit unserem Glauben verbunden sind?«

Der Emulator breitet die Arme aus.

»Nichts geschieht von allein. Der Tag ist der Zeitpunkt, zu dem wir unsere Kraft zusammenfassen und handeln müssen. Tun wir es nicht, wird sich auch nichts ändern an unserem Elend. Überlegt euch die Sache, wenn ihr in eure Unterkünfte zurückkehrt. Wir treffen uns in einer Woche an der gleichen Stelle.«

Die Versammlung, einhundertsiebzig Köpfe stark, löste sich auf. Einzeln verließen die Mitglieder den Raum, schlüpften durch das System von Gängen und Rohren und tauchten an unterschiedlichen Stellen an der Oberfläche des Planeten wieder auf. Niemand, der sie wenig später über die Straßen gehen sah, konnte ahnen, dass sie sich kurze Zeit vorher zu einer verbotenen Versammlung getroffen hatten.

Raan-Mar war zurückgeblieben, sie wollte noch mit dem Emulator reden. Sie bot Ziir-Tinc von ihren Genusspastillen an, aber der Emulator lehnte freundlich ab.

»Ich muss einen klaren Kopf behalten«, sagte er. Raan-Mar zuckte mit den Schultern und steckte die kleine Schachtel wieder weg. Die Wirkung des Euphorikums trat rasch ein, Raan-Mars Augen begannen leicht zu glänzen.

»Du sprichst immer wieder von diesem Tag, ohne uns zu sagen, wodurch er sich von den anderen Tagen unterscheiden wird«, sagte sie dann.

»Es hat mit Sternenzauberei zu tun, weißt du?«, antwortete Ziir-Tinc.

»Ich habe es mir gedacht«, antwortete Raan-Mar. »Unser ganzes Leben wird von Sternenzauberei beeinflusst.«

»Es ist so, wenn ich den Oberzauberer unserer Organisation richtig verstanden habe: Wir leben in einem Sonnensystem, das zwei Sonnen hat, die Große Gaulat und Paudenc.«

»Das weiß jedes Kind«, gab Raan-Mar zurück. »Während der Herrschaftsrat behauptet, dass die Große Gaulat unser Leben beeinflusst, behaupten wir, dass es vor allem Paudenc ist. Und aus diesem Grund nennen wir uns Paudencer und die anderen Gaulater, obwohl wir alle Walgonier sind.«

»Und auf zwei Planeten leben, die diese beiden Sonnen umkreisen. Und diese beiden Sonnen wiederum kreisen um einen Kraftpunkt zwischen ihnen. Wir stehen auf Walgon II, dem äußeren Planeten, und der Herrschaftsrat hat seinen Sitz auf Walgon I. Auch das ist bekannt. Aber nur in den Schulen für Sternenzauberei kann man erfahren, dass die Bahnen dieser Planeten um die beiden Sonnen nicht immer gleich sind.«

Ziir-Tinc suchte nach Möglichkeiten, das bildlich auszudrücken, was er wusste.

»Genaugenommen bewegen sich alle Himmelskörper in unserem System um den Kraftpunkt. Die beiden Sonnen tun es sehr nahe, die beiden Planeten weiter weg. Und ihre Umlaufbahnen drehen sich auch – die von Walgon I in der einen Richtung, die von Walgon II in der anderen Richtung. Stell dir vor, du hast einen Reifen, wie ihn Kinder zum Spielen benützen. Stell dir weiter vor, du hast einen zweiten, kleineren Reifen. Nun legst du beide Reifen auf den Tisch, den kleinen in den größeren hinein, aber so, dass der Abstand zwischen beiden Reifen überall gleich ist. Dann gehst du hin und spießt diese beiden Reifen auf einen langen dünnen Spieß.«

An Raan-Mars linkem Gesicht konnte Ziir-Tinc ablesen, wie es der Frau schwerfiel, diese Vorstellung aufzufassen. Innerlich murmelte Ziir-Tinc eine Verwünschung.

Wenn das verhasste System des Herrschaftsrats erst beseitigt war, musste als erstes ein Gesetz erlassen werden, das die Trennung der Nervenverbindung zwischen den beiden Gehirnen eines Walgoniers unter Strafe stellt. Bei Raan-Mar waren die Folgen dieser Operation, die gewöhnlich kurz nach der Geburt vorgenommen wurde, sehr deutlich zu sehen. Mit dem linken Gehirn konnte die Frau die Tatsachen, die Ziir-Tinc ihr vortrug, einwandfrei verarbeiten. Es war die Gehirnhälfte, die für logisches Denken zuständig war, auch für die Verbalisierungsfähigkeit und andere intellektuelle Aufgaben. Die rechte Hirnhälfte hingegen war für bildliches, symbolisches Denken zuständig, für Empfindungen und die Wahrnehmung von ganzheitlichen Gestalten. In diesem Schädel war jetzt das Bild von den Reifen angekommen und wurde dort verstanden – aber wegen der Komissurotomie war sie nur mit Mühe imstande, von diesem Bild zu abstrahieren und die Regeln der Sternenzauberei hinter dem symbolisch Dargestellten zu erkennen.

»Ich glaube, ich begreife es allmählich«, sagte Raan-Mar.

»Nimm die beiden Reifen jetzt vom Tisch. Du kannst den inneren Reifen um die Achse des Spießes drehe, den äußeren auch – und zwar beide in unterschiedlicher Richtung.«

Wieder musste Ziir-Tinc seinem Gegenüber Zeit lassen, das Bild zu verarbeiten.

»Ich habe es. Und auf die gleiche Weise bewegen sich auch Walgon I und II um den Kraftpunkt?«

»Ihre Bahnen entsprechen den Kreisen. Kannst du dir zwei dicke Perlen vorstellen, die sich auf diesen beiden Reifen bewegen? Das sind die beiden Planeten. Manchmal sind sie sich sehr nah, manchmal sind sie sehr weit entfernt. Und einmal in vielen tausend Jahren passiert es, dass nicht nur die beiden Planeten so nahe beieinanderstehen wie möglich, sondern dass die Achse – der Spieß aus dem Bild – auch durch beide Sonnen und den Kraftpunkt hindurchführt. Die Sternenzauberer nennen dieses Ereignis die Große Magische Synopse

»Es fällt mir schwer, aber ich glaube, ich habe es verstanden. Und was passiert dann?«

»Beim letzten Mal hat die Reihenfolge der Himmelskörper so ausgesehen, von außen nach innen: Walgon II, dann Walgon I, dann Gaulat, dann der Kraftpunkt und dann erst Paudenc. An diesem schrecklichen Tag geschah es, dass unser Volk von unbekannten Mächten eingesperrt wurde, in die Barriere der Ewigkeit, denn damals war am Himmel über den Planeten nur eine Sonne zu sehen, die Große Gaulat. Es ist ein Tag des Unheils gewesen.«

Raan-Mars Augen weiteten sich.

»Und beim nächsten Mal wird Paudenc vor Gaulat stehen, nicht wahr? Dann wird unsere Sonne den Haupteinfluss auf unser Leben nehmen, und wir werden frei sein.«

»So wird es sein«, stimmte der Emulator zu. »Aber sprich mit niemandem darüber. Es gibt nur wenige, die die magischen Zusammenhänge dieses Tages kennen.«

Raan-Mar nickte eifrig mit beiden Köpfen.

Der Emulator lächelte, obwohl ihm danach nicht zumute war. Seine Aufforderung, diese Geheimnisse nicht auszuplaudern, würde ohnehin nur ein paar Tage wirksam sein. Danach würde höchstwahrscheinlich passieren, was Ziir-Tinc schon Hunderte von Malen erlebt hatte.

Das gerade Begriffene würde sich in den Gehirnen von Raan-Mar wieder auflösen in einen analytisch-sternenzauberischen Teil und ein deutliches Bild von Reifen und Perlen, aber es würde Raan-Mar unmöglich sein, diese beiden unterschiedlichen Aspekte der Wirklichkeit wieder zusammenzusetzen. Selbst in den scheußlichen Verhörkammern der Tabu-Jäger würde sie nichts ausplaudern können. Entweder würde sie den Folterern etwas Wirres von Reifen und Perlen erzählen, oder sie würde schweigen, weil sie nicht in der Lage war, ihr Wissen um die Zusammenhänge so auszudrücken, dass man sie verstehen konnte.

Überaus begeistert davon, dass sie nun Geheimnisträgerin war, machte sich Raan-Mar auf den Heimweg. Sie hatte zwei Männer und sieben Kinder zu versorgen und musste sich jede Stunde, die sie bei den Versammlungen der Paudencer verbrachte, von ihrer kargen Freizeit gleichsam absparen. Ihr Mann war ein sehr entschiedener Gaulater, obendrein im Staatsdienst angestellt und damit gleichsam von Amts wegen zu einer einzigen Betrachtungsweise der Wirklichkeit verurteilt.

Auch Ziir-Tinc machte sich auf den Heimweg.

Der Abend senkte sich über Hulth, die größte Stadt des Planeten Walgon II. Auf den Straßen waren viele Walgonier unterwegs, darunter viele Frauen, die alle vier Hände voll Waren hatten.

Das musste man dem Herrschaftsrat lassen, er sorgte dafür, dass kein Walgonier darben musste. Das Zuteilungssystem war perfekt. Die Verkehrssysteme funktionierten, und der Pendeldienst der Fähr- und Transportschiffe von Walgon I nach Walgon II funktionierte sekundengenau.

Sieben Milliarden Walgonier lebten auf den beiden Welten, drei Milliarden auf Walgon II, vier Milliarden auf dem inneren Planeten. Von den drei Milliarden Bewohnern von Walgon II tendierten inzwischen zwei Drittel zum Glauben der Paudencer, auf Walgon I, wo der Herrschaftsrat saß, waren die Verhältnisse nicht so gut, dort waren drei Viertel der Bevölkerung Gaulater, darunter natürlich der gesamte Behördenapparat.

Ziir-Tinc seufzte leise, als er an der Kreuzung stehen blieb. Neben ihm bauten sich andere Walgonier auf, die gleich ihm auf das Lichtsignal warteten, das den Weg für die Fußgänger freigab.

Selbst Ziir-Tinc als Emulator fiel immer wieder darauf herein – auch er reagierte beim Anblick eines Stoppsignals völlig automatisch. Das Signal war nicht ohne Grund für das rechte Gehirn bestimmt, wurde dort wahrgenommen und befolgt, als handele es sich um ein eigenes, inneres Bedürfnis stehen zu bleiben. Nur geschulte Zweidenker waren in der Lage, hinter dem Farbsymbol den abstrakten Befehl von oben zu sehen, den Zwang, der ausgeübt wurde.

Als das Signal umsprang, marschierte Ziir-Tinc ebenso automatisch los wie seine Nebenleute; jedes andere Verhalten wäre sehr auffällig gewesen.

Gewohnheitsmäßig sah sich Ziir-Tinc um. Er wusste, dass überall Tabu-Jäger unterwegs waren, um Abtrünnige aufzuspüren und festzunehmen. Wer es wagte, die offizielle Lehre vom Primat Gaulats anzutasten, das Sonnen-Tabu in Frage zu stellen, der riskierte Haft, Zwangsarbeit und im schlimmsten Fall den Tod. Ziir-Tinc machte sich keine Illusionen – falls man ihn aufgreifen sollte, war er dem Tod verfallen.

Ziir-Tinc sah hinauf zum Himmel, bevor er das Wohnhaus betrat, in dem er lebte.

Beide Sonnen waren am Himmel zu sehen. Paudenc wirkte etwas größer, weil die Sonne näher stand. Ihr Licht war rein und weiß. Hinter ihrem rechten Rand strahlte das unangenehme Grün von Gaulat. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann würde Paudenc Gaulat völlig verdecken. Dann war die Endzeit für die Gaulater gekommen – in einigen Tagen standen dann auch die beiden Planeten richtig.

Ziir-Tinc versuchte sich den Augenblick vorzustellen.

Am Himmel die strahlend weiße Sonne Paudenc, die das grüne Ungeheuer Gaulat völlig abdeckte. Und dann würde der Schatten des inneren Planeten anfangen über die Sonnenscheibe zu wandern. Beim bloßen Gedanken an dieses Bild spürte Ziir-Tinc Schauer der Erregung über seinen Körper laufen.

Aber es würde viel Arbeit und Mühe kosten, den Umsturz an diesem Tag durchzuführen. Die Tabu-Jäger des Herrschaftsrats waren nicht zu unterschätzen, immer wieder gerieten ihnen Paudencer in die Finger und verschwanden auf Nimmerwiedersehen.

Ziir-Tinc ließ sich vom Antigravschacht hinauftragen in das siebenunddreißigste Stockwerk des Hauses. Er liebte es, abends von seiner Wohnung aus die Stadt zu überblicken und sich vorzustellen, wie man dieses Bild ändern könnte.

Hulth war unter der Herrschaft der Gaulater kalt und hässlich geworden. Ziir-Tinc hatte einige spärliche Unterlagen sehen können, die ihm gezeigt hatten, wie die Stadt vor vielen Jahrtausenden einmal ausgesehen haben musste.

Damals hatte es kein Geradenmuster gegeben, das die Stadt in exakt gleiche Viertel und Wohnblocks zerschnitt. Auch die konsequente Aufgliederung der Riesenstadt hatte es damals noch nicht gegeben. Jetzt aber konnte Ziir-Tinc von seinem Fenster aus sehen, dass im Arbeitsviertel fast alle Lichter gelöscht worden waren. Das Einkaufsviertel war noch zur Hälfte beleuchtet, während im Amüsierviertel die Lichter gerade angingen.

In der Verwaltungssektion waren ebenfalls noch einige erleuchtete Fenster zu sehen, aber Ziir-Tinc wusste, dass es sich um Betrug handelte. Die Staatsbediensteten waren längst in ihren Wohnungen. Die Lichter sollten der Bevölkerung lediglich vortäuschen, dass die Verwaltung selbst in den Abendstunden noch für das Wohl der Walgonier arbeitete. Die einzige Behörde, in der um diese Zeit tatsächlich noch gearbeitet wurde, war das Tabu-Silo, ein fensterloser Betonklotz. Dort wurde zu jeder Tages- und Nachtzeit gearbeitet, das hieß: verhört, gefoltert, ohne Urteil bestraft. Unablässig waren die Tabu-Jäger auf Beutesuche. Sie wurden nach ihrem Erfolg bezahlt, infolgedessen schleppten sie immer neue Verdächtige in die Verhörmühlen des Tabu-Silos.

Der Herrschaftsrat hatte sich eine ganz besondere Bosheit einfallen lassen, die im Tabu-Silo praktiziert wurde. Dank der ebenso barbarischen wie perfekten Verhörmethoden konnten Gaulater von Paudencern sehr zuverlässig unterschieden werden – und die Tabu-Jäger ließen Unschuldige in jedem Fall frei. Diese Tatsache beeindruckte viele Gaulater so sehr, dass sie darüber das Schicksal der Paudencer, die in keinem einzigen Fall freigelassen wurden, völlig vergaßen. Systematisch trieb so die Staatsführung einen Keil in die Bevölkerung, und sie war erfolgreich damit.

Es wurde rasch dunkel. Ziir-Tinc zog das Gewand aus und setzte sich auf das Bett. Er nahm eine Meditationshaltung ein und versenkte sich in die Innenschau.

Nur durch hartnäckiges und intensives Training war es möglich, die Folgen der Komissurotomie wenigstens teilweise zu beseitigen und die volle Denkkraft zurückzuerhalten.

Ziir-Tinc spürte, wie sich seine Muskeln entkrampften und schlaff wurden. Seine Atemfrequenz senkte sich, der Atem wurde tiefer.

Jeden Gedanken einfach verwehen lassend, ohne sich mit ihm zu beschäftigen, versenkte sich Ziir-Tinc tiefer und tiefer.

Maßloser Schreck durchfuhr ihn, als er zu halluzinieren begann. Es war, als melde sich in ihm eine fremde Stimme.

Ziir-Tinc holte tief Luft und brach die Meditation ab.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte er sich. Er trank etwas, ging unruhig in seiner Wohnung auf und ab.

»Versuchen wir es«, stieß er schließlich hervor und nahm wieder eine Meditationshaltung ein.

Diesmal zögerte er den Entspannungsprozess hinaus. Er wollte ganz genau herausspüren, in welcher Phase sich diese unheimliche Stimme zu melden begann.