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Table of Contents

Vorwort

Die Feuerkieke

Vogel Eibitu

Thomas im Hexenhaus

Das Moorprinzesschen

Prinz Elfried

Die Tulpen

Die schöne Weberin

Der Igel und die Schulhausmaus

Der Uhrschlüssel

Die wunderbare Muschel

Der Hexenkoffer

Däumerlings Weihnachtsfeier

Däumerlings Weltumsegelung

En Korf vull Knackwuß

Vorwort / über Berthold Reichel

Herdecke, 28.08.2019

 

Berthold Reichel begleitet mich seit meiner frühesten Kindheit. Meine Mutter saß oft bei mir oder meinen Geschwistern am Bett, um uns Geschichten vorzulesen. Dazu zählten natürlich bekannte Märchen der Gebrüder Grimm oder die fantastischen Abenteuer der Pippi Langstrumpf. Manchmal kam es aber auch vor, dass Mama ein Buch von „Opa selig“ mit ins Kinderzimmer nahm. Schon früh erfuhr ich, dass der geheimnisvolle Opa nicht „Selig“ mit Vornamen hieß, sondern Berthold. Und dass es mich um meinen Urgroßvater handelte, den selbst mein Vater und seine Geschwister nicht mehr kennenlernen konnten. Mein Vater ist Jahrgang 1941, sein großer Bruder war kaum älter – und Berthold Reichel verstarb 1936. Wahrscheinlich rührte daher die Formulierung „Opa selig“: Eben der Opa, der nicht mehr unter den Lebenden weilte, aber weiterhin ein fester Teil der Familie blieb. Kein Wunder, bei dessen ungeheurer Kreativität und Schaffenskraft, die er in seinem viel zu kurzen Leben unterzubringen wusste.

 

Berthold Reichel wurde am 23.08.1881 in Bordesholm geboren und wuchs anschließend in Rendsburg auf. Früh muss er sich für den Beruf des Lehrers entschieden haben, zu dem er in Apenrade (heute dänisch Åbenrå) und Eckernförde ausgebildet wurde. Als solcher arbeitete er kurzzeitig in Prinzenmoor und Neumünster. 1913 kam er dann als Mittelschullehrer für Biologie, Kunst, Musik und Englisch nach Kappeln an der Schlei.

Als fantasievoller, vielseitig interessierter junger Mann begann er schon früh, Märchen, Geschichten und Gedichte niederzuschreiben. Es gibt auch einige Lieder, deren Melodien und Texte von Berthold Reichel stammen.

Die Kriegsjahre 1914 bis 1918 war er Soldat. Sein Talent im Anfertigen von Scherenschnitten hatte er wohl schon Jahre vor Kriegsbeginn entdeckt und muss bald schon sehr geschickt darin gewesen sein. Das Schneiden wurde jedenfalls zu einem so wichtigen Hobby, dass er Schere und Papier mit an die Front nach Flandern und Frankreich nahm. Womöglich, so lassen sich Auszüge seiner ebenfalls dort entstandenen, schriftlichen Kriegserinnerungen interpretieren, erntete er dafür anfangs einigen Spott seiner Kameraden. Spätestens, als er Wartezeiten im Schützengraben damit überbrückte, ebenjene mit Papier und Schere zu portraitieren, erwiesen sie ihm aber höchsten Respekt. Doch schon jetzt waren es nicht nur Portraits, sondern Tiere, Eindrücke aus der Natur, Tiere, Hexen, Nymphen und allerlei andere Fabelwesen, die er zu Papier brachte. Der Hintergrund dafür ist rasch erklärt: Im Schützengraben erinnerte sich Berthold gerne an seine Geschichten und unterhielt damit seine Kameraden. Vielleicht ist ihm dabei der Gedanke gekommen, dass bebilderte Geschichten besser funktionieren als solche, die aus reinem Text bestehen. Womit er den richtigen Riecher gehabt haben dürfte, denn ich war schon immer begeistert vom zeitlosen und oftmals sehr naturnahen Charakter seiner Scherenschnitte.

Nach dem Krieg half ihm sein Talent, das inzwischen erworbene Kappelner Haus abzuzahlen und die Familie zu ernähren. Denn als Mittelschullehrer wurde er nur dürftig bezahlt, also freute er sich über Aufträge als Künstler. Einige Zeitschriften und Verlage ließen ihn Grimms Märchen und Theodor Storms Novellen illustrieren. Im Jahre 1927 erschien mit dem „Hexenkoffer“ auch sein erstes Buch, das er mit eigenen Scherenschnitten illustrierte.

Als er 1936 an den Folgen einer Tuberkulose starb, hinterließ er nicht nur eine junge Familie, sondern auch einen kreativen Schatz, dessen sich die Familie annahm.

 

Seine Tochter Agnes, meine Großmutter, betätigte sich als Töpfermeisterin ebenfalls kreativ. Außerdem griff sie selbst gerne zur Schere, um die Motive ihres Vaters nachzuschneiden. Auch war es ihre Idee, einige der schönsten Motive als Postkarte herauszubringen und zu verkaufen.

In der nächsten Generation ging die Töpferei an ihren Sohn Rüdiger, meinen Onkel, weiter. Mein Vater Gerhard hingegen griff nach dem Tode meiner Großmutter 1992 das „Projekt Scherenschnitt“ auf, um es zu erweitern. Gemeinsam mit meiner Mutter überträgt er die Kunst Berthold Reichels (sowie die vieler anderer Scherenschnittkünstler) auf Postkarten, Tischkarten, Tischlaternchen, Geschenkanhänger, Lesezeichen und mittlerweile auch auf die von mir und meiner Lebensgefährtin Joana ersonnenen Schokobanderolen. Meine Mutter Ulrike Saß-Stock ist zudem als Kunsthandwerkerin geschickt darin, die Scherenschnitte zu Sägeschnitten zu machen: Unter ihren Händen entstehen aus Sperrholz schöne Dinge wie Bücherständer, Fotomappen und Weihnachtsdekoration. Die genannten Produkte verkaufen meine Eltern vor allem auf Kunsthandwerker- und Weihnachtsmärkten.

 

Inzwischen ist die nächste Generation von Berthold Reichels Erben erwachsen. Meine Cousine Debora betreibt die Kappelner Töpferei noch immer an gleicher Adresse. Da ich mich, quasi als Spätberufener, für den Beruf des freien Texters, Redakteurs und Autors entschieden habe, fühle ich mich dem geistigen Erbe meines Urgroßvaters ebenfalls verbunden. Für mich stehen dabei allerdings nicht die Scherenschnitte, sondern die Märchen und Erzählungen von Berthold Reichel im Mittelpunkt. So natürlich auch Märchen, wie sie 1927 im „Hexenkoffer“ in Buchform veröffentlicht wurden. Diese wurden sogar, wie kann es anders sein, von Berthold Reichel mit Scherenschnitten illustriert. Leider sind nicht mehr alle Märchen und Erzählungen von Berthold Reichel erhalten geblieben, manches liegt mir auch nur in Fragmenten vor. Beispielsweise die Geschichte von „Däumerlings Weihnachtsfeier“, die den Einzug in dieses Buch gefunden hat. Hier scheint der Schluss der Geschichte zu fehlen, aber der mir vorliegende Auszug bildet bereits ein „brauchbares“ Ende.

Ansonsten habe ich mir erlaubt, zwecks besserer Lesbarkeit einige Schreibweisen abzuändern. Das betrifft insbesondere die Verwendung von „ss“ und „ß“. Ich hoffe, mir sind darüber hinaus keine Fehler mehr durchgerutscht. Für die Formulierungen in Plattdeutsch kann ich dies sicher am wenigsten versprechen, denn meine Kenntnisse dieser Sprache sind allenfalls als marginal zu bezeichnen. Immerhin muss ich für diesen Part keine Zensur mehr durch Berthold Reichel befürchten. Ich hoffe nun, ich beziehungsweise wir haben mit diesem neuen Buch seiner alten Geschichten ganz im Sinne von Berthold Reichel gehandelt. Mögen sich also auch künftige Generationen an seinem geistigen Erbe erfreuen.

Meine Lebensgefährtin jedenfalls war nicht nur von den Texten, sondern auch von den schönen Illustrationen der Märchen und Geschichten begeistert. Insbesondere deshalb, weil sich seine Scherenschnitte so punktgenau auf die jeweiligen Geschichten beziehen, werden diese äußerst lebendig.

Nun also viel Spaß beim Lesen und Träumen!

Anno Stock

 

Die Feuerkieke

 

Der kleine Knud Ramstedt spannte seine Schlittschuhe unter, seine schönen, neuen Holländer. Auf dem zusammengefrorenen Seegras saß er und ließ sich’s nicht verdrießen, ob ihm auch die Hände rot und blau froren. Scharfer Ostwind blies, sodass der feine Schnee von heute Vormittag wie weißer Staub über das Eis dahinwirbelte. Und hätte Knuds elterliche Hütte nicht im Schutze eines hohen Felsens gelegen, er mochte wohl die Dachschindeln abgedeckt haben, um damit Schlitten zu spielen auf der blanken, wundervollen Bahn. Wer weiß, wann’s wieder solche herrliche Gelegenheit zum Schliffschuhlaufen gab. Vielleicht in Jahren nicht, denn gewöhnlich war das Eis von Schnee bedeckt, zerbrochen und holperig. Knud stand auf und stampfte, dass die Schlittschuhe klirrten. Ja, die saßen bombenfest. So konnt’s denn losgehen!

 

Sausend glitt er dahin über die glänzende Fläche. Hei, welch eine Lust, so dahinzufliegen, getrieben und fast getragen von den mächtigen Armen des Windes. Das Eis glitzerte und blinkte in dem klaren Mondlicht. Knuds Schlittschuhe schienen und funkelten und seine dunklen Augen leuchteten vor Vergnügen. Ja, die monatelange Winternacht hatte ihr Gutes, wenn sie für gewöhnlich auch ziemlich eintönig war und Knud jedes Mal in ein Freudengeschrei ausbrach, wenn die Sonne zum ersten Mal wieder über den Horizont guckte.

Der Knabe hatte sich ein gutes Stück von Ufer entfernt und wollte schon umkehren, dem Licht in seinem Elternhaus, das wie ein Stern sich von dem dunklen Fels abhob, wieder zueilen, da hörte er weiter draußen ein ängstliches Vogelgeschrei. Um zu sehen, was es gäbe, ließ sich Knud noch ein Stück vorwärtstreiben. Als er endlich die Ursache des Geschreis entdeckte, schien das Licht in seinem Elternhause fast erloschen. Im Eis aber fanden sich drei mächtige Seevögel eingefroren, dergleichen Knud noch nie vorgekommen waren. Die größten Gänse wären wie Küklein erschienen im Vergleich mit ihnen. Kläglich schrien sie und versuchten loszukommen, aber es war ihnen unmöglich. Da sie nicht bösartig zu sein schienen, kniete Knud mitleidig bei ihnen nieder und streichelte sie. Da wurden sie stille und schauten ihn mit den grauen Augen flehend an. Knud merkte bald, dass das Eis in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht sehr dick sein konnte und deshalb wollte er versuchen, sie zu befreien. Vorsichtig hackte er mit seinen Schlittschuhen bei ihnen herum, half mit seinem großen Taschenmesser nach und da auch die Vögel selbst gewaltige Anstrengungen machten dauerte es nicht lange, bis sie sich endlich mit freudigem Gesang in die Lüfte erhoben und vom Winde getragen Knuds Blicken entschwanden.

 

 

Nun wollte er nach Hause, aber das war leichter gedacht als getan.

Der Ostwind hatte an Heftigkeit noch bedeutend zugenommen und so sehr sich der Knabe auch abmühen mochte, er kam nicht einen Schritt vorwärts. Nein, im Gegenteil, ein besonders starker Windstoß erfasste ihn und trieb ihn unaufhaltsam weiter vom Lande ab, weiter und weiter in die ungewisse, monddämmernde Ferne. Nun war die Reihe des Schreiens an Knud. Er schrie und heulte so laut er nur konnte, aber der Ostwind heulte mit und pfiff ihm spöttisch um die Ohren. Und niemand war da, der Knud hören konnte.

Bald hatte er alle Anstrengungen aufgegeben, zurückzukommen und flog Meilen über Meilen vor dem Sturme dahin, voll Schrecken und Todesangst, jeden Augenblick erwartend, einzubrechen oder in das offene Meer getrieben zu werden. Schon wollten seine Beine ihn kaum mehr tragen. Bald würde er niedersinken und bei der furchtbaren Kälte in kurzer Zeit erfrieren. Da tauchte vor ihm eine Erhöhung auf. Bläulich schimmerte sie im Mondlicht und Knud gewahrte inmitten derselben einen dunklen Fleck, der wohl eine Behausung sein mochte. Neue Hoffnung wurde in ihm wach. Schon berührten seine Schlittschuhe den weißen Rand. Mit einem Ruck flog er vornüber in den Schnee. Als er sich hinaufgekrabbelt und seine Schlittschuhe abgespannt hatte, stapfte er auf die dunkle Masse los, die aus dem Schnee emporragte. Es war eine niedrige Hütte. Die Pfosten aus Walfischknochen, das Dach aus Seehundsfellen, die über ein Lattenwerk ausgespannt waren. Tür und Wände bestanden aus schweren eichenen Bohlen.

Knud klopfte leise an. Gewichtige Tritte näherten sich, die Tür wurde geöffnet und eine unangenehme, fettige Stimme rief: „Ach, sieh da, das ist ja nett, da kommt jemand, der will mir meine Feuerkieke holen!“ Eine dicke, in Eisbärenpelze gehüllte Frau stand vor dem erstaunten Jungen. Ihre winzigen Augen saßen über wabbeligen Hängebacken wie schwarze Perlen auf rotem Sammet. Aus ihrem kleinen, von den Backen zusammengedrängten Mund standen zwei lange, weiße Zähne hervor, gerade wie bei einer Ratte. Knud raffte allen Mut zusammen und sagte bescheidentlich: „Guten Abend, liebe Frau, kann ich hier vielleicht übernachten?“ „Übernachten? Hahahaha!“ lachte die Dicke. „Gewiss sollst du hier übernachten. In vierzehn Tagen guckt die Sonne zum ersten Mal wieder empor. Bis dahin wirst du mir die Feuerkieke wohl besorgt haben.“

Knud erschrak, denn so hatte er es nicht gemeint. Er hatte gedacht, einmal gehörig auszuschlafen, denn er war entsetzlich müde. Danach wollte er wieder zu seinen Eltern, die sich sehr um ihn ängstigen würden. Die Dicke, die aus des Knaben verdutzten Gesicht seine Gedanken lesen mochte, rief: „Nichts da! Schlafen will der Ratz hier! Nein, Faultiere, die gleich schlafen wollen, finden hier keine Aufnahme!“ „Na, dann gehe ich wieder!“, sagte Knud trotzig und wandte sich zur Tür.

Aber die Dicke fasste ihn mit ihren fleischigen, roten Fingern, lachte höhnisch und sagte: „Sieh mal einer den kleinen Moschusochs! Nein, hier geht’s halt nicht mit dem Kopf durch die Wand. Komm nur gleich mit, spann deine Schlittschuhe unter und hole mir die Feuerkieke von der Walrossinsel! Meinst du, ich wollt‘ hier noch ein paar Jahre mit kalten Füßen sitzen, Gicht und Rheumatismus kriegen und das alles wegen deiner Faulheit!“

Die Dicke schleppte Knud aus der Tür heraus und an das andere Ende der Schneeinsel. Endlos dehnte sich auch hier die schwarze, glänzende Eisfläche. Das große, dicke Weib aber stand am Ufer, hielt mit der Linken den weinenden Knaben am Arm, während sie mit der Rechten über das Meer hindeutete. „Siehst du, dort…“ Plötzlich verstummte sie und ließ den Arm sinken. Ein wundervolles Nordlicht schoss am Himmel empor. Leuchtende Feuergaben zuckten und wogten, glühten und verblassten. Taghell wurde es ringsum, die Schneeinsel prangte wie ein Berg von roten Rosen und das gefrorene Meer glich bald einem Blut-, bald einem Feuersee. „Siehst du?“, rief die Dicke, die sich schnell wieder gefasst hatte. „Dort hinüber liegt die Walrossinsel. Sie ist nicht größer als der Marktplatz in Bjergholm, und die Feuerkieke steht mitten drauf. Du wirst sie leicht finden. Bring sie schnell hierher. Wenn du sie mir gebracht hast will ich dafür sorgen, dass du wieder zu deinen Eltern kommst. Nur schnell, schnell, ehe es wieder dunkel wird!“

Als Knud hörte, was die Alte ihm versprach, schnallte er seine Schlittschuhe unter und fuhr aufs Eis hinaus. Kaum aber war er ungefähr zehn Schritte vom Ufer, als das Eis anfing zu knistern und zu knacken und große Risse bekam. Dem Knaben wurde angst und bange. Vorsichtig legte er sich nieder und fing an, auf allen Vieren wieder dem Lande zuzukriechen. Denn der Wind wehte von der Schneeinsel fort, sodass er nicht dagegen angekommen wäre. Wie er so dahinkroch, das Gesicht der blanken Fläche zugekehrt, konnte er hindurchsehen und bemerkte zu seinem Schrecken seltsame Fische, die sich drunten tummelten und mit gierigen Augen, ihre scharfen Zähne zeigend, zu ihm emporblicken schienen. Nein, er wollte nicht ertrinken und den Fischen zum Opfer werden, mochte die Alte auch mit ihm machen, was sie wollte.

Diese stand am Strande und schimpfte und fluchte. Und kaum war er nahe genug, als sie ihn schon packte, mit ihm zur Hütte zurücklief, den Laden von der Fensteröffnung eines Nebengebäudes zurückklappte und ihn hineinsehen ließ. Ein schrecklicher Geruch von Hunden und faulen Fischen entströmte der Öffnung und er fühlte einen heißen Atem dicht an seinem Gesicht. Zwei glühende Augen starrten ihn an und als er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, gewahrte er gewaltig große Hunde, von denen einer aufgesprungen war und nach ihm die Zähne fletschte. „Kß, kß!“ machte die Alte und alle brachen in entsetzliches Geheul und Gebell aus, jagten wie toll in ihrem Stall umher und versuchten, des Knaben Kehle zu packen. Voll Grauen krümmte sich Knud Ramstedt zurück und schaute mit entsetzten Augen in das hohnlächelnde Fettgesicht des schrecklichen Weibes.

„Da kommst du hinein! Hast du mich verstanden?“ schrie sie. „Nach einer Stunde komm‘ ich und schau zu, ob du schon fort bist! Sonst ohne Gnade!“ Sie deutete auf den Stall. „Nun habe ich keine Lust mehr, hier im scharfen Wind zu stehen und mir womöglich einen Schnupfen zu holen um dich Jammerlappen. Wen sollte das Eis wohl tragen, wenn dich nicht, du Spillefips! Aber dass du mir keine falsche Richtung einschlägst, einer von denen wird schon aufpassen!“ Wieder zeigte sie auf das schreckliche Hundeloch, ging dann hinein und ließ den jammernden Knud draußen stehen. Klagend rannte dieser am Strande auf und ab. Laut rief er nach Vater und Mutter, wohl wissend, dass sie ihn nimmer hörten. Verzweiflungsvoll versuchte er wieder und wieder aufs Eis hinauszulaufen, aber das fürchterliche Knistern und Schwanken trieb ihn stets zurück. Da, die Stunde musste bald abgelaufen sein, hörte er plötzlich ein Rauschen in den Lüften und dunkel gegen das verblassende Nordlicht abgehoben kamen drei gewaltig große Vögel dahergeflogen. Schwer schattend senkten sie sich zu ihm nieder und drängten sich einschmeichelnd an seinen zitternden Körper. Da legte er die Arme um die Hälse der beiden größten von ihnen und rief: „Ach, bringt mich zur Walrossinsel, dass ich die Feuerkieke holen kann!“ Und die guten Vögel nahmen ihn auf ihre mächtigen Flügel und flogen mit ihm davon in Windeseile. Sie trugen ihn auf eine kleine, runde, grüne Insel, an deren Strand die Wellen plätscherten. Es war gar nicht kalt dort. Zwergkiefern, Flechten und Moose waren prächtig grün und auf dem Moos lag’s noch voll von glänzenden roten Beeren, die im vorigen Sommer dort gewachsen waren. Gierig aß Knud von den sauren, gewürzten Früchten und dachte erst gar nicht daran, was er eigentlich holen wollte.

Mitten auf der Insel war eine kleine Erhöhung und dort stand, wunderbar milde Wärme ausstrahlend, eine schöne, silberne Feuerkieke, bedeckt mit Figuren und Schnörkeln geschicktester Goldschmiedekunst.