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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

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7.

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14.

15.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2206

 

Gesang der Hoffnung

 

Perry Rhodan und Atlan in Not – sie flüchten zum Wald von Pardahn

 

Frank Borsch

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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In der von Menschen und zahlreichen anderen Völkern bewohnten Milchstraße entwickelt sich im September 1331 Neuer Galaktischer Zeit eine kritische Situation: Hyperstürme machen die interstellare Raumfahrt zu einer höchst riskanten Angelegenheit, und in verschiedenen Sektoren der Galaxis bilden sich fürchterliche Sternenbeben aus.

Als in direkter Nähe des Hayok-Sternenarchipels ein ganzer Kugelsternhaufen buchstäblich aus dem Nichts erscheint, ahnen Perry Rhodan und seine Freunde in der Liga Freier Terraner, dass dies alles nur der Anfang eines größeren Geschehens ist. Und als Lotho Keraete auftaucht, der Bote der Superintelligenz ES, und den Sternenozean von Jamondi erwähnt, wird die Ahnung zur Gewissheit.

Gemeinsam mit Lotho Keraete brechen Perry Rhodan und Atlan, der Arkonide, zu einer Expedition in den unbekannten Kugelsternhaufen auf. Doch ihr Flug scheitert, und die drei Männer landen auf Baikhal Cain.

Nach einer Odyssee durch verschiedene Regionen gelingt ihnen die Flucht aus den Minen des Heiligen Berges. Ihr Ziel ist nun der GESANG DER HOFFNUNG ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner lernt die Geheimnisse eines riesigen Waldes kennen.

Atlan – Der Arkonide knüpft ganz besondere Bande.

Zephyda – Die Wegweiserin kennt sich im Wald von Pardahn hervorragend aus.

Rorkhete – Der seltsame Nomade stellt Atlan und Perry Rhodan auf die Probe.

Raphid-Kybb-Karter – Der Direktor der Minen im Heiligen Berg plant eine Intrige.

Du musst den Blues in der Seele spüren, im Herzen. Ihn Tag für Tag leben. Du musst Beleidigungen einstecken, den Staub der Straße schmecken. Du musst in den Knast wandern, viele Male. Erst dann weißt du, was der Blues ist.

Louisiana Red; altterranische Blues-Legende

 

1.

2. November 1331 NGZ

 

Wenigstens konnten sie sich nicht verirren.

Perry Rhodan wandte dem Heiligen Berg den Rücken zu, seit Stunden schon, dennoch spürte er seine Präsenz. Der Berg, die Erinnerung an das, was dort geschehen war, türmten sich zu einer Last, die sich auf seine Schultern legte, so schwer, dass seine Beine, aufgerissen und zerschrammt vom Fels des Berges, ihm den Dienst zu versagen drohten.

Doch der Terraner marschierte weiter, den Blick starr auf die Schultern seines Gefährten gerichtet, der ihnen einen Weg durch das Gestrüpp dieser namenlosen Steppe bahnte. Atlan trug nur einen Stiefel. Der linke hatte sich in Fetzen aufgelöst, das Opfer scharfer Gesteinskanten und messerscharfer Pflanzenblätter. Atlan humpelte, belastete den rechten, geschützten Fuß, setzte den linken, blutverschmierten immer nur kurz auf.

Der Arkonide machte trotz der Verletzungen keine Anstalten, das Tempo zu verlangsamen.

Die Männer hatten nicht mehr gesprochen, seit sie im Morgengrauen das Grab aufgeschichtet hatten, dennoch glaubte Perry Rhodan zu spüren, was Atlan antrieb.

Es war, was auch ihn weitermachen, dem Durst und der Hitze trotzen ließ: Es war die Angst.

Rhodan musste nur den Arm heben, um ihren Auslöser zu ertasten. Er bestand aus einem rauen Metall, das in seinem Grau unpoliertem Aluminium ähnelte und zu einem daumenhohen Kranz geformt war. Der Kranz lag um Perry Rhodans Hals, ein zweiter, identischer um Atlans. Die Kybb-Cranar hatten sie den beiden Männern angelegt, so, wie sie es bei allen taten, die sie zur Arbeit in den Minen des Heiligen Bergs zwangen.

Krin Varidh.

Perry Rhodan hatte nicht herausgefunden, was der Name bedeutete. Wozu die Krin Varidh dienten, hatte er dagegen verstanden – mit jeder Faser seines Körpers, als der Kranz nach Sonnenaufgang sein Gift in die Hälse der Flüchtenden gepumpt hatte. Er und Atlan hatten nur dank der schützenden Wirkung ihrer Zellaktivatoren überlebt, wenn auch knapp. Wie knapp, führte ihm Atlans angeschwollener und verfärbter Hals vor Augen, das Spiegelbild seines eigenen geschundenen Körpers.

Der Arkonide hielt an.

»Ist es Zeit?«, fragte Rhodan. Das Schon wieder?, das sich in seinen Gedanken formte, sprach er nicht aus.

»Ja.«

»Einen Augenblick.«

Perry Rhodan hob die flache Hand gegen die Stirn, um seine Augen gegen die Mittagssonne abzuschirmen, und drehte sich. Er hatte die Drehung zur Hälfte vollendet, als er stehen blieb. Sein Blick blieb an einem Kegel hängen, der sich übergangslos aus der flachen Landschaft erhob. Selbst aus der Entfernung von zehn, fünfzehn Kilometern war offensichtlich, wieso die Einwohner Baikhal Cains ihn den »Heiligen Berg« nannten.

Der Heilige Berg musste noch aus vielen hundert Kilometern Entfernung sichtbar sein, den Seefahrern des Khalischen Ozeans als Orientierungspunkt dienen. So wie jetzt ihm und Atlan auf der Flucht vor den Kybb-Cranar.

Nur, dass die Seefahrer die Nähe des Heiligen Berges suchen würden. Der Terraner und der Arkonide dagegen ...

Rhodan spürte die Hand seines Freunds auf der Schulter. Atlan trat neben ihn. »Du denkst an Jadyel, nicht wahr?«

Jadyel war der Motana, der als einziger der Zwangsarbeiter den Mut aufgebracht hatte, mit ihnen aus der Mine des Heiligen Berges zu fliehen. Sie hatten seine Leiche unter einem Haufen Steinen zurückgelassen. Jadyel, geschwächt von der Zwangsarbeit und ohne den Schutz eines Zellaktivatorchips, hatte dem Gift des Krin Varidh nichts entgegenzusetzen gehabt. Und er hatte ihnen den klaren Rat gegeben, zum Wald von Pardahn zu fliehen. Nur dort könne man ihnen helfen.

Rhodan nickte. »Ja, natürlich. Er war ein tapferer Mann, er hat sein Schicksal nicht verdient. Ich denke an ihn – und die vielen tausend Motana, die noch in den Minen schuften. Sie sind zum Tode verurteilt.«

»Wir auch, wenn wir nicht zusehen, dass wir hier wegkommen.« Der Griff von Atlans Hand wurde fordernd.

Rhodan gab ihm nach. Der Terraner nahm dem Freund seine zur Schau gestellte Forschheit nicht übel. Es war Atlans Art, mit Schmerz umzugehen, ihn nicht an sich herankommen zu lassen. Der Arkonide handelte, um die düsteren Gedanken in Schranken zu halten.

Die Männer setzten ihre Flucht fort. Rhodan übernahm jetzt die Spitze. Die Ebene war denkbar flach; von keinem Hindernis getrübt, verlor sich der Blick im Dunst. Das Land lag unter einem dichten Pflanzenteppich, dominiert von einer Art Gebüsch mit hellgrünen Blättern, die Rhodan an Salatblätter erinnerten. Schlaff und weich hingen sie herab – und versteckten die Dornen.

Rhodan wusste nicht recht, ob der Begriff auf die Pflanzentriebe passte, die bereits an einem halben Dutzend Stellen in seinem Körper steckten. Sie besaßen keine Widerhaken, aber sie ließen sich nicht entfernen, hatten sie sich erst einmal ins Fleisch gebohrt. Wie ein Korkenzieher wanden sie sich tiefer, beinahe, als ob sie Würmer wären, nicht Pflanzenteile, und brannten wie Feuer, schlimmer als die Druckstellen der Krin Varidh. Jeder Versuch, die Dornen zu entfernen, hatte bisher damit geendet, dass sie hinterher noch tiefer im Fleisch steckten.

Das Gewirr der Dornbüsche wurde zusehends dichter. Zum Ausgleich verringerten sich die wenigen Meter durchmessenden Lichtungen und schmalen, sich windenden Pfade mit der widerwärtigen Neigung, im Nichts zu enden. Rhodan und Atlan kamen nur in einem unregelmäßigen, oft gegenläufigen Zickzack voran. Wäre der Umriss des Heiligen Berges nicht gewesen, sie hätten sich heillos verlaufen.

Aber sie lernten. Nach einiger Zeit hatte Rhodan den Trick heraus, wie er Zweige aus dem Weg biegen konnte, ohne von Dornen durchbohrt zu werden: indem er die Finger in die Korkenziehergewinde schob. Jetzt vermochten sie wenigstens kleinere Hindernisse aus Dornbüschen zu passieren.

Die Sonne erreichte ihren Zenit. Rhodan und Atlan gestatteten sich auf einer Lichtung eine Pause. Es war ihre erste. Sie rissen sich Streifen von ihren Hosen, die sie sich wie Turbane um den Kopf wickelten, um sich vor den heißen Strahlen Cains zu schützen. Rhodan wünschte, dass sie wenigstens eine Flasche mit Wasser bei sich hätten, doch die Männer besaßen nur, was sie am Leib trugen: die zerschlissenen Reste ihrer Kleidung.

»Weißt du, an was mich dieses Gestrüpp erinnert, Perry?«, fragte Atlan. Der Arkonide war auf der Suche nach Schatten bis auf eine Handbreit an ein Dornengebüsch herangekrochen.

Rhodan zuckte die Achseln. »Nein, woran?«

»Die Macchia am Mittelmeer, auf Terra.«

Rhodan beäugte das Gestrüpp aus zusammengekniffenen Augen. »Hm, die Farben kommen hin, zumindest für den Frühling. Die Undurchdringlichkeit auch. Aber die Höhe ist etwas kümmerlich, oder? Das Zeug reicht nur bis an die Brust.« Er strich sich den Schweiß von der Stirn. »Und außerdem, was bringt uns der Vergleich?«

»Wirst du gleich sehen!« Atlan legte sich auf den Bauch – und verschwand.

Einige Augenblicke später hörte Perry ihn rufen. Der Terraner erhob sich und sah Atlan, der ihm aus einigen Metern Entfernung über ein dornenbewehrtes Blättermeer zuwinkte.

»Es ist ganz einfach!«, rief der Arkonide. »Du musst dich ganz eng an den Boden drücken, dann geschieht dir nichts. Diese Dornen reichen nur bis auf Kniehöhe.«

Rhodan befolgte Atlans Anweisung. Kurz darauf tauchte er einige Schritte von dem Arkoniden entfernt wieder aus dem Pflanzengewirr auf.

»Siehst du, es klappt!«

Von diesem Moment an waren die Männer in der Lage, die Richtung ohne größere Umwege einzuhalten.

Gemeinsam krochen sie nach Westen – der Freiheit entgegen, wie sie hofften.

 

*

 

Rhodan hörte die Turbinen des Gleiters als Erster. Ohne sich umzusehen, packte er den Arkoniden an den Schultern und riss ihn herunter.

Atlan stieß einen überraschten Schrei aus. Rhodan spürte, wie sich die Muskeln des Freundes reflexhaft anspannten, doch der Griff kam zu überraschend: Terraner und Arkonide gingen zu Boden, verschwanden zwischen den Dornenbüschen.

Ein Korkenzieherdorn bohrte sich in Rhodans Oberschenkel. Mit Mühe gelang es dem Terraner, einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.

Beinahe im selben Moment passierte sie der Gleiter. Rhodan schätzte die Entfernung in der Horizontalen auf zwei- oder dreihundert Meter, die Flughöhe der Maschine auf vielleicht hundert Meter. Die beiden Männer konnten mühelos Abzeichen und die Fühler der verschiedenen Instrumente auf dem bauchigen Rumpf erkennen.

Der Gleiter strebte dem Horizont entgegen, ohne Geschwindigkeit oder Kurs zu verändern.

»Frachtmaschine«, flüsterte Atlan. »Wahrscheinlich vollautomatisiert und für den einen Zweck programmiert, den Schaumopal aus der Mine abzutransportieren. Von der haben wir nichts zu befürchten.«

»Ich bete, dass du Recht hast.«

Sie warteten ab, bis der Frachtgleiter aus der Sicht verschwunden war, dann setzten sie ihren Weg fort. Der ersten Maschine folgten in unregelmäßigen Abständen bald weitere. Jedes Mal flüchteten sich die Männer in die Sicherheit der Dornbüsche – so trügerisch diese auch war: Beiden war klar, dass selbst ein simpler Infrarotfühler sie in Sekundenschnelle aufspüren würde.

In der Abenddämmerung brach der Strom der Frachtgleiter schließlich ab. »Das war's«, stellte Rhodan fest. »Sie haben die Förderung des Tages abtransportiert.«

Einen Moment lang blickten Atlans Augen gewissermaßen nach innen. »Eine ganz schöne Flotte«, sagte er, nachdem er den Gedankenaustausch mit seinem Extrasinn beendet hatte. »Das waren insgesamt über zweihundert Maschinen, alle schwer gepanzert. Der Schaumopal muss eine sehr schwierige Fracht sein.«

»Und offenbar bleiben den Kybb-Cranar wenig Reserven für andere Zwecke«, stimmte der Terraner zu. »Zum Beispiel, um flüchtige Zwangsarbeiter zu jagen. Hoffen wir, dass es so bleibt.«

Im Licht der letzten Strahlen Cains erreichten die beiden Männer eine Lichtung im Meer der Dornbüsche. Ihr Untergrund bestand aus Sand. Perry Rhodan ließ sich dankbar in die warme, weiche Masse sinken. Atlan tat es ihm gleich. Der Umriss des Heiligen Berges in ihrem Rücken schien im Halblicht der Dämmerung noch anzuwachsen; ein gewaltiger Schatten, der sie in einem Augenblick der Unachtsamkeit zu verschlingen drohte. Rhodan schätzte die Entfernung in Luftlinie auf nicht mehr als zwanzig Kilometer, weit weniger als gehofft. Aber die Ebene, die aus der Höhe als ein so einfaches Terrain wirkte, hatte sich als unerwartet schwierig erwiesen.

Der Terraner fühlte sich durch und durch ausgelaugt. Sein Mund war ausgetrocknet, sein Magen ein schmerzhafter Klumpen. Seine Haut hatte sich an den Stellen, die nicht von Kleidung vor der Sonne geschützt waren, rot verfärbt. Und seine Füße ... Rhodan konnte zwar von Glück sagen, noch beide Stiefel zu besitzen, aber als er sie auszog, stellte er fest, dass die Haut von Blasen überzogen war.

»Das erinnert mich an ein altes terranisches Sprichwort«, lachte Atlan rau, der gerade mit Blättern das Blut von seinem linken Fuß wischte. »Jeder hat sein Päckchen zu tragen.«

»Witzbold!«

Eine rundliche Form zog Rhodans Blick an. Er kroch los, auf den Knien, um nicht mit den wunden Fußsohlen den Boden zu berühren, und streckte die Arme aus. Mit der einen Hand schob er einige Blätter beiseite – vorsichtig darauf bedacht, keine der Korkenzieherdornen zu streifen –, mit der anderen packte er eine der Formen und zog kräftig daran.

»Drink gefällig?« Rhodan winkte Atlan zu, in der Hand eine nierenförmige Frucht von der Größe einer Kartoffel. Der Terraner pflückte ein weiteres halbes Dutzend der Früchte und kroch mit seiner Beute zu Atlan zurück. Die Schmerzen, die sein Magen jetzt, als endlich Aussicht auf Nahrung bestand, aussandte, waren kaum noch zu ertragen.

Mit aller Kraft presste Rhodan die Frucht zusammen. Sie hielt dem Druck stand. »Verdammt, dieses Ding ist hart wie eine Nuss!«

Der Terraner rammte die Frucht in den Boden. Gierig. Mit der Kraft der Verzweiflung. Er glaubte zu hören, wie in der Schale Flüssigkeit schwappte.

Dumpf bohrte sich die Frucht in den Sand. Die weiche Masse federte die Wucht des Schlages ab. Die Frucht war unversehrt.

»Das darf doch nicht wahr sein!«, rief Rhodan. »Wir brauchen endlich etwas zum Trinken!«

Atlan griff jetzt ebenfalls nach einer Frucht und hackte mit ihr auf den Boden ein. Immer verzweifelter wurden die Schläge der Männer, doch die Früchte erwiesen sich ihren Bemühungen gegenüber als erhaben.

»Hätten wir doch nur eines der Werkzeuge aus der Mine mitgenommen!« Atlans Atem ging schwer. »Einer Stahlstange könnten diese Nüsse niemals standhalten.«

»Ja, ein Schlag und ...«

Rhodan brachte den Satz nicht zu Ende. Ein Werkzeug ... Ein Gedanke kam ihm.

Er robbte zu den Büschen, hielt eine der widerspenstigen Früchte gegen einen Dorn. Die Männer hörten ein Klacken gefolgt von einem hohen Ton. Als Rhodan die Frucht wieder zurückzog, steckte in ihr ein Korkenzieherdorn. Er hatte sich bis zum Anschlag hineingebohrt. Rhodan nahm sein Ende zwischen die Fingerspitzen. Der Dorn ließ sich mühelos herausdrehen, das weiche Innere der Frucht bot ihm keinen Halt.

Gierig stillten die Männer ihren Durst. In den Früchten fanden sich zwar nur kleine Mengen an Pflanzensaft – zwei, drei Schlucke vielleicht –, der obendrein einen unangenehm schimmeligen Geschmack besaß, aber das war ihnen gleich: Die Dornenbüsche hingen voller Früchte, und um eventuell unverträgliche Bestandteile würden sich die Aktivatorchips kümmern.

2.

 

Es dauerte nicht lange, und die Lichtung war mit durchlöcherten Früchten übersät. Rhodan und Atlan lagen, ihren Durst gestillt, in ihrer Mitte und sahen hinauf zu den Sternen. Zum ersten Mal, seit sie die Mine hinter sich gelassen hatten, nein, seit es sie in den Sternenozean von Jamondi verschlagen hatte, verspürte Rhodan einen Anflug von Ruhe.

Es mochte die Erleichterung über die gelungene Flucht sein, die Stillung des Grundbedürfnisses Durst, oder vielleicht hatte in dem Pflanzensaft auch ein euphorisierender Bestandteil gesteckt, den ihre Aktivatoren nur ungenügend herausfilterten – Rhodan kümmerte es nicht.

Auf eigentümliche Weise fühlte es sich gut an, hier zu liegen, mit Atlan, dem Freund, mit dem er seit beinahe dreitausend Jahren die guten und die schlechten Zeiten teilte. Er und Atlan waren auf sich allein gestellt; ihr Überleben hing von ihrer Findigkeit, ihrer Umsicht, ihrer Reaktionsschnelligkeit und Intelligenz ab. So gesehen standen ihre Aussichten nicht schlecht.

»Siehst du den Schützen?«, fragte Atlan.

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Dort, im Süden.« Rhodans Blick folgte Atlans ausgestrecktem Arm. »Dieser Nebel, das ist sein Kopf. Die Sternenreihen darunter formen seinen Körper. Und ...«

»... und dieses Rechteck, das ist sein Strahler«, brachte Rhodan den Satz zu Ende.

»Stimmt. Strahler statt Bogen. Du hast wirklich ein gutes Auge.« Einen Augenblick schwiegen die Männer, dann sagte Atlan: »Auf Terra habe ich mir so manche Nacht um die Ohren geschlagen. Im ›alten Ägypten‹, wie ihr es nennt, und anderswo. Meine Gefährten und ich, wir überboten einander mit immer neuen Bildern, die wir am Himmel sahen.«

»Und wenn ihr genug davon hattet?«

»Gab es immer noch die Gefährtinnen – oder wir schmiedeten Pläne.« Atlan richtete sich abrupt auf. »Und eben dem sollten wir uns jetzt widmen, Freund.«

Rhodan hob den Oberkörper an. Die Bewegung schmerzte, wenn auch nicht so schlimm wie die Blasen an seinen Füßen. »Du hast Recht. Wo fangen wir an?«

»Mit dem Überleben?«

Rhodan lachte. »Ich denke, das haben wir bis jetzt leidlich hingekriegt.« Er deutete erst auf seine Füße dann auf Atlans linken Fuß, den der Arkonide mit kühlenden Buschblättern eingewickelt hatte. »Im Gegensatz zu Lotho Keraete. Der liegt auf Eis.«

Diesmal lachte Atlan auf. »Gut formuliert, Terraner!«

Lotho Keraete, der Bote von ES, hatte sie zu einem Erkundungsflug in den Sternenozean von Jamondi eingeladen. Doch der Flug hatte in einer Katastrophe geendet: Keraete hatte nach eigenen Angaben aus eigenem Antrieb gehandelt, sein Schiff stürzte über Baikhal Cain ab – ob durch Fremdeinwirkung oder einen Defekt, war offen geblieben. Wie durch ein Wunder hatten Rhodan und Atlan den Absturz überlebt.

Keraete dagegen ...

Die Hitze des Absturzes im Land Keyzing hatte erhebliche Mengen Eis geschmolzen, das sich in der brutalen Kälte innerhalb kürzester Zeit wieder verfestigt hatte. Keraete musste aus dem Wrack in einen dieser Seen geschleudert worden sein und hatte es nicht mehr geschafft, ihn zu verlassen, bevor das Wasser wieder zu Eis erstarrte. Rhodan und Atlan hatten den Boten mühelos gefunden, waren aber nicht in der Lage gewesen, ihn aus seinem Eisgefängnis zu befreien.

»Wir müssen zurück ins Land Keyzing«, sagte Rhodan, »und Lotho aus dem Eis holen.«

»Leichter gesagt als getan. Abgesehen von den Schwierigkeiten, überhaupt dorthin zu gelangen –