Die drei ???® Kids

Band 62

Gefahr im Dschungel

Erzählt von Ulf Blanck

Mit Illustrationen von Harald Juch

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KOSMOS

Umschlagillustration von Harald Juch, Berlin

Innenillustrationen von Harald Juch und Udo Smialkowski, Berlin

Umschlaggestaltung: Walter Typografie und Grafik, Würzburg

Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar

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© 2015, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-14652-1

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Schlussverkauf

»Justus! Titus! Nun beeilt euch! Sonst sind die besten Schnäppchen weg.« Die Stimme von Tante Mathilda war durch das ganze Haus zu hören. Aus dem ersten Stock trottete Justus Jonas müde die Treppe herunter. »Ja, ich komm ja schon. Porters Laden macht doch erst in einer halben Stunde auf. Außerdem muss ich noch frühstücken.« Seine Tante schüttelte den Kopf. »Gegessen wird unterwegs im Auto. Ich habe Brote geschmiert. Das spart Zeit. Titus! Wo bleibst du?« Jetzt kam auch ihr Mann aus dem Schlafzimmer und setzte sich seine Brille auf. »Immer mit der Ruhe, Mathilda. Wir können gleich losfahren.«

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»Du willst gleich losfahren? Wie soll das funktionieren? Du steckst noch immer in deinem Schlafanzug!«

»Na und? Ein Mann im Schlafanzug ist praktisch abreisefertig. Los, Justus! Deine Tante versteht heute Morgen keinen Spaß.«

Es war der wichtigste Einkaufstag des Jahres. Zumindest für Tante Mathilda. Denn nur einmal im Jahr verkaufte der clevere Geschäftsmann Porter alles in seinem Laden zum halben Preis. Die Sache hatte natürlich einen kleinen Haken: Bei den meisten Angeboten war das Haltbarkeitsdatum schon fast abgelaufen, und Mr Porter war froh, dass die Sachen aus seinen Regalen verschwanden. Für die Familie Jonas aber kamen diese günstigen Angebote gerade recht. Bei jedem Dollar mussten sie genau überlegen, wofür sie ihn ausgaben. Sie lebten von dem kleinen Schrottplatz, den Onkel Titus betrieb. Viel warf das Geschäft nicht ab. Justus wohnte hier, seit er fünf Jahre alt war. Seine Eltern waren damals bei einem Unfall ums Leben gekommen. Doch er fühlte sich sehr wohl bei Tante Mathilda und Onkel Titus. Sie waren für ihn fast wie seine richtigen Eltern.

Mittlerweile hatte Onkel Titus draußen auf dem Hof den alten Pick-up gestartet. Der Transporter war zwar schon in die Jahre gekommen, doch er leistete immer noch gute Dienste. Porters alljähriger Ausverkauf gehörte zu den Höhepunkten von Rocky Beach. Darum wollten auch Peter und Bob dabei sein. Nervös blickte Tante Mathilda auf die Uhr. »Justus, wenn deine beiden Freunde nicht gleich auftauchen, dann fahren wir ohne sie los. Ich freu mich ja, dass sie uns beim Tragen helfen wollen, aber wenn sie nicht pünktlich sind, schaffen wir das auch allein.«

In diesem Moment fuhren Peter Shaw und Bob Andrews mit ihren Rädern durch die breite Toreinfahrt, über der ein Schild hing mit der Aufschrift: Titus Jonas’ Gebrauchtwarencenter. Onkel Titus mochte es nicht, wenn man Schrott zu seinem Schrott sagte. Für ihn waren das Wertstoffe. Seiner Meinung nach konnte man nämlich alles irgendwann noch einmal brauchen.

Justus schob sich das erste Wurstbrot aus Tante Mathildas Plastikdose in den Mund. »Da seid ihr ja endlich«, rief er seinen Freunden entgegen und grinste. »Ich warte schon seit Stunden auf euch. Wir wollten gerade abfahren.« Bob lachte zurück. »Ach ja? Und darum hast du auch noch deine Hausschuhe an, oder?« Justus wurde rot. Er wusste, dass er durch die Hausschuhe überführt worden war. Musste das gerade ihm passieren! Schließlich war er der Anführer der drei Detektive. Peter stellte sein Rad an der Veranda ab. »Dann auf ins Gewühl! Ich bin gespannt, was heute bei Mr Porters Schlussverkauf los ist.«

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Die drei ??? setzten sich in den Pick-up, und Bob kurbelte die Seitenscheibe herunter. »Just, mach dich nicht so dick«, schimpfte er. »Ich krieg kaum noch Luft.«

»Ich mach mich nicht dick«, rief dieser genervt zurück. »Ich bin so gebaut. Eben etwas kräftiger.«

Sie brauchten nur eine knappe Viertelstunde, bis sie den Marktplatz von Rocky Beach erreicht hatten. Tante Mathilda hielt nervös nach einer Parkmöglichkeit Ausschau. »Was habe ich euch gesagt: Wenn man zu spät kommt, dann sind die besten Plätze belegt. Jetzt müssen wir alles, was wir kaufen, weit tragen.«

Direkt neben dem Brunnen in der Mitte des Marktplatzes stand ein Jeep. Er war angemalt wie ein Fahrzeug für Safaris.

Peter deutete in die Richtung. »Wir können uns neben den Jeep stellen. Heute ist das Parken ausnahmsweise fast überall erlaubt. Kommissar Reynolds hat dazu eine persönliche Sondergenehmigung erteilt. Ich weiß das aus der Zeitung.« Onkel Titus strahlte. »Na bitte! Und da sagt man, die Jugend von heute lese keine Zeitung mehr. Bravo!« Doch Peter fügte leise hinzu. »Äh, na ja, ich habe die Zeitung als Unterlage für meinen Meerschweinchenkäfig benutzt. Ich habe das nur zufällig gelesen.«

»Zufall oder nicht, Peter. Dank deiner Meerschweinchen haben wir einen Parkplatz gefunden. Auf ins Gewühl!«

Eispause

In diesem Jahr war der Ansturm bei Mister Porter noch größer als in den Jahren zuvor. Der Kaufmann hatte vor seinem Laden große Tische aufgebaut und die Ware aufgestapelt. Es gab Berge an Zuckertüten, stapelweise Konserven, unzählige Gläser mit Gurken und Gemüse, eingeschweißte Salami, Kisten voller Bonbontüten und noch viel, viel mehr. Die halbe Stadt war versammelt, und jedermann packte emsig die bereitstehenden Einkaufskörbe voll. Einige hatten sogar Schubkarren dabei. Vor dem Geschäft aber stand der Ladenbesitzer auf einer kleinen Bühne. Er trug einen alten Cowboyhut und brüllte in sein Megafon: »Meine Damen und Herren! Treten Sie näher! Nur heute, nur hier und jetzt gibt es fast alles für die Hälfte. Das heißt fünfzig Prozent sparen und das Doppelte für das gleiche Geld bekommen. Also halber Preis und zweimal so viel mitnehmen. Für jeden Dollar, den Sie ausgeben, behalten Sie einen in der Brieftasche. Alles 1-a-Ware. Heute so gut wie morgen. Vergessen Sie überteuerte Preise, und vergessen Sie das Haltbarkeitsdatum. Wer heute nicht kauft, ist doof.«

Der Sonderverkauf glich einem kleinen Volksfest. Porter hatte sogar neben seinem Laden eine aufblasbare Hüpfburg für Kinder aufgestellt. Tante Mathilda gab jetzt Anweisungen. »Macht euch bereit! Titus, du besorgst Mehl und Zucker. Schnapp dir, soviel du tragen kannst. Und ihr drei kümmert euch um Obstkonserven. Ich brauche Ananas, Pfirsiche und natürlich Kirschen. Und davon jede Menge, denn dieses Jahr hat unser Kirschbaum nicht viel getragen.«

Justus schnappte sich eine der großen Taschen, die Onkel Titus auf der Ladefläche des Transporters bereitgelegt hatte. »Peter, Bob! Habt ihr das gehört? Es geht um unseren Kirschkuchen. Gebt alles!« Dann rannten alle wild durcheinander, und der Großeinkauf für die Familie Jonas begann.

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Nach knapp einer Stunde war alles vorbei. Völlig erschöpft trugen die drei ??? die letzten Taschen zum Pick-up. Onkel Titus war so verschwitzt, dass er erst einmal seinen Kopf zur Kühlung ins Brunnenbecken hielt. »Ich kann nicht mehr, Mathilda«, stöhnte er. »Zum Glück ist nur einmal im Jahr Schlussverkauf.« Seine Frau warf einen Blick in ihr leeres Portemonnaie. »Aber es war ein Erfolg: Das Geld ist weg, und der Pick-up ist voll. Mit dem, was wir gekauft haben, werden wir lange auskommen.«

Auf der kleinen Bühne stand schweißgebadet Mister Porter. Seinen Cowboyhut hatte er längst verloren, und nur noch mit letzter Kraft krächzte er ins Megafon: »Das war’s, Leute! Ihr habt mich leer gekauft. Morgen gibt’s wieder frische Ware. Dann heißt es doppelte Qualität zum doppelten Preis. Bis zum nächsten Mal.«

Allmählich leerte sich der Marktplatz, und die Einwohner von Rocky Beach verschwanden mit ihren Einkäufen. Tante Mathilda kramte noch einmal tief in ihrer Geldbörse. »Es sind sogar noch ein paar Münzen übrig. Zum Dank lade ich euch alle zu Giovanni ein.« Die drei ??? und Onkel Titus strahlten.

Das Eiscafé von Giovanni befand sich direkt gegenüber von Porters Laden, auf der anderen Seite des Marktplatzes. Daneben war die Polizeiwache. Justus klatschte in die Hände. »Lecker! Ein Eis! Das ist genau das, was wir jetzt brauchen.«

Auch Giovanni profitierte von dem Schlussverkauf bei Porter. Die meisten Tische waren besetzt. Zum Glück fanden sie alle fünf Platz unter einem bunten Sonnenschirm. Giovanni begrüßte die Familie Jonas freundlich. »Buongiorno. Was darfe de liebe Giovanni euch in die Waffel drücken?« Tante Mathilda zählte noch einmal ihr Geld. »Für jeden eine Kugel Eis ohne Sahne. Aber bitte mit Streuseln und mit dieser kleinen Waffel obendrauf. Die kostet doch nichts, oder?«

Giovanni verzog sein Gesicht. »Mamma mia. Heute wollen aber auch alle nur sparen. Bei mir gibt es aber nix Rabatt. Immer gleiche Preis. Immer gleiche Qualität. Eis kommt pronto.«

Plötzlich stand ein älterer Herr am Nebentisch abrupt auf. Er trug einen kurzen, weißen Bart und ein olivfarbenes Safarihemd. Konzentriert starrte er in die Luft. Onkel Titus beugte sich zu ihm. »Mein Herr, ist Ihnen nicht gut? Brauchen Sie Hilfe?«

Der Mann starrte weiterhin stur nach oben. »Nein, alles gut. Bewegen Sie sich nicht! Über mir fliegt ein Greta Oto.« Neugierig drehte sich jetzt auch Justus um. »Ein Greta Oto? Was ist das denn?«

»Das ist ein seltener Glasflügel-Schmetterling. Gehört zur Gattung Greta Oto. Eigentlich trifft man sie nur auf der Insel Kuba an. Eine Sensation!«

In diesem Moment kam Giovanni mit dem Eis. »So, prego. Funfmal eine Kugel Eis mit die Waffel, die nix kostet, und …« Weiter kam Giovanni nicht, denn er wurde lautstark von dem Herrn unterbrochen. »Nicht bewegen! Mein Greta flattert sonst davon.«

»Prego?«

»Nein, Greta. Behalten Sie den Schmetterling im Auge, ich bin gleich wieder da.« Wie eine Katze schlich er sich vorsichtig weg. Dann rannte der Mann plötzlich los und war für sein Alter erstaunlich schnell. In der Hand hielt er einen Gehstock mit einem goldenen Griff in Form eines Schlangenkopfes.

Schmetterlingsjagd

Bob tippte sich an die Stirn. »Der Opa lag wohl zu lange in der Sonne. Was will der denn mit einem Schmetterling?«